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Enemy mine - geliebter Feind

von

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Kapitel 9

Steed flog über die Straßen Bay Backs. Seine Hufdüsen zischten beständig, wirbelten den Staub vom Teer, während er seinen Reiter zügig seinem Ziel entgegen trug.

Saber hielt die Zügel fest und prüfte die vorbeiziehenden Häuser. Wachsam spähte er in die Seitenstraßen, welche seinen Weg kreuzten. Die LED-Augen seines mechanischen Pferdes halfen ihm, leuchteten in dunkle Ecken, wie die Scheinwerfer eines Autos.

Neben ihm, auf gleicher Höhe, flog Jean-Claude, ebenso aufmerksam wie er. Das Jetpack war nicht ganz so schnell, wie die, die er gewohnt war, aber besser als weiter zu Fuß bei weitem nicht schnell genug zu sein und zu riskieren, dass alles misslang, was er erreichen wollte. Dass er dafür ausgerechnet mit den Star Sheriffs zusammen arbeiten musste, hatte er als minimalste Wahrscheinlichkeit außer Acht gelassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er seine Schwestern und sich vor ihnen verbergen musste, lag bei weitem höher und war, seiner bisherigen Erfahrung mit ihnen nach, deutlich realistischer. Dass all das nicht leicht würde, war ihm von Anfang an bewusst gewesen, doch jetzt eine Schwester suchen zu müssen, damit rechnen zu müssen, dass sie entführt worden war, weil die Führung hinter ihm und seinem Wissen her war, hatte er zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet. Nein, er hatte damit gerechnet, dass es passieren würde, sobald es ihm gelungen war seine Schwestern an einer Universität anzumelden und sie somit Teil des öffentlichen Lebens wurden. So lange er sich darauf beschränkt hatte, möglichst wenig aufzufallen und sämtliche Spuren zu verwischen, war er davon ausgegangen, dass man ihm nicht auf die Spur kam. Es gab so viele Randgebiete, in denen die Führung sie suchen würde, ehe sie auf Bay Back kommen würde, das vergleichsweise nah an der Metropole lag. Das hätte ihm genug Zeit gegeben, die Lebensläufe seiner Schwestern so zu frisieren, dass keine Verbindung zu ihm mehr hätte aufgebaut werden können. Das alles ging schneller als er erwartet hatte. Er verfluchte sich gedanklich, sich verkalkuliert zu haben. Das hätte nicht passieren dürfen.

Verbissen konzentrierte er sich auf den Weg, bis sie endlich den Markt erreichten, in dem sie sonst einkauften.

Wo steckte Snow nur? Hoffentlich war Beth wohl auf? April würde es bereuen, würde sie ihr Wort nicht halten, so viel war sicher.

Er warf einen prüfenden Seitenblick auf seinen Begleiter, dann brach er die Stille zwischen ihnen.

„Warum war Beth bei euch?“ Er kannte die Antwort auf die Frage. Er wusste, sie fand die Star Sheriffs interessant und besonders Saber faszinierend. Es ging, dass konnte er an der Art erkennen, wie sie über ihn sprach, über eine forschende Neugier hinaus. Jean-Claude fragte nur aus einem Grund: Er wollte sehen, wie viel er auf die Worte des Blonden geben konnte.

„Wir haben uns für heute verabredet. Beth hat mir erzählt, sie würde sich für Pferde interessieren. … Sie hat wohl ein Buch über sie gelesen, aber noch keines … gesehen … ich wollte es ihr zeigen …“

Der Schotte antwortete nur sehr langsam und zeitlich verzögert. Seine Augen waren sich auf den Markt und den Parkplatz davor gerichtet. Er hatte Beth ein Versprechen gegeben, das er zu halten gedachte. Deshalb schaute er sich auf dem Parkplatz um und versuchte Anzeichen zu entdecken, die auf Snow oder eine mögliche Entführung hinwiesen. Er blickte auf leere Parkplätze, halbvolle Abfalleimer und eine Gruppe Jugendlicher, die johlend und wankend vorbeizog.

„Aha. Da du nicht richtig zu hörst, ist dein Interesse an ihr demnach hormoneller Natur.“ Diese Feststellung riss ihn aus seiner Observation.

„Wie bitte? Wie kommst du denn darauf?“

„Das sagte ich bereits. Wärst du an einer Symbiose interessiert, hättest du zugehört, wenn es um sie geht", entgegnete Jean-Claude sachlich.

„Symbiose? Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du so etwas wie eine Beziehung. Im Moment haben wir wohl eher andere Dinge zu tun, als darüber zu reden. Aber wenn es dich so brennend interessiert. Ja, ich finde Beth ist eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit.“

„Symbiose, genau und da mir meine Schwester gleichgültig ist, liegt es in der Natur der Sache, dass ich keinerlei Erkundigen einziehe.“ Die Worte des grünhaarigen trieften vor Ironie.

