Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 4: Keinen Schritt zurück -------------------------------- Ich stehe im Türrahmen und sehe dich an deinem Schreibtisch sitzen. Noch hast du mich nicht bemerkt. Du scheinst tief in Gedanken versunken zu sein. Das ist nichts neues für mich. Was mich irritiert ist, dass du nicht an deinem Laptop arbeitest. Vor dir auf dem Tisch steht eine schwarz lackierte Bentō-Box. Komisch. Seit wann besitzen wir Bentō-Boxen? Du nimmst doch sonst nichts mit in die Schule und ich kauf mir in der Mensa mein Mittagsessen. Langsam trete ich in dein Hausbüro. Schritt für Schritt nähere ich mich deinem Schreibtisch. Erst als ich direkt vor dem Schreibtisch stehe scheinst du mich zu bemerken. Du blickst zu mir auf und lächelst mich an. Ich bin der einzige, der diese Seite von dir zu sehen bekommt. Mir gegenüber bist du nicht der Geschäftsmann! Nicht der wiederholte Duell Monster-Meister! Nicht der Arsch, den du vorgibst zu sein, wenn du in der Schule bist! Für mich bist du einfach mein großer Bruder. Der mir immer zuhört! Der mir selbst nach einem langen, anstrengenden Tag in der Firma noch bei den Hausaufgaben hilfst. Der sich morgens die Zeit nimmt mit mir zu frühstücken, auch wenn er selbst dabei kaum was isst. Der für mich alles stehen und liegen lassen würde, wenn ich ihn nur darum bitten würde. Aber ich bin nicht blind! Ich sehe wie du leidest. Unter IHM! Obwohl ER schon lange nicht mehr da ist. Dennoch kannst du IHN nicht abschütteln. Nicht hinter dir lassen. Wirist von IHM verfolgt. Ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist, wie sehr er dich noch kontrolliert. Dich beherrscht. Dein Verhalten beeinflusst. Mit all dem Mist, den er dir eingebläut hat. Deshalb hältst du jeden auf Abstand. Lässt niemanden an dich ran. Nach außen magst du kontrolliert, selbstbewusst und emotionslos wirken. Doch ich bin dein Bruder. Ich weiß, dass das nur Fassade ist. Kenn dich mein Leben lang. Weiß wie du warst. Sehe wie du dich gibst. Das passt nicht zusammen. Du willst mich beschützen. Das machen große Brüder nun mal. Und ich bin dafür dankbar. Aber manchmal sehe ich mehr, als dir bewusst ist. Mehr als ich dir sage. Denn ich weiß, wenn ich dir das erzählen würde, würdest du auch von mir Abstand nehmen. Aus Angst. Nicht aus Angst vor mir. Du hast Angst davor dich dem zu stellen, was ich real werden lassen kann, wenn ich es ausspreche. Also behalte ich es für mich. Der Grat auf dem du balancierst ist schmal. Bring ich dich aus dem Gleichgewicht, dann stürzt du. Fällst in den bodenlosen Abgrund. Das möchte ich nicht. Ich würde dich gern auf die sichere Seite ziehen. Weg vom Abgrund. Dahin, wo du auch mal straucheln und fallen kannst ohne alles verlieren zu können. Auf der du aufgefangen wirst und man dir hilft wieder aufzustehen. Aber ich weiß auch, dass ich das nicht alleine schaffen kann. Ich brauch dafür Hilfe! Menschen, die sich nicht von deinem Gehabe abschrecken lassen. Denen es nicht zu anstrengend ist, immer wieder einen Schritt auf dich zuzumachen. Die nicht aufgeben, wenn du vor ihnen zurück weichst oder sie von dir stößt. Echte, wahre Freunde, deren Loyalität ohne Zweifel und Makel ist. Bei denen du keine Angst haben musst, dass sie dich verraten und verkaufen. Yugi kommt mir in den Sinn. Mit seinem hellen Lächeln und dem grenzenlos naiven Vertrauen in das Gute. Jonouchi-kun, der sich ohne Zögern vor seine Freunde stellen und bis zum bitteren Ende kämpfen würde. Honda-kun, der sich geduldig Probleme seiner Freunde anhört und immer einen guten Rat in petto hat. Doch wie kann ich sie um Hilfe bitten ohne etwa offenbaren zu müssen? Wenn ich ihnen offenbare, wie und warum du bist, wie du bist, käme das einem Verrat gleich. Jedenfalls fühlt es sich für mich so an. Sicherlich könnte ich Yugi auch um Hilfe bitten ohne ihm die ganze Wahrheit zu offenbaren. Er würde sie mir nicht verwehren. Nicht Yugi. Aber Jou-kun und Honda-kun würden nicht aufhören zu bohren und irgendwann... da würde ich mich verplappern. Aber ich kann auch nicht länger tatenlos neben dir stehen. Zuschauen, wie du in deiner Isolation zu Grunde gehst. Weil du glaubst, dass es anders nicht geht. Du irrst dich und dass möchte ich dir aufzeigen. Es muss nicht so sein, wie es ist. Es kann besser sein. Wenn du mir vertraust und ich dich führen darf. Doch ich weiß auch, dass du Kontrolle nicht abgeben kannst. Du musst die Gewissheit haben, dass du jederzeit die Fäden in der Hand hältst. Sagst, wo es lang geht. Weißt, was dich erwartet. Ohne Kontrolle gerätst du in Panik. Klar, kannst du das nach außen vor anderen überspielen. Doch ich weiß, wie es in dir aussieht! Ich weiß, dass das noch so ein Überbleibsel aus der Zeit ist, als ER noch hier war. ER, der dir jede Selbstbestimmung verweigert hat. Der dich mit Gewalt in die Richtung gezwungen hat, die ER vorgegeben hat. Ohne eine Chance dich ihm zu entziehen oder dich zur Wehr setzen zu können. Es war ihm egal, was du wolltest. Ihm war nur wichtig, dass du funktioniertest. Egal zu welchem Preis! Genug ist genug. Ich werde nicht länger zulassen, dass du weiter unter IHM leidest. Dem, der längst fort ist. Der dir nicht mehr gefährlich werden kann. Dir nicht mehr weh tun kann. Niemals wieder. Ich werde dir helfen, deine Wunden endlich heilen zu lassen. Sanft und behutsam werde ich dich aus deiner Isolation führen. Vielleicht dauert es eine Weile, aber ich werde das schaffen. Ich umarme dich. Langsam. Behutsam. Ich spüre, wie schwer es dir fällt Nähe zu ertragen. Selbst meine. Umarmungen sind eine Seltenheit. Wenn du sie zulässt, sind sie kurz. Als würdest du dich verbrennen, wenn du mich zu lange an dich drückst. Aber das ist in Ordnung. Solange du es dennoch ab und zu zulässt. Als wir uns voneinander lösen fällt mein Blick wieder auf die Bentō-Box. Neben ihr steht ein Faltkärtchen auf dem in klaren Schriftzeichen "Guten Appetit, mein Drache!" steht. Ich muss kichern. Wer nennt Seto denn bitte 'Drache'? Und wer erhebt da Besitzansprüche an meinen Bruder? Die Bentō selbst ist offen und ich kann sehen, dass sie reich gefüllt ist. Vor allem die Onigiri fallen mir auf. Irgendwer hat sich hier die Mühe gemacht sie rund zu formen und mit Nori einen Drachenkopf daraus zu gestalten. Zwei blauen, kleinen Früchte sind als Augen eingefügt worden. Das sieht ja aus wie der Blue Eyes White Dragon von der Lieblingskarte meines Bruders! Wer hat sich da solche Mühe gemacht? Wer ließ sich nicht von deinem Auftreten abschrecken? Eigentlich konnte es nur jemand von den anderen sein! Yugi, Jou-kun oder Honda-kun. Wer sonst hätte diesen Schritt gewagt? Ich nehme eines der beiden Onigiri und halte es dir hin. Du blickt mich zweifelnd an, nimmt das Reisbällchen aber schließlich doch in die Hand. Nach einem weiteren Moment beißt du ab und ich hab den Eindruck, dass es dir schmeckt. Dann bietest du mir das zweite an und ich greife zu. Obwohl Onigiri so eine einfache Sache sind schmeckt dieses echt gut. Etwas fruchtig. Süß. Gemeinsam leeren wir das Bentō Stück für Stück und sind überrascht davon, wie gut die Kleinigkeiten schmecken. Wer auch immer diese Bentō zusammengestellt hat, hat das nicht zum ersten Mal gemacht und wusste was er tat. Als ich zu dir aufschaue siehst du irgendwie zufrieden aus. So hab ich dich schon lange nicht mehr gesehen. Und ich spüre, wie ich mich darüber freue, dass du dieses Mal keinen Schritt zurück gewichen bist. Dass du dieses Geschenk angenommen und akzeptiert hast. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)