Glücklich sein von Dolly-Bird ================================================================================ Kapitel 1: Eine neue Schule --------------------------- Nach langer Zeit melde ich mich zurück! Ich hab die Geschichte überarbeitet und fertiggestellt, daher ist das teilweise ein Reupload. Ich werde jede Woche ein neues Kapitel hochladen. Und jetzt viel Spaß beim Lesen! ^_^ Ciel seufzte. Es war sein erster Tag an seiner neuen Schule. Überhaupt sein erster Tag an einer richtigen Schule, bisher hatte er nur Privatunterricht zu Hause gehabt. Ciel hatte schon lange versucht seine Eltern zu überzeugen, ihn auf eine richtige Schule zu schicken und nun, als Geschenk zu seinem 15. Geburtstag, haben sie es ihm ermöglicht. Er trug zum ersten Mal eine Schuluniform, bestehend aus einer blauen Hose, einem weißen Hemd, einer blauen, karierten Krawatte, schwarzen Schuhen und einem schwarzen Jackett. Manche trugen auch eine graue Wollweste stattdessen. Mit großen Augen starrte er das große Gebäude, das komplett mit einem Zaun umrandet war, an. Unsicher fasste er den Träger seiner Schultasche fester und trat dann durch das hohe, schwarze Tor. Er blickte sich kurz um. Überall standen kleine Gruppen von Schülern, die sich unterhielten und lachten. Die Bäume, die am Zaun entlang standen, waren kahl. Links und rechts neben dem Weg, der vom Tor bis zum Eingang des Gebäudes führte, war schneebedeckte Wiese. Ciel ging auf die große Tür zu und betrat das warme Schulgebäude. Draußen war es wirklich kalt. Er sah sich um. Von der Eingangshalle gingen mehrere Gänge weg und eine große Treppe führte in den ersten Stock, der sich auch in verschiedene Gänge aufteilte. Na toll. Ciel seufzte lautlos. Wie sollte er so sein Klassenzimmer finden? Unsicher blickte er sich um. Wen könnte er nun fragen? Ciel hatte wenig Erfahrung mit Gleichaltrigen, hatte er doch den Großteil seines Lebens bisher im großen Anwesen seiner Eltern verbracht. Normalerweise war er nicht so schüchtern, doch alle überragten ihn hier um mindestens einen Kopf. Er kam sich in diesem Moment wie ein Zwerg vor. Ciel seufzte nochmal. Was hatten seine Eltern sich nur dabei gedacht ihn mitten im Schuljahr auf eine richtige Schule zu schicken? Leicht schüttelte er seinen Kopf. Er sollte froh sein, dass sie seinem Wunsch überhaupt nachgegeben haben. Es war zwar eine reine Jungenschule, aber das störte ihn nicht so sehr. Alles war besser, als weiterhin alleine Privatunterricht zu Hause zu haben. Ciel erhoffte sich dadurch vor allem ein paar Freunde zu finden. Doch zuerst einmal musste er sein Klassenzimmer finden! Mit neu geschöpfter Motivation drehte er sich um und lief los, oder zumindest wollte er das. Sein Lauf wurde gestoppt, ehe er wirklich begonnen hatte und Ciel sah im ersten Moment nur schwarzen Stoff. Da es weich und warm war, musste es eine Person sein. „Entschuldige…“, murmelte er. Unsicher hob er seinen Kopf, um die andere Person, in die er gerade reingelaufen war, anzuschauen. Was er sah ließ ihn schlucken. Er war in einen Riesen gelaufen, der Kerl überragte ihn um locker zwei Köpfe. Rotbraune Augen schauten ihn erstaunt an. „Bist du neu hier? Ich hab dich noch nie gesehen.“ „Ähm, ja …“ Sein Gegenüber lächelte und hielt ihm die Hand hin: „Mein Name ist Sebastian Michaelis, ich bin der Vertrauenslehrer hier.“ „Ciel Phantomhive“, nuschelte er. Dieser Sebastian war nicht nur groß, er sah auch wirklich gut aus. „Freut mich, Ciel. Wenn du Fragen hast oder ein Problem, kannst du dich jederzeit an mich wenden.“ Er nickte. Sebastian wollte gerade gehen, als Ciel ihn am Ärmel festhielt. Der Größere drehte sich fragend um. „Ähm, können Sie … können Sie mir sagen wo ich hin muss?“, fragte Ciel leise. Seit wann war er so unsicher? „Sicher“, lächelte der Angesprochene. „Sebastian~!“, erklang es von irgendwo und dann sah Ciel nur noch rot. Ein fast genauso großer Mann mit langen roten Haaren hatte sich dem Gerufenen um den Hals geworfen. Er trug ein rotes Jackett und eine rote Brille. „Grell“, seufzte Sebastian und schob diesen genervt von sich. „Warum trägst du nicht deine Uniform?“ „Aber das tu ich doch“, flötete Grell. Der andere schüttelte nur den Kopf. Der Blick des roten Kerls fiel auf Ciel: „Und wer ist das? Nehmen wir hier jetzt schon kleine Kinder auf?“ Seine Stimme klang abfällig. „Hey! Ich bin schon 15, klar? Mein Name ist Ciel.“ „Ignorier ihn einfach“, sagte Sebastian, griff nach Ciels Arm und zog ihn sanft mit. Was konnte er denn dafür, dass er jünger aussah, als er war? Sein kleiner, schmächtiger Körper und seine großen, blauen Augen ließen ihn nicht gerade älter wirken. Ciel hasste es, so auszusehen. Er hörte immer nur, wie niedlich er wäre und dass es auf die geistige Größe ankäme, nicht auf die körperliche. Seine Eltern hatten leicht reden, schließlich waren sie beide groß. Selbst seine Cousine Elizabeth, die nur ein Jahr älter war als er, überragte ihn mittlerweile um fast einen Kopf. „So, da sind wir“, riss Sebastians Stimme ihn aus seinen düsteren Gedanken. „Danke.“ „Kein Problem“, lächelte der Größere und verabschiedete sich dann, der Unterricht würde bald beginnen. Ciel ging durch die offenstehende Tür und betrat den Klassenraum. Dort herrschte eine beachtliche Lautstärke und niemand beachtete ihn wirklich. Er ging in die hinteren Reihen, dort waren noch einige Tische frei, und setzte sich. Er blickte sich neugierig um. Auf der linken Seite waren große Fenster, auf der rechten Schränke, sowie die Tür, durch die nun ein Lehrer trat. Vorne befand sich ein Pult und an der Wand dahinter eine große Tafel. Ein gewöhnliches Klassenzimmer, doch es war das erste Mal für Ciel, dass er eins von Innen sah. Seine Mitschüler hatten sich ordentlich auf ihre Plätze gesetzt und der Lehrer ging die Anwesenheitsliste durch. Am Ende wies er auf Ciel als neuen Mitschüler hin und hieß ihn in der Klasse willkommen. Zu seiner, mehr oder weniger großen, Freude war die erste Stunde Mathematik und der Lehrer, Mr. Spears, wirkte auf Ciel ziemlich streng und wollte einen Test schreiben. Der erste Tag ging schon so gut weiter wie er begonnen hatte. Innerlich rollte er mit den Augen. Als Mr. Spears vor Ciel stand, fragte er: „Du hattest bisher Privatunterricht, nicht wahr? Ich möchte dich bitten den Test mitzuschreiben, damit ich sehe, wie dein Wissensstand ist. Ich werde ihn nicht bewerten, keine Sorge.“ Er nickte nur. Ein Raunen ging durch die Menge, als sie hörten, dass er bisher Privatunterricht hatte. Als ob das so toll wäre! Da konnte man bei einem Test nicht einmal schummeln! Er schaute auf das Blatt, das vor ihm lag. Integralrechnen also. Er schauderte innerlich. Gab es denn etwas Schlimmeres mit dem man arme Schüler quälen konnte? Das gab es, stellte er nach der Mittagspause fest. Sportunterricht. Anfangs hatte er sich nichts dabei gedacht, schließlich war er bisher immer davon verschont geblieben. Da der eigentliche Lehrer krank war und sie somit nur eine Vertretung hatten, sollten sie Fußball spielen. Etwas von dem Ciel keine Ahnung hatte. Das Einzige, das er wusste, war, dass man den Ball so oft wie möglich in das gegnerische Tor schießen musste. Es wurden zwei Kapitäne gewählt und die sollten dann ihre Mannschaft selbst auswählen. Nach dem sie abwechselnd immer einen wählen durften, war am Ende nur noch Ciel übrig. Der Kapitän, der nun dran war, seufzte hörbar: „Na schön Neuer, komm her.“ Es war ein großer Junge mit blonden Haaren und grünen Augen. Er schien recht beliebt zu sein in der Klasse, aber Ciel fand ihn unsympathisch. Während des Spiels hielt er sich möglichst am Rand und hoffte, es würde bald klingeln. Ciel war nicht gerade sportlich, er hatte noch nie Freude an körperlicher Betätigung gefunden. Doch er durfte sich nicht beschweren, schließlich gehörte das nun mal dazu, wenn man auf eine richtige Schule wollte. Alles war besser, als sein alter, strenger Privatlehrer! Kapitel 2: Freunde ------------------ Die erste Woche verging wie im Flug und schon war es, zu Ciels Leidwesen, wieder Montag und sie hatten wieder einmal Sport. Sein Mathematiktest war erstaunlich gut ausgefallen, Mr. Spears hatte ihn sogar vor der Klasse gelobt. Ciel wäre am liebsten auf seinem Stuhl geschrumpft. Er hörte, wie seine Klassenkameraden Dinge sagten wie ‚war ja klar‘, ‚der kleine Streber‘ oder ‚Liebling der Lehrer‘. Was konnte er denn dafür, dass er den Stoff schon gelernt hatte? Die einzigen Fächer, mit denen er auf Kriegsfuß war, waren Deutsch und Sport. Die Sprache war für ihn einfach nur unlogisch und von Sport wollte er gar nicht erst anfangen. Da ihr Sportlehrer immer noch krank war, wurden sie an diesem Tag von Mr. Michaelis betreut, der normalerweise Deutsch und Englisch unterrichtete. Sie sollten zum Aufwärmen erst einmal zwei runden Laufen. Ciel wurde allein bei dem Gedanken schon blass. Wie sollte er das überstehen? Eine Runde waren schon 800m! Wenn er nicht noch weiter den Spott seiner Mitschüler auf sich ziehen wollte musste er da nun durch! Anfangs versuchte er noch mit dem Tempo der anderen mitzuhalten, doch Ciel fiel immer weiter zurück. Wie konnten die so schnell rennen? Er hatte die erste Runde geschafft und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Ohne es wirklich zu merken, kam er ins Straucheln, stolperte und fiel hin. Dass er sich die Knie aufschlug merkte Ciel nicht, er war viel zu sehr damit beschäftigt, irgendwie Luft in seine Lungen zu kriegen. Doch das wurde immer schwerer. Nur am Rande bekam er mit, wie ein paar seiner Mitschüler an ihm vorbei liefen und lachten. Plötzlich spürte er eine warme Hand auf seinem Rücken und hörte eine beruhigende Stimme, die sagte: „Ganz ruhig, Kleiner.“ Jemand kniete neben ihm, doch seine Sicht war schon ganz verschwommen. Ciel zwang sich zur Ruhe, auch wenn es kaum mehr möglich war. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Von weit weg schwebte die Stimme zu ihm: „Ausatmen. Atme durch den Mund aus, so viel du kannst.“ Ciel tat was die Stimme sagte. Das Einatmen wurde ein wenig leichter. Nachdem er es ein paar Mal wiederholt hatte, beruhigte er sich ein wenig. Sein Herz raste immer noch. „Hast du dein Spray dabei?“ „Tasche“, würgte er hervor. Er hörte Stimmen, konnte sie aber weder zuordnen noch verstehen. „Ganz ruhig weiter atmen.“ Sagt der so einfach! Ciel wusste, was mit seinem Körper los war, schließlich war das nicht der erste Anfall. Allerdings lag der letzte schon einige Jahre zurück. Gerade als er ausatmete wurde ihm etwas in den Mund gesteckt. Er zuckte erschrocken zusammen, da erklang diese angenehme Stimme wieder: „Ich zähle bis drei und dann atmest du so tief ein wie du kannst, okay?“ Ciel nickte und tat wie ihm geheißen. Danach wurde das Teil, wohl sein Spray, wieder entfernt und er bekam besser Luft. Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag auch wieder. So einen heftigen Anfall hatte er noch nie gehabt. Plötzlich entfernte sich der Boden. Ciel zuckte erschrocken zusammen und stellte fest, dass er getragen wurde. „Ich bringe ihn in die Krankenstation.“ Wieder diese Stimme. Erschöpft ließ er seinen Kopf gegen den warmen Körper seines Trägers sinken und schloss die Augen. Als er sie das nächste Mal öffnete, lag Ciel in einem Bett. Was war passiert? Langsam kehrten die Erinnerungen an seinen Anfall zurück. „Ah, du bist wach. Geht’s dir wieder besser?“ Überrascht blickte er neben sich. Nun konnte er der Stimme auch ein Gesicht zuordnen. Neben ihm saß Mr. Michaelis. Ciel spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Ausgerechnet vor ihm hatte er sich so schwach gezeigt? Er verfluchte seinen schwächlichen Körper, als ihm etwas einfiel: „Woher“, er räusperte sich, seine Stimme war nur ein Krächzen. „Woher ich wusste, dass du Asthma hast?“, fragte Sebastian schmunzelnd. „Ich bin ausgebildeter Ersthelfer.“ „Ach so.“ Ciel presste seine Kiefer fest zusammen und krallte seine Hände in die Bettdecke. Jetzt hatten seine Mitschüler noch einen Grund, ihn zu meiden. „Hey, alles okay? Tun deine Knie weh?“, fragte Sebastian besorgt. Überrascht schaute er auf. Seine Knie? „Du hast sie dir aufgeschlagen, als du hingefallen bist. Es wollte gar nicht mehr aufhören zu bluten, deswegen habe ich einen Verband darum gewickelt.“ Ciel hob die Decke an und stellte fest, dass er keine Hose mehr trug. Das heißt, Mr. Michaelis hatte ihn nur mit Unterwäsche gesehen! Sein Gesicht glühte regelrecht. Der andere schmunzelte: „Das muss dir doch nicht peinlich sein. Da gibt es nichts, was ich nicht auch habe.“ Mit einem Zwinkern fügte er hinzu: „Ich hab auch nicht gespickt.“ Ciel war sich in dem Moment sicher, sein Gesicht würde gleich schmelzen, so heiß war es. Er hatte nicht gespickt. Da gab es auch keinen Grund das zu tun, schließlich waren seine Shorts ziemlich anliegend. Am liebsten wäre er im Boden versunken, doch dann fiel sein Blick auf die dicken Verbände um seine Knie. „Danke …“ Bevor Sebastian etwas erwidern konnte, wurde die Tür geöffnet und ein Junge mit violetten Haaren kam herein. Ciel wusste, dass er aus seiner Klasse war. Soma hieß er, wenn er sich richtig erinnerte. Seinem Aussehen zufolge kamen seine Eltern aus Indien. „Du bist wach“, stellte er erleichtert fest. „Wie geht es dir? Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ „Wenn du möchtest kannst du nach Hause, der Unterricht ist für heute vorbei“, lächelte Sebastian. Ciel war froh, dass er nach Hause konnte, seine Mitschüler würden ihn bestimmt auslachen. Allen voran Alois. „Soll ich jemanden anrufen, der dich abholt?“, fragte Sebastian. Doch bevor Ciel antworten konnte, bestimmte Soma: „Ich begleite ihn nach Hause!“ „Das ist wirklich nicht nötig!“, wandte Ciel ein, doch der andere winkte ab. „Ich lasse dich bestimmt nicht allein gehen! Am Ende fällst du hin und verletzt dich noch mehr!“ Ciel sah ein, dass dieser Soma nicht nachgeben würde, also willigte er eher widerwillig ein. Nachdem er beide, Soma und Sebastian, aus dem Raum geschickt hatte, hatte Ciel sich seine Schuluniform angezogen. Als er fertig war, verließ er die Krankenstation, verabschiedete sich von Sebastian und ging nach draußen. Soma klebte an seiner Seite wie eine Klette. Draußen angekommen atmete Ciel erst einmal die frische, kühle Luft tief in seine Lungen ein. Das tat gut! Schweigend verließen sie das Schulgelände durch das große Tor und begaben sich auf den Weg zum Stadthaus von Ciels Eltern. Es war ihm unangenehm, dass Soma ihn begleiten wollte. „Also, du musst das wirklich nicht machen. Das ist doch bestimmt ein großer Umweg für dich und deine Eltern warten bestimmt schon zu Hause.“ Der Angesprochene lachte leise. „Keine Sorge, bisher gehen wir in die Richtung, in die ich auch muss und meine Eltern werden wohl kaum auf mich warten. Sie leben in Indien, ich wohne mit meinem Butler Agni allein hier in London.“ „Ach so.“ Eine Weile gingen sie schweigend weiter und Ciel suchte krampfhaft nach einem Gesprächsthema. „Ähm, wie ist es denn so in Indien?“ Soma schaute ihn überrascht an, dann lächelte er breit: „Es ist vor allem heiß und voll.“ Er erzählte von seinem Heimatland bis sie vor dem Stadthaus der Phantomhives ankamen. „Hier wohne ich.“ Es war ein großes Stadthaus, in dem sie unter der Woche wohnten, damit Ciel es nicht so weit zur Schule hatte. In den Ferien und an Wochenenden würde er mit seinen Eltern wieder in ihrem großen Landsitz, weit außerhalb von London, wohnen. „Dann hole ich dich morgen früh ab, dann können wir zusammen zur Schule gehen!“, strahlte Soma, „ich wohne nämlich nur ein Stück die Straße hinunter.“ „O-okay, danke. Dann bis morgen.“ „Bis morgen Ciel!“, verabschiedete Soma sich mit einem breiten Grinsen, winkte kurz und ging. Ciel ging kopfschüttelnd ins Haus. Was für ein seltsamer Kerl. „Ich bin wieder da.“ „Hallo Schatz, wie war die Schule?“ Seine Mutter kam ihm lächelnd entgegen. „Ganz gut“, antwortete er monoton. Er würde bestimmt nicht von seinem Asthmaanfall erzählen, sonst würde seine Mutter nur seine Tante Ann anrufen und diese würde ihn untersuchen, ob er wollte oder nicht. Er wollte einfach nur in Ruhe seine Hausaufgaben machen. Es war schon schlimm genug, dass er sich so blamiert hatte. Und sein Lehrer hatte ihn in Unterwäsche gesehen! Ciel beschleunigte seine Schritte und verschwand kurz darauf in seinem Zimmer. Seine Schultasche ließ er einfach an der Tür stehen und warf sich auf sein Bett. Seine Ohren waren wieder ganz heiß. Was sollte das überhaupt heißen, er hatte nicht gespickt? Ciel schnaubte. Als ob es da so viel zu sehen gäbe … Ruckartig setzte er sich auf und schüttele heftig seinen Kopf, sodass seine aschblauen Haare nur so flogen. Er warf einen Blick auf sein Smartphone. Noch eine Stunde bis es Essen geben würde. Mit einem Seufzen kletterte er von seinem großen Bett, nahm seine Schultasche und schlurfte zu seinem Schreibtisch. Wenn Ciel ehrlich war, er hatte überhaupt keine Lust sich jetzt noch an die Hausaufgaben zu setzen nach diesem Tag. Aber er brauchte sie morgen und Mr. Spears würde ihm bestimmt den Kopf abreißen, wenn er sie nicht hatte. Oder zumindest erweckte er erfolgreich diesen Eindruck. Ciel seufzte tief, dann packte er seine Unterlagen aus. „Alles ist besser, als nochmal Privatunterricht bei Ash“, murmelte er. Bevor er anfing, sollte er erst noch seine Schuluniform ausziehen. Also erhob Ciel sich wieder, ging lustlos zu seinem Schrank und nahm eine schwarze Jogginghose und ein blaues T-Shirt heraus. Ciel zog sich schnell um und hing seine Uniform ordentlich auf Kleiderbügel. Mit der Krawatte ging er besonders vorsichtig um, da er keine Ahnung hatte, wie man so etwas band. Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und begann mit Mathe. Wie er dieses Fach doch nicht mochte … Ohne es zu merken verflog die Zeit wie im Flug und als Ciel endlich fertig war, war es schon nach 18 Uhr. Er seufzte leise. Seit wann brauchte er so lang dafür? Nun gut, zwischendurch war noch das gemeinsame Essen mit seinen Eltern, aber trotzdem. Seine Gedanken wurden durch ein Klopfen an seiner Tür unterbrochen. Was war denn jetzt noch? Jetzt, wo er fertig war und Freizeit hatte. Ciel seufzte leise. Das tat er ungewöhnlich oft an diesem Tag. „Herein.“ Die Tür ging auf und ein breit grinsender Soma betrat sein Zimmer. „Ciel~!“ „Hallo Soma.“ Was wollte der denn jetzt? Den genervten Unterton konnte er sich gerade noch verkneifen. Soma schaute sich neugierig in dem großen Raum um: „Wirklich schön hast du es hier.“ „Das ist nur unser Stadthaus“, sagte Ciel gelangweilt. Im Vergleich zu ihrem eigentlichen Wohnsitz war es fast schon lächerlich klein. Außerdem war Ciel nicht gerne in der Stadt. Hier war es laut, es stank und viel zu viele Menschen drängten sich auf den Straßen. Aber was tat er nicht alles, um dem Privatunterricht zu entkommen und auf eine normale Schule gehen zu können? Soma grinste: „Ich weiß was du meinst. Zu Hause in Indien haben wir einen Palast und viele Diener. Aber da ich hier mit Agni allein wohne, ist es okay.“ „Einen Palast?“, fragte Ciel erstaunt. „Na klar, ich bin immerhin ein Prinz!“ Soma grinste und in seiner Stimme lag ein stolzer Unterton. Ciel hob erstaunt seine Augenbrauen. Dieser Kerl sollte ein Prinz sein? „Und was führt dich zu mir?“, fragte Ciel. Soma war wohl kaum zu ihm gekommen, um ihm das mitzuteilen. Das Grinsen im Gesicht des Angesprochenen verblasste etwas. „Naja, du bist doch so gut in Mathe … Ich versteh überhaupt nicht, was wir da machen sollen und habe gehofft, du könntest mir helfen…?“ Er? Bei Mathe helfen? Beinahe hätte er freudlos aufgelacht. Ciel tat sich selbst schwer damit. „Ich kann es ja mal versuchen“, meinte er dann mit einem schiefen Lächeln. „Wirklich! Oh danke, Ciel~!“ Soma fiel ihm erleichtert um den Hals. Ciel ließ es, ein wenig überfordert, einfach geschehen. Er mochte es nicht, von anderen berührt zu werden. Soma löste sich nach ein paar Herzschlägen wieder von ihm und packte seine Hausaufgaben aus. Fast eine Stunde dauerte es, bis Soma die Aufgaben soweit verstanden hatte und wusste, was er machen musste. Ciel atmete erleichtert auf, als sein Besucher endlich gegangen war. Soma hatte ihm danach noch lange von Indien und seinem Leben dort erzählt. Ciel fragte sich, warum er überhaupt in England war, aber bei dem Redeschwall des anderen wollte er diesen nicht mit einer Frage noch weiter ausschweifen lassen. Erschöpft ging Ciel duschen, putzte sich seine Zähne und legte sich dann in sein Bett. Dort las er noch eine Weile in seinem Lieblingsbuch, bis es Zeit war zu schlafen. Dieser Tag war ihm wirklich ewig vorgekommen. Der nächste Morgen kam für seinen Geschmack auch viel zu früh. Heute würden sie Deutsch haben und Ciel Mr. Michaelis wieder sehen. Er durfte nicht daran denken! Es war ihm immer noch viel zu peinlich, was am Vortag passiert war. Doch würde er schon in seiner zweiten Woche schwänzen, könnte Ciel nicht einmal bis drei zählen, so schnell hätten seine Eltern ihn von der Schule genommen und Ash vor die Nase gesetzt hätten. Sein ehemaliger Privatlehrer hatte zwei Gesichter. Nach außen war er immer freundlich und lächelte, doch sobald sie allein waren mutierte er zum Monster. Er war beinahe allwissend, zumindest kam Ciel das immer so vor, und unglaublich streng. Er würde fast alles tun, um diesem Grauen zu entgehen! Der jedoch wohl größte Nachteil einer normalen Schule war, er hatte Sportunterricht. Der absolute Horror für Ciel. Dafür war er einfach nicht gemacht. Zum Glück war es für diese Woche wieder vorbei! Leise seufzend warf er seine Decke zurück und stand langsam auf. Nachdem er seine Schuluniform angezogen hatte, warf Ciel einen Blick auf die Uhr und erstarrte kurz. Hatte er so lange getrödelt? Schnell nahm er seine Tasche und eilte in den Speisesaal. Er hatte nur noch fünf Minuten Zeit für sein Frühstück, dann würde Soma schon da sein! Schnell würgte Ciel etwas runter, beachtete seine erstaunten Eltern nicht weiter, warf ihnen ein „Tschüss!“ zu und eilte nach draußen. Dort stand Soma schon gut gelaunt mit einem breiten Lächeln. „Guten Morgen, Ciel!“ „Morgen.“ Wie konnte der andere so früh schon so gut gelaunt sein? Auf dem Weg zur Schule plapperte Soma fröhlich vor sich hin. Ciel hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Sie würden jetzt gleich Deutsch haben. Er seufzte leise. Ehe Ciel sich versah, saßen sie schon im Klassenzimmer und Mr. Michaelis kam herein. Er begrüßte die Klasse wie immer. Der Unterricht verlief auch wie immer und langsam verlor Ciel seine Anspannung. Zu seiner Erleichterung hatte niemand über ihn gelacht, manche hatten sogar gefragt, ob es ihm wieder besser gehen würde. Sie klangen ehrlich besorgt. Als der Unterricht endlich beendet war und alle das Zimmer verließen, hielt Sebastian ihn auf: „Ciel? Hast du noch einen Moment?“ Der Angesprochene schluckte und nickte. Was wollte der Lehrer denn noch von ihm? Über seinen Asthmaanfall vom Vortag reden? Hoffentlich nicht. Fragend sah er diesen an. „Es geht um deinen Aufsatz, Ciel. Er ist, wie drücke ich es am besten aus, recht fehlerbehaftet.“ Sebastian suchte Ciels Hausaufgabe in seinen Unterlagen heraus und hielt sie diesem hin. Das Blatt war mehr rot als sonst was. „Hattest du vorher auch solche Probleme mit der Sprache? In den anderen Fächern scheinst du recht gut zu sein.“ Ciel musste sich beherrschen, keinen trotzigen Tonfall anzuschlagen, als er seine Arme vor seiner schmalen Brust verschränkte: „Deutsch ist einfach unlogisch!“ Sebastian hob erstaunt seine Augenbrauen. „Eigentlich nicht, schließlich ist die Grammatik und Rechtschreibung geregelt.“ Ciel schnaubte nur abfällig. In diesem Fach war er noch nie gut gewesen. Sebastian seufzte leise, so würde er nicht weiter kommen. „Wenn du möchtest, kann ich dir Nachhilfe geben. So wirst du das Schuljahr jedenfalls nicht bestehen.“ Ciel sah ihn mit großen Augen überrascht an. Nachhilfe? Von Mr. Michaelis? Gedanklich überschlug er kurz seine Möglichkeiten. Schuljahr nicht bestehen war keine Option und wenn er die Nachhilfe ausschlagen würde, würde er bestimmt Ash als Nachhilfelehrer bekommen. Da war Mr. Michaelis wohl das kleinste Übel. Na, das konnte noch heiter werden. ~~~~~~~~~~~~~~~ Ich hoffe, ihr hattet alle einen guten Start ins neue Jahr! Kapitel 3: Der verranzte Alte ----------------------------- „William~~!“ Grell fiel dem Gerufenen um den Hals. Dieser blickte seinen Kollegen nur kühl an und richtete mit seiner typischen Geste seine Brille: „Mr. Sutcliffe, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Unterlassen Sie diese Annäherungen!“ „Aber Will~“, protestierte Grell. Sebastian schüttelte innerlich mit dem Kopf. Jeden Tag das Selbe. Manchmal fragte er sich wirklich, ob Mr. Spears so blind war oder es einfach nicht wahrhaben wollte. Grell warf sich ihm zwar auch regelmäßig an den Hals, aber bei William war es anders. Für diesen hatte Grell wirklich Gefühle, das sah ein Blinder mit Krückstock. Sebastian wunderte es, wie der andere mit dieser ständigen Ablehnung von William klar kam. Niemand konnte das so einfach wegstecken auf Dauer. Grell hatte sich aber auch in einen Kühlschrank verliebt. Wäre Sebastian der Angebetete, er hätte schon lange mit seinem Kollegen ein ernsthaftes Gespräch geführt, wenn er wirklich nicht interessiert war. Andernfalls hätte er ihn zu einem Date eingeladen. Er warf einen Blick auf die Uhr im Lehrerzimmer. Die Pause war fast vorbei, er sollte sich langsam auf den Weg zu seinem Unterrichtsraum machen. Sebastian nahm seine Tasche und trat auf den Gang. Kurz massierte er sich die Schläfen. Es waren gerade einmal die ersten beiden Stunden um und es bahnten sich schon Kopfschmerzen an. Wie ertrug Grell das nur? Er hielt es nur vom Zusehen schon nicht mehr aus. Sein Kollege tat ihm leid. Er bemühte sich so sehr und erhielt kaum eine Reaktion. Machte es William vielleicht sogar Spaß, mit ihm zu spielen? Sebastian schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seinen nächsten Unterricht. So oder so war es grausam, wie er sich Grell gegenüber verhielt. Zur gleichen Zeit leerte sich das Lehrerzimmer, bis nur noch zwei Personen dort waren. „William.“ Der Angesprochene hob genervt seinen Blick. Er hatte begonnen Klassenarbeiten zu korrigieren, irgendwie musste er seine Freistunden schließlich sinnvoll nutzen. „Was wollen Sie?“, in seiner Stimme schwang ein deutlich genervter Unterton mit. Kein Wunder, schließlich wurde er täglich von diesem rothaarigen Etwas belagert und belästigt. Grell setzte sich neben ihn, sein Gesichtsausdruck war ernst. Was würde nun kommen? William war ein wenig überrascht, er hatte gedacht sein Kollege könnte nicht ernst sein. „Willst du ein Date mit mir? Ja oder nein?“ Der Angesprochene schaute sein Gegenüber überrascht an. Woher kam das denn auf einmal? Er rückte mit seiner typischen Geste seine Brille zurecht, dann blickte er seinen Kollegen mit kalten, grünen Augen an. „Nein. Haben Sie das bis jetzt immer noch nicht begriffen? Ich habe keinerlei Interesse an Ihnen! Sie sind einfach nur laut und anstrengend, wieso sollte ich mit jemandem wie Ihnen ausgehen?“ Seine Stimme war kühl. Als er den verletzten Ausdruck in Grells Augen sah, bereute er seine barschen Worte ein wenig. „Okay, ich habe es verstanden. Ich werde dich nicht weiter belästigen.“ William hatte mit vielem, von einem Heulkrampf bis Geschrei, gerechnet, doch sicherlich nicht mit wortloser Akzeptanz. Grell stand auf und ging zur Tür des Lehrerzimmers. Dort angekommen drehte er sich noch einmal um und sah William ausdruckslos an: „Wenn du so weiter machst wirst du von dem Eis in deiner Seele eine Erkältung bekommen.“ Mit diesen Worten verschwand er und ließ die Tür geräuschvoll ins Schloss fallen. William saß sprachlos da. Eine Erkältung? Von dem Eis in seiner Seele? Was sollte das denn bedeuten? Zugegeben, es war nicht gerade nett was er zu Grell gesagt hatte, aber anders verstand dieser es doch auch nicht. Oder …? Eine leise Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass er es auch anders hätte sagen können. Unwirsch schob er diese Gedanken beiseite. Er würde nun nicht mehr belästigt werden von dieser rothaarigen Diva, das war es doch, was er wollte! Wieso hatte sich dann das Bild dieses verletzten Ausdrucks in Grells grünen Augen bei ihm eingebrannt? War er wirklich so kalt? Als der Unterricht endlich vorbei war, ging Grell kurz ins Lehrerzimmer, schnappte sich seine Unterlagen und verschwand mit einem kurzen Gruß wieder. William war zu seinem Glück nicht anwesend gewesen. Eigentlich hatte er schon mit einer Abfuhr von dem anderen gerechnet, aber hatte er es wirklich so sagen müssen? [style type="italic"]Jemand wie er[/style]. Was sollte das heißen? Er war nun mal so wie er war, das hatte er sich nicht ausgesucht! Zumindest konnte er seine Hoffnungen jetzt endgültig begraben. Er lachte kurz zynisch auf. Grell fuhr mit seinem roten Sportwagen nach Hause, um sich schnell umzuziehen. Er zog seine Schuluniform aus und hängte sie ordentlich auf. Auch wenn es ihm in diesem Moment egal war, aber am nächsten Tag würde er sich ärgern, wenn seine Kleidung zerknittert war. Dann öffnete er seinen großen Schrank, der hauptsächlich aus roter und schwarzer Kleidung bestand. Er liebte die Farbe Rot. Letztlich entschied er sich für eine schwarze Hose und einen roten Pulli mit V-Ausschnitt. Kurz ging er ins Bad, um seine langen, roten Haare noch einmal zu kämmen, dann ging er in den kleinen Flur seiner Wohnung, zog sich rote Boots und seinen roten Mantel an, schnappte sein Portemonnaie, seine Schlüssel und sein Smartphone und ging nach draußen. Da er in der Nähe der Innenstadt wohnte, musste Grell nur einige Minuten zu Fuß gehen, bis er die nächste Bar erreichte. Zielstrebig ging er zum Tresen und setzte sich. Es waren nur ein paar Gäste da, die sich unterhielten. Aus Lautsprechern klang leise Musik, die so gar nicht zu Grells Stimmung passen wollte. „Was darf es sein?“, fragte der Mann hinter der Bar. „Whisky. Pur.“ Keine halbe Minute später stand ein Glas mit der goldbraunen Flüssigkeit vor ihm. Grell nahm es und leerte es in einem Zug. Geräuschvoll stellte er das Glas vor sich auf den Tresen. „Noch einen!“ Ein Kichern neben ihm ließ ihn zur Seite schauen. „Um diese Uhrzeit schon Alkohol?“ „Was geht Sie das an?“, fragte Grell wütend und leerte das nächste Glas in einem Zug. Neben ihm saß, in seinen Augen, ein verranzter, alter Kauz. Er trug schwarze Kleidung, einen langen schwarzen Mantel und hatte lange, grauweiße Haare. Sein Pony verdeckte die Hälfte seines Gesichts. Als Antwort bekam er ein Kichern. „Wenn Sie später so betrunken sind, dass Sie kaum noch laufen können, dann geht das meine Wenigkeit etwas an. Auch wenn sich meine Wenigkeit immer über neue Kunden freut, vor allem so hübsche, wäre es doch ein wenig schade. Sie sind noch so jung.“ Grell konnte mit dieser Antwort nichts anfangen und beschloss diesen Verrückten zu ignorieren. Nach dem fünften Glas purem Whisky beschloss er, etwas langsamer zu machen. Grell legte keinen Wert darauf, sich zu übergeben und gegessen hatte er auch noch nichts. Der seltsame Kerl saß weiterhin neben ihm, hatte aber kein Wort mehr gesagt. Nachdem Grell noch drei weitere Gläser, diesmal langsam, geleert hatte, beschloss er, dass es reichte. Er zahlte und stand auf. Allerdings drehte sich die Bar plötzlich und er wäre gestürzt, hätten zwei Arme ihn nicht aufgefangen. „Immer langsam“, kicherte jemand. Ein Arm wurde um ihn gelegt und langsam wurde er aus der Bar bugsiert. Draußen angekommen atmete Grell erst einmal die frische Luft tief ein. Das tat gut und klärte seinen Geist wieder etwas. Er wollte nach Hause gehen, schwankte jedoch bei jedem Schritt. „Immer langsam, wo wohnst du denn?“ „Hm?“ Grell erkannte den seltsamen Kerl aus der Bar. Er wusste, er sollte Fremden nicht so einfach vertrauen, trotzdem murmelte er seine Adresse. Der andere legte wieder einen Arm um ihn und geleitete ihn durch die Stadt zu Grells Wohnung. Es war Freitagnacht. Grell saß alleine in seinem Wohnzimmer und schaute gelangweilt einen Film, der gerade im Fernsehen lief. Er hatte sich die letzten Tage, nach der Abfuhr von William, krank gemeldet. Am nächsten Morgen, nach dem Besuch in der Bar, hatte er den Kater seines Lebens gehabt und die freundliche Sekretärin hatte ihm sofort geglaubt, dass er krank war. Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen gewesen und seinen Kopf hätte er am liebsten abgeschraubt, so sehr schmerzte er. Seine Erinnerungen an die vorangegangene Nacht waren nur verschwommen. Er erinnerte sich noch daran, sich in der Bar betrunken zu haben, und an diesen verrückten Alten. Danach nur noch kleine Ausschnitte mit großen Lücken dazwischen. Er wusste nicht einmal, wie er nach Hause und in sein Bett gekommen war. Seine Kleidung hatte er, bis auf die Schuhe, noch angehabt. Das Einzige, das sich klar in sein Gedächtnis gebrannt hatte, waren leuchtendgrüne Augen. Nur zu wem gehörten diese Augen? Grell war sich sicher, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Doch nicht zu diesem verranzten Alten? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Doch ein kleiner Teil in ihm wünschte sich, diesen Verrückten, dessen Namen er nicht einmal kannte, wiederzusehen. Er war trotz seiner seltsamen Erscheinung der erste Mann seit Langem gewesen, der ohne eine Gegenleistung zu wollen, nett zu ihm war. Grell vermutete, dass es der Alte war, der ihn nach Hause gebracht hatte. Er seufzte leise. Was war nur los mit ihm? Immer, wenn er seine Augen schloss, sah er das Bild von Williams kaltem, abweisendem Blick. „Sie sind einfach nur laut und anstrengend, wieso sollte ich mit jemandem wie Ihnen ausgehen?“ Immer wieder hörte er diesen Satz in seinen Gedanken. Jemand wie er … War er denn wirklich so schlimm? Grell wusste, er war nicht so wie andere. Abgesehen von seinen leuchtend roten Haaren, mit denen er schon aus der Masse hervorstach, schminkte er sich gern und trug privat öfter mal feminine Kleidung. Aber das war doch nicht so schlimm. Oder? Er versuchte den dicken Kloß in seinem Hals und die aufsteigenden Tränen herunter zu schlucken. Er würde wegen diesem Arsch jetzt bestimmt nicht heulen! Allerdings wurden seine Kopfschmerzen dadurch nur noch schlimmer und so ließ Grell es zu. Er zog seine Beine nah an seinen Körper, umschlang sie mit seinen Armen und legte seine Stirn auf seine Knie. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch nach einer gefühlten Ewigkeit waren seine Tränen endlich versiegt. Vielleicht hatte er auch einfach keine Flüssigkeit mehr im Körper, um neue zu produzieren. Müde und erschöpft legte er sich auf die Seite, zog eines der vielen Kissen, die auf seiner roten Couch lagen, an seine Brust und schloss seine Augen. Als er sie das nächste Mal öffnete, schaute er sich kurz verwirrt um. Er musste eingeschlafen sein. Sein Magen meldete sich mit einem lauten Grummeln. Ächzend stand Grell auf und schlurfte lustlos in seine kleine Küche. Als er seinen Kühlschrank öffnete, begrüßte ihn gähnende Leere. Er seufzte laut und tief. Das hieß wohl, er müsste nun auch noch einkaufen gehen. Wiederholt seufzend schlurfte er ins Bad. Ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, wusch er sein Gesicht, um die salzigen Spuren zu entfernen. Dann schaute er, aus reiner Gewohnheit, doch in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing, und erschrak. Leere, rotunterlaufene Augen blickten zurück. Seine Haut war blass und seine Haare stumpf. Er wandte sich von dem Spiegel ab und ging in den Flur. Es war ihm in diesem Moment herzlich egal, dass er mehr tot als lebendig aussah und dass er mit Jogginghose nach draußen gehen würde. Er zog sich seinen roten Mantel über, schlüpfte in schwarze Sneaker und setzte sich eine rote Strickmütze auf, die er sich tief ins Gesicht zog. Am Supermarkt angekommen nahm Grell sich einen Korb und überlegte, was er nun überhaupt kaufen sollte. Er war froh, dass es diese 24 Stunden Supermärkte gab. Da es noch sehr früh am Morgen war, waren nur wenige Kunden da. Hungrig streifte er durch die unzähligen Gänge, ohne so recht zu wissen, was er eigentlich wollte. Wenn er nun schon hier war, würde er gleich für ein paar Tage einkaufen. Als er in den nächsten Gang einbog, blieb er erschrocken stehen. Das konnte doch nicht wahr sein! In einigen Metern Entfernung, mit dem Rücken zu ihm, stand William. Der letzte, den er nun sehen wollte. Grell machte auf dem Absatz kehrt und steuerte zügig den Ausgang an. Warum war William um so eine Uhrzeit hier? Konnte er nicht wo anders einkaufen gehen? In Gedanken versunken achtete Grell nicht so sehr auf den Weg, als er gegen etwas, oder eher jemanden, stieß und erschrocken ein paar Schritte zurück taumelte. Überrascht stammelte er eine Entschuldigung und wollte gerade weiter gehen, als ein Kichern ihn zurück hielt. „Wer hat es denn so eilig, so früh am Morgen?“, kicherte eine bekannte Stimme. Grell schluckte. War das wirklich er? Überrascht hob er seinen Blick: „S-Sie?!“ Beinahe wäre ihm ‚der verranzte Alte‘ heraus gerutscht. Dieser kicherte. „Wieso sind Sie hier?“, fragte Grell. Der Angesprochene kicherte wieder: „Nun, ich möchte einkaufen.“ Grell ärgerte sich innerlich über sich selbst. Das war doch offensichtlich, was sollte man sonst in einem Supermarkt wollen? „Um die Uhrzeit?“, fragte er skeptisch. Welcher normale Mensch ging morgens um 5 Uhr einkaufen? Er war nur da, weil er eingeschlafen war und Hunger hatte. Und William … Er wurde von einem erneuten Kichern aus seinen Gedanken gerissen. „Ich habe viele Kunden bekommen, daher habe ich eine Nachtschicht eingelegt und möchte nun frühstücken.“ Grell hob verwundert eine Augenbraue. Was für einen Job der Alte wohl hatte? Und welche Kunden? Der andere kicherte wieder: „Möchtest du mir nicht Gesellschaft leisten beim Frühstück?“ In dem Moment tauchte William in Grells Blickfeld auf. Dieser erschrak und zuckte kaum merklich zusammen, dann stellte er seinen Korb an Ort und Stelle ab und rannte aus dem Supermarkt. Auf keinen Fall wollte er dem anderen begegnen! Draußen angekommen blieb Grell abrupt stehen. Unsicher biss er sich auf seine Unterlippe. Was sollte er nun tun? Er würde die Einladung wirklich gerne annehmen, aber er wollte auf keinen Fall William begegnen. Außerdem sah er schrecklich aus! Doch ehe Grell weiter darüber nachdenken konnte ertönte wieder ein bekanntes Kichern hinter ihm: „Ich gehe mal davon aus, dass du nicht vor mir weggelaufen bist. Meine Wohnung ist nicht weit von hier.“ Mit diesen Worten hakte er sich bei Grell unter und zog ihn einfach mit sich. Dieser war im ersten Moment viel zu perplex um zu reagieren. Kapitel 4: Die erste Nachhilfe ------------------------------ Ciel tigerte nervös in der großen Eingangshalle des Stadthauses seiner Familie hin und her. Es war Samstagvormittag und jeden Moment würde es klingeln. Heute würde er zum ersten Mal Nachhilfeunterricht haben. Seine Eltern waren am vorherigen Tag zurück zu ihrem Anwesen gefahren, da sein Vater einige Termine wahrnehmen musste und das nicht im Stadthaus tun wollte. Da sie, auf Ciels Drängen, alle Bediensteten mitgenommen hatten, war er nun ganz alleine in dem großen Haus. Nicht, dass er Angst hätte, es war nur das erste Mal für ihn, ganz allein zu sein. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als es an der Tür klingelte. Ciel atmete kurz durch, straffte seine Gestalt und öffnete die Haustür. Dort stand Sebastian Michaelis, ganz in schwarz. Er lächelte sein immerwährendes, nichtssagendes Lächeln. Seit sein Lehrer Ciel vorgeschlagen hatte, ihm private Nachhilfe zu geben, hatte er begonnen Sebastian im Laufe der Woche in Augenschein zu nehmen. Auch wenn er stets freundlich und höflich war, er trug eine undurchschaubare Maske. Und Ciel wollte wissen, was sich hinter dieser perfekt sitzenden Maske befand. Ihr Treffen war auch der Grund, warum Ciel nicht mit seinen Eltern über das Wochenende zu ihrem Anwesen gefahren war. „Guten Morgen, Ciel.“ „Guten Morgen. Mr. Michaelis.“ Ciel trat einen Schritt zur Seite und ließ seinen Lehrer eintreten. Dieser blickte sich interessiert um. Nachdem er seinen Mantel ausgezogen und an die Garderobe im Eingangsbereich gehängt hatte, zog er seine Schuhe aus und schlüpfte in die angebotenen Hausschuhe. „Möchten Sie einen Tee?“, fragte Ciel, während er Sebastian in das Arbeitszimmer seines Vaters führte. „Sehr gerne“, lächelte der Angesprochene. „Ich komme gleich wieder“, sagte Ciel und verschwand. Er ging in die Küche, dort hatte er schon Tee und zwei Tassen auf einem Tablett vorbereitet. Er holte aus einem der vielen Küchenschränke einen Teller und stellte ihn dazu. Anschließend öffnete er die Kekspackung, die er am vorherigen Tag noch gekauft hatte, und legte einige Kekse auf den Teller. Vorsichtig nahm er das Tablett in beide Hände und ging langsam zurück in das Arbeitszimmer seines Vaters. Normalerweise lernte Ciel an seinem Schreibtisch, in seinem Zimmer, aber er wollte nicht seinen Lehrer in sein Kinderzimmer bringen. Das wäre seltsam und irgendwie extrem unangenehm. Als Ciel den Raum betrat und seinen Lehrer sah, beschleunigte sich sein Herzschlag wieder. Warum war er nur schon wieder nervös? Es gab doch keinen Grund dazu. Er straffte seine Schultern, betrat den Raum und stellte das Tablett vorsichtig auf dem Schreibtisch ab. „Bedienen Sie sich.“ Ciel nahm die Teekanne und schenkte ihnen ein. „Danke, aber ich esse nicht gerne Süßes.“ Ciel starrte ihn mit großen Augen ungläubig an. Wie konnte man keine Süßigkeiten mögen? Sebastian lachte leise: „Deswegen musst du mich nicht anschauen, als wäre ich von einem anderen Stern.“ Ciels Wangen wurden rosa und er setzte sich schnell neben seinen Lehrer. Dieser hatte schon einige Unterlagen ausgepackt und legte ihm nun ein Blatt mit einem kurzen Text hin. „Als erstes, übersetzte bitte diesen Text.“ Ciel nickte leicht, nahm sich seinen bereitgelegten Block und einen Stift und begann. Er spürte die Wärme, die von Sebastian ausging und dessen Augen, die ihn beobachteten. Es machte ihn nervös, doch Ciel ließ sich nichts anmerken. Nach einer, für ihn, gefühlten Ewigkeit legte er seinen Stift beiseite: „Fertig!“ „Dann lass mal sehen“, lächelte Sebastian sein übliches, nichtssagendes Lächeln. Er nahm Ciels Übersetzung und einen roten Stift und strich alle Fehler an, die sein Schüler gemacht hatte. Dieser wurde immer kleiner in seinem Stuhl, umso roter sein Blatt wurde. Als Sebastian fertig war, sah er Ciel ernst an. „Du hast die gleichen Übersetzungsfehler wie im Test gemacht.“ Der Angesprochene biss sich unwillig auf die Unterlippe. „Ich glaube, das Beste ist, wenn wir noch mal ganz von vorne anfangen. Die Vokabeln kannst du soweit, es liegt hauptsächlich an der Grammatik.“ Sebastian nahm ein neues, leeres Blatt zur Hand und begann Ciel die deutsche Grammatik von Anfang an zu erklären. Dieser war froh, dass er nicht auch noch mündlich abgefragt wurde. Seine Aussprache war wirklich schlecht, das wusste er selbst. Sebastian zeigte sehr viel Geduld mit ihm. Ciel konnte nicht sagen woran es lag, aber dieses Fach bereitete ihm wirklich Schwierigkeiten. Die Zeit verflog und nach über zwei Stunden beschloss Sebastian eine Pause zu machen. „Hast du Hunger?“ Ciels nickte leicht als Antwort. „Ähm, auf was haben Sie Lust? Meine Eltern haben Geld dagelassen, wir können uns etwas bestellen.“ Sebastian hob eine Augenbrauen. „Gibt es hier nichts zu essen?“ „Das Personal ist mit meinen Eltern ins Anwesen gefahren und ich kann nicht kochen.“ „Dann such dir etwas aus“, lächelte Sebastian. Auch wenn er selbstgekochtes Essen bevorzugte, es war nicht sein Haus. Ciel schaute ihn mit leuchtenden Augen an: „Pizza!“ Sebastian stimmte lächelnd zu. Wie konnte man bei so großen, leuchtenden Augen ‚nein‘ sagen? Etwa 20 Minuten später klingelte es an der Tür. Ciel wies Sebastian an, schon mal ins Speisezimmer zu gehen. Während sie warteten, hatte Sebastian seinen Schüler gefragt, warum er erst jetzt zur Schule ging und wie es ihm dort bisher gefiel. Wenn er ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass er Ciel nicht nur aus reiner Nächstenliebe private Nachhilfe gab. Der Junge hatte etwas an sich, das ihn vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen hatte. Das bedeutete nicht, dass Sebastian Kinder auf diese Weise mochte, oder Hand an Ciel legen würde. Er wollte eine Vertrauensperson für ihn sein. Sebastian hatte von Grell erfahren, der scheinbar recht gut mit Ciels Tante befreundet war, dass der Junge meistens allein war. Seine Eltern waren geschäftlich viel unterwegs und so war Ciel als Kind oft bei seiner Tante gewesen, oder hatte ein Kindermädchen. Auch wenn er kein kleines Kind mehr war mit seinen 15 Jahren, er weckte in Sebastian den Wunsch ihn zu beschützen. Ciel riss ihn aus seinen Gedanken, als er mit zwei Pizzakartons den Raum betrat. Sie wünschten sich einen guten Appetit und aßen schweigend. Es war eine angenehme Stille, die nur ab und zu von leisen Kaugeräuschen unterbrochen wurde. Nach dem Essen gingen sie zurück in das große Arbeitszimmer von Ciels Vater. Sebastian gab ihm einfache Sätze vor, die er übersetzen sollte. Als er fertig war, kontrollierte Sebastian alles. „Du hast weniger Fehler gemacht, sehr gut!“, lobte er Ciel. Ein kleines, stolzes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Gemeinsam verbesserten sie die Fehler, die Ciel gemacht hatte. „Ich würde sagen, das reicht für heute“, sagte Sebastian lächelnd. Er war mehr als zufrieden mit ihm, Ciel lernte wirklich schnell. Dieser fand es ein wenig schade, dass Sebastian schon gehen wollte, aber es gab keinen Grund für diesen noch länger zu bleiben. Ciel begleitete ihn zur Tür und bedankte sich für die Nachhilfe. „Ach ja“, Sebastian tastete seinen Mantel auf der Suche nach seinem Portemonnaie ab, „was bekommst du noch für die Pizza?“ Ciel winkte ab: „Das passt schon, das geht auf meine Eltern. Außerdem opfern Sie Ihre Freizeit, um mir Nachhilfe zu geben.“ „Da hast du auch wieder Recht“, sagte Sebastian und lächelte. Dann zog er eine Karte aus seiner Manteltasche und reichte sie Ciel: „Hier steht meine private Telefonnummer drauf. Wenn etwas ist, egal was, kannst du mich jederzeit anrufen.“ Der Angesprochene schaute ihn überrascht an. Machte er das bei anderen Schülern auch? Sebastian öffnete die Haustür: „Dann sehen wir uns am Montag wieder, Ciel.“ Bevor dieser antworten konnte, war die Tür ins Schloss gefallen. Noch während er nach Hause fuhr, fragte Sebastian sich, wieso er dem Jungen seine private Telefonnummer gegeben hatte. Normalerweise tat er das nicht und einen wirklichen Grund hatte er auch nicht gehabt. Es war eher ein innerer Impuls, der ihn spontan dazu getrieben hatte. Jetzt war es eh nicht mehr zu ändern, dachte er schulterzuckend. Wer weiß, wofür es gut war. Nachdem Sebastian gegangen war, hatte Ciel den Rest des Tages damit verbracht zu lesen und Fernsehen zu schauen. Etwas, das er recht selten tat. Irgendwann war er vor dem Fernseher eingeschlafen und als er aufwachte, lief ein Horrorfilm. Noch ein wenig verschlafen schaute Ciel zu, wie ein Mädchen vor einem nicht sichtbaren Mörder davonlief. Er starrte wie gebannt auf den Bildschirm und zuckte erschrocken zusammen, als das Mädchen wie von Geisterhand aus ihrem Schlafzimmer gezogen wurde. Eine Weile geschah nichts, die Kamera stand still, es waren nur Schritte zu hören, dann wieder Stille. Ciel wusste, er sollte sich das nicht anschauen, aber es war zu spannend, er konnte nicht wegschauen. Angespannt und damit rechnend, dass jeden Moment etwas passieren würde, starrte er auf den Fernseher. Einige Herzschläge dann passierte nichts. Plötzlich flog etwas genau in die Kamera und Ciel zuckte heftig zusammen. Sein Herz raste vor Schreck und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Schnell schaltete er auf ein anderes Programm, dort lief eine romantische Komödie und langsam beruhigte er sich wieder etwas. Da der Film langweilig und voll von Klischees war, beschloss er ins Bett zu gehen. Ciel schaltete das Licht ein und den Fernseher aus. Er empfand die Stille im Haus als unheimlich und auf einmal wurde ihm bewusst, dass sonst niemand hier war. Er war ganz allein in dem großen Stadthaus. Schnellen Schrittes ging er in sein Zimmer. Dort zog er sich schnell um und verkroch sich in seinem Bett. Unter der Decke fühlte er sich direkt sicherer. Ciel war kein Angsthase, aber als er im Dunkeln in seinem Bett lag sah er die Bilder des Films vor seinem geistigen Auge und bildete sich für einen Moment ein, ein großer Schatten würde vor seinem Bett stehen. Erschrocken entsperrte er sein Smartphone, das ihm ein wenig Licht spendete. Er wusste, dass dort niemand war und doch war die Erinnerung an diesen gruseligen Film noch viel zu präsent. Ciel kuschelte sich wieder in sein Kissen und schloss seine Augen. Nach einigen Minuten döste er ein. Plötzlich riss er erschrocken seine Augen auf und schaute sich gehetzt in seinem Zimmer um. Ein Geräusch hatte ihn geweckt. War jemand im Haus? Aber das konnte nicht sein, schließlich hatte er alle Fenster geschlossen und die Haustür abgeschlossen. Sollte er nachsehen? Lieber nicht. Ciel stand mit zitternden Knien auf und schloss so leise wie möglich die Tür zu seinem Zimmer ab. Wieder erinnerte er sich an den Film. Draußen krachte es laut und Wind heulte auf. Im gleichen Moment begann es heftig zu regnen. Blitze erleuchteten kurz sein Zimmer und Ciel huschte erschrocken in sein Bett. Dort fühlte er sich sicher, was eigentlich lächerlich war. Er schloss seine Augen, versuchte wieder einzuschlafen, doch bei jedem kleinen Geräusch riss er sie wieder auf. Es war doch nur ein Gewitter, das machte ihm doch sonst nichts aus, versuchte er sich zu beruhigen. Aber normalerweise war er auch nicht allein im Haus und hatte davor so einen gruseligen Film gesehen. Ein Blitz schlug ganz in der Nähe ein und er zuckte erschrocken zusammen. War da gerade jemand vor seinem Fenster gestanden? Nein, unmöglich, das war viel zu hoch! Nach einer halben Stunde, in der Ciel erfolglos versucht hatte einzuschlafen, nahm er sein Smartphone in die Hand, entsperrte es und öffnete das Telefonbuch. Er scrollte bis zu einem bestimmten Namen. Sollte er das wirklich tun? Er würde ihn doch nur auslachen, sagen er sei ein Weichei und dann auflegen. Aber er hatte gesagt, er könne ihn jederzeit anrufen, wenn was sei. Gerade als Ciel das Gerät wieder weglegen wollte krachte und blitzte es gleichzeitig und er bildete sich wieder ein, jemandem an seinem Fenster gesehen zu haben. Ohne weiter zu überlegen drückte er auf den Telefonhörer und legte sich sein Smartphone ans Ohr. Es tutete eine gefühlte Ewigkeit, eigentlich wollte er schon auflegen, als sich eine verschlafene Stimme meldete: „Hallo?“ „M-Mr. Mi-Michaelis?“ „Ciel? Bist du es?“ In dem Moment, als er antworten wollte, hörte er ein seltsames Geräusch, das von unten kam. „Da ist jemand im Haus!“ „Was?! Bist du dir sicher?“ Plötzlich klang sein Lehrer hellwach. „Ich habe ein komisches Geräusch gehört. Aber vielleicht kommt es auch von draußen.“ „Wo bist du gerade?“, Sebastians Stimme war ruhig. „In meinem Zimmer. Ich hab abgeschlossen.“ Draußen donnerte es laut und Ciel zuckte wieder erschrocken zusammen. „Okay, bleib dort, bis ich da bin. Wenn wirklich jemand im Haus ist, dann bist du im Moment dort am sichersten. Ich bin gleich bei dir!“ Ciel hörte durch den Hörer leise eine Autotür schlagen. „Legen Sie nicht auf!“ „Keine Sorge, ich bleib dran“, versicherte Sebastian ihm und erzählte irgendetwas, doch Ciel hörte ihm gar nicht richtig zu. Allerdings beruhigte ihn die ruhige, angenehme Stimme seines Lehrers. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren und nicht auf die Geräusche seiner Umgebung. Die Minuten zogen sich hin wie Stunden, als Sebastian endlich sagte: „Ciel? Ich stehe vor der Haustür, die ist geschlossen. Ich werde jetzt um das Haus herum gehen und schauen, ob ich etwas finde.“ „Okay.“ Ein Geräusch vom Gang ließ Ciel erschrocken zusammenzucken. „Ich höre Schritte! Da ist jemand!