Merlin von LenaVanTionas (Das Schicksal von Camelot) ================================================================================ Kapitel 21: Das Ende von Vielen (Teil 1) ---------------------------------------- Kapitel 21 - Das Ende von Vielen (Teil 1)     Merlin ließ Feuer in seiner Hand entstehen. Er trat vorsichtig einige Schritte an den Felsen näher, hinter welchem sich noch immer Morgana versteckte. Er wollte kein Risiko eingehen, falls es eine Falle sein sollte und sie irgendetwas plante, deswegen lieber ein Angriff von weitem. Merlin wollte ihr das Feuer gerade entgegenschleudern, als er eine Stimme in seinem Kopf hörte. Eine bekannte Stimme.   `Verzeih mir… Merlin…´   Es war Mordred. Seine Stimme war schwach und dünn, er hatte Mühe, ihn in Gedanken zu erreichen. Und in dem Moment, in welchem er die Stimme hörte, da spürte Merlin es ganz deutlich. Der junge Druide starb. Und es waren seine letzten Worte, welche er an seinen, in Mordreds Augen, größten Feind richtete. Doch sah der junge Druide noch einen Feind in ihm? Er hatte ihn Merlin genannt. Nicht Emrys. Und seine Stimme… so schwach wie sie war, Merlin konnte dennoch deutlich das Flehen darin hören… das Flehen um Vergebung…   In diesem Moment war es Merlin gleich, was sich vor ihm abspielte. Er dreht Morgana den Rücken zu, welche im Moment weniger eine Gefahr für ihn darstellte, und blickte dorthin, wo er Mordreds immer schwächer werdende Präsenz wahrnahm. Er wollte wissen, was geschehen war. Er musste es wissen. Merlin musste wissen, wer Mordred getötet hatte. Und damit das Schicksal in eine andere Richtung gelenkt hatte.   Und was der Schwarzhaarige sah, ließ ihn seine Augen aufreißen.     Der Roch kreischte freudig auf. Kehlig lachend reckte er seine Klauen, dehnte seinen Körper, spannte seine Flügel. Die Schlangen an seiner Kehrseite, welche zuvor wie leblos herabhingen, zischten nun gefährlicher als zuvor. Achtlos warf er den Körper, dessen Blut an seiner Klaue entlang lief, von sich. Für diesen hatte er nun keine Verwendung mehr. Lieber ergötzte sich die Bestie an der Macht, welche seinen Körper erfüllte. Was für ein herrliches Gefühl! Und das alles hatte er nur diesen idiotischen Menschen in seinem Spiel zu verdanken. Solche Narren! Mit jedem Tod, den sie verursachten, wurde er stärker. Die Sachsen, welche unter den Schwertern der Ritter von Camelot fielen… All die Seelen, die außerhalb dieses Areals umherwandelten… Und vor allem Mordred, der die größtmögliche Verzweiflung vor seinem Tode verspürte… Es war ein wahres Fest für den Roch! Sollte dieser Narr im Tode noch seinen Frieden gefunden haben und diese ekelhafte Zufriedenheit verspürt haben. Es war ihm gleich. Für den Roch zählte nur, dass er sich an seiner schier unermesslichen Verzweiflung laben und stärken konnte. Sein Körper gehorchte ihm wieder vernünftig und nun würde ihn nichts mehr aufhalten können. Auch dieser ach so große und mächtige Zauberer Emrys nicht!   Die kalten gelben Augen blitzten durch die Sehschlitze auf, als der Roch seinen Kopf hob und hinauf in den Himmel blickte, in welchem Kilgharrah mit seinen Flügeln schlug und auf seinen Gegner wartete. Der Drache wagte es nicht, einen Feuerstoß auszuüben, könnte dieser einen Verbündeten treffen, wenn der Roch auswich, doch das war der Kreatur nur Recht.   „Sieh es dir ganz genau an, Kilgharrah!“, kreischte der Roch und seine Klaue zeigte auf seinen Todfeind. Freudiger Wahnsinn erfüllte seine Stimme und die Umgebung. „Sieh dir an, wie ich deinen ach so tollen Meister versklave und auch du mir unterstehen wirst! HÄHÄHÄHÄHÄ!“ Die Augen des Drachen weiteten sich, worauf der Roch noch lauter lachte.   Wieso war er nicht schon früher darauf gekommen? Es war einfach perfekt! So viel Tod und Verzweiflung, Hass und Zorn… Der Roch fühlte sich so stark wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Und nun fühlte er sich auch endlich stark genug, um diesen großmäuligen Zauberer zu übernehmen. Ihn endlich in seine Gewalt zu bekommen. Denn tief in ihm spürte der Roch die Verzweiflung des Zauberers, nun, da seine Freunde von seinem Geheimnis wussten und er den Tod fürchten musste. Er würde sich diesen Funken zu nutze machen, ihn wachsen und gedeihen lassen, bis Emrys seine willenlose Marionette wäre. Was nützte ihn da schon diese armselige Hexe? Nur an ihrer Verzweiflung konnte er sich noch laben, doch das war auch schon alles. Wenn er erst Emrys unter Kontrolle hatte und damit auch Kilgharrah, dann konnte ihm keiner mehr gefährlich werden. Keiner!   