Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 15: Aufsatz ------------------- Verschlafen rieb ich mir die Augen. Der Fernseher lief immer noch. War Joey auch eingenickt? Ein Blick nach oben zeigte mir Gegenteiliges. Mein Freund war in seinen Block vertieft, einen Bleistift in der Hand. Er zeichnete wohl wieder. Beim Anblick des Blockes wurde mir flau im Magen. Joey wusste noch gar nichts von meiner kleinen Spionageaktion. „Mh, ich hatte eigentlich gehofft, mit einem Kuss geweckt zu werden.“ Gespielt schmollend schob ich meine Unterlippe nach vorne und sah zu meinem vermeintlichen Kopfkissen. Dieses lächelte schief und erfüllte mir meinen Wunsch sogleich. Unsere Lippen berührten sich, ganz flüchtig nur, aber es war genug, um mich vollends wach zu bekommen. „Na, wieder einigermaßen fit?“ Joey widmete sich gleich wieder seiner Arbeit. „Mehr oder weniger. Mir brummt noch immer der Schädel – was machst du da?“ Gespielt neugierig setzte ich mich auf und streifte dabei die Decke ab. Ich gähnte ausgiebig. Joey hielt mir dabei den Block unter die Nase. Die Zeichnung zeigte mich und Mokuba, wie letzterer es sich auf meinem Schoß bequem gemacht hatte. Der junge Teenie strahlte förmlich. Meine Arme waren um seine Brust gelegt und ich lächelte entspannt. „Wie bist du denn auf die Szene gekommen? Außerdem – woher kannst du so gut zeichnen? Was du im Kunstunterricht fabrizierst, das ist weit von dem da entfernt.“ Ich setzte mich neben Joey und schmiegte mich an seine Schulter, das Kunstwerk eingehend begutachtend. Es war wieder perfekt, in meinen Augen zumindest. „Mh, der Kunstunterricht ist auch scheiße. Wir zeichnen dauernd solchen Rotz wie Blumen oder Obst, oder sonstigen Mist. Das hier ist was Anderes. Da mäkelt die Lehrerin nicht dauernd rum. Mokuba hat mir mal erzählt, er hätte von sowas geträumt. Er scheint dich wirklich sehr zu mögen.“ Ich schmunzelte amüsiert. Dass Mokuba an mir hing, war mir auch schon aufgefallen, dass er aber auch von mir träumte – interessant. „Du weißt schon, dass das in meinen Augen preisverdächtig ist? Ich habe zwei linke Hände, was Kunst angeht. Zeichnen liegt mir überhaupt nicht. Ich hoffe, Mokuba hat das Kaiba nicht erzählt, sonst habe ich ein handfestes Problem.“ Joey legte grinsend seine Zeichenutensilien beiseite und drückte mich mit sanfter Gewalt wieder in seinen Schoß. Dort angekommen, strich er mir über die Stirn und die Haarspitzen. Ich seufzte leise und genoss die Streicheleinheit. „Mh, keine Angst, zwischen Kaiba und Mokuba drängt sich niemand. Die zwei halten immer zusammen, egal was kommt. Du bist nur ein wenig lockerer drauf als Seto. Außerdem hast du mehr Zeit.“ „Du auch, oder? Ich meine, von dir scheint er mehr als nur angetan zu sein. Joey hier, Joey da.“ Ganz beiläufig versuchte ich nach dem Zeichenblock zu greifen, wurde dabei aber aufgehalten. Joey schlug mir auf die Finger und schüttelte den Kopf. „Zum Schauen braucht man keine Finger.“ Er grinste noch immer, was aber sehr aufgesetzt wirkte. „Ist ja gut – hast du die Mona Lisa abgepaust, oder was versteckst du da drinnen?“ Joey wurde schlagartig ernst und klappte den Block zu. Eilig zwängte er Papier und Stift in die Sofaritze neben sich, außerhalb meiner Reichweite. „Nichts, was für deine Augen bestimmt wäre – zumindest jetzt noch nicht. Eine Überraschung.