“, flüsterte er und versuchte das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Sein Herz schlug schnell und heftig in seiner Brust. Waren das Einbrecher? Sebastian fragte ihn, wo genau er sich befand und stellte sich unter das große Fenster zu Ciels Zimmer. „Traust du dich aus dem Fenster zu steigen und herunter zu springen? Ich werde dich auffangen.“ „Ist das Ihr Ernst?“, fragte er zweifelnd. Doch als er glaubte jemanden reden zu hören, nicht weit von seinem Zimmer weg, stand Ciel leise auf, ging zu seinem Fenster und öffnete es. Darunter stand tatsächlich sein Lehrer und lächelte ihm zu. „Ciel, vertrau mir, ich fang dich auf.“ Er zögerte. Sollte er da wirklich runter springen? Als die Klinke von seiner Zimmertür nach unten gedrückt wurde und jemand an der Tür rüttelte zögerte Ciel nicht länger, er kletterte auf den Fenstersims, schaut seinem Lehrer kurz in die rotbraunen Augen und sprang. In dem Moment hörte er ein Krachen hinter sich und dann Stimmen. Er kniff in der Erwartung eines harten Aufpralls seine Augen zusammen, aber er landete relativ weich, wenn auch abrupt. Sebastian lächelte ihn beruhigend an, als Ciel vorsichtig nach oben lugte, und hielt ihn auf seinen Armen. Ehe Ciel etwas sagen konnte lief Sebastian schon los und trug ihn zur Vorderseite des Hauses, dort stand sein Auto. Sebastian öffnete die Beifahrertür und setzte Ciel in den Sitz. Anschließend schloss er die Autotür leise, umrundete das Fahrzeug und setzte sich hinter das Lenkrad. Ohne zu Zögern startete er den Motor, fuhr los und schaltete erst, als sie um eine Ecke gebogen waren, die Scheinwerfer ein. „Das war knapp!“, sagte Sebastian. Ciel saß der Schreck noch in den Knochen. Erst jetzt realisierte er, wie knapp er den Einbrechern entkommen war. „Ist alles in Ordnung so weit?“, fragte Sebastian besorgt. Ciel nickte. Er bekam nur am Rande mit, wie sein Lehrer den Wagen parkte, ausstieg und ihn aus dem Autositz hob. Müde lehnte Ciel sich an die nasse Brust seines Lehrers. Nun, wo der erste Schreck überwunden war und das Adrenalin nachließ, schlug die Müdigkeit mit aller Macht zu. Er bekam nicht mehr mit, wie Sebastian ihn in seine Wohnung trug, auf sein Sofa legte, zudeckte und die Polizei rief. Auch wenn er nicht glaubte, dass die Täter noch im Haus waren. Durch den starken Regen war Sebastian komplett durchnässt, also stieg er schnell unter die Dusche und zog sich danach frische Kleidung an. Anschließend ging er zurück ins Wohnzimmer. Dort lag Ciel und schlief. Sebastian musterte ihn und ohne, dass er es merkte, beugte er sich zu dem Schlafenden hinunter und strich ihm vorsichtig über die Wange. Die Haut unter seinen Fingern war eiskalt. Schnell ging er zurück ins Badezimmer und ließ heißes Wasser in die Wanne laufen. Er ging in sein Schlafzimmer, holte ein T-Shirt und eine Jogginghose und legte beides ins Bad. Dann lief er wieder ins Wohnzimmer und weckte Ciel vorsichtig. Dieser blinzelte müde und verstand nicht, was los war. „Ich hab dir ein Bad eingelassen und frische Kleidung hingelegt. Du bist ganz nass und kalt, nicht dass du dich noch erkältest.“ „Okay“, nuschelte Ciel und ließ sich ins Badezimmer führen. Kapitel 5: Das Angebot ---------------------- Müde schlich Ciel hinter seinem Lehrer her in das große Badezimmer. Nach der ganzen Aufregung wollte er eigentlich nur noch schlafen. Sobald das Adrenalin nachgelassen hatte, kam die Erschöpfung über ihn. Ciel zog sich seinen Pyjama aus und stieg vorsichtig in die Badewanne. Das dampfende Wasser war wirklich verlockend. Leise seufzend lehnte Ciel sich zurück und schloss seine Augen wieder. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als er hustend aufschreckte. War er eingeschlafen? Ein Klopfen ertönte und Sebastians Stimme klang besorgt und gedämpft durch die Tür: „ Ciel? Ist alles in Ordnung?“ Der Angesprochene räusperte sich, dann antwortete er mit rauer Stimme: „Ja, alles in Ordnung.“ Ciel wusch sich schnell und stieg dann aus der Badewanne. Er trocknete sich ab und nahm das T-Shirt, das Sebastian ihm hingelegt hatte, und zog es an. Es war natürlich viel zu groß und eher schon ein Nachthemd für Ciel. Leise seufzend zog er die schwarze Jogginghose an, die zu seiner Freude eine Kordel am Bund hatte, somit konnte er die Hose wenigstens so eng machen, dass sie nicht rutschte. Leise seufzend bückte Ciel sich um die Hosenbeine hochzukrempeln. Er wusste, dass er kleiner war als andere in seinem Alter, aber mit dieser übergroßen Kleidung fühlte er sich eher wie 5 als 15. Ciel stand vor dem großen Spiegel und betrachtete sich. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der die Kleidung seines Vaters angezogen hatte. Das blaue T-Shirt, das ihm gut bis über den Hintern ging, steckte er in die Jogginghose, so sah es nicht mehr ganz so schlimm aus und er versank nicht komplett darin. Sebastian sich ein Kichern verkneifen, als Ciel das Wohnzimmer betrat musste. Der Junge sah wirklich niedlich aus in der viel zu großen Kleidung. Ciel setzte sich zu seinem Lehrer auf das große, graue Sofa. „Möchtest du einen Tee?“, fragte Sebastian und hielt ihm eine Tasse mit dampfendem Inhalt entgegen. „Danke“, nuschelte Ciel und nahm vorsichtig einen Schluck. „Earl Grey“, sagte er erstaunt. Sebastian lächelte: „Schmeckt der Tee?“ „Das ist mein Lieblingstee“, gestand Ciel leise und mit rosa Wangen. Irgendwie war es ihm peinlich, was an diesem Abend geschehen war. Jetzt, da seine Gedanken nicht mehr wie in Watte gepackt waren aufgrund der Müdigkeit, erinnerte er sich gut an die Ereignisse ein paar Stunden zuvor. Was würde sein Lehrer nun von ihm denken? Schließlich hatte er ihn bestimmt geweckt. Aber es war tatsächlich jemand im Haus gewesen. Ciel schauderte bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn Sebastian nicht dagewesen wäre. Er war doch tatsächlich aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen! Wenn seine Mutter das hören würde, sie würde ihn nie wieder allein zu Hause lassen. Gut, normalerweise würde Ciel auch nicht aus dem Fenster springen und darauf vertrauen, dass sein Lehrer, der mit seiner schwarzen Kleidung und seinen schwarzen Haaren beinahe mit der Dunkelheit verschmolz, ihn auffangen würde. Und nun saß er hier, im Wohnzimmer seines Lehrers und trank mit diesem Tee. Kurz wunderte Ciel sich, wieso sein junger, gutaussehender Lehrer an einem Samstagabend allein zu Hause war, dann schob er diesen Gedanken aber gleich wieder zur Seite. Sie tranken schweigend ihren Tee und genossen die angenehme Stille. Sebastian schaute überrascht auf, als er ein Gewicht an seiner Schulter spürte. Er sah neben sich und stellte lächelnd fest, dass Ciel eingeschlafen war. Leise stellte er seine Tasse auf den Couchtisch vor sich, dann nahm er seinem Schüler die Tasse aus der Hand, um sie neben seine zu stellen. Sebastian drückte ihn ein wenig von sich, stand auf und legte Ciel ganz auf sein graues Sofa. Er nahm das Kissen, auf dem Ciel zuvor gelegen hatte, und schob es unter dessen Kopf, dann breitete er wieder die Decke über dem Jungen aus. Anschließend nahm er die Tassen, brachte sie in die Küche, löschte überall das Licht und ging in sein Schlafzimmer. Die Tür lehnte er nur an, falls Ciel ihn doch noch einmal brauchen sollte. Während Sebastian in seinem Bett lag, ließ er die Geschehnisse noch einmal Revue passieren. Ciels verängstigter Anruf, die aufgebrochene Haustür, von der er ihm wohlweislich nichts gesagt hatte. Es war wirklich mutig von ihm gewesen, aus dem ersten Stock zu springen. Sebastian wollte gar nicht daran denken was passiert wäre, wäre er nicht oder zu spät da gewesen. Ihm war klar, dass er das eigentlich nicht durfte, einen seiner Schüler mit in seine Wohnung nehmen, aber das war ein Notfall. Sebastian seufzte leise. Noch vor einem Jahr wäre er nicht zu Hause gewesen an einem Samstagabend. Er wäre mit seinem Ex und ein paar Freunden in einer angesagten Bar gewesen und erst in den frühen Morgenstunden nach Hause gegangen. Erinnerungen stiegen in ihm auf. Erinnerungen, die er am liebsten vergessen würde. Anfangs waren sie wirklich glücklich gewesen, sein Leben hätte kaum besser sein können, doch dann erwischte er ihn mit einem anderen im Bett. Von einem auf den anderen Tag war alles vorbei gewesen und er musste von vorn anfangen. Er zog nach London und ließ alles hinter sich, machte einen Neuanfang. Und nun lag sein neuer Schüler in seinem Wohnzimmer und schlief. Er schnaubte belustigt. Das Leben ging manchmal wirklich seltsame Wege. Am nächsten Morgen, oder eher schon Vormittag, wachte Sebastian auf. Als er nach einem Blick auf sein Smartphone feststellte, dass es schon nach 10 Uhr war, stand er schnell auf und zog sich an. Dann ging er, nach einem kurzen Abstecher im Bad, in seine Küche um das Frühstück vorzubereiten. Noch in der Nacht hatte er Ciels Eltern eine Nachricht geschickt und ihnen mitgeteilt, dass ihr Sohn bei ihm war, weil in ihrem Stadthaus eingebrochen worden war. Sie hatten ausgemacht sich um 11 Uhr bei Scotland Yard zu treffen. Als er fertig war, stellte er alles auf ein Tablett und ging damit leise ins Wohnzimmer. Dort lag Ciel auf der großen Couch und schlief noch immer. Er sah wirklich niedlich aus. Erschrocken weiteten sich Sebastians Augen kurz, dann schob er diesen Gedanken schnell zur Seite. So etwas durfte er nicht denken. Das war immerhin sein Schüler! Sebastian stellte das Tablett leise auf den Couchtisch. „Ciel, Zeit aufzustehen“, weckte er diesen. „Hm … noch 5 Minuten“, nuschelte dieser und drehte sich auf die andere Seite. „Ciel“, sagte Sebastian dieses Mal strenger. Der Angesprochene schreckte auf und schaute sich verwirrt um. Mit seinen verwuschelten Haare, dem fragenden Ausdruck in seinen großen, blauen Augen und dem viel zu großen T-Shirt, dass ihm beinahe über die Schulter hing, sah er einfach nur süß aus. Sebastian lachte leise. Ciel starrte ihn einen Moment mit großen Augen an, dann kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück und seine Wangen färbten sich rot. Unsicher senkte er seinen Blick: „M-morgen ...“ „Guten Morgen, hast du gut geschlafen?“, lächelte Sebastian und setze sich neben Ciel auf die Couch. „Ja. Danke.“ „Wir haben leider nicht so viel Zeit für das Frühstück, wir treffen uns bald mit deinen Eltern bei Scotland Yard.“ Ciel nickte und wollte sich gerade eine Gabel Rührei in den Mund schieben, dann ließ er diese wieder sinken. „Was ist? Magst du es nicht?“, fragte Sebastian verwundert. „Ich hab doch gar nichts zum anziehen!“ Verzweifelt schaut Ciel seinen Lehrer an. Das stimmte, aber nach einem Blick auf die Uhr war klar, dass sie nicht genug Zeit hatten, um noch mal zum Stadthaus zu fahren. „Dann musst du wohl etwas von mir anziehen“, sagte Sebastian ruhig. Pünktlich um 11 Uhr kamen sie bei Scotland Yard an. Ciel trug eine graue Jogginghose, die er weit hochgekrempelt hatte, und ein blaues Sweatshirt, dessen Ärmel nach hinten gekrempelt waren. Den Pullover hatte er in die Hose gesteckt und diese mit der Kordel im Bund festgezogen. Sebastian hatte seine Kleidung in der Nacht noch gewaschen, sodass Ciel zumindest eine Boxershorts tragen konnte. Da er aber ohne Schuhe aus dem Fenster gesprungen war und die Schuhe seines Lehrers ihm definitiv viel zu groß waren, wurde er getragen. Ciels Wangen glühten ununterbrochen, seit Sebastian gesagt hatte, er würde ihn tragen, da er nicht mit Socken draußen rumlaufen konnte. Es war ihm so unsagbar peinlich! Ciel wünschte sich einfach nur ein Loch, in das er verschwinden konnte. Vor Scotland Yard standen schon seine Eltern mit besorgten Gesichtern und warteten. Als sie ihn erblickten hielt seine Mutter erschrocken eine Hand vor ihren Mund. „Mein Güte Ciel, mein Schatz, geht es dir gut?“ Dessen Wangen wurden noch heißer als sowieso schon. Noch nie in seinem jungen Leben war ihm etwas so peinlich gewesen. „Er ist unverletzt und wohlauf. Ich trage ihn nur weil er keine Schuhe hat“, lächelte Sebastian freundlich. Rachel atmete erleichtert auf. „Haben Sie vielen Dank, dass Sie sich um ihn gekümmert haben!“, sagte Vincent. „Das habe ich doch gern gemacht“, lächelte Sebastian. „Wir sollten nun wirklich reingehen. Warten Sie, ich nehme Ihnen Ciel ab.“ Mit diesen Worten wurde er an seinen Vater übergeben. Irgendwie war die Wärme seines Vaters nicht so angenehm einlullend wie die von Sebastian, stellte Ciel fest. Da sie das große Gebäude von Scotland Yard betraten dachte er nicht weiter darüber nach. Nachdem sie das große Gebäude von Scotland Yard betreten hatten, wurden sie direkt von Sir Randall in Empfang genommen. „Guten Morgen, Mr. und Mrs. Phantomhive und Mr.-“, „Michaelis“, lächelte Sebastian nichtssagend und reichte seinem Gegenüber die Hand. Sie gingen in Randalls Büro. Dort wurde Ciel endlich abgesetzt. Es war ihm so unsagbar peinlich, so getragen zu werden. Er war schließlich kein kleines Kind mehr! Randall wechselte einige Worte mit Ciels Eltern, dann stellte er ein Diktiergerät auf seinen Schreibtisch und schaltete es an. „Nun Ciel, was ist gestern passiert?“ Der Angesprochene begann nüchtern zu erzählen: „Nachdem ich zu Bett gegangen bin konnte ich nicht gleich einschlafen. Irgendwann glaubte ich ein Geräusch zu hören, als wäre jemand im Haus. Da meine Eltern in unserem Anwesen, und damit viel zu weit entfernt waren, rief ich Mr. Michaelis an. Ich war mir ziemlich sicher, dass jemand im Haus war, während Mr. Michaelis schon unterwegs zu unserem Stadthaus war. Da ich nicht aus meinem Zimmer konnte, blieb ich dort. Als Mr. Michaelis da war, stellte er sich unter das Fenster von meinem Zimmer. Ich hörte Schritte und leise Stimmen auf dem Gang und sprang aus dem Fenster, Mr. Michaelis fing mich auf. In dem Moment, als ich sprang, wurde die Tür zu meinem Zimmer hinter mir aufgebrochen. Ich hatte sie zuvor vorsorglich abgeschlossen.“ Sebastian hob gedanklich eine Augenbraue. Er hätte nicht gedacht, dass Ciel das Geschehene so nüchtern und ruhig erzählen würde. Es klang, als würde ihm das ständig passieren. Rachel hatte sich erschrocken die Hände vor den Mund gelegt. Sie war so erleichtert, dass ihrem Sohn nichts passiert war. Nie wieder würde sie ihn allein im Stadthaus lassen! Zumindest mussten ein paar fähige Bodyguards da sein, um ihn im Notfall beschützen zu können. Vincent ballte wütend eine Faust. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn Ciels Lehrer nicht so fähig und rechtzeitig aufgetaucht wäre. Nachdem Sebastian seine Aussage gemacht hatte, sagte Randall: „Es kommt in letzter Zeit leider häufiger vor, dass in dieser Gegend eingebrochen wird. In der Regel nur, wenn die Häuser leer sind. Ich kann Ihnen nur raten vorerst nicht in Ihr Stadthaus zurückzukehren, höchstens um wichtige Dinge zu holen.“ „Verstehe. Einen schönen Tag noch, Sir Randall.“ Mit diesen Worten stand Vincent, offensichtlich nachdenklich, auf, nahm Ciel auf seine Arme und verließ, gefolgt von seiner Frau und Sebastian, das Gebäude. Draußen angekommen fragte Rachel besorgt: „Und was machen wir nun? Ciel muss wieder zur Schule, aber jeden Morgen von unserem Anwesen aus loszufahren dauert viel zu lang.“ „Ich weiß es nicht. Der Einzige, der in der Stadt wohnt und dem ich vertrauen kann, ist Undertaker.“ Ciel riss entsetzt die Augen auf: „Nein! Auf keinen Fall! Ich werde bestimmt nicht bei diesem verrückten Bestatter wohnen! Da fahre ich doch lieber jeden Morgen von unserem Anwesen aus in die Schule!“ Sebastian hob erstaunt seine Augenbrauen. Ciels Widerwille war mehr als deutlich. Doch das Stadthaus war keine Option mehr, und allein wohnen würden seine Eltern bestimmt nicht zulassen. Ihm kam eine Idee: „Entschuldigen Sie, Mr. und Mrs. Phantomhive, Ciel könnte unter der Woche bei mir wohnen. Ich weiß, das ist sehr ungewöhnlich, aber dann hätte er es nicht so weit zur Schule und wäre nicht allein.“ Die drei sahen ihn erstaunt an. Rachel sah fragend zu ihrem Mann: „Was meinst du? Das wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee. Zumindest als Übergangslösung.“ Der Angesprochene senkte nachdenklich seinen Blick auf Ciel. „Nun gut, da Ciel sich so vehement weigert bei Undertaker zu wohnen bleibt uns auf die Schnelle wohl erst einmal keine andere Wahl. Natürlich zahlen wir für alle Ihre Auslagen, Mr. Michaelis.