Zum Inhalt der Seite

The Diary of Mrs Moriarty

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gefangen in Lügen

„Es ist jetzt alles vorüber…“, beruhigte William Miceyla mit sanfter Stimme und wollte ihr eine Hand auf die Schulter legen. Aber sie wich nur wie in Trance zurück.

„Das war zu viel für Miceyla, Will…“, meinte Albert verdrießlich. Er beugte sich zu ihr hinunter und legte eine Decke um sie. Geschwächt und unterkühlt, drückte sie sich gegen seinen warmen Körper. Daraufhin nahm er sie feinfühlig in die Arme und sie weinte kontinuierlich weiter.

„Natürlich… Von ihrer erschütterten Reaktion war auszugehen…“, sprach William leise. Sein weicher Tonfall passte kein kleines bisschen, zu seinem grausamen Auftreten.

„Zeig mir mal deine Hände… Das sieht nicht gut aus. Wir müssen die Wunden säubern, damit sich nichts entzündet. In der Kutsche haben wir sauberes Wasser und einen Verband. Kannst du laufen?“, fragte Albert sie ruhig, woraufhin sie nur stumm nickte und sich erhob. `Wie schön für euch, dass ihr so gut vorbereitet seid…`, dachte sie gekränkt.

„Verlassen wir diesen unschönen Ort. Lange genug musstest du Angst und Leid erdulden, Miceyla. Dafür muss ich mich aufrichtig bei dir entschuldigen. Doch diente das alles einem guten Zweck. Du wirst uns mit auf unser Anwesen begleiten, es gibt einiges zu besprechen“, kündigte William an. Die kleine Truppe lief los und verließ die Geisterkathedrale. `Das war ja klar, dass sie mich nicht einfach nach Hause gehen lassen… Bin ich jetzt eine Gefangene?` Auf dem Weg überkamen sie besorgniserregende Befürchtungen. Ihre Tränen versiegten langsam. Die ewige Nacht würde sehr bald vorbei sein. Mittlerweile hatte der Regen nachgelassen, doch noch immer wehte ein eisiger Wind. William setzte sich in der Kutsche neben Moran, Miceyla auf die gegenüberliegende Sitzbank neben Albert. Louis fuhr die Kutsche. Sie ließ Albert gewähren und er versorgte behutsam ihre Verletzungen an den Händen. Sobald er damit fertig war, drehte sie sich ohne ein Wort des Dankes zur Seite und mit leerem Blick sah sie hinaus. Stur bemühte sie sich darum, William keines Blickes zu würdigen. Gerade konnte sie ihm einfach nicht in die Augen sehen. Die Kutschfahrt schien nicht enden zu wollen. Keiner der vier sprach auch nur ein einziges Wort. Alle drei jungen Männer bemühten sich dem Anschein nach darum, auf ihren ermüdeten Gefühlszustand Rücksicht zu nehmen. Als sie nach einer langen Fahrt ihr Ziel erreicht hatten, betrat Miceyla in Begleitung der Moriarty-Brüder und Moran, zum dritten Mal das große Anwesen. Doch jetzt kam es ihr auf einmal kalt und befremdlich vor.

„Bald wird es dämmern. Miceyla, wir stellen dir trockene Kleidung und ein Zimmer zur Verfügung. Du solltest etwas schlafen. Später werden wir…“, begann William ihr zu erklären.

„Nein! Ich werde garantiert kein Auge zumachen können, ehe ich Antworte erhalten habe!“, fiel sie ihm ins Wort und sah ihn nun selbstsicher direkt an. Allmählich kehrte ihr klarer Verstand zurück und sie verdrängte die Müdigkeit.

