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Ein Austausch mit Folgen

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Ein Licht am Ende des Tunnels

„Du hast also auch panische Angst vor Spinnen?“ Nach einer kurzen Pause, in der ich mich noch ein wenig mehr beruhigen konnte, waren Joey und ich wieder losmarschiert. „Hatte, und ja.“ Mein Freund nickte bestätigend auf meine Frage. „Wir waren einmal alleine zuhause, als Serenity ganz panisch nach mir gerufen hat. In ihr Zimmer war eine Spinne gekrabbelt und hockte auf ihrem Schreibtisch. Ich selbst hatte auch Riesenschiss vor dem Vieh, aber Serenity, wie sie weinte und schluchzte, und sich an mich drückte…“ Joey schüttelte gedankenverloren den Kopf.
 

„Serenity ist wer?“ Nachdenklich betrachtete ich den blonden Flammenschwertkämpfer, der im Gehen an dem Kettenbumerang an seiner rechten Hand herumnästelte. „Habe ich vorhin doch gesagt? Meine kleine Schwester.“ Hatte er das? Stimmt, da war etwas mit Liebe gewesen.
 

„Du hast eine kleine Schwester? Davon hast du mir gar nichts erzählt.“ Ich dachte, Joey und sein Vater wären alleine. Tristan hatte einmal etwas erwähnt, aber nur flüchtig. „Mh, habe ich. Darum habe ich auch im Königreich der Duellanten gekämpft.“ Gerade als ich weiterfragen wollte, hob Joey alarmiert den Kopf. „Hörst du das auch?“ Ich lauschte angestrengt und konnte nichts hören. Gar nichts.
 

„Nein, es ist ruhig. Zu ruhig.“ Mir war erst jetzt aufgefallen, dass nur wir zwei Geräusche machten. Die anderen Hintergrundgeräusche, wie das stete Tropfen des Wassers oder die fiependen Mäuse und Ratten waren verstummt. „Genau. Das ist ein schlechtes Zeichen.“ Ich konnte erkennen, wie Joey sich in dem schmalen Gang umsah. Wir hatten bisher noch keine Gabelung erreicht; vielleicht hatte er sich mit dem Labyrinth geirrt?
 

„Bisher war das Ganze viel zu einfach. Wenn Kaiba wirklich als Basis sein altes Game als Basis genommen hat, dann…“ Altes Game? Irritiert blickte ich zu Joey hinüber. Was faselte er da? War das alles hier nicht neu programmiert worden? Das würde zumindest erklären, warum Joey sich so gut auszukennen schien.

Der gesamte Komplex um uns herum begann zu vibrieren. Staub rieselte von der Decke, und sowohl Joey als auch ich hatten Mühe, uns auf den Beinen zu halten. Das Schaben von Stein auf Stein ließ mich aufhorchen. Taumelnd blickte ich über die Schulter und konnte erkennen, wie sich hinter uns eine Mauer emporschob. Das gleiche Schauspiel bot sich in Richtung vor mir. „Genau wie im Duell damals! Man versucht uns zu trennen, ganz sicher!“
 

Ehe ich wusste, wie mir geschah, hatte Joey seinen Rücken schon an mich gepresst und sein Schwert in beide Hände genommen. Breitbeinig nahm er eine kämpferische Haltung ein. „Konzentriere dich! Ich bin mir sicher, dass wir gleich angegriffen werden!“ Die Stimme meines Teampartners übertönte die lautstarke Veränderung der räumlichen Gegebenheiten nur schwer. Mir war eher nach Rennen zumute, in die einzige Richtung, welche uns noch geblieben war. Rechts von mir war ein Gang aufgetaucht. „Sicher, dass das eine gute Idee ist Joey? Schau mal, neben uns ist ein Weg erschienen“ brüllte ich meinem Kollegen zu. „Vertrau mir!“ Vertrauen. Wieder verlangte Joey, dass ich ihm einfach folgen sollte.
 

„Tu es. Er hat bisher auf dich aufgepasst oder?“ Erneut die fremde Stimme. Auch dieses Mal hatte sie Recht. Wir zwei waren ein gutes Team. Warum sollte ich also zögern? So spreizte ich meine Beine ein wenig und atmete tief durch, meinen Stab in den Gang vor mir richtend. Die Wände um uns bewegten sich. Wo zuvor noch ein Durchlass war, lachte mir kalter Stein entgegen und umgekehrt. Einzig der Gang vor mir war nach wie vor frei. Das Spiel wiederholte sich noch eine Weile, bis vor Joey und mir jeweils ein Weg in die Schwärze führte. Dann herrschte wieder Stille.
 

„Und jetzt?“ Fragend lugte ich über die Schulter. Joey hatte seine Haltung um keinen Millimeter geändert. „Wenn mich nicht alles täuscht, müsste gleich ein Labyrinthpanzer auftauchen.“ Seine Stimme war so ruhig wie eh und je. Er hatte wohl seine Gefühle entweder besser im Griff als ich, oder war er diese Form der virtuellen Realität einfach gewohnt.
 