Der Roch stieß sich ab, erfreute sich an dem leichten Gefühl, welches die Schwere von seinem Körper schüttelte und schlug mit den Flügeln. Noch nie war es ihm so leicht vorgekommen in sein Reich, den Himmel, emporzusteigen. Kilgharrah haderte nicht lange, sofort sandte er seinem Gegner ein Flammenmeer entgegen, doch darüber lachte die Bestie nur. Mit Leichtigkeit legte der Roch die Flügel an, stürzte sich hinunter, um den Flammen zu entgehen und schlug schnell wieder mit seinen Schwingen, um seinen Flug zu stabilisieren. Er fühlte sich so mächtig, er hatte das Gefühl, er könnte den Drachen mit seinen bloßen Klauen zerteilen. Doch das würde nur halb so viel Spaß machen. Der Angriff von Kilgharrah gab dem Roch die Zeit, sein Opfer ausfindig zu machen. Und es dauerte nur einen Augenblick, denn Emrys war in diesem Moment für ihn so auffallend wie ein Stern. Weit ab vom Geschehen. Alleine. Ohne seine Freunde. Und ohne die Hexe.   Der Roch fragte sich nicht eine Sekunde lang, was mit Morgana geschehen war, es interessierte ihn nicht. Und wenn sie bereits tot war, was kümmerte es ihn? Er hätte sie allerdings gerne selbst getötet, sie mit seinen eigenen Klauen zerfetzt… Doch das war nun unwichtig. Nun galt es, diesen Wicht unter seine Kontrolle zu bringen und damit für Kilgharrah die größte Schmach hervorzurufen. Denn er müsste auf ihn, den Roch hören, denn er würde Emrys die Befehle erteilen. Welch herrliche Vorstellung! Und wie es der Zufall so wollte, hafteten die Augen des Zauberers in diesem Moment genau auf der Bestie. Für den Roch war es eine noch viel größere Genugtuung, denn so würde er seine Niederlage unaufhaltsam auf sich zukommen sehen.   Der Roch konzentrierte sich, legte all seine Kraft, all seine schwarze Magie und die Macht der Beeinflussung, über welche er verfügte, zusammen und formte seinen Nebel, welcher ihm die Kontrolle über Emrys und somit über Kilgharrah verschaffen sollte. Eine Nebelwand, so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht würde sehen können, schoss genau auf Merlin zu, welcher seine Augen aufriss. Schützend hob er seine Arme, versuchte sich vor der Macht seines Gegners zu schützen, welche ihn traf, Merlin vollständig einhüllte, doch über diesen jämmerlichen Versuch konnte der Roch nur hämisch lachen.   Er hörte das wütende und auch verzweifelte Brüllen von Kilgharrah und es entlockte ihm ein lautes, kreischendes Lachen. So gut hatte er sich noch nie gefühlt. Und gleich müsste seine Freude ihren Höhepunkt erreichen. Der Roch breitete die Arme aus und es schien, als erkläre er sich bereits jetzt zum Herrscher über diese Welt.   Jeden Moment müsste sich der Nebel verziehen, vollständig in den Schwarzhaarigen eingedrungen sein und dem Roch die vollständige Kontrolle über den angeblich größten und stärksten Zauberer aller Zeiten gewähren. Und mit ihm die Gewalt über Kilgharrah. Und er würde dem Drachen jede Demütigung, jeden Schmerz hundertfach zurückzahlen, dass schwor sich der Roch. Jeden Moment musste es soweit sein und grenzenlose Macht und Möglichkeiten würden ihm gehören. Ebenso die gesamte Welt!   Doch stattdessen befiel eine Schwere seinen Körper, wodurch er sich kaum noch bewegen konnte. Erschrocken riss der Roch seine Augen auf und schlug schwer mit seinen Flügeln. Was sollte das?! Was ging da vor?! Der Roch spürte ganz deutlich die Verzweiflung und den Tod, vernahm die Schreie der Seelen, welche das Schlachtfeld bewanderten und an deren Macht er sich zuvor labte. Er spürte all das und konnte doch keine eigene Stärke mehr aus all dem beziehen. Was war los?!   Der Roch drehte mit Mühe seinen Kopf, versuchte, seinen Feind am Boden zu erspähen. Emrys. Irgendetwas hatte er getan. Irgendetwas musste er getan haben. Anders konnte sich die Bestie seine plötzliche Schwäche nicht erklären.   Der Nebel verzog sich tatsächlich und gab den Blick auf den Schwarzhaarigen wieder frei. Und was der Roch da sah ließ ihn geschockt seine Augen hinter der Eisenmaske aufreißen.   Merlin hatte die Augen geschlossen und die Hände seitlich ausgestreckt. Er murmelte einige Worte vor sich hin, doch zu leise, als das es der Roch aus dieser Entfernung hätte hören können. Die Reste des Nebels, welcher sich noch an den Zauberer schmiegte und sich seines Körpers und seines Geistes bemächtigen sollte, verschwanden langsam. Und zwar vollkommen wirkungslos. Ein geschocktes Kreischen entfuhr der Bestie. Wieso konnte sich dieser Wicht gegen seine Macht wehren?! Niemand konnte seinen gewaltigen Kräften etwas entgegensetzen! Vor allem jetzt nicht, wo der Roch solch eine Stärke besaß! Wie ist es Emrys also gelungen?! Er war nur ein Mensch, verdammt!   `Nein.´   Merlins Stimme in seinem Kopf klang so fest und emotionslos, dass der Roch erstarrte, während er noch immer versuchte, mit seinen immer schwerer werdenden Flügel in der Luft auszuharren. Doch wieso hatte er ihm geantwortet? Und wie konnte er überhaupt seine Frage hören? Es war, als hätte Emrys seine Gedanken gelesen. Aber - ! Die Augen des Rochs weiteten sich.   Merlin atmete tief durch und ließ die Magie durch seinen Körper strömen, ließ sie pulsieren und freudig die Macht des Rochs zurückdrängen. Niemals könnte die schwarze Macht dieser Bestie gegen die reine Macht, die Magie, welche die seine war, bestehen. Mit der Magie, welche Merlin zur Verfügung stand, konnte er den Nebel der Bestie abwehren. Und mit dem Versuch, sich Merlin Untertan zu machen, hatte sich der Roch sein eigenes Grab geschaufelt. Denn durch die Verbindung, welche die Bestie zu dem Schwarzhaarigen mit Hilfe seines Nebels aufbauen wollte, war Merlin in der Lage, den gesamten Magie- und Kraftzufluss des Rochs zu unterbrechen. Er hatte ihn von sämtlichen magischen Intervallen und Gefühlen außerhalb seines Körpers abgeschnitten. Und somit von all dem, was ihm Kraft und gab und die Möglichkeit, in dieser Welt zu verweilen. Der Schwarzhaarige wusste selber nicht genau, wie er das bewerkstelligen konnte, doch seine Instinkte und seine Magie taten es und dieses Wissen genügte ihm. Es war anstrengend, doch das war es dem Zauberer wert. Merlin hätte nie gedacht, welche Ausmaße seine Magie annehmen könnte. Doch er hatte all seine Gefühle, all seine Emotionen tief in sich vergraben, um sich den Roch zu stellen, sich seiner Macht zu entziehen. In dem Moment, wo er alles andere außer seiner Magie abschaltete, konnte er sie so gut und intensiv spüren wie noch nie zuvor. Merlins Magie war groß, größer, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Und damit war die letzte Chance auf einen Sieg für die Kreatur verspielt. Der Roch konnte ihm nichts anheben. Das wusste Merlin. Das wusste Kilgharrah. Und nun sollte es auch der Roch erfahren.   `Ich wurde durch die Magie geboren´, begann Merlin mit langsamer Gedankenstimme zu erklären, als hätte er es mit einem Schwerverstehenden, kleinen Kind zu tun. Doch durch den Verlust seiner Kraft und seiner Magie war es wahrscheinlich auch um das Verständnis und das Denken des Rochs geschehen. `Mein Schicksal ist schon seit Jahrhunderten vorherbestimmt. Ich bin kein Mensch. Und ich bin auch kein Zauberer. Ich bin ein Wesen der Alten Religion. Und ich bin mächtiger, als du es dir jemals vorstellen könntest.´ Der Roch sah entsetzt hinunter zu dem Mann, welcher zu ihm sprach und er versuchte die Worte zu verstehen. Doch durch den Verlust seiner Kraft war auch sein Denken stark verlangsamt. Seine Gefühle jedoch befielen den Roch noch immer so schnell wie zuvor. Und nun verspürte die Kreatur etwas, was er noch nie während seiner gesamten Existenz spüren musste. Angst. Echte, wahre Angst.   Merlin riss die Augen auf und starrte mit seinen goldenen Augen, welche stärker glühten als je zuvor, zu dem Roch hinauf, welcher voller Furcht in die leuchtenden Augen seines Feindes blickte.   `Ich bin der Sohn von Feuer, Luft, Erde und Wasser! Ich bin kein Mensch. Ich bin kein Zauberer. Ich bin die Magie selbst!´   Entsetzt riss der Roch die Augen auf. Er verstand endlich, was Emrys sagte. Er verstand endlich, warum sein Nebel und seine Macht versagte. Und mit der Erkenntnis kam auch das Wissen, dass er verloren hatte. Der Roch konnte Menschen manipulieren, ihnen seinen Willen aufzwingen, selbst bei Zauberern und Hexen funktionierte es, wenn sie negative Gefühle in ihren Herzen trugen. Je größer die Verzweiflung, der Hass, der Zorn, desto leichter fiel es dem Roch, die Menschen zu manipulieren. Doch Merlin… Emrys… er war kein Mensch. Er war kein Zauberer. Er war die Magie selbst! Und egal wie mächtig der Roch auch sein sollte… die personifizierte Magie konnte niemand kontrollieren oder gar aufhalten. Niemand!     