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Enemy mine - geliebter Feind

von

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Kapitel 12

Kaum waren Saber und Beth aus der Küche gegangen, wog Colt seine Möglichkeiten ab. Am ersten Abend in der Bar hatten er und Snow sich wirklich gut unterhalten, sie war schlagfertig und hatte ihn mehr als einmal zum Lachen gebracht. Dann hatte sie ihn aber ignoriert, als sie ihre Schwester so … energisch … abgeholt hatte. Jetzt, als sie sie gefunden hatte, war ihr Verhalten ganz so, als hätte dieser Zwischenfall nicht stattgefunden. Er rechnete sich daher gute Chancen aus, dort anzuknüpfen, wo sie in der Bar aufgehört hatten. Er legte sich gedanklich die Worte zurecht, die er ihr sagen wollte, doch dann purzelte ihm ein plumpes „Schmeckt's?“ über die Lippen. Das konnte er doch besser.

Snow hatte eben den Happen hinunter geschluckt, an dem sie gekaut hatte und sah ihn an.

„Das Sandwich? Ja. Das da“ Deutete auf die Tür, durch die Saber und Beth verschwunden waren. „Hm, ich weiß nicht.“

Er grinste. Da war die große Schwester wieder. „Keine Sorge, Saber passt schon auf sie auf. Du hast den Schreck schon verwunden?“

Sie hob die Braue. „Genau das macht mir Sorgen. Fast genauso sehr wie deine Frage gerade. Sehe ich wie ein kleines Mädchen aus?“

„Mach dir zwei Zöpfe und frag mich das nochmal“, grinste er zurück. „Hast du mit den Blumen eigentlich den selben Umgangston wie mit den Gästen in der Bar? Ich meine, die Blümchen müssten dann ja zwangsläufig in die Höhe sprießen, wenn du mit ihnen sprichst.“

Sie lachte leicht. „Vielleicht liegt es auch daran, dass ich aufgehört habe, ihnen etwas vorzusingen“, versetzte sie verschmitzt.

„Also, ich hab gehört, dass Blumen größer werden, wenn man ihnen Hard Rock vorspielt. Ich glaub, so werden die Wurzeln irgendwann lang genug sind, um weglaufen zu können. Also kann das nur bedeuten, du singst wie die fette Frau in der Oper. Glockenhell und treffsicher.“

Jetzt lachte sie auf. „Eher wie ein Tier das man erlösen sollte.“

„Kann ich mir nicht vorstellen. Du hast mich noch nie beim Karaoke gehört“ lachte er leicht. „Wir sollten bei Gelegenheit mal herausfinden, wer von uns schlimmer singt. Ich bring dir auch ein Blümchen zur Wachstumskontrolle mit.“

„Verschone die armen Blumen. Die haben dir nichts getan.“ Ihr Grinsen verblasste ein wenig und sie legte den Kopf schief. „Ist das mit dem Karoke sowas wie das mit dem Tennisspielbei dem Beth mit euch war?“

Colt rutschte auf der Bank näher zu ihr, nahm sich dabei ein Sandwich, als täte er das nur um besser an selbiges heran zu kommen. „Beim Tennis hetzt man einem gelben Filzball nach, beim Karaoke singt man, das sind zwei verschiedene Dinge. Ich weiß gerade nicht, wie du das vergleichst. Was soll so ähnlich sein?“, fragte er dann

„Na, Beth hat ... na eben gespielt, also nichts effektives gemacht“, erläuterte sie ihm was sie meinte. Ihr Blick war interessiert auf ihn gerichtet und aufmerksam.

„Ah, jetzt weiß ich, was du meinst! Da geht mir das berühmt berüchtigte Lichtlein auf. Ja, es ist ein Zeitvertreib. Es soll Spaß machen, das ist die Hauptsache daran.“

„Spaß?“ Sie hob die Brauen. „Das ist alles?“

„Ja, mehr steckt nicht dahinter. Man verbringt Zeit miteinander und hat Spaß dabei. Es geht dabei um nichts außer das man entspannt. Naja, bis der erste von uns zu singen beginnt“, grinste er wieder. Ihre hübschen auberginefarbenen Augen leuchteten neugierig. Ihm gefiel die Art, wie sie fragte, wie sie grinste und, ähnlich wie Beth, doch auch etwas weltfremd und unbeholfen war.“

„Das soll der Sinn daran sein? Spaß haben und … entspannen? Wo ist da der Effekt?“

Ihr Bemühen zu verstehen, war ebenfalls anziehend.