Das heißt?“ Meine Wenigkeit richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Lücke im Mauerwerk vor mir. „Dass wir Arbeit bekommen.“ Tatsächlich – in der Ferne war ein metallisches Rattern zu hören? Der Labyrinthpanzer? „Letztes Mal sind wir davongerannt; dieses Mal sind wir aber vorbereitet.“ Joey schien mit sich selbst zu sprechen. Ich wollte gerade etwas erwidern, als vor mir ein grelles, gelbes Licht, wie von Autoscheinwerfern, auftauchte. Mit Mühe konnte ich dem Drang wiederstehen, mir die Hand vors Gesicht zu halten. Tatsächlich, ein blaues, metallisches Gefährt mit rotem Bohrer an der Spitze raste auf mich zu. Ich konnte spüren, wie sich Joeys Rückenmuskulatur anspannte, so dicht standen wir beieinander.
 

Meine linke Hand hatte sich so fest um den Stab des Schwarzen Magiers gepresst, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Das hier war auch nicht anders, als damals mit Mokuba. Außerdem, ich war die mächtigste Karte in meinem Duel Monsters Deck. Was sollte mir schon passieren? Ich drehte den Stab ein wenig und streckte ihn dann aus, in Richtung des Labyrinthpanzers.
 

„Salamandra!“ Joeys Stimme ließ mich innehalten. Mit einem ohrenbetäubenden Laut explodierte hinter mir etwas. Staub und Rauch vernebelten mir die Sicht und zwangen mich zu einem Hustenanfall. Zeitgleich näherte sich der Labyrinthpanzer immer noch unserer Position. Ich versuchte mich ein wenig zu orientieren. Da war es wieder, das Licht. Selbstsicher reckte ich meinen Stab in die Höhe und an der Perle in der Stabfassung knisterten schwarze Blitze. „Schwarze Magieattacke!“ Den Labyrinthpanzer vor mir musste das gleiche Schicksal wie Jirai Gumo ereilt haben. Mit einem klirrenden Laut zersprang etwas und ich gab mich dem nächsten Hustenanfall hin. Das hätten sie sich auch sparen können, virtuelle Realität hin oder her. Ich fragte mich kurz, was wohl passieren würde, wenn man hier drinnen erstickt, als ich realisierte, dass ich Joeys Rücken nicht mehr an mir fühlen konnte. Panisch drehte ich mich um und konnte meinen Freund erkennen, wie er sein Schwert auf den Rücken schnallte.
 

Ich erkannte diesen Joey gar nicht, oder nur schwerlich. Er schien nicht einmal aus dem Konzept geraten zu sein. „Alles dran an dir?“ Keuchend nickte ich, bevor der Flammenschwertkämpfer mich in den Gang hineinzog, aus dem sein Gegner gekommen war.

„W-Warum nicht den a-anderen Gang, Joey?“ Dieser murmelte nur leise etwas und zog mich hinter sich her.
 

Nach kurzer Zeit konnte ich wieder einigermaßen selbst laufen, außerdem war der Rauch abgeklungen. Schweigend folgte ich meinem Freund, welcher vor einem Mauerstück Halt machte. Wir waren in einer Sackgasse angelangt. Ich erwartete, dass Joey und ich wieder kehrt machen würden. Der blondhaarige Schwertkämpfer dachte aber nicht einmal daran. Stattdessen begann er die Wände abzuklopfen. „Joey? Sollten wir nicht umdrehen?“ Mein Freund schüttelte leicht den Kopf auf meine Frage hin. „Zwecklos. Das Labyrinth verändert sich. Es muss hier weitergehen.“ Mir lag auf der Zunge zu fragen, woher Joey denn wusste, dass wir nicht mehr zurück konnten, als ich seiner Vermutung wohl teilweise Recht geben musste.
 

„Schau mal Joey, die Wand neben mir.“ Ich deutete auf die geschliffene Steinmauer neben mir. Hauchdünne Risse waren auf der Oberfläche zu erkennen. Flammenschwertkämpfer-Joey begutachtete die Wand neben mir eingehend. „Stimmt. Dann wollen wir mal.“
 

Mit einem Ruck zog der virtuelle Krieger seine Waffe und umfasste sie mit beiden Händen. Ich konnte wieder diese unangenehme Hitze fühlen, welche sich durch meine Rüstung bohrte. Wie Joey das aus nächster Nähe aushalten konnte war mir ein Rätsel. Ein Flammenwirbel tanzte die Schwertklinge entlang, wie eine riesige, orangerote Schlange, welche sich am Ende selbst in den Schwanz beißt. Mit einer enormen Wucht begann Joey auf die Mauer einzuschlagen. Nach kurzer Zeit zeigte seine Handlung auch schon die erste Wirkung: Das Mauerwerk begann zu bröckeln. Die heiße Klinge fraß sich in das Gestein und zermürbte es ganz langsam. Geschätzte zehn Minuten später hatte Joey einen Durchgang für uns erschaffen.
 