Kilgharrah, welcher durch Merlin dem Gespräch gefolgt war und seinen Todfeind nicht einen Augenblick aus den Augen ließ, nutzte die Chance und sandte seinem Gegner ein verheerendes Flammenmeer entgegen. All seine verbliebene Kraft legte er in diese Flammen, wollte es endlich beenden. Und er war froh um diese Chance. Als er sah, wie stark der Roch in den letzten Minuten geworden war und es dann auf Merlin abgesehen hatte… da hatte auch den Großen Drachen die Verzweiflung gepackt. Denn auch, wenn er von Merlins Macht wusste, so war sich der Drache nicht sicher, ob es der junge Zauberer wirklich schaffen würde, den Einfluss des Roch zu überstehen. Vor allem… als Merlin sein Geheimnis vor seinen Freunden Preis geben musste. Denn der Drache hatte es gespürt. Merlin und Kilgharrah hatten eine Verbindung zueinander, eine tiefgehende Verbindung durch ihre Magie, seine Macht als Drachenmeister, ihre Freundschaft und als Brüder. Und der Drache hatte es nur allzu deutlich gespürt. Die Verzweiflung. Die Angst. Die Trauer. All die Gefühle, welche sein Freund und Bruder ertragen musste, so sehr sie den Drachen selber schmerzten, waren ein gefundenes Festmahl für den Roch. Doch die Überraschung von Kilgharrah hätte nicht größer sein können. Merlin schob die negativen Gefühle in sich zur Seite und ließ seine Magie aufblühen, in dem Wunsch, seine Freunde zu beschützen und seine Feinde zu vernichten, ganz gleich, was mit ihm geschehen sollte. Und die Magie in Merlin wallte auf, mächtiger als je zuvor und sie streckte den Roch nieder, machte ihn zu einem leichten Ziel für die Flammen des Drachen. Umso glücklicher war Kilgharrah, dass der Roch nun endlich Geschichte sein würde.   Der Roch drehte sich mit letzter Kraft, welche Emrys ihm noch nicht entzogen hatte, um und sah sich im Angesicht mit dem Feuer, welches sein Todfeind ihm entgegenbrachte. Sein Denken war beinahe bis zum Stillstand gekommen, er konnte nur einen klaren Gedanken fassen. Er konnte nur an die Person denken, welche es geschafft hatte ihn, den Roch, zu schlagen. An den einen Mann, welcher vom Schicksal vorherbestimmt war und den er dennoch als klein und unwürdig hielt. Ein Narr. Und doch… Nur langsam kam ihn ein Gedanke, langsam, schleichend. Sein Denken stoppte beinahe. Wer war in diesem Kampf, mit solch einem Ausgang, wohl der größere Narr? Sein Name huschte durch den Kopf des Roch, seine beiden Namen, sie sollten dort auch nach seinem Tod noch verbleiben. So wie in den Köpfen aller Menschen. `Merlin… Emrys…´   Der Roch kreischte, als das Feuer ihn traf und der Himmel in eine flammende Explosion getaucht wurde. Die Sachsen und die Ritter warfen sich zu Boden, war die Explosion nah und die Druckwelle hätte sie alle zu Boden geworfen. Sie kniffen die Augen zu, die Helligkeit war überwältigend. Arthur drückte Gwen an sich.   Die Bestie war geschlagen. Nichts blieb von dem Roch übrig. Nichts außer die Eisenmaske, welche wie ein Stein vom Himmel fiel und scheppernd zu Boden ging. Es herrschte mit einem Mal eine Totenstille und niemand konnte auf die Maske achten, aus deren Augenschlitze noch leichter Nebel stieg, bevor sie zu schwarzen Staub zerfiel und in alle Winde zerstreut wurde.     Dies war das Ende vom Roch.       ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~       Mit einem Schlag verschwand plötzlich der Druck und die Kälte, welcher die Seele des Rochs in ihr hinterlassen hatten. Beinahe erleichtert wollte Morgana aufseufzen, doch damit verschwand auch beinahe sämtliche Magie, welche Morgana noch ihr eigen nannte. Erschrocken keuchte die Hexe auf, ihre Beine zitterten und sie konnte sich kaum noch auf diesen halten. Zitternd rutschte die Hexe an dem Felsen, hinter welchem sie sich versteckt hielt, herunter. Sie fühlte sich mit einem Mal so schwach wie nur selten zuvor. `Verdammt!´ Morgana fluchte, die Verzweiflung übermannte sie beinahe. Natürlich hatte sie das Kreischen der Bestie vernommen und die Explosion hatte ihr übriges getan, sodass der Hexe klar wurde was passiert war. Nun hatte sie einen endgültigen Beweis. Der Roch war vernichtet. Endgültig.   Morgana biss sich auf die Lippe, bis diese blutete. Die Erkenntnis, welche zusammen mit dem Tod des Rochs kam, erschlug sie beinahe wie der Schlag eines Morgensterns. Diese Schlacht war verloren. Sie hatte verloren.     