„Es braucht keinen Zweck. Wenn, dann ist der einzige Zweck, dass man Zeit mit seinen Freunden verbringt. Man bricht aus dem Alltag für eine Zeit lang aus.“

Die Art nach zuhaken und die Brauen zu heben, wenn sie etwas nicht verstand, glich der ihrer jüngeren Schwester. Ihre ältere war daran nicht interessiert gewesen.

„Warum macht man etwas, wenn es keinen Zweck hat? Was meinst du mit 'aus dem Alltag ausbrechen'?“

Colt hob die Schultern. „Wir machen das gerne. Es ist wie ein kleiner Urlaub, wenn man etwas macht, was man nicht täglich macht. Es gibt wieder Kraft und genug gute Laune, um wieder monatelang mit Ramrod durch die Gegend zu gurken. Du solltest so etwas auch mal ausprobieren. Wir müssen nicht zum Karaoke. Wir können schwimmen, reiten, Tennis spielen, Volleyball spielen... Was immer dir einfällt, was du mal probieren wolltest. Sag's und wir machen es.“

Er schob sich noch etwas näher, legte einen Arm auf die Lehne der Bank und stützte lässig seinen Kopf darauf.

Damit war sie überfragt. Sie schaute ihn an und blinzelte fragend. „Was machst du für diesen ... Spaß?“, erkundigte sie sich daher.

„Ich bin auch mal gerne in der Natur, ein Ausritt ins Grüne mit dem Pferd ist entspannend. Den Schießstand empfehle ich nur bedingt, das macht nur mir Spaß.“

„Ausreiten, hm?“ Beth war heute zum Ausreiten verabredet gewesen und jetzt – obwohl es mit Technik zu tun hatte – wollte sie mit Saber sein Mecha-Pferd ansehen? Reiten schien nicht so uninteressant sein. „Tja, vielleicht hab ich mal Zeit dafür. Sag mir Bescheid, wenn du vorhast uns nicht mehr zu behandeln wie kleine Kinder, denen man erklären muss ... wie sagen Menschen immer ... wie der Hase läuft.“ Sie grinste ihn herausfordernd an.

„Bescheid.“ Es hatte keine Sekunde gedauert.

Sie grinste breiter. „Das wollen wir doch mal sehen. Hm, sag mir doch ... Wie ist das so unter einem Kommandanten wie Saber zu arbeiten? Trifft er gute Entscheidungen?“

Das Funkeln in ihren Augen begeisterte ihn.

„Wir leben noch, also ja, bisher waren die Entscheidungen gut“, gab er zurück.

„Diese ... Hierarchie hat sich also bewährt?“

„Ja, unser System funktioniert. Saber ist umsichtig.“

„Also,“ Sie nahm sich Zeit während sie ihre nächsten Worte wählte. „ich entnehme deinen Worten, dass es gar nicht so doof ist, wenn er euch ... fremdbestimmt? Fremdbestimmung kann also ... sinnvoll sein?“ Das Grinsen verschwand erst aus ihrem Gesicht, als sie den Mund zu einem tonloses ‚Huch‘ öffnete und die Hand vor den Mund legte.

Wieder haute sie ihn von den Socke damit. Genau wie am ersten Abend, schlagfertig und clever. Seine Augen blitzten begeistert.

„Jetzt bin ich ordentlich eingefahren, wie?“, lachte er. „Tja, ich schätze, in Maßen ist Fremdbestimmung ganz ok, solange ich selbst auch noch was entscheiden darf.“

Sie nickte langsam. „Hm, so wie ich gerade selbst entscheide, ob ich mich darauf einlasse, mit dir zum .. Spaß ... reiten zu gehen? Oh, wäre das nicht ein Beweis gegen die Theorie von uns als "blinde Befehlsempfänger"? Tja, irgendwie dumm, dass du es mir nicht einfach befehlen kannst, hm“, grinste sie immer noch provozierend.