„Wie du magst. Ich akzeptiere deine Entscheidung. Aber bitte lass dir vorher von Louis zeigen, wo du dich umziehen kannst. Sonst wirst du mir krank. Wir versammeln uns dann gleich“, bat William einverstanden und sie ließ sich von Louis zu einem Badezimmer führen. Dort entledigte sie sich all ihrer klatschnassen, verdreckten Kleidung und zog ein trockenes Kleid an, welches man ihr bereitlegte. Rasch wusch Miceyla sich noch grob das Gesicht, bevor sie wieder raus zu dem geduldig wartenden Louis lief. Sie folgte Williams Bruder eine Treppe hinunter, die in den Keller führte und betrat nach ihm einen Raum, in welchem bereits die drei jungen Männer warteten. William stand mit verschränkten Armen vor einer Wand, an der etliche Pläne und Skizzen gehäfftet waren. Erwartungsvoll lächelte er sie an. Miceyla setzte sich wortlos auf einen freien Stuhl zwischen Moran und Albert.

„Hier, bitte sehr. Zum Aufwärmen. Wir können dir auch etwas zu essen anbieten.“ Ihre kalten Hände nahmen dankbar, die von Albert rübergereichte heiße Teetasse entgegen. Doch was das Essen betraf, so musste sie den Kopf schütteln. Noch immer plagten sie verstörende Bilder im Geiste, die ihr den Appetit verdarben.

„Gut, dann fangen wir mal an. Ich gebe dir mein Wort, dass ich all deine Fragen ehrlich beantworten werde“, begann William die Unterredung und richtete seinen Blick geruhsam auf Miceyla. Nun war er nicht mehr in seinen schwarzen Mantel gehüllt. In Hemd und Weste sah er wieder ganz wie der Alte aus. Die Männer zeigten nicht mal ein klein wenig Reue oder Erschöpfung, sondern verhielten sich so munter und aufgeweckt wie eh und je. Tatsächlich schienen sie einen professionellen Umgang, mit dem planen und ausführen von Verbrechen zu pflegen.

„Gehe ich richtig der Annahme, dass all die beispiellosen Morde an hauptsächlich Adeligen, auf euch zurückzuführen sind? Und du William, bist der kluge Kopf im Hintergrund, welcher sich alles meisterlich ausdenkt“, identifizierte sie seine wahre Person.

„Das hast du richtig erkannt. Dann beginne ich einmal ganz von vorne und weihe dich in unser Vorhaben ein. Zumindest gebe ich dir für den Anfang, eine kleine Kurzfassung davon. Wir engagieren uns schon seit Kindheitstagen und setzen uns für eine Gleichberechtigung in der Gesellschaft ein. Du erinnerst dich bestimmt noch an unser ausgiebiges Gespräch, bei dem du selbst deine eigene negative Meinung, zu den Standesunterschieden geäußert hast. Um es klarer auszudrücken, wir, die Moriarty-Brüder, werden gemeinsam mit unseren Verbündeten, das gesamte Land verändern, es neugestalten und es von der Befehlsgewalt des Adels reinwaschen. Dafür bedarf es aufwendiger Strategien, auch Opfer lassen sich nicht vermeiden. Jedoch stehe ich konsequent hinter meinen Plänen und werde das Leben, welches mir Albert zu jener Zeit geschenkt hat, weise nutzen“, brachte William langsam aber sicher Licht ins Dunkel.

„Wahrlich eine tollkühne Revolte… Mir ist es bereits von Anfang an aufgefallen… Ihr drei…“, murmelte Miceyla und warf einen Blick seitlich zu Albert.

„Sprich es ruhig aus“, meinte dieser lächelnd.

„…Louis ist dein jüngerer Bruder, William. Doch ihr seid beide nicht mit Albert blutsverwandt…“, enthüllte sie ihre Vermutung.

„So ist es“, bestätigte William ihre Aussage, ohne weitere Einzelheiten preiszugeben.