“ Ich zog die Brauen in die Höhe: „Eine Überraschung? Du weißt, dass du mich damit nur noch neugieriger gemacht hast?“ „Weiß ich, darum habe ich es auch so aufgezogen.“ Joey grinste wieder breit und ehrlich, nur um mich dann auf die Stirn zu küssen. Als er sich wieder lösen wollte, schlang ich meine Arme um seinen Hals und zog ihn wieder zu mir hinab. Dieses Mal küsste ich ihn, inniger, leidenschaftlicher als die letzten zaghaften Versuche. Ich knabberte an seiner Unterlippe. Sekunden später öffnete er seinen Mund und verwob unsere Zungen in einem feurigen Tanz. Immer intensiver und heftiger wurde der Kuss. Meine rechte Hand wanderte nach oben, zu Joeys Haaren, und krallte sich in diesen fest. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, unregelmäßig und warm. Seine Nasenflügel blähten sich auf, genau wie die meinen. Keiner von uns wollte sich lösen; den Moment voll auskosten. Schlussendlich gab ich nach trennte unsere Lippen voneinander. „Wie kommt es eigentlich, dass du so gut küssen kannst? Ich bin nicht dein erster Freund, oder?“ Ich schrägte den Kopf ein wenig und musterte Joey, welcher sich langsam aufrichtete. Sein betretener Blick war Antwort genug. „Und? Wer war der Glückliche?“ „Willst du gar nicht wissen.“ „Wollen ja, dürfen anscheinend nein. Joey, es ist okay, wenn ich nicht dein erster Freund bin. Egal wer es ist, es stört mich nicht, ganz sicher nicht.“ Ich legte bei meinen Worten die Hand an seine Wange. „Wenn du es erzählen möchtest, wirst du es mir schon sagen, okay? Ich möchte dich zu nichts drängen.“ Seine Stimme, sein Auftreten – von einem Moment auf den anderen wirkte er wieder verletzlich. Mir bereite dieser ständige Wechsel ein wenig Sorgen. Joey nickte schwach und strich dann mit seinen Lippen über meine Fingerspitzen. Jede einzelne wurde mit einem weichen, zarten Kuss bedeckt. Fühlte er sich schuldig? Das Gefühl genießend, so verwöhnt zu werden, wartete ich ab, bis mein Freund mit seinen Liebkosungen fertig war. „Joey? Mal abgesehen davon, dass wir noch deinen Englischaufsatz bearbeiten müssen – möchtest du vielleicht heute noch hierbleiben?“ Ich stellte die Frage bewusst vorsichtig und ließ etwaige Andeutungen auf sein Zuhause aus. Einerseits mochte ich seine Nähe, jetzt mehr noch als ohnehin schon, andererseits wollte ich ihm eine Art Rückzugsort schaffen, wenn die Vermutungen unserer Freunde wirklich stimmen sollten. „Irgendwann muss ich aber auch mal nach Hause, David. Sonst schöpft jemand Verdacht. Außerdem, ich habe nichts zum Anziehen hier, außer deinen zwei geborgten Sachen.“ Ich rollte mit den Augen. „Erde an Joey – ich bin auch ein Kerl? Ich treibe schon noch etwas Kleidung auf. Außerdem kannst du es als Lernbesuch abtun? Wir machen deinen Aufsatz, ziehen uns später noch einen Film rein und gehen dann ins Bett? Dabei denkt sich niemand etwas – alle wissen, dass wir gute Freunde sind. Deinen Vater kannst du ja anrufen und ihm sagen, dass er sich keine Sorgen machen muss.