„Du siehst mich beeindruckt, und das kommt bei mir selten vor.“ Woher hatte er gewusst, wo er suchen musste? Wenn ich richtig schlussfolgerte, dann musste sich auch der Durchgang bei jedem neuen Spieldurchlauf an einer anderen Stelle befinden. „Kleinigkeit, komm. Ich wette, Kaiba hat hier irgendwo ein Secret versteckt.“ Vorsichtig stieg ich hinter Joey durch die Öffnung. Das Schaben von Stein auf Stein hinter mir verriet, dass wir gezwungen waren weiterzugehen. Sicherheitshalber drehte ich mich um und tastete die reparierte Wand ab. Die Risse waren verschwunden, genauso wie die Öffnung.
 

„Die Wände haben sich wieder verändert. Da ist jetzt kein Durchkommen mehr. Hilf mir mal lieber.“ Ich blickte zu Joey, welcher vor einer Zellentüre stand. Durch die Gitterstäbe konnte man etwas leuchten sehen. Wortlos hob mein Freund die Waffe wieder über den Kopf und schlug mit voller Wucht auf die Türe – nichts passierte. Das gleiche Spiel wiederholte er mit seiner aufgeheizten Flammenklinge. Mehrere Versuche später gab Joey dann schlussendlich auf. „Keine Chance. Wir brauchen wohl einen Schlüssel.“ Ich meinerseits begutachtete inzwischen die Türe genauer.
 

„Nicht zwangsläufig, Joey. Schau mal.“ Bei meiner Ausführung deutete ich auf die Scharniere. „Das ist zwecklos David. Wenn ich mit meiner Flammenklinge nicht durchkomme, kannst du die Tür erst Recht nicht eintreten.“ Ich kniete mich hin und tastete die Zellentüre ein wenig ab. „Rohe Gewalt ist nicht immer die beste Lösung. Hilf mir mal.“ Prüfend begutachtete ich meinen Stab. Das Material war federleicht und wirkte doch so robust. Ich vermutete ein besonderes Metall oder Ähnliches. Wer würde sich in der virtuellen Welt schon mit solchen Spitzfindigkeiten wie der Zusammensetzung seiner Waffe abgeben?
 

„Schieb dein Schwert mit der breiten Seite durch die untere Öffnung des Gitters.“ Ich tat das Gleiche mit meinem Stab auf der rechten Seite. Joeys Gesicht hellte sich auf und war schließlich von einem breiten Grinsen erfüllt: „Du willst die Tür aushebeln, oder?“ Mein Nicken brachte mir ein anerkennendes Lächeln meines Teampartners ein.
 

„Okay, ich zähle bis drei, dann heben wir das Ding an. Bereit? Eins, zwei, drei!“ Zeitgleich übten wir Druck auf die Enden unserer Waffen aus. Die Hebelwirkung ausnutzend, glitt die Tür tatsächlich aus ihren Angeln. Mit einem lauten Klirren fiel das Stück Metall auf den harten Steinboden. Unsere Mühen wurden tatsächlich belohnt. In der linken Ecke des Raumes glitzerte etwas vor sich her. „Hols dir. Du hast es dir verdient.“ Joey nickte in Richtung des vermeintlichen Secrets.
 

„Nein. Denk mal nach. Du hast wegen mir bereits zwei deiner Supportkarten verbraten. Nimm du es.“ Kurzes, betretenes Schweigen folgte, ehe Joey sich dem Secret näherte und es begutachtete. Eine sich drehende Duel Monsters Karte war von einem silbrigen Glanz umgeben. „Cool, ich darf mir eine Zauberkarte aussuchen.“ Zumindest zu etwas war ich nutze, ging es mir durch den Kopf. „Welche Supportkarten hast du eigentlich ausgewählt?“ Die Frage überrumpelte mich zugegebenermaßen ein wenig.
 

„Hm? Als Zauberkarte die Drachenklauen, als Fallenkarte Angriff annullieren, und als Monsterkarte…“ Ich konnte meinen Satz nicht beenden, da fiel mir Joey schon ins Wort: „Den Schwarzen Rotaugendrachen.“ Diese Schlussfolgerung zog er mit einer solchen Bestimmtheit, dass ich verblüfft den Kopf schüttelte.
 

„Nein? Ich dachte, den würdest du auswählen?“ Der behelmte Kopf schrägte sich ein wenig: „Habe ich auch, aber, was hast du dann gewählt?“ Ich lächelte schmal: „Ich wollte eigentlich dein Rotauge pushen, damit wir ein herausragendes Begleitmonster dabei haben. Ich habe den Beauftragten der Dämonen ausgesucht.“ Joeys Gesicht hellte sich zu meiner Verwirrung auf. „Dann ist die Entscheidung einfach.“ Sein Grinsen war schon fast ein wenig beängstigend.
 

„Ist sie das? Warum?“ Der Flammenschwertkämpfer machte nur eine wegwerfende Handbewegung: „Das siehst du dann später. Gehen wir.“ Wortlos, aber doch neugierig, mit einigen Fragen auf der Zunge, folgte ich Joey den schmalen Gang entlang, bis wir ein grelles Licht erkennen konnte. Endlich – der Ausgang.



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