Es gefiel ihm gut. Nein, sie gefiel ihm immer besser. Er war zu ihr soweit auf gerutscht, dass er jetzt Beth vorherigen Platz einnahm und beugte sich mit einem Zwinkern noch etwas näher zu ihr.

„Ich kann es dir nicht befehlen, aber ich kann dich auch einpacken und mitnehmen“, grinste er noch breiter als zuvor. „Dann bist du fremdbestimmt. Aber ich will, dass du freiwillig mit mitkommst, da sind die Chancen höher, dass du Spaß dabei hast.“

Sie beugte sich ihrerseits zu ihm. „Aber fremdbestimmt ist doof,“ stichelte sie munter.

„Eben. Also komm doch freiwillig mit. Wenn du nicht reiten kannst, ist das kein Problem, du hast den Bogen bestimmt im Nu raus.“

Sie tat, als überlege sie, schaute zur Decke, legte einen Finger an ihr hübsches Kinn und schaute dann wieder zu ihm.

„Nö,“ versetzte sie schlicht und biss schmunzelnd in ihr Sandwich.

„Nimm den Mund nicht zu voll. Ich bin so knapp davor“ Er deutete eine winzigen Abstand mit Daumen und Zeigefinger an. Sie gefiel ihm. Sie gefiel ihm immer mehr. „dich morgen aus der Bar zu stehlen, dich über meine Schulter zu werfen und einfach mit dir auszureiten. Glaub nicht, dass ich bluffe, sonst bin ich gezwungen, es dir morgen zu beweisen.“

Halb belustigt, halb neugierig gab sie zurück. „Haha, darauf lass ich es ankommen.“ Dabei fragte sie sich, ob er das wirklich tun würde.

„Verlass dich drauf. Du bist schon so gut wie gemopst. Ich hoffe, dass du morgen auch noch so grinst, dann hast du nämlich definitiv wieder Spaß“, gab er zurück und grinste.

„Ich hab was?“, stutzte sie und sah ihn verdattert an.

Ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür zur Küche und Jean-Claude trat ein. Er brauchte einen flüchtigen Moment um zu erfassen, wie nah Colt und Snow zusammen saßen, während von Saber und Beth jede Spur fehlte.

„Was ist hier los? Wo ist Beth?“ verlangte er zu wissen.

„Du schon wieder da?“, entfuhr es Colt überrascht. Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können und die Stimme Snows Bruders kaum kühler. „Saber zeigt Beth im Hangar Steed.“

Ein knappes Nicken darauf. „Was machst du hier mit Snow?“ Misstrauen lag in seinen Worten und sein Blick ruhte wachsam auf den beiden. Es ging hier um seine Schwestern. Jean-Claude war diesbezüglich mehr als nur vorsichtig und bedacht.

„Och, ich hab ihr von meinem Karaoketalent erzählt. Nichts dramatisches. Beruhig dich“, gab Colt unbeeindruckt zurück und hätte Jean-Claude nicht empfindlicher treffen können. Seine Schwestern waren ihm mehr wert, als ein Außenstehender auch nur erahnen konnte. Das lapidare Verhalten, mit dem ihm der Scharfschütze begegnete, bewirkte daher, was bei dem sonst so sachlichen Outrider ausgesprochen selten vorkam. Er ging hoch wie ein Vulkan.

Ehe Colt auch nur die Chance hatte aufzustehen oder sonst etwas zu tun, hatte Jean-Claude ihn gepackt und am Kragen auf die Füße gerissen.

„Überleg dir gut, ob du meine Schwester anfasst“ Die Erinnerung an Annabell und das Ende, welches ihre Begegnung mit Colt genommen hatte, flammten vor seinen inneren Auge auf. „und wage nicht, Colt, wage nicht das auf die leichte Schulter zu nehmen. Das nächste Mal, werde ich nicht scheitern. Verstanden?“, zischte er den Lockenkopf vor sich an. Die Hand, die Snow ihm auf die Schulter legte und ihre Mahnung zur Ruhe blieben wirkungslos.

Colt wandte sich aus dem Griff des Wütenden und schob ihn ein Stück von sich weg. Glaubte der über seine Schwestern bestimmen zu können?