„Wie auch immer… Ich lasse eure mysteriöse Vergangenheit mal außen vor. Aber wie wollt ihr all diese bizarren Visionen bewerkstelligen? Den ganzen Adel einfach niedermetzeln? Und damit sei es getan? Glaubt ihr, die Regierung von England und Königin Victoria, machen sich keine Gedanken über die Entwicklung unseres Landes? Wollt ihr euch durch Gesetzwidrigkeit, eine ganze Nation zum Feind machen?“, warf Miceyla ungestüm etliche Fragen in den Raum.

„Du hinterfragst die Tatsachen kritisch. Das gefällt mir. Nur musst du eingestehen, dass sich von alleine gar nichts ändern wird. Der Adel hält die Macht in Händen. Du brauchst dir lediglich unser Polizeisystem zu vergegenwärtigen. Führt eine adelige Person eine Straftat aus, wird immer ein Auge zugedrückt. Natürlich planen wir unsere Vorhaben nicht erst seit gestern und haben auch nicht vor, morgen bereits alle Ziele erreicht zu haben. Wir erarbeiten uns alles taktvoll Schritt für Schritt und werden mit kleinen Handlungen, große Ergebnisse erzielen. Nehmen wir als Beispiel den Fall mit Lord Blanchard…“, erläuterte William und versuchte durch sachliche Ansätze, ihr Misstrauen einzudämmen.

„Richtig! Alles ergibt nun Sinn, dort hattet ihr auch eure Finger mit im Spiel. In den Zeitungen stand etwas von einem Lord Ridley… Selbst Sherlock konnte keine Beweise finden, daher war er so frustriert. Ja, Sherlock… Er verfolgt deine umfangreichen Verbrechen mit regem Interesse und ist euch stets auf den Fersen. Ich denke ihr wisst das…“, stellte Miceyla fest und unheilvolle Vorahnungen überkamen sie.

„Lord Ridley war für uns nur ein Mittel zum Zweck. Wir haben sozusagen zwei Adelige aufeinandergehetzt. Damit wollten wir den Menschen einen kleinen Denkanstoß geben. Bei Gelegenheit erzähle ich dir gerne, die gemeinen Machenschaften von Lord Blanchard. Du hast endlich Sherlock erwähnt… Der Detektiv Sherlock Holmes ist mit Abstand der einzige, der mit dem Niveau unserer Vorgehensweisen mithalten kann. Du kennst ihn sicherlich mittlerweile recht gut und auch seine Methoden. Wir nutzen sein unermüdliches Arrangement, um die Wahrheit der bösen Adeligen ans Licht zu bringen. Auf der Kehrseite wiederum ist er der einzige, der uns wirklich im Wege stehen könnte. Nur ist er zu gutherzig. Sollte er dennoch eine schwerwiegende Bedrohung für uns darstellen… Nun, dies darfst du dir selbst zusammenreimen…“, machte William heimtückische Anspielungen und zeigte ihr ein schamloses Grinsen. Miceyla erschauderte und schluckte heftig. Doch er wollte sie in diesem Moment, keinen angsteinflößenden Vorstellungen aussetzen und lächelte sie wieder liebevoll und gütig an.

„Dann diente diese schreckliche Nacht dazu…“, flüsterte sie kleinlaut.

„…Um herauszufinden ob du geeignet bist, dich unserer Gemeinschaft anzuschließen. Bereits bei unserer ersten Begegnung, sind mir deine herausragenden Charakterzüge aufgefallen und verdienten sich mein Interesse an deiner Person. Du wärst eine wertvolle Gefährtin für uns, die unsere selben Grundeinstellungen teilt“, offenbarte William den Grund ihres brenzligen Abenteuers.

„Dann schließe ich daraus, dass ich deine Erwartungen erfüllt habe… Was wäre allerdings gewesen, wenn ich nicht auf die flehende Bitte von der alten Frau…ähm…ich meine von dem jungen Mann eingegangen wäre und mich gar nicht erst auf diese wagehalsige Geschichte eingelassen hätte?“, fragte sie gespannt. Langsam siegte die Neugierde über ihren Argwohn.