“ Erstaunt sah Ciel zwischen seinen Eltern und Sebastian hin und her. War das ihr Ernst?! Sie kannten ihn doch nicht einmal! Aber auf der anderen Seite war alles besser, als bei Undertaker zu wohnen. Dieser Kerl war ihm einfach nur unheimlich. Was die beiden nicht wussten, war, Vincent hatte Sebastian genauestens überprüfen lassen, nachdem Ciel ihm mitgeteilt hatte, dass sein Lehrer ihm private Nachhilfe in Deutsch geben würde. Vincent wusste, Kinder reicher Eltern waren gerne das Ziel von Entführern, um die Eltern dann zu erpressen. Zudem hatte er im Londoner Untergrund schon zu viele schlimme Dinge gesehen, um unvorsichtig zu sein. Gerade dann, wenn es um seine Familie ging. Daher überließ er so etwas nicht dem Zufall. Aber Sebastian wurde als vertrauenswürdig eingestuft und hatte er Ciel in der letzten Nacht gerettet. Kurz darauf verabschiedeten sie sich. Sebastian fuhr zurück in seine Wohnung und fragte sich, was ihn überkommen hatte, so einen Vorschlag zu machen. Doch nüchtern betrachtet war das vorübergehend die beste Lösung. Wie sollte er sich Ciel nun gegenüber verhalten? Sebastian war zwar Lehrer, doch noch nicht lange und von Kindern, oder eher Jugendlichen, hatte er nicht sonderlich viel Ahnung. Sie nur im Unterricht zu sehen war etwas ganz anderes, als sie auch zu Hause zu haben. Leise seufzend betrat er seine Wohnung. Es war nicht so, dass Ciel ein Problemkind oder noch klein wäre, er war immer schon 15 Jahre alt. Das würde schon irgendwie werden. Während der gesamten Autofahrt zu ihrem Anwesen wollte Rachel immer wieder wissen, ob es ihrem Sohn auch wirklich gut ginge und ob es für ihn in Ordnung wäre, vorübergehend, unter der Woche, bei seinem Lehrer zu wohnen. Da dieser noch recht jung war, sollten sie gut miteinander auskommen. Ciel war froh, als er von seinem Vater in ihrem großen Anwesen abgesetzt wurde. Endlich durfte er wieder selbst laufen! Er ging geradewegs die breite Treppe im Eingangsbereich nach oben und dann in sein Zimmer. Dort holte er sich frische Kleidung und ging damit in sein eigenes Badezimmer. Der Geruch von Sebastian hing an seinem ganzen Körper, also wollte er erst einmal duschen. Die geliehenen Sachen warf er in den Wäschekorb, dann ging er in die ebenerdige Dusche und genoss das warme Wasser, das über seinen Körper floss. Gedanklich ließ er die Geschehnisse der vergangenen Nacht noch einmal Revue passieren. Die Geschichte klang wie aus einem Kitschroman. Es hätte nur gefehlt, dass sie sich näher gekommen wären. Unweigerlich erschien ein Bild von ihm und Sebastian, wie sie sich beinahe küssten, vor seinem geistigen Auge. Erschrocken riss Ciel seine blauen Augen auf. Wo kam dieser Gedanke denn her? Heftig schüttelte er seinen Kopf, sodass seine nassen, aschblauen Haare flogen. Er war nur verwirrt und noch müde von der letzen Nacht, das war alles. Gähnend griff er nach dem Haarshampoo und schäumte seine Haare ein. Anschließend seifte er seinen Körper mit Duschgel ein und wusch alles wieder ab. Ciel griff nach dem großen, weißen Handtuch, das vor der Dusche lag, und trocknete sich ab. Müde rieb er über seine blauen Augen. Wieso war er plötzlich so müde? Nachdem er seine Haare gekämmt hatte ging er zurück in sein Zimmer. Dort stand schon eine große Reisetasche bereit. Seine Uniform und seine Schulsachen würde einer der Angestellten zu seinem Lehrer bringen. Ciel wusste noch nicht so recht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er war gern allein, doch wenn er es richtig gesehen hatte, hatte die Wohnung kein separates Zimmer. Das hieß, er müsste im Wohnzimmer schlafen und hätte eigentlich nur am Wochenende seine Ruhe? Na toll. Konnte er dann nicht einfach in einem Hotel wohnen? Lustlos ging er zu seinem großen Kleiderschrank und zog ein paar Kleidungsstücke heraus. Dann packte er noch genug Unterwäsche für die Woche ein. Fragend schaute er sich um. Was noch? Das war das erste Mal, dass Ciel selbst packte. Wenn er mit seinen Eltern verreiste, wurde immer für ihn gepackt, meistens von den Bediensteten. Er nahm noch eines seiner Lieblingsbücher und warf es in die Tasche. Anschließend zog er den Reisverschluss zu, nahm sein Gepäck und trottete damit lustlos nach unten in die Eingangshalle. Irgendwer würde ihn nun zu Sebastian fahren. ~~~~~~~~~~~~~~~ Das nächste Kapitel heißt dann auch "Neues Zuhause" und kommt erst in zwei Wochen, da ich im Urlaub bin :) Kapitel 6: Neues Zuhause ------------------------ Als Ciel vor der Wohnung seines Lehrers abgesetzt wurde, stand er zögernd vor der Tür. Er würde ab nun also bei seinem Lehrer wohnen. Er atmete noch einmal tief durch, dann drückte er auf den Klingelknopf. Es dauerte nicht lange, bis ihm die Tür geöffnet wurde. „Hallo Ciel, komm rein“, lächelte Sebastian. Bevor der Kleinere den Gruß erwidern konnte, brach er in Lachen aus. Sein Lehrer stand vor ihm, eine Kochschürze umgebunden und einen Kochlöffel in der Hand. Sebastian zog eine seiner feingeschwungenen Augenbrauen nach oben. Wurde er gerade wirklich von seinem Schüler, den er selbstlos aufgenommen hatte, ausgelacht? Unfassbar. Sebastian trat zur Seite: „Du hast doch bestimmt Hunger, oder? So schnell wie du wieder hier warst wirst du wohl kaum schon zu Mittag gegessen haben.“ Als Antwort grummelte Ciels Magen. Wobei schnell relativ war, schließlich war es eine recht lange Fahrt von der Innenstadt Londons bis raus zu ihrem Anwesen und wieder zurück. Noch dazu hatte es unterwegs zu schneien begonnen. Dicke Flocken fielen vom Himmel und bedeckten langsam die Erde. Sebastian lachte leise und bedeutete Ciel ihm zu folgen. Er führte seinen Gast in sein eigentliches, jetzt ehemaliges, Arbeitszimmer. Dort stand an der linken Wand ein großes Regal, das fast bis zur Decke reichte, voll mit Büchern. Gegenüber, unter dem Fenster, stand ein Schreibtisch, auf dem verschiedene Mappen und ein zugeklappter Laptop lagen. Auf der rechten Seite lag ein Futon mit Decke und Kissen. „Das wird dein Zimmer sein, hier kannst du dich zurück ziehen. Ich habe leider nur einen Gästefuton, aber dein Vater sagte, morgen würde man ein Bett für dich bringen.“ „Ähm, danke …“, sagte Ciel leise. Sein Lehrer machte sich so viel Mühe für einen Schüler? Das war doch nicht normal, oder? Wären sie in einem Kitschroman, wäre Ciel ein Mädchen und sein Lehrer hätte sich in ihn verliebt. Mit der Zeit würde er sich dann auch in ihn verlieben und es gäbe ein Happy End, nach einem kurzen Drama. Innerlich rollte er mit den Augen bei diesen Gedanken. Ciel schüttelte seinen Kopf. Als ob Sebastian sich in ihn verlieben würde! Schließlich war sein Lehrer groß, gutaussehend und ein Mann! Wieso sollte er sich in einen kleinen, schmächtigen Jungen wie ihn verlieben? Ciel dachte unwillkürlich an seinen älteren Zwillingsbruder Celest. Als Kinder sahen sie absolut identisch aus, doch als sie älter wurden, wurde Celest größer und kräftiger als er. Er durfte auch im Gegensatz zu Ciel schon vor einigen Jahren auf eine richtige Schule. Er war auf einer elitären Privatschule und wohnte dort in einem Wohnheim. Ciel hingegen hatte bisher, aufgrund seiner schwachen Gesundheit, nur Privatunterricht zu Hause gehabt. Oft hatte er seinen Bruder beneidet. Dieser war mit ihrer Cousine Elizabeth verlobt und beide mochten sich sehr. Auch wenn sie manchmal zu aufgedreht und mädchenhaft war in Ciels Augen, wobei sich das mit der Zeit schon etwas gelegt hatte, war sie trotzdem sehr hübsch, außerdem konnte sie eine sehr gute Fechterin. Immer wenn Celest zu Hause war, kam sie zu Besuch. Die beiden so glücklich zu sehen machte Ciel traurig, obwohl er sich ehrlich für seinen Bruder freute. Oft hatte er sich gefragt, ob er auch jemals ein Mädchen finden würde. Seine Eltern hatten keine hohen Erwartungen an ihn, was das Thema betraf, schließlich würde Celest den Titel des Earls erben. Doch da Ciel nun auch zur Schule gehen durfte, hatte er neue Hoffnungen geschöpft, sich auch endlich zu verlieben. Eine Hand, die vor seinen Augen wedelte, riss ihn aus seinen Gedanken. Überrascht blinzelte Ciel und sah sich um. Ein leises Lachen lenkte seine Aufmerksamkeit auf Sebastian. „Hast du endlich den Weg zurück in die Realität gefunden? Das Essen ist fertig, aber auf mein Rufen hast du nicht reagiert.“ Augenblicklich färbten sich Ciels Wangen rot. War er so weggetreten gewesen? Ausgerechnet vor Sebastian! Schweigend folgte er diesem in die Küche. Schon im Flur duftete es herrlich. Ciel spürte, wie sein Magen sich vor Hunger zusammenzog. Der Tisch war schon gedeckt und so setzten sie sich. „Guten Appetit“, lächelte Sebastian. Ciel erwiderte leise und nahm den ersten Bissen. Überrascht weiteten sich seine Augen ein wenig. Das Essen war wirklich köstlich! „Schmeckt es? Als Nachtisch gibt es noch Schokomuffins.“ Als Antwort brachte Ciel nur ein Nicken zustande. Wenn er jeden Tag so etwas Köstliches hier zu essen bekäme, würde er gar nicht mehr nach Hause wollen. Ihr Koch war zwar auch sehr begabt, aber es war nicht so lecker wie das Essen von Sebastian. Nach dem Essen war Ciel eigentlich schon satt, aber als er einen noch dampfenden Schokomuffin vor die Nase gestellt bekam, konnte er nicht anders. Er liebte Süßes nun mal. Vorsichtig trennte er mit einer Kuchengabel ein Stück des Gebäcks ab und schob es sich in den Mund. Seine Geschmacksnerven führten einen Freudentanz auf. Als er das nächste Stück abtrennte, floss flüssige Schokolade aus dem Inneren. Während er aß bekam Ciel nicht mit, wie er von Sebastian beobachtet wurde. Dieser hatte noch nie gesehen wie jemand mit so viel Genuss aß. Da mochte wohl jemand Süßspeisen. Er musste zugeben, es war ein schönes Gefühl, nicht allein zu essen. Nach dem Nachtisch half Ciel sogar beim Abwasch. Etwas, das er noch nie gemacht hatte. Zu Hause gab es schließlich Bedienstete, die dafür bezahlt wurden. Sebastian beobachtete Ciel amüsiert, wie dieser umständlich die Teller abtrocknete. Da sie nicht so recht wussten über was sie sich unterhalten sollten, schwiegen sie. Ciel wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Schließlich war er hier zu Gast, aber Sebastian hatte gesagt, er solle sich wie zu Hause fühlen. Ciel war, außer bei seinen Tanten, nie bei jemandem alleine und über Nacht zu Besuch gewesen. Außerdem wusste er nicht, wie er Sebastian ansprechen sollte, schließlich war dieser auch immer noch sein Lehrer. Unsicher kaute Ciel auf seiner Unterlippe. Sebastian, dem seine Unsicherheit auffiel, lächelte: „Kannst du Schach?“ Der Angesprochene schaute ihn überrascht an, dann nickte er mit einem kleinen Lächeln. Nachdem die Küche wieder aufgeräumt war saßen sie sich im Wohnzimmer gegenüber, zwischen ihnen ein aufgebautes Schachspiel. Die Zeit verging wie im Flug. Ciel freute sich, einen würdigen Gegner zu haben und Sebastian war erstaunt, wie gut er war. „Woher kannst du so gut Schach?“, fragte der Ältere, nachdem er die erste Partie tatsächlich verloren hatte. Ein kleines, arrogantes Lächeln lag auf Ciels Lippen. „Mein Vater hat es mir beigebracht. Du, äh Sie sind aber auch nicht schlecht.“ Sebastian lachte leise: „Du kannst mich privat gerne duzen und Sebastian nennen.“ Ciels Wangen färbten sich rosa. Irgendwie hatte er sich während des Spiels so entspannt, dass er vergessen hatte, wer ihm gegenüber saß. Sebastian stellte die Figuren wieder auf und sagte: „Bereit für meine Revanche? Dieses Mal werde ich es dir nicht so leicht machen.“ Die zweite Runde gewann Sebastian, obwohl Ciel es ihm nicht leicht gemacht hatte. Da es schon nach 19 Uhr war, beschloss er, dass es Zeit für das Abendessen war. Während dem Essen kam langsam eine Unterhaltung zwischen ihnen auf und Ciel fühlte sich immer wohler und wurde dadurch auch offener. Nach dem Essen ließ Sebastian ihn zuerst ins Bad. Ciel ging danach in sein Zimmer, er wollte sich noch auf den nächsten Tag vorbereiten, schließlich musste er dann wieder Schule. Der nächste Morgen kam für Ciels Geschmack viel zu früh. Die halbe Nacht hatte er wach gelegen und sich von einer Seite auf die andere gedreht. Seine Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen. Als er aufwachte und sich im Zimmer umschaute, brauchte er einen Moment, um sich wieder daran zu erinnern, wo er war und warum er dort war. Seufzend schlug er die Decke zurück, kroch aus dem noch warmen Bett und tauschte seinen Pyjama gegen seine Schuluniform. Gähnend schlurfte Ciel ins Badezimmer. Nach seiner Morgentoilette spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit zu verscheuchen. Viel brachte es allerdings nicht. Ihm blickten immer noch müde, blaue Augen, mit dunklen Rändern darunter, entgegen. Sein Gesicht war auch ungewöhnlich blass. Seufzend kämmte er seine Haare und verließ das Badezimmer. Im Flur roch es nach frischem Tee und warmen Brötchen. „Guten Morgen Ciel, möchtest du Tee?“ „Morgen. Ja bitte.“ Die Frage, ob er gut geschlafen hatte, konnte sich Sebastian nach einem Blick in Ciels Gesicht selbst beantworten. Dieser setzte sich an den Tisch und unterdrückte ein Gähnen. „Soll ich dich mit zur Schule nehmen?“, fragte Sebastian mit seinem nichtssagenden Lächeln und stellte Ciel eine Tasse mit dampfendem Tee hin. „Danke. Nein, das ist nicht nötig. Ich werde den Bus nehmen. Nicht, dass unnötige Gerüchte den Umlauf machen.“ Sebastian nickte verstehend. Auch wenn ihm solche Gerüchte egal wären, Ciel könnte darunter leiden. „Dann musst du jetzt aber los, sonst wirst du nicht mehr rechtzeitig an der Haltestelle sein“, sagte Sebastian mit Blick auf die Uhr, die über der Küchentür hing. Ciel folgte seinem Blick, riss entsetzt seine Augen auf, sprang auf und eilte in sein Zimmer, um seine Schultasche zu holen. Dann rannte er in den Flur und zog sich seine Schuhe an. Währenddessen wurde er belustigt von Sebastian beobachtet, der am Türrahmen lehnte. Bevor Ciel jedoch aus der Tür stürzen konnte drückte sein Lehrer ihm noch ein geschmiertes Brötchen in die Hand. Aufs Ciels verwirrten Blick entgegnete er lächelnd: „Damit du später nicht hungrig im Unterricht sitzt.“ „Danke“, murmelte Ciel, nahm das Brötchen und seine Schultasche, riss die Wohnungstür auf und rannte nach draußen. Sebastian wandte sich schmunzelnd ab und räumte noch schnell die Küche auf, dann nahm er auch seine Tasche und verließ seine Wohnung. Mit dem Auto brauchte er nur rund 10 Minuten bis zur Schule, der Bus brauchte dagegen fast 20 Minuten, da er an vielen Haltestellen hielt, um Schüler mitzunehmen. In der Schule angekommen hörte Ciel seinen Namen. Kurz darauf wurde er von hinten umarmt. Erschrocken zuckte er zusammen und drehte seinen Kopf so weit nach hinten wie möglich. „Hallo Soma“, sagte er ein wenig genervt. Dieser löste sich von ihm und lief stattdessen nun neben ihm. „Geht es dir gut, Ciel? Ich habe gehört was passiert ist und mir große Sorgen um dich gemacht!“ „Mir geht es gut, Soma.“ „Musst du jetzt jeden Tag von eurem Anwesen zur Schule fahren und wieder zurück?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Nein, ich wohne, äh, bei, ehm, einem Freund der Familie“, antwortete Ciel. Er hoffte, der andere würde nicht weiter nachfragen, schließlich konnte er schlecht sagen, dass er bei Sebastian wohnte. „Da bin ich aber froh!“ Während sie das Schulgebäude betraten plapperte Soma fröhlich weiter und Ciel hörte ihm nicht wirklich zu. Was interessierte es ihn, was der Inder am Wochenende gemacht hatte? Müde ließ er sich auf seinen Platz fallen und wartete darauf, dass der Unterricht anfing. Als erstes hatten sie Mathe bei Mr. Spears. Auch wenn Ciel in Mathe ganz gut war, allein der Gedanke daran, die Woche damit zu beginnen, weckte in ihm den Wunsch sich zu übergeben. Mr. Spears war viel zu streng und sein Unterricht viel zu trocken. Mathe bei seinem Privatlehrer Ash war auch immer recht langweilig gewesen, doch Mr. Spears hob das Ganze auf ein neues Level. Während er so darüber nachdachte, fielen ihm langsam die Augen zu. Jedoch wurde ihm der Schlaf nicht vergönnt, denn kurz darauf ertönte die strenge Stimme von Mr. Spears, die ihnen einen schönen guten Morgen wünschte. An diesem Morgen gab es weder etwas Schönes, noch etwas Gutes bisher, dachte Ciel. Als er die zwei Stunden endlich überstanden hatte, seufzte er erleichtert. Danach hatte er Englisch bei Sebastian, das war wenigstens recht angenehm. Zu seiner großen Freude fiel der Sportunterricht am Nachmittag aus. Der Tag wurde also doch noch besser. Nach dem Unterricht rief Sebastian ihn jedoch noch einmal zu sich. Was wollte er denn jetzt? Sie würden sich später doch sowieso in seiner Wohnung wieder sehen. Nachdem alle Schüler den Raum verlassen hatten drückte Sebastian Ciel einen Schlüssel in die Hand. „Das ist mein Hausschlüssel, damit du später nicht auf mich warten musst.“ Ciel schaute seinen Lehrer erstaunt an. Er vertraute ihm einfach so seine Wohnung an? Nicht, dass er etwas anstellen oder dort herumschnüffeln würde. „Okay, uhm danke.“ Allerdings bemerkten sie nicht, dass Alois an der Tür stand und sie beobachtete. Es hatte ihn interessiert, was der Lehrer noch von dem Neuen wollte. Mit einem kleinen, boshaften Grinsen wendete er sich ab und ging zum nächsten Klassenraum. Das war wirklich interessant. Unschlüssig stand Ciel mit dem Schlüssel in der Hand vor Sebastians Wohnungstür. War es wirklich in Ordnung für ihn, einfach in die Wohnung zu gehen? Er hatte zwar den Schlüssel bekommen, aber es fühlte sich seltsam an. Nicht falsch, aber auch nicht richtig. Leise seufzend steckte Ciel dann doch den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und betrat die Wohnung. Nachdem er seine Schuhe und seine Jacke ausgezogen und seine Schultasche in sein Zimmer gestellt hatte, stand Ciel ein wenig unschlüssig im Flur. Was sollte er nun tun? Theoretisch hatte er Narrenfreiheit, so lange Sebastian nicht da war. Andererseits traute er sich kaum etwas anzufassen, um nicht in die Privatsphäre seines Lehrers zu dringen. Da Ciel Hunger hatte, ging er in die Küche. Sollte er sich jetzt einfach etwas nehmen? Sebastian würde später bestimmt noch kochen, aber so lange warten wollte er auch nicht. Er hatte bestimmt auch Hunger, wenn er nach Hause kam nach einem langen Tag. Also beschloss Ciel selbst etwas zu kochen, so schwer konnte das schließlich nicht sein! Er nahm sein Smartphone zur Hand und suchte ein leckeres Rezept im Internet, das nicht allzu schwer war. Ciel entschied sich für einen Pie, das Rezept klang doch recht einfach. Zuerst inspizierte er den Kühlschrank, ob alles da war, was er brauchte. Nachdem er alle Zutaten auf der Arbeitsplatte platziert hatte, öffnete er verschieden Schränke, bis er die Pfannen und Töpfe gefunden hatte. Er nahm eine Pfanne, stellte sie auf den Herd, goss ein wenig Öl hinein, und legte das Hackfleisch darüber. Dann schaltete er die Herdplatte ein. Im Rezept stand krümeligbraun anbraten, also ließ er die Pfanne erst einmal stehen und wandte sich dem nächsten Punkt zu. Das Hackfleisch würde schon krümelig werden. Ciel widmete sich den Kartoffeln, da das Hackfleisch erst noch braten musste. Also nahm er einen Topf, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn auf die zweite Herdplatte und schaltete auch diese ein. Dann suchte er nach einem Messer um die Kartoffeln zu schälen. Da er nicht wusste, wie viele Kartoffeln er brauchte, schälte er einfach drauf los. Irgendwann begann es seltsam zu riechen und Ciel musste erschrocken feststellen, dass das Hackfleisch in der Pfanne klebte. Was sollte er nun tun? Ciel nahm einen Löffel aus der Besteckschublade und versuchte das Fleisch von der Pfanne zu lösen. Währenddessen hatte das Wasser für die Kartoffeln zu kochen begonnen und sprudelte schon über. Es begann schon seltsam zu riechen, also nahm Ciel die Pfanne vom Herd und schaltete die Platte aus. In diesem Moment hörte er wie die Haustür ins Schloss fiel. „Ciel? Bist du da?