Morganas Hände verkrampften sich, bis ihre Fingerknöchel weiß hervortraten und ihr Körper bebte. Die Hexe wusste, dass sie verloren hatte, doch sie wollte nicht aufgeben, nicht so! Sie stand auf, ihre Beine zitterten und wollten sie nur schwer tragen, doch sie musste sich erheben. Denn niemals würde sie diese Schande über sich ergehen lassen, sich feige hinter diesem Felsen zu verstecken, wenn ihr Gegner zu einem weiteren Schlag ausholen würde. Merlin… Wie sehr sie ihn hasste! Noch mehr als die Ritter von Camelot, mit ihrer Güte, ihrer Loyalität. Noch mehr als Gwen, welche immer so tat, als wäre sie ihre Freundin und ihr nun hinterrücks ein Messer in den Rücken rammen würde. Noch mehr als Arthur, welcher ihr ihren rechtmäßigen Platz auf dem Thron verwehrte. All diese Menschen hasste Morgana, doch keinen so sehr wie Merlin. Schon mehr als einmal hatte er sie aufgehalten, mehr als einmal war er ihr ein Dorn im Auge und auch mehr als einmal war sie wegen diesem verdammten Bastard beinahe gestorben. Dieser verfluchte Mistkerl… war ihr vielleicht wirklich über… Doch in dem Moment, wo sie alle Hoffnung aufgeben wollte, da schoss der Hexe ein Bild in den Kopf. Schon einmal hatte Morgana die Hoffnung aufgegeben, schon einmal war sie dem Tod näher als dem Leben. Und es gab ein Wesen, welches sie gerettet hatte. Ein Wesen, welches immer zu ihr gehalten hatte. Ein Wesen… welches bis zu ihrem Tod an ihrer Seite wäre.   `Aithusa!´, rief Morgana so laut es ihr möglich war in Gedanken und hoffte von ganzem Herzen, dass die Drachendame sie erhören möge. Nach allem, was Morgana ihr angetan hatte, wie sie sie behandelt hatte… da würde es die Hexe nicht verwundern, wenn Aithusa sie niemals wieder sehen wollen würde. Doch noch deutlich spürte Morgana das Band, welches den Drachen und sie aneinanderknüpfte, welches entstand, als die Drachin ihr das Leben rettete und durch ihre gemeinsame Gefangenschaft gefestigt wurde. Nun hoffte Morgana, dass dieses Band stark genug war, um sie beide zu retten… So gerade und aufrichtig, wie es Morgana in ihrer jetzigen Verfassung möglich war, kam sie hinter dem Felsen hervor und trat dem Unvermeidbaren entgegen.       Merlin atmete tief ein und aus. Es hatte ihn einiges an Kraft gekostet, den Roch seiner Macht zu berauben und sie gegen ihn zu verwenden. Es war ein gefährliches Manöver und Merlin war mehr als froh, dass es geklappt hatte. Doch noch waren sie nicht sicher. Denn noch war eine Bedrohung übrig. Merlin drehte sich um und besah sich die Hexe, welche gerade hinter dem Felsen hervorkam. Beinahe wie ein Häuflein Elend stand sie vor ihm. War sie zu Beginn der Schlacht voller Zuversicht, dass sie endlich ihr Ziel erreichen und Arthur würde töten können, so war nun nichts mehr davon übrig. Ihre Magie war so gut wie verbraucht, sie konnte sich nicht mehr lange auf den Beinen halten. Merlin atmete tief ein und aus. Er wollte noch eine Sache tun, bevor er sich Morgana stellte. Eine Sache war er noch schuldig geblieben, auch wenn es ihm das Herz zerreißen würde, doch er wusste, dass es nötig war.   Merlin schien zu warten. Genauso wie Morgana. Worauf er wartete, wusste sie nicht, doch er schien zu wissen, worauf sie wartete. Er hoffte jedenfalls darauf. Ein Zittern befiel Morganas Körper und ihre Beine wären beinahe weggeknickt, wenn sie nicht plötzlich trampelnde Schritte vernommen hätte. Etwas kam auf sie zugelaufen. Und plötzlich, Morgana konnte es kaum fassen, tauchte Aithusa an ihrer Seite auf und wollte sie beschützen. Mit grollenden Geräuschen aus ihrer Kehle und leicht umhertänzelnd versuchte sie, Merlin von Morgana fernzuhalten, obwohl sowohl sie als auch Merlin selbst wussten, dass sie es nicht könnte, wenn er der Hexe wirklich etwas antun wollte.   Morgana keuchte, sah sich ihrem Todfeind gegenüber, welcher allerdings nur Augen für den Drachen an ihrer Seite hatte. Seit Aithusa an ihrer Seite aufgetaucht war, hielt Merlin seine blauen Augen direkt auf sie gerichtet. Er schenkte Morgana keine weitere Beachtung. Also schien er auf die Drachin gewartet zu haben. Wo sein eigener Drache war, wusste Morgana nicht. Seit er den Roch getötet hatte, war er vom Himmel verschwunden. Und sie wusste auch nicht, in wie weit er Kontrolle über Aithusa haben würde. Er war ein Drachenmeister. Vielleicht würde auch Aithusa ihm gehorchen müssen. Sie wusste es nicht. Morgana wusste nur eines. Sie mussten verschwinden. Jetzt. Sie hatte eingesehen, dass sie verloren hatte. Diesmal. Sie würde wieder eine Gelegenheit bekommen, um Arthur und Merlin zu töten. Nun, da sie sein Geheimnis kannte, konnte Morgana sich ihnen noch besser entgegen stellen, bessere Pläne schmieden, um ihn zu töten, Arthur zu töten und endlich ihren rechtmäßigen Platz auf den Thron von Camelot zu erlangen. Emrys… Die Worte der Cailleach hallten plötzlich in ihren Ohren wider und für einen Moment überkam Morgana wieder die Angst. Emrys befehligte einen riesigen Drachen und gemeinsam hatten sie es geschafft, den Roch zu vernichten, eine Kreatur, welche den Tod selbst verkörperte. Seine Macht schien keine Grenzen zu kennen. Ein Zittern befiel die Hexe, worauf sie hart schluckte und ihre Fäuste ballte. Doch Morgana würde nicht aufgeben. Niemals. Es war ihr einziges Ziel, ihr Lebensinhalt sozusagen, dass sie den Thron von Camelot an sich reißen würde. Sie hatte dort zu sitzen. Niemand sonst!   