„Nun, dann wärst du schlicht und ergreifend bei unserem kleinen Test durchgefallen. Denn was nützt dir oder uns deine schnelle Auffassungsgabe, wenn du sie nicht in der Praxis einsetzen kannst. Wir mussten dich in Bredouille bringen. Dadurch wollten wir einen Eindruck erhalten, ob du in einer ernsten Situation deine Grenzen überschreiten und dich trotz deines braven Wesens, rechtswidriger Mittel bedienen könntest. Somit stellten wir einen Ernstfall nach. Was nicht heißen soll, dass ich vorhabe dich zukünftig als mordende Attentäterin einzusetzen. Es ging darum, dass du eine genaue Vorstellung davon bekommst, wie eine solche Situation ausgehen kann und dementsprechend richtig handelst. Ich werde dich zu nichts zwingen, was du nicht tun willst. Dennoch musst du unsere Pläne beherzigen und pfleglich befolgen“, fuhr William detailgetreu fort. `Das klingt ja fast so, als hätte ich dir schon mein Einverständnis gegeben… Und ihr habt keinen Ernstfall nachgestellt, es `war` ein Ernstfall!`

„Verstehe… Ich mag gar nicht daran denken… Aber was, wenn etwas schiefgelaufen wäre und alles in einer einzigen Eskalation geendet hätte… Sprich, wenn ich von den beiden Männern vorher überwältigt worden wäre und sie mich…“ Miceyla blieben ihre Worte im Hals stecken und konnte nicht weitersprechen.

„Wir hätten zu jeder Zeit einschreiten können. Du hast zwar keinen von uns bemerkt und doch haben wir all deine Schritte genaustens mitverfolgt. Glaube mir, mein Herz hat mit dir gelitten. Ohnehin musstest du schreckliches erdulden, wir wären dich auch bereits eher retten gekommen. Doch sieh es positiv, deine Darbietung war freilich heldenhaft. Da durftest du dich mal ganz, wie die tapfere Kriegerin aus deinen Geschichten fühlen“, versuchte Albert sie durch ehrlich gemeinte Worte aufzuheitern. Auch wenn es nur zaghafte Anzeichen waren, so bemühte sie sich dennoch darum, ihn dankbar anzulächeln. Sogleich jedoch, überkam sie wieder der brennende Schmerz von Enttäuschung im Herzen. `Der Ball… Das Kleid… All die entgegenkommenden Handlungsweisen… Sind das alles nur Floskeln gewesen? Eine vorgegaukelte Finte, um meine Sympathie zu gewinnen?` Bei diesem Gedanken drohte die Trauer sie zu erdrücken.

„Ich weiß ganz genau was du gerade denkst, Miceyla. `Haben mir die Moriarty-Brüder ihr freundschaftliches Verhalten nur vorgespielt?` Also, zu einem kleinen Teil mag das stimmen…“, hob William neutral an. Ihr Herz verkrampfte sich immer mehr.

„Sagen wir, dieser kleine Teil hat fünf Prozent ausgemacht und war eine Unausweichlichkeit, die du in den gesamten Plan, also deine Bewährungsprobe, miteinrechnen kannst. Da bleiben noch die fünfundneunzig Prozent übrig. Das ist nicht gerade wenig, oder? Folglich war unser aufgeschlossenes Interesse an dir und deiner besonderen Persönlichkeit, die pure Wahrheit. Bedenke, dass ich mir nicht für jede dahergelaufene Person, solche Mühe machen oder sie gar auf einen Ball einladen würde. Miceyla…ich habe unseren Tanz als ein wunderschönes Erlebnis in Erinnerung. Und ist es dir nicht auch wichtig, zukünftig dafür zu kämpfen, dass diese prägenden Momente häufiger stattfinden? Das alle Menschen dieses glückselige Gefühl kennenlernen?“, fuhr William fort und verlor sich in seinen eigenen träumerischen Gedanken. Dies konnte Miceyla an seinen klaren roten Augen ablesen, in denen sich das friedlich flackernde Kerzenlicht spiegelte. Alles was er sagte war ehrlich gemeint. Ein paar flüchtige Tränen entglitten ihr. Doch jetzt waren es die Tränen der Beruhigung zu wissen, dass ihre Empfindungen nicht völlig dem Betrug zum Opfer fielen.