“ ~~~~~~~~~~~~~~~ Da wird Sebastian sich bestimmt freuen, wenn er die Küche betritt. Kapitel 7: Die Party -------------------- Ciel versuchte den Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken. Was sollte er jetzt tun? Das würde bestimmt Ärger geben. „Ciel? Alles in Ordnung? Was riecht hier so verbrannt?“, fragte Sebastian besorgt und betrat seine Küche. „Was ist denn hier passiert?“ Leises Entsetzen schwang in seiner Stimme mit. Ciels Wangen glühten. „Ich wollte etwas kochen …“, gestand er leise. Sebastian unterdrückte ein Seufzen und schaltete erst einmal den Herd aus, der schon halb unter Wasser stand. Ciel hatte den Topf fast bis zum Rand mit Wasser gefüllt. „Und was wolltest du kochen?“, fragte Sebastian mit Blick auf den Berg Kartoffeln, neben dem ein fast genauso großer Berg aus Kartoffelschalen lag. „Pie …“, murmelte Ciel leise, der noch immer die Pfanne mit dem angebrannten Hackfleisch in der Hand hielt. Sebastian unterdrückte das Entsetzen, das sich in ihm ausbreitete, als er die Pfanne sah. „Wolltest du das Hackfleisch so anbraten?“ Sebastians Stimmung schwang zwischen Unglaube und Belustigung. „Na schön, hol erst mal eine neue Pfanne, dann zeig ich dir wie man es richtig macht.“ Eine halbe Stunde später stand das fertige Essen auf dem Tisch. Ciel saß mit immer noch geröteten Wangen peinlich berührt da. Irgendwie hatte er sich das einfacher vorgestellt. Sebastian würde nun bestimmt denken, dass er nur ein verwöhnter, reicher Junge war, der noch nie einen Finger hatte krümmen müssen und trotzdem alles bekam, was er wollte. „Wie lange willst du mich noch anschweigen?“, fragte Sebastian amüsiert und brach damit die Stille zwischen ihnen. Ciel schaute ihn nur ein wenig erschrocken an, während seine Wangen wieder röter wurden. „Bist du … nicht böse?“, fragte er kleinlaut. Als er und sein Bruder noch jünger waren, hatte sein Zwilling Celest ihn oft angestiftet in die Küche zu gehen und die Angestellten dort zu ärgern. Der Chefkoch war immer knallrot angelaufen vor Wut und hatte sie aus seinem Reich verscheucht. „Warum sollte ich böse sein? Du hast es doch nur gut gemeint“, lächelte Sebastian. Ciel hatte allmählich die Befürchtung Fieber zu haben, so heiß war sein Gesicht. Sein Gegenüber lächelte beinahe liebevoll, nicht sein übliches, nichtssagendes Lächeln, wie Ciel erstaunt feststellen musste. Sebastian kam nicht umhin ihn als niedlich zu bezeichnen. Sein immer noch leicht peinlich berührter Blick und seine rosa Wangen waren einfach süß. Nach dem Essen setzte Ciel sich an seine Hausaufgaben. Abgesehen von der Bedingung seiner Eltern, dass er weiterhin nur sehr gute Noten hatte, wohnte er auch noch mit seinem Lehrer zusammen. Und genau dieser kam gerade aus der wieder sauberen, aufgeräumten Küche, um ihm Nachhilfe in Deutsch zu geben. Ciel fand die Sprache viel zu kompliziert und fragte sich immer noch, wieso er das überhaupt lernen musste. Doch Sebastian kannte keine Gnade. Zwei Stunden später war dann auch endlich der Deutschaufsatz fertig und Sebastian zufrieden damit. Der Rest des Tages verlief ereignislos, jeder ging seiner eigenen Beschäftigung nach. Als Sebastian am nächsten Morgen das Lehrerzimmer betrat sah er nur noch rot. „Sebastian~!“ „Dir auch einen guten Morgen, Grell“, seufzte der Angesprochene. Sein Kollege hatte einige Tage gefehlt, aber nun schien es ihm wieder gut zu gehen. Fast schon zu gut, wenn er am frühen Morgen schon so eine Energie hatte. „Gut? Ein wundervoller Morgen ist das~!“, strahlte Grell. Sebastian zog eine Augenbraue nach oben. Hatte sein Kollege etwa einen Energydrink statt Kaffee zum Frühstück gehabt? Skeptisch legte er ihm eine Hand an die Stirn. Dieses überdrehte Verhalten war selbst für Grell zu viel. „Hm, Fieber hast du nicht“, überlegte Sebastian laut. Zwei grüne Augen strahlten ihn an: „Wieso sollte ich Fieber haben? Ich bin verliebt~“ Das erstaunte Sebastian nicht wirklich. Grell hatte sich schon so oft verliebt, und fast genauso oft wurde sein Herz gebrochen. Deswegen war sein Blick auch recht skeptisch. „Was schaust du denn so? Dieses Mal ist es was Ernstes, ganz sicher! Er ist einfach perfekt“, schwärmte Grell. Er faltete dabei seine Hände vor seiner Brust und seine grünen Augen leuchteten. Bevor Sebastian noch etwas erwidern konnte, klingelte die Schulglocke und kündete damit den baldigen Beginn der ersten Unterrichtsstunde an. Sebastian ging schnell zu seinem Platz, stellte seine Tasche ab und legte seinen Mantel über seinen Stuhl, dann nahm er die Unterlagen für die erste Stunde und machte sich auf den Weg zu dem ersten Klassenzimmer. Grell, der in den gleichen Gang musste, tänzelte mehr neben ihm, als dass er ging. Sebastian lächelte leicht. Auch wenn es nach außen anders schien, sie waren doch so etwas wie Freunde geworden und er hoffte wirklich, dass Grell endlich sein Glück gefunden hatte. In der ersten Pause blieb Ciel, wie so oft, an seinem Platz sitzen. Sie mussten zum Glück selten den Raum wechseln. Meistens kam Soma zu ihm und erzählte irgendwas, dem er nur halb zuhörte. „Hey, Ciel.“ „Alois“, erwiderte der Angesprochene kühl als Begrüßung. Was wollte der denn? Ciel fand den blonden Jungen nicht sonderlich sympathisch. „Ich schmeiß am Freitag eine Party, du bist auch eingeladen.“ Ciel hob eine Augenbraue. Das war das erste Mal, dass er auf eine Feier nur mit Jugendlichen eingeladen wurde. Sonst waren es langweilige Banketts, nur mit Leuten aus dem Adel oder irgendwelchen Geschäftsmännern. Manchmal wollte man ihm ein Mädchen andrehen, obwohl er nur der Zweitgeborene war. Sein Zwillingsbruder Celest, der nur Minuten vor ihm auf die Welt kam, war schon seit ihrer Geburt mit ihrer Cousine Elizabeth verlobt. Zwar waren sie nicht gezwungen zu heiraten, doch vor ein paar Monaten hatte es wohl heftig zwischen den beiden gefunkt. Ciel seufzte leise. Sein Bruder hatte es gut. Er war größer und kräftiger als Ciel, hatte eine hübsche Verlobte, durfte auf eine Eliteschule und würde später einmal den Titel ihres Vaters erben. Er selbst hingegen war kleiner als andere in seinem Alter, schmächtig und litt an Asthma. „Also was ist nun? Kommst du, oder nicht?“, holte ihn Alois genervt klingende Stimme zurück in die Realität. Bevor er antworten konnte legte sich ein Arm um seine schmalen Schultern und Soma sagte an Alois gewandt: „Natürlich kommt er! Nicht wahr, Ciel? Das wird so cool!“ „Schön, dann bis Freitag“, verabschiedete Alois sich mit einem undefinierbaren Grinsen. Irgendwie hatte Ciel ein ungutes Gefühl bei der Sache. Soma löste seinen Arm von Ciels schmalen Schultern, umrundete ihn und strahlte ihn an: „Toll, dass du auch kommst!“ Als ob er eine Wahl gehabt hätte, dachte er leicht genervt. Der andere erwartete wohl gar keine Antwort darauf, denn er sprach gleich weiter: „Du kannst dann auch bei mir schlafen, dann musst du nicht in der Nacht noch bis nach Hause fahren.“ Stimmt, daran hatte er noch gar nicht gedacht. Ob seine Eltern ihm überhaupt eine Party erlauben würden? Ciel war sich da nicht so sicher. „Okay.“ Soma redete weiter, darüber was sie dann alles noch machen könnten, doch Ciel hörte ihm gar nicht zu. Er war nicht besonders scharf darauf, bei dem Inder zu übernachten, aber eine andere Wahl hatte er auch nicht wirklich. Denn abzusagen, weil seine Eltern es ihm verboten hatten, wäre zu peinlich. Seine Klassenkameraden waren alle ein oder zwei Jahre älter als er, da würde es bestimmt auch Alkohol geben. Durch seinen Privatunterricht hatte Ciel zuerst einen Einstufungstest ablegen müssen, daher kam er direkt in eine Klassenstufe höher als andere in seinem Alter. Ehe er sich versah, war es Freitagabend und Ciel stand mit Soma vor dem Stadthaus der Trancys. Er war ein wenig nervös, schließlich war es seine erste Party, und dann noch ausgerechnet bei Alois. Soma strahlte, wie eigentlich immer, und betätigte den Klingelknopf. Es dauerte nur ein paar Momente, dann wurde die Tür von einem grinsenden Alois geöffnet. Drinnen dröhnte die Musik und laute Stimmen waren zu hören. Der Gastgeber trat zur Seite: „Kommt rein.“ Ciel zog noch einmal die frische Luft tief in seine Lungen, dann folgte er Soma in das große, mit Menschen gefüllte, Haus. Alois führte sie durch die Menge, bis sie im Wohnzimmer ankamen. Soma grüßte immer wieder jemanden, die Musik dröhnte und es roch nach Alkohol und etwas, das Ciel nicht einordnen konnte. Überall standen Pärchen oder tanzten oder küssten sich. Er fühlte sich fehl am Platz. Alois deutete ihm, sich auf das große Sofa zu setzen. Soma ließ sich neben ihn fallen. Kaum saßen sie, wurden ihnen auch schon Getränke in die Hand gedrückt. Ciel beäugte seinen Becher kritisch, da war bestimmt Alkohol drin. Aber er wollte auch kein Spielverderber sein, also nippte er vorsichtig an dem Getränk. Es schmeckte erstaunlich gut, so nahm er noch einen größeren Schluck. Kurz darauf setzte sich ein leichtbekleidetes Mädchen neben Soma und sie unterhielten sich angeregt. Ciel wusste nicht, was er tun sollte, also trank er langsam seinen Becher aus. Nach einiger Zeit kam Alois angetänzelt, rief „Olé“ und klatschte in die Hände. Er ließ sich kichernd neben Ciel fallen, Soma war verschwunden. „Hast du Spaß?“, fragte Alois. Doch bevor Ciel antworten konnte, machte der andere schon große Augen: „Oh, dein Getränk ist ja leer! Warte, ich bring dir ein Neues!“ Bevor Ciel widersprechen konnte, war der andere schon verschwunden. Kurz darauf kam Alois wieder und drückte ihm einen Becher mit bunter Flüssigkeit in die Hand. Ciel schaute ihn misstrauisch an, dann siegte doch die Vernunft und er fragte: „Ist da Alkohol drin?“ Alois lachte nur: „Aber nicht doch!“ Dann tänzelte er lachend weiter. Als er sich von Ciel abgewendet hatte, stahl sich ein böses Grinsen auf seine Lippen. Er würde den kleinen Phantomhive abfüllen und dann aus ihm herausquetschen, was da zwischen ihm und Mr. Michaelis lief. Ciel derweil trank langsam und nichtsahnend sein zweites Getränk, das echt gut schmeckte. Kaum war sein Becher leer, bekam er schon den nächsten von irgendwoher in die Hand gedrückt. Es schmeckte sehr süß und fruchtig. Ehe Ciel sich versah war auch sein drittes Getränk leer, seine Stimmung seltsamerweise viel besser und seine Blase voll. Leise seufzend stellte er den leeren Becher neben sich und stand auf. Für einen kurzen Moment drehte sich der Raum. Er hielt sich den Kopf, doch dann war es auch schon wieder vorbei. Er wusste nicht wo das Badezimmer war, also ging er einfach mal los. Ciel irrte durch das große Haus, rempelte immer wieder andere Gäste an und verlor allmählich die Orientierung. Irgendwann stolperte er eine Treppe nach oben, vielleicht war da das Bad. Ciel ging den Gang, der seltsame Kurven hatte, entlang und öffnete dann wahllos eine Tür zu seiner Rechten. Zu seinem Glück war es der gesuchte Raum. Während er seine Hände wusch, betrachtete er sich im Spiegel. Irgendwie sah er anders aus. Ein Kichern kroch seine Kehle hoch. Ciel stand eine Weile vor dem großen Spiegel, der über dem weißen Waschbecken hing, und schwankte immer wieder nach vorne und zurück. Als er jedoch genug von seinem seltsamen Anblick hatte, verließ er das Bad und ging wieder nach unten. Dort führte ihn sein Weg in die Küche. Eigentlich war er auf der Suche nach Soma, aber das konnte er später auch noch tun. In diesem Moment legte Alois einen Arm um Ciels schmale Schultern, drückte ihm ein Schnapsglas mit klarer Flüssigkeit in die Hand und stieß mit seinem eigenen daran an. Alois leerte seines in einem Zug, andere taten es ihm gleich, dann schauten sie Ciel auffordernd an. „Na los, trink!“, lachte Alois. Erst zögerte er noch, doch dann setze er das kleine Glas an seine Lippen und leerte es in einem Zug. Ciel hustete, die Flüssigkeit brannte wie Feuer in seinem Hals. Doch ehe er sich versah, wurde nachgeschenkt und Alois drückte ihm das Schnapsglas an die Lippen und zwang ihn zu trinken. Nach der fünften Runde lehnte Ciel an Alois, der Raum schwankte zu sehr und seine Beine wollten ihn auch nicht mehr so recht tragen. Der Blonde lachte nur und zog ihn plötzlich mit sich. Er bekam kaum mit wohin sie gingen, doch irgendwann schlug ihm kühle Luft ins Gesicht und die Musik war nicht mehr so laut. Sie mussten im Garten sein. „Also Ciel, was läuft da zwischen dir und Mr. Michaelis?“, fragte Alois gerade heraus. Der Gefragte stand nur da, schwankte leicht, und sah sein Gegenüber ausdruckslos an. „Was soll da sein?“, fragte er dann. „Na, du wohnst doch bei ihm, oder nicht?“ Ciel kicherte plötzlich. Er wusste nicht warum, an der Frage war schließlich nichts Amüsantes gewesen. „Ja schon, aber nur unter der Woche“, kicherte er. „Und warum?“, fragte Alois weiter. „Na in unser Stadthaus wurde doch eingebrochen!“, lachte Ciel, er fand diese Tatsache plötzlich sehr lustig, „und weil es zu weit ist von unserem Anwesen zur Schule.“ So ist das also, dachte Alois. Dann bildete sich ein böses Grinsen auf den Lippen und er legte kameradschaftlich einen Arm um Ciels schmale Schultern und drückte ihn an sich. Gespielt besorgt fragte er: „Und er hat dich auch nicht angefasst?“ Verwundert schaute Ciel in die hellblauen Augen neben sich: „Wieso sollte er mich angefasst haben?“ Er verstand die Welt nicht mehr. Sebastian war doch immer so nett. Alois kicherte böse, dann sagte er: „Vielleicht weil er schwul ist?“ Ciel riss erstaunt seine blauen Augen auf. Schwul? Dann schüttelte er vehement den Kopf, sodass seine aschblauen Haare nur so flogen. „Du glaubst mir nicht?“, fragte Alois gespielt ungläubig. „Dann frag ihn doch selbst!“, lachte er und ließ Ciel stehen. Dieser stand für einige Minuten einfach nur im dunklen Garten. Sebastian sollte schwul sein? Er sollte ihn fragen? Ciel zuckte mit den Schultern und kicherte. Er tastete seine Hosentaschen ab und zog sein Smartphone heraus. Nach dem dritten Anlauf schaffte er es endlich, das Gerät zu entsperren. Immer noch kichernd öffnete er das Telefonbuch aus und suchte nach dem Namen seines Lehrers. Als er gerade auf den Hörer drücken wollte, rutschte ihm sein Smartphone aus der Hand und fiel ins weiche Gras. „Ups“, lachte Ciel und bückte sich. Für einen Moment fragte er sich, was daran eigentlich so lustig war, doch so schnell dieser Gedanke gekommen war, so schnell war er auch schon wieder verschwunden. Er richtete sich mit zu viel Schwung wieder auf, stolperte ein paar Schritte nach hinten, fing sich dann aber wieder. Kurz drehte sich alles, doch dann hielt die Welt wieder an und Ciel schaffte es endlich, auf den grünen Hörer zu drücken. Kichernd hielt er sich sein Smartphone ans Ohr. Dass es draußen noch sehr kalt war störte ihn nicht, ihm war unglaublich warm von innen heraus. Eine Weile hörte er nur das gleichmäßige Tuten, doch dann wurde am anderen Ende endlich abgenommen. „Hallo?“ Ciel versuchte sein Kichern zu unterdrücken. „Hallo?“ Er kicherte wieder und antwortete nun doch: „Seeeeebaaaastiaaaaaaaaan!“ „Ciel, bist du das?“, fragte dieser. „Jahaa~“, kicherte Ciel. „Bist du betrunken?“, die Verwunderung in Sebastians Stimme war kaum zu überhören. „Neeiiiin~“ Sebastian hob eine feingeschwungene Augenbraue. „Ist Soma bei dir?“ „Soma? Den hab ich schon soooo lang nicht mehr gesehen“, lallte Ciel. Plötzlich hielt er inne, irgendwas stimmte nicht. Leise stöhnend hielt er sich den Kopf. „Ciel? Was ist los? Alles in Ordnung?“, fragte Sebastian besorgt. Der Angesprochene wimmerte: „Se-sebastian … Die Welt dreht sich, sie soll aufhören!“ „Okay, ich hol dich jetzt ab. Bist du noch bei Alois?“ „Ja …“ „Gut, bis gleich.“ Sebastian, der mit Grell verabredet war, da dieser ihm unbedingt seinen neuen Freund vorstellen wollte, entschuldigte sich bei ihm. „Bist du nicht etwas zu besorgt um einen Schüler?“, fragte Grell ein wenig genervt. Er war zwar Lehrer, aber was interessierten ihn die privaten Probleme seiner Schüler? „Vielleicht, aber ich kann ihn nicht dort lassen, allein und betrunken.“ „Na schön“, seufzte Grell, „dafür schuldest du mir was!