Emrys mochte einen Drachen auf seiner Seite haben, doch Morgana hatte Aithusa. Und sie war sich sicher, die Drachendame würde immer zu ihr stehen, egal, was geschah.   Zudem war sie eine Hohepriesterin. Und Emrys… Merlin… Er war ein Stümper… er würde es niemals mit ihr aufnehmen können… Vielleicht… nur vielleicht… wenn sie mehr Macht ansammelte und einen besseren Plan hätte… dann könnte sie das Schicksal, welches die Wächterin der Toten ihr mitgeteilt hatte, zerschlagen. Morgana klammerte sich an diese Hoffnung, so irrsinnig und waghalsig sie auch erschien. Sie klammerte sich mit ihrem letzten Rest an Verstand daran, welcher noch nicht vom Wahnsinn und Hass zerfressen war.   Morgana legte eine Hand zitternd an Aithusas Hals, wollte zusammen mit ihr verschwinden. Der Drache sah mit leeren, blauen Seelenspiegeln zu ihr hoch. Und dieser Blick ließ Morganas Herz schmerzen. Sie hätte nie gedacht, dass sie noch zu solchen Empfindungen in der Lage wäre. Umso mehr tat es der Hexe leid, dass die junge Drachendame so eine schreckliche Zeit durchmachen musste. Aithusa war immer an ihrer Seite, ließ sie nie im Stich, sogar jetzt, wo es für Morgana mehr als schlecht aussah, war Aithusa da. Und Morgana hatte sie so schmählich im Stich gelassen… Ihre Hand verkrampfte sich an dem Hals von Aithusa, welche zusammenzuckte. Merlins Augen verengten sich zu Schlitzen. Er schien zu ahnen, was sie vorhatte. Morgana musste schnell handeln. Ihre Augen glühten golden auf, als der Staub zu ihren Füßen bereits umherwirbelte. Es würde nur Sekunden dauern, dann wäre Morgana fort, zusammen mit Aithusa, zwar nur knapp außerhalb von Cammlan, doch weit genug, dass Merlin ihr nichts mehr anhaben konnte.   Doch Merlin hatte einen anderen Plan.   Der Zauberer öffnete seinen Mund und Morgana rechnete bereits mit einem Zauberspruch, doch stattdessen drangen kehlige Laute und Fauchen aus seiner Kehle, welche sie erstarren ließen. Die Stimme des letzten Drachenmeister donnerte über die Felsenlandschaft und durch die Seelen der Anwesenden, welche seine Stimme hörten und jagte ihnen heiße und kalte Schauer über den Rücken.   „Aithusa! Geh weg von der Hexe! Du bleibst hier! Komm zu mir! Sofort!“   Aithusa schüttelte die Hand von Morgana ab und strauchelte einige Schritte nach vorne, musste dem Befehl ihres Meisters gehorchen, obwohl sich alles dagegen sträubte. Sie wollte nicht gehen. Doch sie musste. Ihre blauen Augen blickten voller Trauer und Verzweiflung zurück zu Morgana. Sie wirkten gebrochen. Morgana hatte ihre Augen aufgerissen, es war bereits zu spät, den Zauber abzubrechen. Die Hexe streckte noch eine Hand nach dem Drachen aus, doch Aithusa wich mit Tränen in den Augen nur noch weiter zurück.   Staub und Dreck wirbelten auf, verdeckten vollkommen die Sicht auf Morgana. Alle wussten, dass die Hexe verschwunden sein würde, wenn sich der Wind wieder gelegt hätte, doch noch konnte keiner sagen, ob sie sich darüber freuen sollten oder nicht. Morgana war verschwunden. Der Staub legte sich, der Dreck fiel zu Boden. Nichts deutete mehr darauf hin, dass bis vor kurzem noch eine Person an dieser Stelle stand. Nur ihr schrilles und verzweifeltes „NEEEIIIN!!!“, war noch klar und deutlich zu vernehmen, wie ein Echo hallte es an den steinernen Wänden wider.     Kaum war Morgana verschwunden befolgte Aithusa den letzten Befehl von Merlin. Mit Tränen in den Augen trugen ihre Beine sie langsam und zitternd zu ihrem Meister. Kurz vor ihm blieb sie stehen und wartete. Wartete darauf, was er nun mit ihr vorhatte.   Tief holte der Schwarzhaarige Luft. Alles andere um ihn herum hatte seine Bedeutung verloren. Er beachtete niemanden um sich herum. Jetzt gab es nur noch sie und ihn. Merlin ging vor der Drachendame in die Knie, blickte ihr in die Augen. Und ihm schossen selbst die Tränen in die Augen, als er den gebrochenen Blick von Aithusa sah. Es brach ihm jedes Mal das Herz, dieses Wesen zu sehen, zu welchem der Drache verkümmert war, doch diese Augen… Zitternd tastete seine rechte Hand nach seinem Gürtel. Als er einen länglichen spitzen Gegenstand mit seinen Fingerspitzen spürte, stockte Merlin. Beinahe wünschte er sich, dass er nicht da gewesen wäre. Doch das war er. Merlin trug ihn bei sich. Einen kleinen Dolch, mit denen er Kräuter und Heilpflanzen von ihren störrischen Wurzeln trennte oder Rinde von einem Baum. Es hatte sich als praktisch erwiesen, denn Merlin konnte nicht zu jeder Gelegenheit seine Magie verwenden. Es konnte ihn sonst wer sehen. Deswegen hatte er ihn bei sich.   