„Ja…ja das wünsche ich mir…“, antwortete sie und lächelte gedankenversunken.

„Dann schließe dich mir, uns allen an. Wir bieten dir einen neuen Platz im Leben, wo du etwas erreichen und deine Träume verwirklichen kannst. Niemand außer uns wäre dazu in der Lage. Nicht das du glaubst, wir würden dich zu einer Sklavin machen, die stur unseren Befehlen Folge leisten muss. Nein, ich erhoffe mir eine vertrauliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Sonst verletzte ich meine eigenen Prinzipien. Werde zu einem Vorbild für andere Frauen, in allen Schichten der Gesellschaft. Du hast die geeigneten Ambitionen dafür. Und außerdem können wir dir bei so manchen Dingen behilflich sein. Wie zum Beispiel deine Werke zu veröffentlichen… Das einzige was ich von dir verlange ist, dass du mir deine absolute Treue schwörst“, lockte William sie dazu ein Bündnis einzugehen.

„Dir muss klar sein, dass ich mich nicht durch Erpressungen beeinflussen oder manipulieren lasse. Und was ist mit Sherlock? Du wirst bestimmt darauf bestehen, dass ich mich nicht mehr mit ihm treffen darf. Habe ich recht? Da habe ich eindeutig etwas dagegen! Und garantiert agiere ich nicht als Doppelspionin und würde zulassen, dass du unsere Freundschaft ausnutzt. Das ist `mein` einziges Anliegen“, stellte sie lautstark klar und versuchte sich dabei nicht, von ihrem Respekt für die drei Brüder einschüchtern zu lassen. `Was passiert eigentlich mit mir, falls ich ablehne? Werde ich dann kaltblütig beseitigt?... Nein…das würde William niemals tun. Er vertraut mir…` Dies hoffte sie zumindest…

„Nicht doch, es wäre viel auffälliger, wenn du plötzlich den Kontakt mit ihm abbrechen würdest. Besuche ihn ruhig weiterhin, auf diese Weise kannst du wunderbar, deine eigenen Fähigkeiten trainieren. Aber selbstverständlich ist es dir nicht erlaubt etwas preiszugeben, dass uns schaden könnte. Und keine Anspielungen machen. Doch du bist klug und wirst dich schnell daran gewöhnen und einschätzen können, wie du dich in seiner Gegenwart zu verhalten hast. Im Übrigen ist es natürlich wünschenswert, dass du deinen eigenen freien Willen hast. Und ganz gleich wie du dich entscheidest, ich werde mit dir zu einem Verlag gehen und deine geschriebenen Werke in deinem Namen veröffentlichen. Sieh es als Wiedergutmachung für die obszöne Prüfung. Allerdings, falls du von einer Zusammenarbeit absiehst, werden wir uns von dem heutigen Tage an nicht mehr häufig sehen und du kehrst wieder in dein altes Leben zurück. Es liegt ganz an dir…“, sprach William ernst und eine Spur von Betrübnis verbarg sich in seinen letzten Worten. Miceyla drückte die Handfläche gegen ihren schmerzenden Kopf und schloss mit einem Seufzen kurz die Augen. `Es ist eine schwere Wahl, die ich treffen muss. Falls es überhaupt etwas Richtiges zu wählen gibt… Ich habe diese Menschen liebgewonnen. Unter keinen Umständen, will ich die einzigen wahren Gleichgesinnten in meinem Leben verlieren… Wo und wann würde ich erneut auf solche besonderen Menschen treffen? Garantiert nie wieder… Vor allem du William… Du übst eine unsagbar starke Anziehungskraft auf mich aus, der ich mich kaum widersetzen kann… Wenn ich dich niemals mehr sehen könnte…dann…dann… Mein Herz erträgt den Gedanken daran einfach nicht…` Nach einer längeren schweigsamen Pause, erhob sie sich mit müden Beinen und lief in Begleitung eines entschlossenen Blickes auf William zu und kam kurz vor ihm zum Stehen. Dann kniete Miceyla sich langsam vor ihm nieder.