„Kommt der große Bruder durch? Ich muss gestehen, so etwas habe ich bei einem Outrider schon lange nicht mehr gesehen. Beinahe so interessant wie Beth.“ Es war vielleicht nicht hilfreich den ironischen Vorurteilen des Outriders mit Sarkasmus zu begegnen, doch Saber hatte nicht vor alles auf sich sitzen zu lassen, was Jean-Claude ihm vorwarf. „Ich versichere dir, Jean-Claude, ich tue nichts, was deine Schwester nicht möchte“, ergänzte er dann ernst.

„Ich bezweifle das doch irgendwie. Ich werde mich mal mit ihr darüber unterhalten. Sie ist ohnehin anfälliger als Annabell es war“, bemerkte der, ohne sich auf den Sarkasmus einzulassen.

„Tu das, wenn du kein Vertrauen hast.“ Was sollte der Schotte sonst entgegnen? Jean-Claude war skeptisch, misstrauisch. Er wäre es an seiner Stelle wohl auch. Er war es jetzt noch, doch er bemühte sich zu verstehen, was seinen Gegenüber dachte. Darum erfragte er, was er nicht verstanden hatte. „Wie meinst du das? Sie ist anfälliger?“

„Als ob ich dir das sagen würde solange ich damit rechnen muss, dass du hormonell geleitet bist.“

„Die Sache mit den Hormonen macht dich fertig, wie mir scheint. Ja, Menschen haben Hormone und werden mitunter von ihnen übermannt. Sie sichern das Überleben.“ “Ich weiß, dass Menschen Hormone haben. Die haben wir auch, nur sind sie bei den meisten von uns ausbalancierter als bei euch, weshalb wir nicht zu solchen Überreaktionen neigen wie ihr. Was ihr Gefühle nennt, ist auf nichts mehr als situativen Hormonausschüttungen begründet. Mag sein das ihr so überlebt, wir schaffen das ohne das. Soll ich meine Schwester also so jemand anvertrauen, der in einem Moment - wie nennt ihr das - die große Liebe schwört, nur um zu gehen, sobald er seine Hormone wieder reguliert hat?“

„Ja, genau. Alle Menschen sind so. Wenn die Hormonausschüttung sich wieder reguliert hat, verlassen wir unsere Partner wieder. Das machen wir mit Vorliebe dann, wenn das Überleben der eigenen Spezies gesichert ist.“ Der Recke schüttelte den Kopf. Das mal zu den Vorurteilen. Es war eben leicht, alle in einen Topf zu werfen und kräftig zu rühren. „Wie läuft das bei euch so? Werdet ihr im Labor zusammengelost?“

„Au Contraire. Ich erwähnte die Symbiose bereits. Es ist das, was ihr Liebe oder auch Beziehung nennt, nur ohne die übermäßige Ausschüttung von Dopamin, Serotonin und dergleichen. Wie gesagt, im Durchschnitt sind wir da regulierter, was nicht heißt, es gäbe nicht Ausnahmen, die die Regel bestätigen.“

„Dann fahren eure Hormone nicht Achterbahn mit euch. Das klingt auf den ersten Blick einfacher, aber ich weiß nicht, ob mir das gefallen würde. Es gibt auch bei uns Ausnahmen, Menschen, die auf die Gefühle anderer nicht eingehen können, sie nicht lesen können.“

„Schön, wir haben also alle unsere Exoten. Soll ich deshalb aufhören, auf meine Schwestern zu achten? Gerade du ... Mensch der du nun mal bist, solltest meine Fragen nach deinem Interesse an meiner Schwester nachvollziehen können.“

Saber richtete seinen Blick von dem Parkplatz auf seinen Begleiter und musterte ihn. Seine Sorge um seine Schwester lag wohl in der Anfälligkeit begründet, von welcher der gesprochen hatte. Es gab also Ausnahmen unter den Outridern, die keinen ausgeglichenen Hormonhaushalt hatten? Es lag nahe die Theorie aufzustellen, dass eben diese Outrider anfälliger für menschlichere Gefühle waren. Das dürfte dann als Schwäche gewertet werden oder stellte eine Angriffsfläche dar, die Jean-Claude mit seinem Misstrauen nicht vor einem ehemaligen Feind offenlegen wollte.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich deine Beweggründe nicht nachvollziehen kann. Ich würde dich wahrscheinlich verachten, wenn du dich nicht um deine Familie kümmern würdest, so wie ich einen Menschen verachten würde, der sich nicht um seine Familie sorgt.“

Damit richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf den Platz.

Sie schritten auf Bäume zu, die am Rande des Parkplatzes standen und bei Tag Schatten auf den Gehweg warfen. Nichts. Sie umrundeten den Markt, prüften die Rampe des Warenempfangs und die Abfallboxen für Verpackungsmaterial. Jean-Claude landete und schaltete sein Jetpack ab.

„Ich frage mich, wie aufmerksam und offen bist du wirklich? Verrate mir doch den Namen, den ich für meine Schwester habe“, bemerkte der grünhaarige dabei.