“ ~~~~~~~~~~~~~~~ Das nächste Kapitel heißt dann auch: "Im Dunkeln ist gut munkeln". Kapitel 8: Im Dunkeln ist gut munkeln ------------------------------------- Sebastian, der selbst schon etwas getrunken hatte, machte sich zu Fuß auf den Weg, um Ciel abzuholen. Seufzend spielte Grell mit einer roten Haarsträhne. Er hatte sich so darauf gefreut, Sebastian mit seinem Freund bekannt zu machen. Er war so glücklich, er wusste gar nicht mehr wohin damit. Nachdem er ihn vor der Begegnung mit William im Supermarkt gerettet hatte, waren sie zu seiner Wohnung gegangen. Erst hatte Grell sich noch gesträubt, schließlich sah er wirklich furchtbar aus, außerdem kannte er den anderen doch gar nicht. Doch ehe Grell sich versah standen sie schon vor einem kleinen Laden, über dem ein großes Schild mit der Aufschrift „Undertaker“ hing. Er zog beide Augenbrauen nach oben. „Das ist mein Laden“, kicherte es neben ihm. Erstaunt schaute er zu ihm: „Dann bist du …“ „Ich bin Bestatter“, sagte Undertaker. Er führte ihn durch den Laden, in dem überall Särge verteilt lagen, in seine Wohnung im ersten Stock. Die Wohnung war, im Gegensatz zu dem Erdgeschoss, hell und einladend. Grell folgte Undertaker in die Küche. Dieser durchbrach die fast schon unangenehme Stille: „Hast du eigentlich auch einen Namen?“ „Grell.“ „Ein ungewöhnlicher Name“, kicherte Undertaker. „Mein Name ist Cedric.“ Langsam kam eine Unterhaltung zwischen ihnen auf. Kurz darauf saßen sie am Tisch, frühstückten und redeten über alles Mögliche. Das war der Beginn etwas Wunderbarem. Grell hatte sich selten so gut mit jemandem unterhalten und sich so geben können wie er war. Doch irgendwann machte sich bei beiden die kurze Nacht bemerkbar und Undertaker bot ihm sogar sein Bett zum Schlafen an. „Aber nur, wenn du mitkommst“, sagte Grell mit einem leicht verführerischen Lächeln. Er wusste selbst nicht, was ihn in diesem Moment überkommen hatte, doch Undertaker willigte lachend ein. Letzten Endes hatten sie fast den ganzen restlichen Tag mit Schlafen verbracht. Grell seufzte glücklich. Ein Kichern holte ihn zurück in die Realität. „Entschuldige, dass ich so spät dran bin, ich musste noch eine Kundin fertig machen.“ „Ist schon okay“, sagte Grell lächelnd. Er fand es immer noch etwas seltsam, dass Undertaker die Leichen, die er für ihre Bestattung herrichtete, ‚Kunden‘ nannte. Dieser schaute sich verwundert um: „Wo ist denn dein Freund, den du mir vorstellen wolltest?“ Grell gab einen genervten Laut von sich. „Sebastian ist schon wieder gegangen, der Junge, der zurzeit bei ihm wohnt, hat scheinbar Probleme und er ist gleich mit wehendem Cape losgeeilt. Würde mich nicht wundern, wenn da mehr ist als eine Lehrer-Schüler-Beziehung.“ Den letzten Satz fügte er etwas leiser hinzu. Undertaker kicherte wieder: „Bist du etwa eifersüchtig?“ Grell hob erstaunt seine feingeschwungenen Augenbrauen: „Was? Ich? Eifersüchtig auf die beiden? Sicher nicht. Ich steh nicht auf Kinder.“ Mit verführerischem Unterton fügte er hinzu: „Außerdem hab ich doch dich.“ „Das ist wahr.“ Undertaker küsste Grell sanft. Als Sebastian am Stadthaus der Trancys ankam hörte er schon auf der Straße die wummernden Bässe, laute Stimmen und Gelächter. Kurz spielte er mit dem Gedanken nach drinnen zu gehen und dort Ciel zu suchen, doch dann entschied er sich für die einfachere Variante und nahm sein Smartphone zur Hand. Er rief seinen Schüler an. Es tutete nur ein paar Mal, dann wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. „Seeeeebaaaastiaaaaaaaaan!“, kicherte es durch den Hörer. „Ciel, wo bist du? Ich stehe vor dem Haus.“ „Ich … bin im Garten~! Hier ist so viel nasses Gras~“, kicherte Ciel. Sebastian seufzte leise. „Komm bitte raus, ich warte hier auf dich.“ „Okaaaaayyyyyy~“ Dann wurde aufgelegt. Es dauerte fünf Minuten, dann öffnete sich die Haustür und Ciel kam in leichten Schlangenlinien heraus. „Sebastiaaaan~“, rief er, breitete seine Arme aus und beschleunigte seine Schritte. Allerdings hatte er nicht bedacht auch stehen zu bleiben, so wurde sein Lauf mit einem erstickten Geräusch abrupt von dem Größeren gestoppt, als er in ihn hinein lief. Sebastian schaute nur ausdruckslos auf Ciel hinunter. Dieser legte seine Arme um ihn und drückte sich fest an seine Brust. Tief atmete er den Geruch von Sebastians Jacke ein, nur um die Luft wieder geräuschvoll raus zu lassen. „Haa~ du riechst so gut~“, strahlte Ciel ihn an. Sebastian hob nur eine Augenbraue. Was sollte das denn bedeuten? „Lass uns gehen“, sagte er nur und löste Ciel von sich. Dieser schmollte kurz, folgte ihm dann aber. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander. „Duuhuuu Sebastiaaan~?“, durchbrach Ciel die Stille zwischen ihnen. Der Angesprochene seufzte leise genervt. Was war nun wieder? „Was möchtest du?“ „Stimmt es, dass du schwul bist?“, fragte Ciel und schaute ihn neugierig aus großen, blauen Augen an. Sebastian verlangsamte kurz seinen Schritt, dann ging er normal weiter. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte er ausweichend. Ciel kicherte und begann vor ihm hin und her zu laufen. „Hat Alois gesagt.“ Ein paar Momente war es still, dann sprach er weiter: „Außerdem hat er gesagt, ich soll vorsichtig sein.“ Sebastian zog verwirrt seine Augenbrauen zusammen. „Und warum sollst du vorsichtig sein?“, fragte er dann doch, da Ciel keine Anstalten machte weiter zu reden. Dieser kicherte wieder: „Na weil du doch auf Männer stehst und du ja auch auf mich stehen könntest.“ Sebastian wollte erst sagen, dass das Blödsinn wäre, doch dann blieb Ciel plötzlich stehen und senkte betrübt seinen Blick. „Aber das stimmt doch nicht. Du würdest nie jemanden wie mich wollen …“ „Wie kommst du denn darauf?“, fragte Sebastian verwundert. Im selben Moment hätte er sich ohrfeigen können für die Frage, denn Ciel schniefte leise. Dann sagte er mit schwankender Stimme: „Weil ich klein und schmächtig bin und gar nicht männlich und aussehe wie ein kleiner Junge. Niemand wird mich so wollen.“ Er schniefte geräuschvoll. Sebastian stellte sich vor Ciel und wischte dessen aufkommende Tränen weg. „Das stimmt doch gar nicht. Wer dich lieben darf, darf sich sehr glücklich schätzen. Außerdem macht dich deine Körpergröße nur umso niedlicher.“ „Wirklich?“, fragte Ciel und schaute ihn mit großen, blauen Kulleraugen hoffnungsvoll an. „Wirklich“, lächelte Sebastian. Der Kleinere strahlte ihn an, dann wurde sein Blick unsicher. „Was ist los?“, fragte Sebastian. Allmählich kam er bei den ganzen Stimmungswechseln nicht mehr mit. „Ich … ähm … also …“, begann Ciel rumzudrucksen. „Du?“ Mit großen, runden Augen schaute er den Größeren bittend an. „Also … du… ähm …“, er holte tief Luft und sagte dann schnell: „Würdest du mich küssen?“ Sebastian riss erschrocken die Augen auf. Hatte er sich gerade verhört? Er hoffte es. Allerdings sprachen die rotleuchtenden Wangen Ciels dagegen. Er sollte ihn küssen? Er wusste, dass es verboten war, und eigentlich sollte er gar nicht weiter darüber nachdenken und die Frage direkt verneinen, doch in den großen, blauen Augen vor ihm sammelten sich schon wieder die ersten Tränen. Er rang sichtlich mit sich. Was sollte er nun tun? Die Vernunft schrie ihn beinahe schon an, es nicht zu tun, doch sein Körper sah das etwas anders. Ciel schaute ihn immer noch hoffnungsvoll an. Er konnte ihm doch unmöglich sein kleines Herz brechen. Aber was, wenn er sich am nächsten Morgen noch daran erinnerte? Er könnte es als Einbildung abtun. Was sollte er nun tun? Ein leises Schniefen riss ihn aus seinen Gedanken. Die ersten Tränchen kullerten schon über Ciels Wangen. „Niemand liebt mich“, schluchzte er. „Das ist nicht wahr, und das weißt du. Deine Familie liebt dich, sehr sogar.“ Der Kleinere schnaubte: „Das müssen sie doch auch, ist schließlich ihre Aufgabe! Das zählt nicht! Niemand wird mich je lieben!“, schniefte Ciel. Sebastian fuhr sich seufzend durch die schwarzen Haare. Sollte er das wirklich tun? Einerseits war es falsch, doch es war mitten in der Nacht, stockdunkel und keine Menschenseele weit und breit. „Na schön, komm her.“ Überrascht schaute Ciel ihn an. Dann breitete sich wieder ein Strahlen auf seinen Lippen aus. Er würde ihn küssen? In freudiger Erwartung schloss er seine Augen, spitzte die Lippen und wartete darauf, dass es geschah. Sebastian haderte noch kurz mit sich, doch der Anblick, der sich ihm in diesem Moment bot, war zu niedlich. Also stellte er sich vor Ciel, beugte sich ein Stück nach unten und legte sanft seine Lippen auf die des Kleineren. Hoffentlich hatte dieser einen Filmriss und würde sich daran nicht erinnern, dachte Sebastian leicht verzweifelt, als er sich wieder von ihm löste. Doch als er in die leuchtenden, blauen Augen vor sich sah wünschte sich ein winzig kleiner Teil von ihm, dass dem nicht so sein würde. Nachdem Sebastian sich wieder von Ciel gelöst hatte, taumelte dieser nur noch verträumt neben ihm her, als sie ihren Weg fortsetzten. Hoffentlich hatte sie wirklich niemand gesehen, und wenn nicht erkannt! Doch für Vorwürfe war es nun zu spät. Was geschehen ist, ist geschehen, das war nicht mehr rückgängig zu machen. Aber statt sich nun weiter verrückt deswegen zu machen, wartete Sebastian lieber ab, ob Ciel sich am Morgen überhaupt noch daran erinnern konnte. Mit der Zeit wurde der Jüngere immer langsamer und schlief schon beinahe im Gehen ein. Da sie noch ein Stück vor sich hatten, sagte Sebastian: „Ciel, komm her.“ „Hmm …“, war die Antwort. Langsam trottete er auf seinen Lehrer zu. Dieser hob ihn mit Leichtigkeit auf seine Arme und trug ihn im Brautstil weiter. Ciels Kopf lehnte an seiner Brust und durch das sanfte, gleichmäßige Schaukeln war er kurz darauf auch schon eingeschlafen. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Sebastians Lippen, als er die entspannten Gesichtszüge des Jungen auf seinen Armen betrachtete. Er war wirklich niedlich. Warum nur hatte er ihn geküsst? Abgesehen davon, dass es verboten war, schließlich war er sein Schüler, war Ciel auch erst 15 Jahre alt, also noch minderjährig. War er wirklich schon so verzweifelt? Eigentlich nicht. Hätte er gewollt, hätte er schon längst eine neue Beziehung eingehen können. Doch er hatte, seit dem er von seinem Ex-Freund so verletzt wurde, keinen Gedanken an etwas Neues verschwendet. Er hatte es genossen allein zu sein, bis dieser Junge mit seinen großen, leuchtenden, blauen Augen in sein Leben getreten war. Auch wenn er noch nicht lange bei ihm war, fühlten sich die Wochenenden ein wenig einsam an. Seine Wohnung kam ihm dann plötzlich so groß und leer vor. Sebastian schüttelte vehement seinen Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen. Er wusste wohin es führen würde, würde es sie weiter spinnen, doch das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Es war nicht richtig, noch dazu verboten. Abgesehen davon war er Lehrer und Ciel sein Schüler! Wieder betrachtete er den schlafenden Jungen. Er durfte ihm keine Hoffnungen machen, die er am Ende doch zerstören musste. In drei Jahren würde er volljährig werden und die Schule abschließen. Für einen kurzen Moment wünschte Sebastian sich, sie wären sich erst in drei Jahren begegnet. Als er endlich an seiner Wohnung ankam stand er vor dem nächsten Problem: wie sollte er so die Haustür aufschließen? Vorsichtig setzte er Ciel auf, so dass dessen Oberkörper an seinem eigenen lehnte, die andere Hand blieb knapp unterhalb seines Pos. Nun hatte er eine Hand frei und holte mit dieser seinen Hausschlüssel aus seiner Hosentasche und schloss auf. Nachdem er die Tür beinahe geräuschlos geschlossen hatte, um Ciel nicht zu wecken, zog Sebastian seine Schuhe aus und ging dann in sein ehemaliges Arbeitszimmer. Dort legte er den immer noch schlafenden Jungen auf das Bett, zog ihm Jacke und Schuhe aus und deckte ihn zu. Leise verließ Sebastian den Raum und holte noch eine Wasserflasche, die er neben Ciels Bett stellte. Dann ging er in sein Schlafzimmer. Dort zog er sich aus und ließ seine Kleidung achtlos auf dem Boden liegen. Er beschloss, dass es einfach nur eine lange Woche war und die Müdigkeit, gepaart mit dem Alkohol, seine Gedanken verrücktspielen ließ. Morgen würde die Welt schon anders aussehen und es wäre alles wie vorher. Das redete er sich ein, bis er irgendwann in einen traumlosen Schlaf glitt. Als Ciel am nächsten Morgen aufwachte, klebte seine Zunge an seinem Gaumen und sein Hals war so trocken, er konnte kaum schlucken. Er blinzelte irritiert gegen die hereinfallenden Sonnenstrahlen. Er hatte so einen Durst, er könnte eine Regentonne austrinken. Das erste, was er sah, war eine Flasche Wasser. Schnell nahm er das Getränk und trank einige große Schlucke. Erleichtert atmete er auf, das hatte gut getan. Ciel sah sich verwundert um. Wieso war er bei Sebastian? Er war doch mit Soma auf Alois Party gewesen. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Soma, der plötzlich verschwunden war, Alois und andere, die er nicht kannte, höchstens vom Sehen, hatten ihn zum Trinken animiert. Er hatte mit Sebastian telefoniert, dieser musste ihn abgeholt haben. Und dann … Plötzlich wurde sein Gesicht sehr heiß. Hatten sie sich wirklich geküsst?! Oder eher sein Lehrer ihn? Weil er ihn dazu gedrängt hatte? Stöhnend ließ Ciel sich wieder ins Kissen sinken. Sein Kopf begann zu schmerzen. Er hatte geglaubt es wäre nur ein verrückter Traum und wenn er aufwachte, würde er irgendwo im Stadthaus der Trancys liegen. Wie sollte er sich nun verhalten? Sollte er es ansprechen? Nein, das wäre noch peinlicher! Ein Klopfen an seiner Tür ließ ihn aufschrecken. „Ciel? Bist du wach? Dein Fahrer wird gleich da sein.“ War es schon so spät? „Ja, ich komme gleich“, sagte er mit kratziger Stimme. Schwerfällig stand er auf. Vielleicht war es ganz gut, wenn er jetzt gehen würde, so kam er schon um ein eventuelles, unangenehmes Gespräch drum herum. Nach einem kurzen Abstecher ins Bad, dort wusch er sein Gesicht und richtete seine Haare, ging er in die Küche. Dort saß Sebastian und frühstückte. Belustigt lächelte er, als Ciel sich langsam und offensichtlich noch müde an den Tisch setzte. „Na, wieder nüchtern?“, fragte er amüsiert. Als Antwort bekam er nur einen versucht bösen Blick, der seine Wirkung gänzlich verfehlte. Sebastian schob ihm daraufhin ein geschmiertes Brötchen hin, das allerdings auf Ablehnung traf. „Du solltest etwas essen, schon allein um den Geruch von Alkohol zu überdecken.“ Kurz zögerte Ciel noch, allein bei dem Gedanken etwas zu essen drehte sich ihm fast der Magen um, dann nahm er doch das Brötchen in die Hand und biss missmutig ab. Augenblicklich breitete sich die Süße der Marmelade in seinem Mund aus. Das Frühstück verlief schweigend. Die Stille wurde erst unterbrochen, als es an der Haustür klingelte. Erschrocken zuckte Ciel zusammen. „Das wird mein Fahrer sein“, murmelte er und stand auf. Er holte schnell seine Sachen und ging dann in den Flur. Dort stand schon Sebastian und wartete auf ihn. „Hast du alles?“, fragte er. Ciel nickte als Antwort und vermied es, ihn direkt anzusehen. „Dann wünsche ich dir schöne Ferien“, lächelte Sebastian. „Dir auch. Danke …“, murmelte Ciel und wandte sich zur Tür. Bevor er sie öffnete, hielt er nochmal kurz inne und fügte leise hinzu: „Für alles.“ Bevor Sebastian etwas darauf erwidern konnte fiel die Haustür schon beinahe geräuschlos hinter Ciel ins Schloss. Leise seufzend ging er zurück in seine Küche und las die Zeitung weiter. Aus dem Verhalten seines Schülers konnte er schließen, dass dieser sich an die Geschehnisse der Nacht erinnerte. Nur gut, dass sie sich jetzt zwei Wochen nicht sehen würden. Das dachte auch Ciel, während er gelangweilt aus dem Autofenster schaute und die Landschaft betrachtete, die an ihm vorbeizog. Er wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte, oder warum er das überhaupt getan hatte. Neugierde, ob Sebastian wirklich schwul war? Das musste es gewesen sein! Außerdem war er betrunken gewesen! Zum ersten Mal in seinem noch jungen Leben. Zufrieden mit diesen Gedanken döste er noch eine Weile, bis sie am Anwesen seiner Familie ankamen. Kapitel 9: Verwirrte Gefühle ---------------------------- Ciel stieg müde aus dem Auto und trottete eher lustlos Richtung Eingang des großen Anwesens seiner Familie. Er hatte die große Tür noch nicht erreicht, da wurde diese schon aufgerissen und jemand stürmte raus und riss ihn von den Füßen. Kurz wurde er durch die Luft gewirbelt, dann wieder abgesetzt und so stark gedrückt, dass er kaum Luft bekam. „Ciel! Oh man ist das lange her! Ich freu mich so dich endlich wieder zu sehen!“, strahlte sein Gegenüber. Unweigerlich schlich sich ein freudiges Grinsen auf seine Lippen und er erwiderte die Umarmung und sog kurz den vertrauten Geruch seines Zwillingsbruders ein. „Celest!“ Sie lösten sich voneinander. Ciel freute sich sehr, seinen, um wenige Minuten älteren, Bruder wieder zu sehen. Dieser ging auf eine teure Privatschule weiter weg und kam nur in den Ferien nach Hause. Als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen und glichen sich wie ein Ei dem anderen, doch mittlerweile war Celest fast einen Kopf größer als er. Noch dazu war er nicht so schmächtig wie Ciel und seit fast einem Jahr mit ihrer gemeinsamen Cousine Elizabeth fest zusammen. Die beiden passten seiner Meinung nach wirklich gut zusammen. Auch wenn Lizzys mädchenhaftes Gehabe manchmal wirklich nervend sein konnte, so war sie trotzdem auf dem Weg die perfekte Frau für ihn zu werden. Sie war klug, stark und konnte wirklich gut fechten. „Lass uns rein gehen, Mittagessen ist gleich fertig!