„Hiermit lege ich einen Schwur ab, der meine absolute Treue zu dir besiegelt. Mein Leben und meine Hoffnungen, gebe ich in deine behütenden Hände. Möge ich dir beim erreichen deiner Ziele verhelfen. An deiner Seite werde ich gemeinsam mit dir, für eine freie Zukunft kämpfen“, beteuerte sie aufrichtig. Jedoch würde sie niemals etwas zulassen, dass Sherlock oder John in Gefahr bringen könnte. Jene Freundschaft bedeute ihr mehr als das eigene Leben. Diese Tatsache sollte von nun an, bis zum bitteren Ende zwischen ihr und William stehen…

„Ich danke dir, Miceyla. Bitte erhebe dich wieder“, bat William mit harmonischer Stimme und hielt ihr eine Hand entgegen. Seine Erwartungen schienen in vollster Weise zufriedengestellt. Nichtsahnend, was in ihrer neuen Zukunft auf sie zukommen würde, erhob sie sich, nahm seine Hand und drückte diese mit pochendem Herzen ganz fest, zur Besiegelung ihres Paktes.

„Du hast heute sehr viele freudlose Seelen glücklich gemacht, meine liebe Miceyla“, freute Albert sich lächelnd über den Zusammenschluss.

„Auf eine gute Zusammenarbeit“, bekundete Louis wohlgestimmt. Plötzlich fühlte sie sich umsorgt und gut aufgehoben, inmitten ihrer neuen Freunde. Sie war nun ein Teil dieser freimütigen Gemeinschaft.

„Ver…Vertreiben wir all das Böse und verhelfen der Welt zu rechter Größe!“, verkündete Miceyla mit Augen die leuchteten, wie die eines jungen Abenteurers, der kurz davorstand, eine aufregende Reise anzutreten. William sah sie zuerst ein wenig verwundert an, doch dann lachte er leise.

„Ist das jetzt unser neues Motto? Finde ich gar nicht mal so schlecht!“, kommentierte Moran amüsiert ihren Leitspruch.

„Oho Moran! Ich habe mich die ganze Zeit schon gefragt, was mit deinem vorlauten Mundwerk geschehen ist“, meinte Louis kichernd.

„Hach… William hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, nichts Unvernünftiges zu sagen…“, erwiderte dieser brummig.

„Aha, so ist das also. Bevor du etwas Falsches von dir gibst, traust du dich erst gar nicht zu sprechen“, kam eine belustigte Feststellung von Louis.

„Klappe!“, rief Moran mürrisch.

„Da fällt mir ein… Was ist eigentlich aus dem verletzten Jungen und diesem Fred geworden?“, stellte Miceyla noch eine letzte Frage.

„Fred hat ihn schnellstmöglich zu ärztlicher Versorgung gebracht. Du wirst Fred und seine Arbeitsweise noch näher kennenlernen. Wir haben das Nötigste besprochen. Jetzt ist es wirklich an der Zeit, dass du etwas Schlaf findest. Auch wenn der Morgen naht. Louis, zeige ihr bitte, wo sie sich ausruhen kann“, beendete William das aufschlussreiche Gespräch und sie verließ ausgezehrt mit seinem Bruder den Keller. Es war eine Erleichterung, dass Louis sie begleitete. Denn im Augenblick bekäme sie ein etwas seltsames Gefühl, wenn sie alleine mit William wäre. Auf einmal wurde ihr schummrig vor Augen und sie drohte umzukippen. Doch Louis hielt sie noch ehe es dazu kam am Arm fest.