„Keine Angst, ich nehme es nicht auf die leichte Schulter. Aber ob ich deine Schwester anfasse, entscheidest weder du noch ich. Das entscheidet einzig deine Schwester, ob sie das überhaupt will“, stellte Colt entschieden und mit dem gleichen lehrerhaften Unterton klar, der den Geschwister missfiel.

Er hatte eben den letzten Buchstaben ausgesprochen, da spürte er die erbarmungslose Faust Jean-Claudes an seinem Kiefer. Im nächsten Moment flog sein Kopf zurück. Er verlor den Halt. Sein Körper fiel gegen die Bank, auf der er zuvor noch gesessen hatte. Dann sah er, wie sich Snow’s Bruder abwandte, sich anschickte den Raum zu verlassen, und Snows wunderschönes, wütendes Gesicht. Sie hatte etwas von einem Racheengel, als sie ihn fuhr: „Die hast du verdient.“

Er legte die Hand an sein Kinn und befühlte die getroffene Stelle. Sauber durchgezogen. Nicht schlecht, dass musste er zu geben, und schmerzhafter, als er zugeben wollte.

„Nehm ich als Gedächtnisstütze“, ließ er verlauten und schaute in ihre auberginefarbenen Augen. In ihnen loderte Feuer, sehr viel Feuer. Ob sie eine Vorstellung davon hatte, wie anziehend sie selbst jetzt in ihrem Zorn war? Das sprach er aber besser nicht aus, sonst hatte er ziemlich sicher die nächste Ohrfeige sitzen.

„Das nächste Mal, wenn du meinem Bruder unterstellst, er würde über mich oder Beth bestimmen, fängst du von mir eine“, erklärte sie verstimmt und ließ ihn sitzen. Sie folgte Jean-Claude zur Tür.

„Ich hab nicht vor, noch eine zu fangen“, rief Colt ihr nach und rieb noch einmal über die getroffene Stelle. Da brodelte es hinter der Fassade mehr, als man glauben mochte. Was das Temperament anging, schien Snow ihrem Bruder ähnlicher zu sein, als Beth. Oh, er würde es darauf ankommen lassen. Ganz sicher. Morgen würde er in der Bar aufkreuzen und sein Wort halten. Daran bestand kein Zweifel. Eine schöne Frau, klug, taff, humorvoll, energisch und schlagfertig in jeder Weise – nein, die ließ er nicht so einfach ziehen. Die war es wert, die Herausforderung anzunehmen, die Jean-Claude und seine Vorbehalten, ihrer beider Vorbehalte, boten, und zu sehen, was dabei rauskam. Die war es wert.

Die Geschwister hatten die Küche verlassen und strebten nun auf den Hangar zu. Es wurde Zeit Beth abzuholen und nach Hause zu gehen. Es gab noch etwas zu besprechen und schlafen war auch langsam wieder nötig.

Ehe sie den Hangar betraten, kam April ihnen entgegen gelaufen.

„He, eins noch, bevor ihr geht“, sagte sie freundlich. „Saber hat sich gerade gemeldet. Er bringt Beth nach Hause. Ihr braucht euch keine Sorgen machen.“

Einen Moment lang erwartete sie eine abfällige, abwertende Antwort, eher noch von Jean-Claude, als von Snow, irgendetwas das Missfallen an der Verbindung zwischen der jüngsten Schwester und dem Recken hinwies.

Doch Bruder und Schwester tauschten nur einen kurzen Blick.

„Danke für die Information, April“, erwiderte der grünhaarige dann und verabschiedete sich.

Die Navigatorin nickte ihm leicht zu und beobachtete, wie die beiden die Rampe hinunter liefen.
 

So eng saß seine Hose selten. Genauso selten duschte er so lange. Dafür hatte er aber auch schon lange nicht mehr so gut geschlafen und so schöne Träume gehabt. Als Beth ihn zurück gehalten hatte, waren all die vagen Erkenntnisse, die sich angebahnt hatten, in ihn gedrungen und entfalteten sich seitdem. Damit war es ihm gelungen, ihrer Bitte nachzukommen und wie der Gentleman zu verhalten, von dem immer behauptet wurde, dass er der sei. Hart war es dennoch gewesen.

Er sah an sich hinab, seufzte und drehte das kalte Wasser noch einmal voll auf.