“ Ich hielt die Luft an. Wie würde er jetzt reagieren? Sein Blick verhärtete sich, nur für einen kurzen Moment. Dann schüttelte er lächelnd den Kopf: „Der macht sich schon keine Sorgen. Ist nicht das erste Mal, dass ich länger auswärts bin. Wenn es dich wirklich nicht stört?“ Ich boxte Joey lachend gegen die Schulter. „Mh, klar stört es mich – darum biete ich es dir ja an. Außerdem, jetzt wo wir ansatzweise zusammen sind, ist es total unüblich und lästig, wenn du in meiner Nähe bist. Gib´s zu, du hast gehofft, dass ich dich frage, oder?“ Ein bestätigendes Nicken und einen flüchtigen Wangenkuss später zog ich mich in die Höhe und streckte mich. „Dann kramst du schon mal einen Zettel hervor, und ich suche dir inzwischen ein paar Sachen für heute.“ Gesagt getan stand ich auch schon in meinem Schlafzimmer und durchforstete den Kleiderschrank. Meine Auswahl an Klamotten für Joey war wirklich stark begrenzt – er war größer und breiter als ich. Dennoch, ein weitgeschnittenes, rotes T-Shirt, welches für mich grade noch an der Grenze des Tragbaren war, und eine weite, kurze Trainingshose konnte ich dennoch auftreiben. Zurück im Wohnzimmer saß Joey bereits über einem Blatt Papier gebeugt und seufzte leise. Die Haare an seinem Hinterkopf standen ein wenig ab, so als hätte er sich mehrmals gekratzt. „Na du siehst aber verzweifelt aus – was los? Findest du kein Thema, oder was?“ „Was hast du denn geschrieben? Ich mag Aufsätze nicht, schon gar nicht in einer fremden Sprache, und dann noch ohne Themenvorgabe.“ Frustriert warf Joey Stift und Zettel auf den Tisch und ließ sich im Stuhl zurücksinken. „Eine fiktive Geschichte. Es geht um einen jungen Ritter, welcher in die Frau seines Herren verliebt ist. Sie liebt ihn auch, aber nicht so. Beide sind enge Vertraute, und er beschützt sie, wo er nur kann. Schlussendlich bringt sie den ersehnten Erben auf die Welt und bricht ihm damit das Herz, weil es nun kein Zurück mehr gibt. Außerdem ist er anständig erzogen – er hat einen Eid abgelegt. Der Zwiespalt zwischen Moral und Gefühl, Versprechen und Schwäche wird näher beleuchtet.“ Joey schrägte den Kopf: „So wie bei König Artus? Lancelot und Artus´ Frau? Wie lange ist das Ding? Kann ich es mal lesen?“ Ich nickte lachend: „Klar darfst du ihn lesen. In der Mappe unter der Fernsehzeitschrift, rechts von dir. Zu deiner Frage – ein wenig vielleicht. Lancelot ist eine meiner Lieblingsfiguren, das hast du richtig erkannt. Der Ritter ist auch an ihn angelehnt, aber unterscheidet sich deutlich. Es ist mehr eine Art distanzierte Liebe – er würde sie nie in Gefahr bringen, speziell nicht, den Zorn ihres Mannes auf sie zu lenken.“ Der Blonde griff unter die Fernsehzeitung und zog den roten Schnellhefter hervor. Eifrig blätterte er die Mappe durch und begann dann zu lesen. „The tale of Sir Andir“ Ich machte mich inzwischen daran, den Backofen vorzuheizen und zwei Fertigpizzen als Abendessen zu kredenzen. „Er ist verflucht? Woran leidet er denn?“ Joey drehte sich zu mir herum und setzte sich verkehrt auf den Stuhl. Seine Arme drapierte er dabei auf der Lehne. „Er ist ein Werwolf. Andir kann es nur sehr schwer kontrollieren. Die Bestie kämpft dauernd in seinem Inneren mit ihm.