„Du nennst sie Bio. Weshalb nennst du sie so? Das hat doch sicher eine Geschichte dazu.“

Etwas huschte über das Gesicht Jean-Claudes, das man beinahe für Anerkennung halten konnte. Er rang ein wenig mit sich, dann erläuterte er. „Keine Geschichte. Sie interessiert sich einfach für Biologie, für die Anatomie und das Verhalten von Lebewesen. Sie fragt nach dem, was dieses Verhalten begründet. Die meisten unserer Art interessieren sich eher für Mechanik, Technik oder Informatik in all ihren Unterkategorien.“

„Mir ist das schon aufgefallen und gerade das war es, was mein Interesse geweckt hat. Beth ist sehr wissbegierig, es ist erfrischend, ihre Sicht der Dinge zu hören.“

„Ja, ist wissbegierig.“ Jean schaute prüfend in eine Box mit gefalteten Kartonagen, schob einige zur Seite. „Sie sollte endlich studieren.“ Die Worte versanken fast in den Geräuschen, die sein Tun verursachte.

„Wie bitte?“

Jean-Claude ließ den Deckel zu fallen, dass es schepperte und sah den Schotten musternd an. Da wollte er doch mal sehen, wie ernst es dem mit seinen Versprechen und seinem Gerede war.

„Sie sollte endlich studieren.“

Der Schotte klopfte Steed auf den Hals, worauf des Mecha-Pferd seinen Kopf senkte. Er hatte keine Anhaltspunkte entdecken können, dass irgendwer aus irgendeinem Grund aufs Dach des Marktes geklettert war.

„Warum tut sie es noch nicht? Liegt es an den Kosten?“

„Eher an ihrer Biographie. Geflohen aus der Dimension des Feindes aufgrund eines ... nennen wir es genetischen Defekts der in ihrer Familie liegt? Welche Universität legt Wert darauf eine Outriderin auszubilden. Die Befürchtung, dass sie den Feind stärken ist zu groß.“

„Verstehe, das wäre so, als ob April sich an einer Phantomuniversität einschreiben würde“, nickte Saber nachdenklich.

„Sie wäre nicht dumm genug, dass direkt zu machen. Aber Umwege benötigen Zeit.“ Vielleicht könnte ein Fürsprecher den Prozess beschleunigen oder überhaupt mal anstoßen, aber wen hatte Beth dafür schon. Ihn, Jean-Claude, der auf der Most-Wanted-Hitliste sicher in den oberen Rängen rangierte.

Abermals nickte der Schotte.

„Aber Bio wird studieren“, sagte ihr Bruder fest. Er würde einen Weg finden, ihr das zu ermöglichen. Er schaltete das Jetpack an und setzte seine Suche fort, begann die Fläche hinter dem Gebäude weiter zu untersuchen.

„Du hast also einen Plan?“ Saber folgte ihm auf Steed.

„Kann ich einen Star Sheriff nicht wissen lassen.“

„Verstehe.“ Nichts legales also. Der Star Sheriff würde und müsste dagegen vorgehen.

Wortlos prüften sie das Gelände noch einige Minuten, ehe Saber feststellte: „Keine Spur von Snow.“

So sachlich er das auch bemerkte, es trieb Jean-Claudes Puls in die Höhe. Er presste die Zähne zusammen. Seine Beunruhigung war ihm deutlich anzusehen und passte zu seinen nächsten Worten. „Ich hoffe, deine vorlauten Wiesel taugen was“, knurrte er.

„Wenn es eine Spur von Snow gibt, finden wir sie“, blieb der Schotte neutral. Andere Worte würden seinen Begleiter nur weiter aufregen. Ob er auch unter einer gewissen „Anfälligkeit litt“?

„Das will ich euch raten“, raunzte der aufgebracht und beantwortete so die Überlegung des Schotten.

„Du machst dir Sorgen und du vertraust uns nicht, das ist ne miese Kombination, Jean-Claude. So schwer es auch zu akzeptieren ist, wir ziehen gerade an einem Strang. Colt und Fireball wissen, was sie tun.“

„Wir schließen zu ihnen auf. Sie muss da sein“, entschied Jean-Claude energisch und brach in Richtung der botanischen Anlage auf, in der seine Schwester Snow noch einen zweiten Helferjob hatte.

Saber schickte dessen Worten ein gedankliches „Hoffentlich“ hinterher, ehe er sich dem Outrider anschloss. Es gab für ihn keinen Grund, dessen Entscheidung zu widersprechen. Es war gut, wenn sie die Suche in diesem Gebiet unterstützten. Es war aufwändiger, die Anlage zu durchsuchen.

Er hoffte, es gelang ihnen die Vermisste zu finden. Er wollte Beth ihre Schwester zurück bringen und konnte sich lebhaft ausmalen, wie der grünhaarige Kommandant reagieren würde, sollte es ihnen nicht gelingen.



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