„Saber, was treibst du da drin? Du brauchst ja länger als April.“ Fireballs ungeduldige Stimme hatte die gleiche Wirkung.

Er stellte das Wasser ab.

„Komme gleich“, rief er zurück.

„Beweg dich vorher da raus. Andere wollen auch duschen“, lamentierte der Rennfahrer auf der anderen Seite der Tür.

Saber schnappte sich ein Handtuch und schlang es um seine Taille. Die Frage „Wieso du denn?“ putzte er mit der Zahnbürste aus seinem Mund. Dann rubbelte er sich endgültig trocken und überließ dem maulenden das Badezimmer.

Er schlüpfte in seine Sachen und strich sie sorgfältig glatt.

Commander Eagle hatte sehr rasch einen Termin frei gemacht für diese Zusammenkunft. Der Anlass war zu außergewöhnlich.

April hatte ihm heute morgen mitgeteilt, dass ihr Vater diese Chance auf keinen Fall ungenutzt lassen wollte. Er hatte Jean-Claude eingeladen. Der Outrider hatte erklärt, seine Schwester Beth zu diesem Treffen mitzunehmen, wogegen der Commander keinen Einwand erhob. Außerdem sollten April, als Vermittlerin des Gespräches, Saber, als Captain der Ramrod-Crew, so wie zwei weitere Senatoren, zur Beobachtung des Gespräches und eine vertrauenswürde Prokollantin teilnehmen.

Er schloss seine braunen Stiefel, zupfte noch einmal den grauen Kragen zurecht und verzichtete auf den roten Schal, für den war es viel zu heiß.

April rief nach ihm.

Er warf noch rasch das Duschgel in seinen kleinen Reisekoffer und schloss diesen.

Ihr Abholservice war angekommen.

Die beiden eilten also die Rampe hinunter und stiegen in die wartende Limousine. Sie würde sie in nicht ganz fünf Stunden nach Yuma-City bringen. Der Chauffeur verstaute die beiden Trollis und fuhr los.

Das Gespräch war für den Nachmittag anberaumt, konnte aber lange dauern. Es war gut möglich, dass sie über Nacht in der Stadt bleiben mussten.

Fireball und Colt blieben zurück, entweder um danach zu ihnen zu stoßen oder um danach mit ihnen den Urlaub fortzusetzen. Dazu hatte Eagle sich noch nicht geäußert
 

Missmutige starrte Fireball dem verschwindenden Fahrzeug nach. Colt hatte Recht behalten. Mit der Ruhe war es vorbei, seit sie Snow gefunden hatten.

Verärgert darüber ließ er sich in seine Satteleinheit fallen und schaute aus dem Fenster.

Da lag es vor ihm, Bay Back, strahlend von der Sonne beschienen, nicht ein Wölkchen, das den Himmel trübte und so einladend.

Irgendwo auf Ramrod hörte er Colt sich fröhlich pfeifend aus dem Staub machen. Der Cowboy ließ sich nicht davon aufhalten diese weißhaarige Snow näher kennen zu lernen. Er hatte offenbar sämtliche Erfahrungen mit Annabell vergessen, denn er schien sich wie ein Schuljunge, so wie damals, aufzuführen. Hatte er nicht erst gestern betont, wie übel diese Erfahrung war und wie wenig Ahnung Fireball davon hatte? Verständnislos schüttelte er den Kopf. Aus dem sollte mal einer schlau werden. Er konnte ihn gerade nicht verstehen. Genauso wenig wie Saber. Der Schotte konnte wahrscheinlich Colts Verhalten nachvollziehen, aber dem Rennfahrer gelang es nur schwer, den sonst so rationalen, sachlichen Boss zu verstehen. Als hätte er mit Lilly einst auf einer rosaroten Wolke geschwebt, als hätte er sie eben nicht in ihre Dimension zurück schicken müssen, nachdem er ihrem Verrat auf die Schliche gekommen war. Jetzt traf er sich mit Beth, kam spät an Bord zurück und duschte in einer Zeitspanne, bei der jeder andere Mann wusste, was er davon zu halten hatte.