Doch nie hätte Merlin gedacht, dass er seinen Dolch einmal dazu einsetzen müsste, jemanden umzubringen. Und dann auch noch ein Wesen, welches er selber auf die Welt geholt hatte.     Wie gut er sich daran erinnerte, als er das Ei von Aithusa sah. Hoch oben in dem Turm. Seit so vielen Jahrhunderten. Es war wie ein Schatz. Und wie froh er war, dass er diesen Schatz geborgen hatte. Ebenso Kilgharrah, als er ihm das Ei präsentierte. Und er verstand seinen Bruder zu diesem Zeitpunkt nur zu gut. Wenn das Junge schlüpfte, dann bedeutete das, Kilgharrah wäre nicht mehr alleine und es bestand sogar die Hoffnung, dass seine Rasse weiter bestehen würde. Niemals hätte Merlin ihm diese Hoffnung nehmen wollen. Ihm und sich selbst als Drachenmeister nicht.   Und so lernte er eine der wichtigsten Aufgaben eines Drachenmeisters kennen. Die Geburt eines Drachen. Nur ein Drachenmeister konnte einen Drachen auf die Welt holen. Und zwar, indem er dem Drachen einen Namen gab. Zuerst hatte Merlin Angst. Was, wenn er den falschen Namen auswählte? Doch das konnte er nicht. Er musste den Namen nicht auswählen, denn dieser existierte bereits ebenso lange, wie es das Ei selbst gab. Die Laute bildeten sich wie von selbst tief in seiner Brust und fanden ihren Weg hinaus aus seiner Kehle in die Welt bis hin zu dem Wesen, dem sie gebührten: „Aithusa!“   Tiefe Freude erfüllte seine Seele und sein Herz, so groß, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte. Er war sich sicher, so musste sich auch eine Mutter im Moment der Geburt fühlen, sobald sie ihr Kind im Arm halten konnte. Merlin sah die Geburt des kleinen Wesens, wie die Schale von dem Ei brach, hörte das leise Knacken und Knarren, als immer mehr Risse entstanden und das kleine Wesen immer weiter zum Vorschein kam. Ihm schossen die Tränen in die Augen. In diesem Moment zu weinen erschien ihm als die natürlichste Sache der Welt, denn noch nie zuvor in seinem Leben hatte er mehr Glück empfunden. So konnte sich wahrlich nur ein Vater fühlen, wenn dieser zum ersten Mal sein eigenes Kind sah. Wenn er spürte, dass ein Teil von ihm selbst in dem jungen Wesen weiterleben würde... Dieser Abend hatte sich unweigerlich in Merlins Gedächtnis eingebrannt und er wusste, er würde den Augenblick von Aithusas Geburt nie wieder vergessen. Und das wollte er auch gar nicht. Zu überwältigend war dieses Wunder, welchem er beiwohnen und selber einleiten durfte und zu schön waren die Gefühle, welche er dabei spüren durfte.     Doch das alles durfte Merlin nicht davon abhalten, die Fehler, welcher er begangen hatte, wieder gut zu machen. Es tat ihm im Herzen weh, dass dafür andere leiden mussten. Er hatte stets nur das Beste gewollt… Und das Beste für Aithusa war das, was Merlin für sie nun im Sinn hatte. Sie sollte nicht weiterhin als Sklavin an Morgana gekettet sein, sondern frei sein. Egal wie…   Also nahm Merlin all seine Kraft und seinen Mut zusammen, packte den Dolch fester, sodass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Er umarmte Aithusa, welche unaufhörlich zitterte, bettete seinen Kopf an ihrer Schulter. Mit dem Instinkt eines magischen Wesens und Tieres schien sie zu spüren, was auf sie zukam. Und Merlin zwang sie, ruhig stehen zu bleiben und es über sich ergehen zu lassen… Tränen rannen Merlin über die Wangen, Schmerz und Selbsthass erfüllten ihn, er spürte die Angst, Verzweiflung und tiefe Enttäuschung von Aithusa. Und er wusste, er war Schuld. Was war er nur für ein Monster… Das Einzige, was Merlin noch für sie tun konnte, war…   „Verzeih mir…“, flüsterte er kaum hörbar, bevor er ausholte und den Dolch direkt in Aithusas Brust stieß. Genau an die Stelle, an welcher ihr Herz schlug. Die Drachendame riss ihre Augen auf, schrie und brüllte ihr Leid zum Himmel hinauf, ließ die Felsen der Schlucht erbeben. Die Menschen mussten sich die Ohren zuhalten. Es war ein hohes Geräusch, welches in den Ohren wehtat. Doch Merlin war es egal. Es war ihm egal, dass sein Ohr genau neben ihrem Maul war und wie laut und hoch ihr Schrei war. Er konnte davon keinen Schmerz empfinden… … denn sein Herz und seine Seele schmerzten noch viel mehr…   Aithusa brach zusammen. Kraftlos lag sie in Merlins Armen und konnte sich nicht mehr bewegen. Sie wimmerte vor Schmerzen. Ihr Blut lief in Strömen aus der Wunde, welcher ihr `Vater´ Merlin ihr zugefügt hatte. Der Drache kniff die Augen zusammen, Tränen traten hervor und liefen ungehindert über ihre schuppigen Wangen. Aithusa weinte. Sie konnte nicht verstehen, wieso Merlin ihr so etwas antun konnte. Wie er sie so einfach töten konnte. Und Morgana. Wieso kam sie nicht zurück und holte sie? Natürlich, sie war geschwächt, doch wenn ihr wirklich etwas an der Drachin liegen würde, dann wäre sie zurückgekommen. Aithusa verstand. Sie bedeutete Morgana nichts. Sie bedeutete niemandem etwas. Und mit einem Mal verstand sie. Sie wurde verraten. Von allen, die ihr einmal etwas bedeutet hatten. Kilgharrah. Morgana. Merlin. Wozu sollte sie noch leben, wenn sie niemanden mehr wichtig war? Wenn ihr niemand das Gefühl gab, dass jemand sie in diesem Leben haben wollte? Die Tränen flossen immer schneller und wurden mehr. Aithusas Herz riss, als sie diese Erkenntnis hatte und nun wünschte sie sich den Tod beinahe herbei. Doch als sie sich dem Schmerz hingeben und in der Kälte des Todes eintauchen wollte, da bemerkte sie etwas. Etwas, was ihr Bewusstsein aus der Dunkelheit herauszog, in welcher sie zu versinken begann.   Sie spürte deutlich, wie die Kette, welches sie an Morgana fesselte, zerbrach. Nichts band sie mehr an die Hexe, welche sie all die Jahre begleitet hatte und welche ihr mehr Schmerzen als alles andere gebracht hatte. Es bestand keine Verbindung mehr zwischen ihnen. Die Drachendame verspürte eine Leichtigkeit wie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr. Sie war frei.   Tief und zittrig holte Aithusa Luft, als sich in ihrem inneren eine Wärme entfachte, welche die Schmerzen und die Taubheit, welche der Blutverlust und der nahende Tod mit sich brachte, fortwischte und einem neuen Gefühl Platz machten. Geborgenheit. Die Wärme breitete sich aus, durch ihren ganzen Körper. Von ihrer Stirn bis zu der Schwanzspitze. Es war ein wunderbares und mächtiges Gefühl. Und Aithusa erkannte dieses Gefühl wieder. Sie hatte es schon einmal spüren dürfen. Vor langer Zeit. Es war Magie. Die Magie der Drachenmeister, welche Merlin damals benutzt hatte, um sie in diese Welt zu holen. Diesen Moment würde sie nie vergessen. Ebenso wenig wie das Gefühl seiner Präsenz und seiner Macht. Merlins Präsenz füllte sie aus, begann ihr ganzes Sein zu umfangen und von der Dunkelheit zu reinigen, in welche Morgana sie gestoßen hatte. Und plötzlich hörte Aithusa sie. Merlins Stimme. Er flüsterte ihr leise Dinge ins Ohr, in der alten Sprache der Drachen. Sie hörte zu und ihre Augen weiteten sich. Und langsam begann Aithusa zu begreifen, was Merlin vorhatte. Merlin war die Magie. Und er war ein Drachenmeister. Er konnte so vieles mit seiner Macht vollbringen… wahre Wunder… und er tat es für sie… sie, die ihn so hintergangen hatte… Er nutzte seine unglaubliche Macht… und machte ihr ein so wundervolles Geschenk… Aithusa konnte gar nicht sagen, wie unendlich dankbar sie ihm dafür war…   „Kuääaaah“, hauchte Aithusa lautlos, ein `Danke´ aussprechend, die Angst vor dem Kommenden und die Enttäuschung über Vergangenes war vollkommen verschwunden. Aithusa hatte sich geirrt. Sie war nicht alleine. Merlin war bei ihr. Gerade jetzt. Besonders jetzt. Wo sie allein gelassen wurde war er an ihrer Seite. Sie war ihm wichtig. Sie konnte ihm vertrauen. Und das hätte sie immer tun sollen. Merlin war derjenige, welcher ihr Vertrauen und ihre Loyalität verdient hatte. Es war der Zauberer, dem sie hätte folgen sollen. Sein Herz war loyal, ebenso wie das der Drachen. Er hätte sie niemals fallen lassen können. Er war würdig, ihr Meister zu sein. Merlin war der geborene Drachenmeister.   Eine einzelne Träne floss ihre Wangen noch hinab, als Aithusa langsam ihre Augen schloss. Die Wärme hüllte sie nun vollkommen ein, genauso wie Licht, welches ihren Körper einschloss. Kleine Partikel aus Licht drangen aus ihrem Körper hervor und entschwanden zum Himmel. Es sah aus wie kleine Sterne. Aithusa lächelte. Zum ersten Mal seit Jahren und das letzte Mal in ihrem Leben. Sie spürte nur noch die Wärme und die sanften Hände von Merlin an ihrem Kopf, bevor ihr bewusstes Denken und somit ihr Leben endete und sich wohlige Schwärze über Aithusa legte…     So endete das Leben von Aithusa. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)