„Vorsicht! Geht es?“, fragte er besorgt.

„Ja…ich denke schon. Meine Glieder tun mir fürchterlich weh…und ich spüre jeden einzelnen Muskel…“ Wie eine leblose Hülle, schlurfte sie an seiner Seite einen Flur entlang.

„Da wären wir. Ruh dich ordentlich aus. Gleich nebenan befindet sich ein Badezimmer. Sage Bescheid falls du etwas benötigst. Wir sehen uns dann später“, wies er sie zuvorkommend darauf hin und öffnete ihr die Tür zu einem ordentlich eingerichteten Zimmer, mit einer behaglichen Atmosphäre.

„Danke Louis und…ich glaube zu dieser Uhrzeit ist es etwas unpassend, eine gute Nacht zu wünschen…ha, ha“, scherzte sie trotz ihrer Übermüdung.
 

Louis lief zurück in den Kellerraum, in welchem sich noch immer die drei jungen Männer unterhielten.

„Ich kann nicht leugnen, dass wir eine fähige Verbündete gewonnen haben. Doch muss ich anmerken, dass Miceyla sich zu sehr von Emotionen leiten lässt und sehr wankelmütig ist…“, urteilte Louis, sobald er hinter sich die Tür geschlossen hatte.

„Das ist mir durchaus bewusst. So hart es auch klingen mag, wir werden ihr das wohl oder übel austreiben müssen und sie zu unserem Gunsten erziehen. Und ihr wisst sicher, was wir ihr vorerst verschweigen werden. Das wäre zu diesem Zeitpunkt ein wenig zu viel für sie, dies verkraftete sie nicht so einfach“, ging William mit einem sachten Anflug von Schwermütigkeit auf dessen Einwand ein.

„Und wie verfahren wir des Weiteren mit Sherlock? Es wird ihm sehr verdächtig vorkommen, wenn sie, eine gewöhnliche junge Frau, plötzlich mit uns verkehrt. Willst du, dass sie für uns arbeitet und es danach aussehen lassen, dass du ihr aufgrund ihres literarischen Talents, eine Anstellung angeboten hast?“, hakte Louis weiter forschend nach.

„Also…was das angeht… Da habe ich bereits über eine passende Lösung nachgedacht…“, begann er leise und seine funkelnden Augen blickten geheimnisvoll zu Boden. `Nein…Will…sag mir bitte nicht das du vorhast… Du weißt ganz genau, was das für sie bedeutete…`, dachte Albert beklommen und ahnte was er gleich verkünden würde.

„Ich werde Miceyla heiraten…“, offenbarte William entschlossen mit einem Funken von Verträumtheit.

„Aber Bruder, ist es denn notwendig gleich so weit zu gehen?“, kam es sofort von einem erschütterten Louis.

„Hab ja echt nichts dagegen, wenn du dir eine Geliebte zulegst… Solange es keinem von uns oder deinen Plänen in die Quere kommt“, meinte Moran recht unparteiisch und kratzte sich gleichgültig am Hinterkopf.

„Ich verspreche euch, dass sich nichts ändern wird. Wir gehen weiterhin vor wie gehabt. Und es gibt auf beiden Seiten keine Verwandtschaft, die Einspruch erheben würde, oder? Eine simple Heirat aus Liebe, welche sich gegen die Standesunterschiede auflehnt. Da wird selbst Sherlock nichts Verwerfliches dran finden“, unterstrich William sein Vorhaben noch einmal lächelnd.

„Wie du meinst, Will. Ich werde dich bei allem unterstützen, was dir am Herzen liegt“, gab Louis sich schließlich einverstanden, wenn auch noch etwas zweifelnd.