“ Ein Blick auf die digitale Uhr am Ofen zeigte mir, dass wir noch gut zehn Minuten warten mussten. „Er muss sie sehr lieben, wenn er ihr sogar sein eigenes Kind schenken würde. Warum ist er nicht durchgebrannt mit ihr? Sie scheint ihn ja auch zu lieben.“ „Weil er einen Eid geschworen hat. Wenn man etwas schwört, oder verspricht, muss man sich auch daran halten. Das ist zumindest mein Grundsatz. Außerdem würde er sie nur unnötig in Gefahr bringen so. Sein Herr ist streng aber gerecht, und er schätzt Andir für seine Fähigkeiten. Es geht ihm eigentlich gut.“ Joey schüttelte den Kopf: „Aber er unterdrückt doch dauernd etwas, oder? Ich meine, das mit dem Werwolf, dann noch seine Angebetete in den Armen eines anderen zu sehen…“ Ich nickte leicht: „Ja, da magst du Recht haben. Es ist auch schwer, aber er stellt sich selbst zurück, weil er sie abgöttisch liebt. Ihr Kind ist zur Hälfte die Person, für die er bedingungslose Hingabe empfindet – daher muss er den Kleinen auch beschützen. Was sie liebt, liebt auch er.“ „Dann müsste er ja auch den Lord lieben, oder?“ „Auch da magst du Recht haben. Andir mag ihn auch, aber er ist sich nicht sicher, ob die Heirat richtig war. Das würde er natürlich niemals zugeben, dennoch – ein Teil von ihm hat schon einmal mit dem Gedanken gespielt durchzubrennen, ja.“ Das Piepsen des Backofens signalisierte mir, dass ich unser Abendessen aus dem Rohr holen konnte. „Das ist keine Kurzgeschichte, oder?“ Ich schüttelte auf Joeys Frage hin den Kopf. „Er ist auch nicht Lancelot, er ist du, oder?“ Dieses Mal nickte ich und packte die Pizzen auf zwei große Teller. „Das eine Mädchen, oder?“ Erneut nickte ich. Dass er so schnell kombinieren konnte und so sensibel war erstaunte mich. „War es wirklich so?“ „Nein, Joey. Viele Dinge sind natürlich fiktional, der Werwolf, die Dialoge – im richtigen Leben haben wir wenig miteinander gesprochen, ich und sie, am Ende zumindest. Aber der Kern ist wahr, oder war es einmal.“ Bemüht lächelnd stellte ich ihm sein Essen vor die Nase und setzte mich neben ihn. „Schwamm drüber, jetzt habe ich ja dich.“ Damit gab ich ihm einen Schmatzer auf die Wange, was Joey ein Lächeln ins Gesicht zauberte. „Ich habe eine Idee. Nach dem Essen verziehe ich mich einmal ins Bad und dusche ausgiebig. Währenddessen schreibst du deinen Aufsatz und ich lese drüber, einverstanden?“ Joey seufzte leise und schob sich das erste Stück Pizza in den Mund. „Du bist gut, ich weiß nicht mal ein Thema…“ „Natürlich weißt du eines. Du könntest doch über ein Team schreiben.“ Lächelnd zerkaute ich ein Stück Salamipizza und beobachtete Joey beim Grübeln. „Team? Fußball oder was?“ „Mh, ich dachte eher an den Schwarzen Magier und den Flammenschwertkämpfer, wie sie sich durch ein Labyrinth voller Gefahren kämpfen.“ Mein Vorschlag gefiel Joey wohl– er strahlte über das ganze Gesicht. „Stimmt; genial David! Mache ich gleich nach dem Essen.“ Rasch hatten wir unser Abendmahl verschlungen und ich verkrümelte mich ins Bad. Kurz bevor ich die Tür schloss konnte ich durch den Spalt einen euphorischen Joey beobachten, welcher mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. So eifrig hatte ich ihn noch nie gesehen. Der Stift schien geradezu über das Papier zu fliegen und seine Miene war eindeutig verträumt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)