Innerhalb von drei Tagen schien er komplett den Verstand verloren zu haben. Ausgerechnet Saber, man stelle sich das mal vor. Was das anging, schlug Beth ihre Vorgängerinnen um Längen. Nicht, dass sie nicht hübsch war. Sie und auch ihre Schwester waren sehr attraktiv, ihr Aussehen exotisch und ihre Gestalten schlank, na fast dünn, aber schwungvoll an den richtigen Stellen. Ihre Ausstrahlung war ebenfalls anziehend, gelehrig und unbeholfen die eine, taff und schlagfertig die andere. Doch gerade Colt und Saber sollten das doch mit etwas mehr Vorsicht genießen, oder nicht? Schon klar, dass die beiden nicht Lilly und Annabell waren, aber eine Gemeinsamkeit blieb. Sie waren Outriderinnen.

Bei Outridern war doch immer Vorsicht geboten. Vorsicht, merkte er gedanklich an, nicht Vorurteile.

Es war nicht schädlich, ein wachsames Auge auf sie zu haben. Es hatte sich gestern für ihn ebenso gezeigt, als er April und Jean-Claude auf die Brücke begleitet hatte. Er selbst hatte sich zurück gehalten, nur das Gespräch beobachtet und sich nicht eingemischt. Jean-Claude war dem Commander höflich begegnet, aber mit dieser Distanziertheit, die er die ganze Zeit über an den Tag legte und die man ohne Probleme mit Überheblichkeit verwechseln konnte. Während des Gespräches war der Name Beth gefallen, als Jean-Claude erklärt hatte, dass er diese zu dem Treffen mitzunehmen gedachte. April hatte ihm einen Blick zugeworfen, den man nur schwer deuten konnte. Ihre Augen hatten geleuchtet, hatten etwas von Bewunderung gehabt, oder Erstaunen. Auf jeden Fall, das hatte der Rennfahrer genau gespürt, hatte Interesse in diesem Blick gelegen.

Seufzend erhob er sich aus seiner Satteleinheit. Wurde Zeit auf andere Gedanken zu kommen, entschied er und trabte zügig zum Hangar.

Dort warf er sich schwungvoll in den Fury Racer und beschloss, die Canyons außerhalb Bay Backs zu erkunden. Er fuhr die Rampe hinunter. Hinter ihm schloss die automatische Verriegelung des Friedenswächters diese wieder.

Mit quietschenden Reifen düste er los.
 

Kaum waren sie los gefahren, hatte die fehlende Ruhe der verkürzten Nächte seinen Tribut eingefordert und Saber in einen tiefen traumlosen Schlaf geschickt. Daraufhin hatte April, vor sich hin schmunzelnd, ein Buch aus ihrer Tasche gezogen und zu lesen begonnen.

Auf dem letzten Stück der Fahrt dann, hatte ihr Boss sich bewegt und sich gestreckt. Sie klappte ihr Buch zu und verstaute es wieder in ihrer Tasche.

„Du kommst spät zurück und duschst lange. Geht es dir gut?“, erkundigte sie sich und unterdrückte ein Schmunzeln.

Ertappt räusperte er sich. „Ja, alles in Ordnung. Ich musste den Schmutz von gestern noch gründlich abwaschen“, brachte er hervor.

Sie hob die Brauen, konnte nicht verhindern, belustig zu klingen. „Schmutz? Hast du mit Beth und Steed eine Bruchlandung gemacht?“

„Nein. Aber ich war noch verschwitzt und wollte halbwegs ordentlich bei diesem Termin aufkreuzen.“ Er hob ebenfalls die Brauen und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Seit wann interessierst du dich für meine Duschzeiten?“

„Ich hab Fireball bis in die Küche zetern hören“, lachte sie fröhlich.

„Das glaub ich dir aufs Wort. Ungeduldig war er ja schon immer.“ Auch er musste lachen.

„Ja, ohne ihn wär's mir nicht aufgefallen.“ Sie grinste ihn an und erkundigte sich freundschaftlich. „Es läuft also gut mit euch beiden?“

„Ja, es läuft gut.“

„He, ich bin weder Colt noch Fireball. Ich werd dich nicht aufziehen, wenn du drei Worte mehr sagst.“

Saber musterte sie. Sie hatte Recht. Sie fragte nicht danach, um ihn dann aufzuziehen, sondern aus aufrichtigem Interesse.

Er streckte sich noch einmal, so gut es ging und antwortete ebenso aufrichtig: „Du hast keine Ahnung, wie dankbar ich dafür bin, dass du nicht wie die beiden bist. Aber recht viel mehr als das kann ich momentan trotzdem nicht sagen. Es läuft ganz gut mit Beth, wir verstehen uns. Ich hab das Gefühl, ihr Interesse an mir ist aufrichtig.“

Sie nickte. „Das Gefühl habe ich auch. Sie hat sich wie ein verliebtes Schulmädchen angehört, als ich sie nach dir gefragt hab.“ Als sie daran zurück dachte, stahl sich ein Schmunzeln auf ihre Lippen.

Er richtete sich auf und schaute sie neugierig an. „So, hast du das? Will ich wissen, was sie geantwortet hat?“

„Ich weiß nicht. Willst du hören, dass sie dich für faszinierend hält? Dass sie fasziniert, was du denkst und sagst? Dass sie Gespräche mit dir sehr schätzt? Oder dass“ Sie räusperte sich und gab sich Mühe Beth Worte und Tonfall genau wieder zu geben. „Er hat so ... so goldene Haare. Bei uns hat niemand solche Haare ... Oder Augen ... seine sind so ... blau.“

Geschmeichelt lächelte er vor sich hin. Wenn April ihr Zitat korrekt wiedergegeben hatte, und er bezweifelte, dass sie dabei übertrieb, dann ließ es stolz seine Brust schwellen und machte ihn im gleichen Moment auch etwas verlegen.

„Das beruht auf Gegenseitigkeit. Beth ist spannend, ihre Ansichten bringen mich zum Nachdenken und ihre Nähe berauscht mich. Ich sollte vorsichtiger und überlegter sein, aber ich kann in ihrer Gegenwart nicht anders“, gab er offen zu und erntete einen überraschten Blick von seiner Navigatorin.

„Davon merkt man aber nichts. Wenn es um die Sache geht, wie beispielsweise unser Gespräch gestern in der Küche, dann fällt das nicht auf. Du wirkst wie immer, ruhig und sachlich. Beth ebenso. Wenn man euch nicht allein erwischt hätte, wüsste man nicht, dass ihr beide auch anders könnt. Ich kann nichts verkehrtes daran finden.“

„Mit anderen im Raum geht es leichter, ja. Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, wie ich mich zu verhalten habe, April. Es ist eher so, dass ich erfahrungsgemäß nicht zu viele Hoffnungen darin setzen sollte, dass es hält. Aber wenn ich Beth ansehe, dann denke ich, es kann funktionieren.“

„Du hast diese Erfahrungen gemacht und es tut mir leid, dass es solche waren. Aber sie sollten dich nicht lähmen. Dann bleibst du stehen und dann ... dann stehst du einfach nur dumm da. Entscheidend ist nicht, dass man hinfällt, das tun wir alle mal. Entscheidend ist, dass wir aufstehen und weiter gehen.“

Er lächelte leicht. So war April, einfühlsam und verständnisvoll, eine gute Freundin.

„Um es also in deinen Worten zu sagen: Ich stehe gerade wieder auf und gehe weiter. Es tut gut, deine Fürsprache zu haben, April. Deine Meinung ist mir wichtig.“

Erfreut lächelte sie über dieses Kompliment.

„Ich denke, du bist aufgestanden, vor einer Weile schon. Jetzt wird es Zeit, dass du weiter gehst.“ Wie aufs Stichwort kam die Limousine vor dem Hauptsitz des Kavallerie Oberkommandos zum Halt. So klopfte sie ihrem Boss aufmunternd auf die Schulter und grinste keck. „Hopp.“

Er öffnete die Tür, stieg aus, nur um ihr danach beim Aussteigen behilflich zu sein, Gentleman, wie er wohl doch war.

„Tja, dann wollen wir mal“, murmelte er und sah an dem Gebäude empor.

Hinter ihnen fuhr die Limousine fort, brachte ihr Gepäck zum Hotel. Vor ihnen glänzte der vertraute Kolos aus Stahl und Glas blendend hell.

Ob das wohl vielversprechend war?



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