„Danke Louis und bis nachher.“ Mit diesen Worten verließ William den Raum. Albert folgte ihm sogleich hinaus.

„Albert… Ich hoffe aufgrund dessen, wird es zu keinem Zwist zwischen uns kommen. Mir ist nicht entgangen, dass du Gefallen an Miceyla gefunden hast…“, sprach William ruhig, sobald die beiden alleine waren.

„Aber nein Bruderherz. Gleich zu Beginn ist es mir aufgefallen, als wir sie das erste Mal trafen. Du hast in deinem ganzen Leben, bisher noch nie eine Frau auf die Weise angesehen, wie du es bei Miceyla tust… Ich gab dir alles von mir, was ich für deine Ziele bieten konnte. Bis zum Schluss wird das alles dir gehören. Und nun schenkst du mir eine bezaubernde kleine Schwester. Ich werde es aus diesem Blinkwinkel betrachten“, verneinte Albert seine Befürchtung, konnte aber die wahre Unruhe in sich kaum verbergen.

„Dann bin ich ja beruhigt, Bruder“, sprach William noch, ehe er sich lächelnd von ihm abwandte.
 

Miceyla lag noch immer wach im Bett und konnte nicht glauben, dass gerade ihr das alles widerfahren war. Es half jedoch nichts, sich im Moment darüber den Kopf zu zerbrechen. Irgendwann erlag sie dann doch der Erschöpfung und fiel in einen unruhigen Schlaf…
 

Liebes Tagebuch, 28.2.1880
 

meine Einträge verspäten sich in letzter Zeit. Ich komme nicht hinterher alles festzuhalten… Aber wie geht es von nun an weiter? Darf ich überhaupt noch Tagebuch führen? Ich mag gar nicht daran denken was geschehe, wenn eine falsche Person es lesen würde… Ich bin jetzt eine gefürchtete Verbrecherin. Muhahaha! Nein… Darüber sollte ich besser keine Scherze machen… Ich frage mich, ob ich nicht eher einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe. Und doch bin ich von Williams Lebenseinstellung fasziniert. Große Veränderungen stehen bevor… Ist dies meine Bestimmung, welche mich von meinem bedeutungslosen Dasein erlöst? Jedoch habe ich eine ungeheure Angst, sobald ich an Sherlock denke. Bis jetzt konnte ich ihm stets offen und ehrlich gegenübertreten. Nun verberge ich ein dunkles Geheimnis, von dem er nichts wissen darf. Doch wie lange wird das gut gehen? Ich befinde mich zwischen den Fronten zweier Gegenspieler. Was werde ich opfern müssen, um das Schlimmste zu verhindern? William übt einen erheblichen Einfluss auf andere Menschen aus. Dennoch mein lieber Will, ich werde dir zeigen, dass ein kluger Verstand nicht ausreicht, um die Gesellschaft zur Einsicht zu zwingen. Was ebenso dafür benötigt wird, ist ein reines und gefühlvolles Herz. Denn wer das Böse mit der eigenen Bosheit bezwingen will, ist keinen Deut besser und wird sich nur selbst in einen wahren Teufel verwandeln, der keine Gnade mehr kennt…
 

Gefangen in Lügen
 

Nun habe ich eine schwere Entscheidung getroffen,

sie lässt mich auf eine neue Zukunft hoffen.

Du hast mir mehr geschenkt als das ich etwas aufgeben musste,

doch lebe ich fortan eine Lüge von der keiner was wusste.
 

Über mein eigenes Schicksal hast du gerichtet

und mir von deinen raffinierten Plänen berichtet.

Meine wahren Gefühle haben mich aber nicht belogen,

Sehnsucht und Erwartung haben mich zu dir gezogen.
 

Jetzt haben sich unsere beiden Lebenswege vereint,

die einsame Seele jedoch noch immer in mir weint.

Du und ich ahnten das wir nicht konnten widerstehen,

den gefahrvollen Pfad gemeinsam zu gehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück