My divided soul von miladytira ================================================================================ Kapitel 18: Die Tradition ------------------------- Wütend und verbittert versuchte ich meine Tränen zurückzuhalten, als die Worte meine Ohren erreichten. «… dich von den Gefühlen leiten zu lassen ist nicht akzeptabel Aiko.»   Ich war nach Hause zurückgekehrt.   Das Herz und die Gedanken kreisten immerzu um diesen einen Moment auf der kleinen Karavelle und mir brannte die Frage auf der Zunge, welche ich Kyo stellen wollte. Wäre es wirklich möglich Gefühle entwickeln zu können, für Menschen, die nicht in meiner eigenen Welt zu Hause waren? Wenn ja… Wie würde dies in den anderen Welten sein? Er war nicht in der Zwischenwelt, weshalb ich sofort in mein Zimmer zurückkehrte, doch ehe ich mich versah, hielt mich meine Mutter in meinem Vorgehen ab. Sie wollte reden…   «Du ziehst die Tradition vor?» bebend glitt der Satz über meine Lippen, als ich versuchte ihrem Blick standzuhalten. Aus dem Augenwinkel sehend, wie sie ihre Finger auf meinen Handrücken ablegen wollte, zog ich diese reflexartig zurück. Ihre Nähe fühlte sich in diesem Moment falsch an. «Du solltest das Angebot von Kyo annehmen.» Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. «Kuro ist mit mir aufgewachsen Mama, das kannst du nicht verlangen… du warst es, welche mir als Erste in den Ohren lag mich wieder mit ihm zu versöhnen…», bitter glitten diese Worte über meine Lippen, aber ihre Augen liessen keinen Zweifel zu. Wütend richtete ich mich auf. «Das kann nicht dein Ernst sein?!» Die Tränen, welche ich bis anhin zurückgehalten hatte, verirrten sich nun auf meine Wangen. «Aiko, setzt dich wieder hin» «Sag mir, dass du das nicht ernst meinst…» Immer noch versuchte ich in ihren Worten Unsicherheit wahrzunehmen. «Du wirst es irgendwann verstehen. Es wird jemand anderes den Platz von Kuro und Ruri einnehmen» «Das will ich aber nicht!!» Meine Stimme war laut geworden und ich schlug meine nun flache Hand auf den Esstisch auf. Ihre ruhige Art machte mich wütend. «Aiko, achte auf deinen Ton!» Die Zähne bohrten sich in meine Lippen, spürte wie sich weitere Tränen lösten. «Wir wollen nur das Beste für dich» «Das Beste?!» War sie noch bei Sinnen?! «Ihr wollt mir das nehmen, was mir am Wichtigsten ist!» schrie ich ihr entgegen und der Stuhl rückte sich nach hinten. Meine Mutter hatte sich wütend aufgerichtet und ihre Hände auf den Tisch abgelegt.  «Seit wann ist dir Kuro wichtig?! Sechs Monate hast du ihn nicht mehr wie ein Teil von dir behandelt und nun willst du dich auf einmal für dein kindisches Verhalten entschuldigen?!» Schmerzlich wurde mir die Wahrheit entgegengeworfen und ich sah sie mit verengten Augen an. «Und das gibt euch nun das Recht diese Entscheidung zu treffen?! Nur weil ich und Kuro Auseinandersetzungen hatten?!» «Du wirst tun was ich dir sage! Die Tradition stand und wird immer über alles stehen.» Die Lider nach oben gerissen, spürte ich wie das flaue Gefühl in meinen Magen sich zu einem Brechreiz wandelte. «Du stellst die Traditionen über das Leben deiner eigenen Tochter?!» Der Satz fiel mit Schmerz über meine Lippen und als ich die nächsten Wörter zu hören bekam, fühlte ich wie das Schwindelgefühl sich in meinem Körper breit machte. «Die Tradition ist dein Leben Aiko». Hastig lief ich an ihr vorbei, wollte ich so schnell wie möglich aus diesem Haus verschwinden, doch die Hand meiner Mutter hielt mich davon ab, hatte sie mich am Handgelenk gepackt. «Versuch uns zu verstehen». Da war sie wieder. Diese sanfte Art. Sie wollte mich beschwichtigen, doch ihre Worte hallten in meinem Kopf nach. Die Tradition soll mein Leben sein?! Und was war ich dann?! War mein Leben ohne diese Tradition nichts wert? Ich entriss mich ihrem Griff und sah ihr mit tränenbenetzten Augen in ihr Gesicht.   «Du verstehst nicht, Mama. Du nimmst mir alles… alles was noch übrig blieb nach Papas Tod»   *   Das Display angestarrt, hatte ich seinen Namen nun zum 10ten mal aufgerufen nur um abermals auf eine Schwärze sehen zu können und es in die Tasche zu verstauen. Erneut bildeten sich Tränen auf meine Iren und ich glitt mit meiner Hand weiter über meine Wangen entlang, die noch immer benässt von den vorherigen waren. Seine Augen, welche mich entsetzt und schmerzlich angesehen hatten, als er die Schiebetüre zur Seite gezogen hatte, liessen mich nicht mehr los. Die Worte die er nicht aussprach… Meine Hand auf die Brust gelegt fühlte sich jeder Herzschlag erdrückend an. Kyos Vorschlag würde nicht die Lösung sein. Sie würden mich vergessen, doch ich… ich würde meine Erinnerungen nicht verlieren und ein Leben ohne Ruri… ohne ihn… Den Kopf darüber geschüttelt, biss ich mir abermals auf die Lippen, versuchte das leise Schluchzen zu erdrücken, welches sich erneut nach oben drängen wollte. Ich würde sie niemals ersetzen können.   Die Augen geschlossen, hielt ich an einer Brücke an, welche über den Meguro Fluss führte und spürte wie eine mir fremde Person in mich hineinlief. Das Gefluche durchdrang leise meine Gedanken, was mich zu einer verbeugenden Entschuldigung zwang, war ich doch in mitten des Weges stehen geblieben. Ein tiefer Atemzug glitt über meine Lippen, als ich mich dem roten Gerüst zuwandte und auf das klare Wasser unter mir sah. Ich gab mir selbst barsch zu verstehen, dass ich mich beruhigen sollte und legte meinen Kopf auf die verschränkten Armen ab. Abermals dachte ich darüber nach erneut in die Welt von Ruffy einzutauchen, damit ich mich gedanklich von meinen eigenen Problemen abschirmen könnte, aber immer wieder wurde mir bewusst, dass diese Angelegenheiten somit nicht gelöst wären. Zudem würde ich mich nur abermals in Gefahr bringen, sollten wir in eine brenzlige Situation gelangen und auf die momentanen barschen und sorgenden Worte meines Bruders konnte ich verzichten.   Der Blick fiel auf die vielen Kirschbäumen vor mir, welche noch nicht in der Blütezeit waren. Abgestossen von dem roten Baugerüst, legte ich meine Hände erneut an meine Wangen, strich die restliche Nässe hinweg und liess sie in meine Hosentasche sinken. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würden auch sie in voller Schönheit erblühen können. Eine Erinnerung durchzog meine still gewordenen Gedanken und ich musste unweigerlich lächeln, liess meinen Blick seitlich auf den Park neben mir gleiten. Wie viele Jahre war dies nun her? Meine Hände ballten sich in den Taschen zu Fäusten. Ich hatte doch neben der Tradition ein Leben. Ein eigenes, welches mir gehörte! Sie war es nicht Wert langjährige Freundschaften auf Spiel zu setzen und wäre nun Ruffy hier würde er mir beipflichten. Er würde seine Kameraden niemals für irgendetwas im Stich lassen und ich gehörte mit einem Teil meiner Seele zu ihm. Ich würde Ruri und auch Kuro nicht einfach ziehen lassen. Nicht ohne Kampf!   *   «Wo warst du so lange?!» Ihre Stimme war erzürnt, als ich in die Türe trat und aus meinen Schuhen schlüpfte. Es war kurz vor zehn. Ich wollte nicht früher nach Hause gehen. Die Entscheidung meiner Mutter sass tief. «Draussen – spazieren», war meine knappe Antwort, als ich die Treppe hinaufgehen wollte, doch die Hand meiner Mutter erfasste mich abermals am Handgelenk. «Kannst du uns nicht verstehen? Die Tradition verlangt das Geheimnis zu behüten, fällt die Brücke, fällt alles», waren ihre strengen Worte und ich entriss mich ihrem Griff, ballte die Hand zur Faust. «Bringt ihr nicht selbst die Brücke gerade zum Einsturz?» Wütend hatte ich mich zu ihr gewandt. «Ihr verlangt ein Leben zu leben, welches ich nicht leben kann! Ich lebe mit Lügen Mama! Mit Lügen!». Meine Stimme bebte und ich versuchte in ihren Augen Verständnis zu erkennen, doch da war nichts. Nichts was mir sagte, dass diese Frau zur Einsicht kommen würde. Zu der Einsicht, die ich als richtig empfand. Die richtig war!   «Als meine Tochter, lasse ich nicht zu, dass du diese Tradition brichst, es ist der Name deines Vaters welchen du in den Dreck ziehst» «In den Dreck?» Schmerzlich zog sich meine Brust abermals zusammen und ich wand mich von ihr ab. «Papa hätte mich nie vor so einer Entscheidung gestellt…» Die Treppe nach oben gelaufen, hatte ich meine Mutter mit dem letzten Satz wohl zum Schweigen gebracht. Zitternd drehte ich den Schlüssel im Schloss, trennte mich mit der Türe von ihr ab und versuchte die letzten Stunden zu realisieren. Wie konnte sie mir dies vorwerfen? War es nicht mein Vater, welcher immer sagte, ich solle mich nie verstellen? Sein wer ich bin… Abermals lösten sich Tränen. Er wäre stolz auf mich, da war ich mir sicher.   Das schwarze Mobilgerät nach vorne gezogen, öffnete ich das dunkle Display mit meinem vierstelligen Code und scrollte in meinem Whatsapp Chat nach unten. Nervös fing ich an meine Nachricht zu tippen. Mit einem leisen Ton hatte ich meine Worte losgesendet. So konnte es nicht weitergehen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und hoffte, dass ich nicht meine letzte Chance vertan hätte.   ‘’Ich weiss, dass ich viel verlange, aber wir müssen reden…’’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)