“, sagte Celest, nahm seinen Bruder an der Hand zog ihn mit sich ins Haus. „Wann bist du eigentlich angekommen?“, fragte Ciel. „Gestern Abend, nur um festzustellen, dass du gar nicht da bist“, antwortete Celest und schürzte die Lippen. „Ich war auf einer Party …“ „Hab ich schon gehört, du musst mir später alles erzählen!“, sagte der Größere. Ciel lächelte leicht. Er freute sich, dass sein Zwillingsbruder wieder zu Hause war. Im Speisesaal warteten schon ihre Eltern auf sie. „Hallo Ciel, schön dass du wieder da bist“, lächelte seine Mutter liebevoll. „Wie war es denn?“, fragte sein Vater. Kurz überlegte Ciel was er sagen sollte, dann antwortete er: „Es waren ziemlich viele Leute da, das Haus war voll. Es war ganz gut.“ Danach wechselte das Gesprächsthema zu Celest und seiner Schule. Nach dem Essen ging Ciel erst einmal duschen. Er fühlte sich schmutzig und nicht wirklich ausgeruht. Während er unter dem warmen Wasser stand schloss er seine Augen, ließ seine Gedanken schweifen und dachte in Ruhe über die Geschehnisse nach. Er hatte zum ersten Mal Alkohol getrunken, war noch dazu total betrunken gewesen. Alois hatte gesagt, Sebastian sei schwul. Er hatte sich von seinem Lehrer abholen lassen und dieser hatte ihn sogar geküsst! Sofort schoss ihm das Blut in die Wangen. Das war so peinlich! Sein betrunkenes Gehirn hatte wissen wollen, ob das stimmte, ob er tatsächlich auf Männer stand. Ciel senkte seinen Kopf und ließ seinen Blick über seinen Körper schweifen. Er stieß ein leises, fast schon frustriertes Seufzen aus. Sonderlich männlich sah er nicht aus. Und das hatte er auch noch zu Sebastian gesagt! Bestimmt hatte er ihn nur aus Mitleid geküsst. Ganz sicher! Doch warum machte sich dann Enttäuschung in ihm breit? Weil er seinen ersten Kuss nicht aus Mitleid hatte bekommen wollen! Und schon gar nicht von seinem Lehrer! Auch wenn dieser Lehrer jung und gutaussehend war. Heftig schüttelte Ciel seinen Kopf. Was war denn auf einmal los mit ihm? Hatte der Kuss irgendwelche Teenagerhormone in ihm geweckt, die nun verrücktspielten? Bisher hatte er gedacht davon verschont zu werden. Ein wenig genervt stellte er das Wasser ab, trat aus der Dusche und trocknete sich ab. Nachdem er sich frische Kleidung angezogen hatte ging er zurück in sein Zimmer und warf einen Blick auf sein Smartphone. Wie erwartet hatte er keine neue Nachricht. Aber wer sollte ihm auch schreiben? Freunde hatte er keine, Celest war zu Hause und Sebastian war bestimmt froh, dass er nicht da war. In diesem Moment klopfte es an seiner Tür. Ehe Ciel seinen Besucher hereinbitten konnte wurde seine Zimmertür schon geöffnet und Celest kam herein. „Hey Kleiner“, lächelte er. Als Antwort bekam er einen bösen Blick. Er wusste, dass Ciel es hasste, so genannt zu werden. Er konnte schließlich nichts für seine geringe Körpergröße. Celest schloss die Tür leise hinter sich, dann ließ er sich auf das Bett seines Bruders fallen. „Also erzähl, wie war deine erste richtige Party?“, fragte er neugierig. Ciel ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Er wusste, er konnte ihm alles erzählen. Sie waren nicht nur Zwillinge, sondern auch beste Freunde. Also begann er von der Party zu erzählen, wie Soma verschwunden war, wie Alois ihn zum Schnapstrinken animiert hatte. Wie er betrunken Sebastian angerufen hatte und dieser ihn abgeholt hatte. Dann stoppte er mit roten Wangen. Celest hob neugierig beide Augenbrauen: „Und was ist dann passiert?“ Er kannte ihn mehr als gut genug um zu wissen, dass nun etwas wirklich Interessantes kommen würde. „Naja … ich, ähm …“, begann Ciel rumzudrucksen. Wie sollte er das nun sagen? „Du?“, drängte Celest, nun wirklich neugierig. „Ich hab meinen ersten Kuss bekommen“, flüsterte Ciel und senkte peinlich berührt seinen Blick gen Boden. „Was? Wie? Von wem?“ Mit großen Augen schaute Celest seinen Bruder an. Dieser zögerte noch kurz, doch er wusste, dass er früher oder später sowieso mit der Sprache rausrücken müsste. „Von Sebastian …“, war seine leise Antwort. „Sebastian? Etwa dein Lehrer?!“, fragte Celest überrascht. Er nickte. „Und wie kam es dazu?“ Ciel erzählte, dass Alois behauptet hatte Sebastian wäre schwul und sein betrunkenes Ich das wohl testen wollte. Bevor sein Bruder etwas sagen konnte, hob er abwehrend die Hände: „Aber das hatte gar nichts zu bedeuten! Der Kuss war nur aus Mitleid!“ Er konnte die Enttäuschung, die in seiner Stimme mitschwang, nicht unterdrücken. „Was macht dich so sicher, dass es aus Mitleid war?“, fragte Celest. Ciel sprang auf und rief: „Schau mich doch an! Ich bin zu klein und schmächtig noch dazu! Wer sollte so etwas begehrenswert finden? Ich sehe aus wie ein kleiner Junge!“ Bevor sein Bruder noch etwas darauf erwidern konnte war er schon aus seinem Zimmer gestürmt und rannte den Gang entlang, nach unten in das Erdgeschoss und dann aus einem Hintereingang raus in den großen Garten. Dort rannte er weiter zu seinem Lieblingsplatz. Ein Fleck am Rand des Gartens, umgeben von weißen Rosen. An diesem Ort hatten sie sich als Kinder oft versteckt, wenn sie traurig waren oder allein sein wollten. Es dauerte nicht lange bis Celest ihm hinterher kam. Natürlich wusste er wohin sein Bruder gerannt war. „Ciel“, sagte er sanft und setze sich neben ihn. Er legte einen Arm um die schmalen Schultern und zog den Jüngeren näher zu sich. Dieser war offensichtlich mit der ganzen Situation überfordert und kauerte da wie ein Häufchen Elend. So kannte er ihn gar nicht. Nach einer Weile, in der sie einfach nur schweigend nebeneinander saßen, fragte Celest leise: „Kann es sein, dass du ihn magst?“ „Was?!“, erschrocken riss Ciel seine blauen Augen auf. Unmöglich! „Er ist ein Mann! Und noch dazu mein Lehrer!“ „Das stimmt, aber das ist kein Grund. Weißt du, Gefühle interessieren sich nicht für so etwas. Aber vielleicht bist du auch nur von dem Kuss verwirrt, schließlich war es dein erster.“ Celest versuchte ihn zu beruhigen. Ja, vielleicht hatte ihn das nur verwirrt. Morgen würde er vielleicht schon ein wenig darüber lachen können. Sebastian ließ sich mit einem tiefen Seufzen auf seine Couch fallen, nachdem Ciel gegangen war. Wieso nur hatte er ihn geküsst? Aus Mitleid? Aus einer Laune heraus? Er wusste es nicht. Tatsache war, er hatte es getan und Ciel erinnerte sich daran. Er könnte sich ohrfeigen dafür, doch was geschehen war, war geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Sebastian beschloss seine Wohnung zu putzen, um sich abzulenken. Da es Samstag war, war sowieso Putztag für ihn. Also raffte er sich lustlos auf und begann erst einmal alles abzustauben. Danach saugte er die Wohnung, putzte die Fenster und wischte feucht durch. Anschließend machte er im Bad weiter. Als dort auch die Fliesen an den Wänden glänzten und er die Badschränke ausgewaschen hatte, ging er in die Küche. Dort machte er mit seinem vorgezogenen Frühjahrsputz weiter und wischte alle Schränke und den Kühlschrank aus. Als auch die Küche aussah wie nie benutzt ließ er sich erschöpft auf das große Sofa fallen. Ein Blick auf die Uhr seines Smartphone verriet ihm, dass er gerade einmal gute fünf Stunden dafür gebraucht hatte. Lustlos schaltete Sebastian den Fernseher ein und zappte durch die vielen Kanäle. Irgendwann blieb er an einem Film hängen, in dem ein Lehrer mit seiner Schülerin eine verbotene Beziehung führte. Wie ironisch. Genervt schaltete er das Gerät wieder aus. In diesem Moment kündigte sein Handy eine neue Nachricht an. Für einen kurzen Augenblick hatte er gehofft, Ciel hätte ihm geschrieben, aber das war äußerst unwahrscheinlich. Tatsächlich war sie von seinem besten Freund Claude, der fragte, ob er heute Abend Zeit hätte. Schnell tippte er eine Antwort, in der er zusagte. Sie verabredeten, sich in ihrem Stammlokal zu treffen. Sebastian freute sich schon darauf. Er kannte Claude noch von der High School. Dieser war seit zwei Jahren Butler bei der Familie Trancy und hatte daher selten Zeit am Wochenende. Als es endlich Abend war stand Sebastian pünktlich am verabredeten Treffpunkt. Es dauerte keine halbe Minute, da kam Claude um die Ecke gebogen. „Hallo Claude, schön dass du mal wieder ein freies Wochenende hast.“ Der Angesprochene seufzte: „Du sagst es! Ich brauch jetzt erst einmal einen starken Drink.“ Sebastian hob eine überrascht Augenbraue und folgte dem anderen in das Lokal. Dort suchten sie sich einen Tisch in einer Ecke, in der sie sich ungestört unterhalten konnten. Die Einrichtung war weitestgehend aus Holz und leise Musik klang aus mehreren Lautsprechern. Kaum hatten sie sich gesetzt kam auch schon eine Bedienung und nahm ihre Bestellung auf. Claude bestellte einen doppelten Whiskey und Sebastian eine Cola, da er mit dem Auto da war und später wieder zu seiner Wohnung fahren würde. Als die Bedienung ihre Getränke brachte leerte Claude sein Glas in einem Zug. Sebastian schaute ihn überrascht an und fragte: „War die Woche so schlimm?“ „Du hast ja keine Ahnung!“, stöhnte Claude und richtete seine Brille. „Dieser Trancy Junge treibt mich eines Tages noch in den Wahnsinn!“ „Was hat er denn dieses Mal gemacht?“, fragte Sebastian neugierig. Da Alois einer seiner Schüler war, konnte er sich wirklich gut vorstellen, wie Claudes Arbeitsalltag aussah. Er war nicht nur sein Butler, sondern auch die einzige, erwachsene Bezugsperson für den Jungen. Alois Eltern waren schon früh verstorben und so lebte er bei seinem Onkel. Doch dieser interessierte sich nicht sonderlich für ihn, ließ ihn in seinem Stadthaus wohnen, versorgte ihn mit mehr als genug Geld und schickte ihm ein paar Angestellte, sowie einen persönlichen Butler. Diesen Job hatte Claude inne. Alois hatte einen Butler nach dem anderen vertrieben, keiner hatte es lange bei ihm ausgehalten. Doch Claude hatte Nerven wie Drahtseile und war daher wie geschaffen für diese Aufgabe, auch wenn Alois immer wieder neue Dinge fand mit denen er seinen Butler zur Weißglut treiben konnte. Claude seufzte tief und genervt. „Seine neuste Idee ist es, mich in sein Bett zu bekommen.“ Sebastian, der gerade einen Schluck seines Getränks genommen hatte, verschluckte sich prompt. „Was?“, hustete er. „Du hast schon richtig gehört. Es hat recht harmlos angefangen. Erst hat er sich immer wieder gegen mich gelehnt und mir schöne Augen gemacht. Als ich darauf aber nicht reagiert habe, hat er mich immer wieder ins Bad gerufen, wenn er gerade in der Wanne saß. Er wollte, dass ich ihm Gesellschaft leiste, doch ich habe immer abgelehnt. Dann hat er begonnen in Unterwäsche durch das Haus zu tanzen und immer wieder ‚Olè‘ zu rufen. Natürlich immer in den Räumen, in denen ich gerade war. Es macht ihm scheinbar Spaß, mich bei der Arbeit zu stören.“ Er machte eine kurze Pause und fuhr sich genervt durch die schwarzen Haare, dann erzählte er weiter: „Als ich auf all das aber nicht so reagiert habe wie er wollte, kam er abends nur mit einem Kimono bekleidet, der nur das Nötigste verdeckte, in mein Zimmer und auf mein Bett gekrabbelt. Ich habe ihn dann zurück in sein eigenes Schlafzimmer getragen. Aber heute hat er endgültig den Vogel abgeschossen! Er weiß genau, wann wir allein im Haus sind und wann ich ihn zum Abendessen hole. Ich habe wie immer angeklopft, er hat mich herein gebeten während er nackt auf seinem Bett liegt und …!“ Claude wollte es gar nicht aussprechen. Er fuhr sich wieder durch die schwarzen Haare, diesmal aber eher verzweifelt. Sebastian sah ihn mitleidig an. „Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich dieses Spiel noch mitmachen kann. Ich bin doch auch nur ein Mann!“ „Hast du denn schon mit ihm darüber gesprochen?“, fragte Sebastian besorgt. Claude schnaubte: „Natürlich! Ich habe versucht ihm klar zu machen, dass das nicht geht, schon allein weil er minderjährig ist und ich mich damit strafbar machen würde. Aber das ist ihm, wie zu erwarten war, herzlich egal.“ Claude bestellte noch einen doppelten Whiskey und leerte diesen auch in einem Zug. „Und wie läuft es bei dir?“, fragte er. Ehe Sebastian darüber nachdenken konnte, was er sagen sollte, platzte das, was ihn schon seit dem Vortag beschäftigte, einfach heraus: „Ich habe Ciel geküsst!“ „Du hast was?!“ Claude schaffte es nur gerade so seine Stimme gedämpft zu halten. Musste schließlich nicht jeder mitbekommen. Also erzählte Sebastian ihm wie Ciel ihn in der Nacht angerufen hatte, dass er total betrunken war und ihn gefragt hatte, ob er schwul wäre. Wie es zu dem Kuss kam und dass der Junge sich offensichtlich noch daran erinnern konnte. „Oweia“, sagte Claude. „Ich weiß, dass es falsch war!“, sagte Sebastian ernst. „Aber ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Ich hatte nie auch nur das geringste Bedürfnis ihn, oder einen anderen meiner Schüler, zu küssen. Einerseits möchte ich die Sache klarstellen, doch andererseits weiß ich nicht was ich sagen soll. Dass es ein Unfall war? Ein Versehen? Ich will ihn nicht verletzen. Wie soll ich mich denn nun verhalten? Als ob nichts gewesen wäre?“ „Ich weiß es nicht. Aber die Frage, die du zuerst beantworten solltest, ist die, warum du es überhaupt getan hast“, sagte Claude und schaute ihn ernst an. Eine kleine Stimme in Sebastian flüsterte ihm zu, dass er es in diesem Moment gewollt hatte. Kapitel 10: Wiedersehen und Campingausflug ------------------------------------------ Die Zeit verging wie im Flug und ehe sie sich versahen, waren die zwei Wochen Ferien schon vorbei. Ciel hatte fast jeden Tag mit Celest verbracht, schließlich sahen sie sich so selten. Zwar hatte dieser auch Zeit mit seiner Freundin Elizabeth verbracht, doch sein Bruder hatte Vorrang. Tagsüber dachte Ciel so gut wie gar nicht an Sebastian. Nur nachts, wenn er allein in seinem Bett lag, war die Versuchung groß, ihm eine Nachricht zu schreiben. Einmal ging es sogar so weit, dass er die Nachricht schon getippt hatte, doch dann zeigte die App ihm an, dass Sebastian online war und er warf erschrocken sein Smartphone auf sein Bett neben sich. Mit Herzklopfen hatte er gewartet, ob es vibrieren und damit eine neue Nachricht anzeigen würde, doch nichts geschah. Minuten vergingen, doch sein Handy blieb stumm. Enttäuschung machte sich in ihm breit, doch dann schüttelte er seinen Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen. Sebastian hatte keinen Grund ihm zu schreiben! Er war sein Lehrer, es waren Ferien, sie hatten sich nichts zu sagen! Sebastian verbrachte seine Ferien mit Klassenarbeiten korrigieren, seinen Unterricht vorbereiten und lesen. Er genoss es, am Abend mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein dazusitzen. Ein paar Mal hatte er sich mit Claude getroffen, der am Rande des Wahnsinns zu wandeln schien. Sebastian wusste, dass es eigentlich nicht lustig war, aber trotzdem amüsierte es ihn, seinem besten Freund zuzuhören, wenn dieser von seinem Tag oder seiner Woche erzählte. Auch hatte er endlich Grells neuen Freund, oder „die Liebe seines Lebens“, wie er ihn nannte, kennengelernt. Ein verrückter Kerl mit intensivgrünen Augen und langen, grauen Haaren. Er war Bestatter und nannte sich selbst Undertaker. Wie passend, schmunzelte Sebastian. Aber irgendwie passten die beiden zusammen. Er freute sich für Grell, jemanden gefunden zu haben, der ihn so liebte wie er war, vor allem nach der Sache mit William. An Ciel dachte er selten, und wenn schob er diese Gedanken gleich wieder zur Seite. Sie waren nicht nur Lehrer und Schüler, der Junge war noch dazu minderjährig und von ihrem Altersunterschied wollte er gar nicht erst anfangen. Er hatte kurzzeitig in Erwägung gezogen sich doch auf die Suche nach einem neuen Freund zu machen, doch das gab er gleich wieder auf. Es war nicht das, was er wollte. Und so kam der Montag nach den Ferien unaufhaltsam und schneller, als ihnen lieb war. Ciel hatte sich Sonntagnachmittag schweren Herzens von Celest verabschiedet. Manchmal hatte er das Gefühl, ohne ihn würde ein Teil von ihm fehlen. Aber seinem Bruder ging es genauso. Sie hatten die ersten zwölf Jahre ihres Lebens immer zusammen verbracht, umso schwerer war der Abschied, als Celest auf eine Eliteschule gehen musste. Aber da er später einmal die Geschäfte ihres Vaters übernehmen sollte, gab es keinen Weg darum herum. Ciel war seltsam nervös vor der Unterrichtsstunde, die er bei Sebastian hatte. Nachdem er das Schulgelände betreten hatte, hatte er sich immer wieder umgeschaut, als würde er verfolgt werden. Er beruhigte sich erst, als er im Klassenzimmer auf seinem Platz saß. Er hätte nicht gewusst, wie er sich hätte verhalten sollen, wäre er Sebastian irgendwo allein begegnet. Doch ehe Ciel noch weiter darüber nachdenken konnte betrat sein Lehrer das Klassenzimmer. Er sah aus wie immer, verhielt sich wie immer. Aber was hätte sich auch in den zwei Wochen großartig ändern sollen? Der Unterricht verlief wie gewohnt. Als es klingelte und Sebastian die Stunde für beendet erklärte rief er Ciel noch einmal zu sich. Dieser zuckte unmerklich zusammen. Was würde jetzt kommen? „Was gibt es?“, fragte er möglichst neutral. „Dein Vater hat mich informiert, dass ihr wieder in das Stadthaus gezogen seid, die Einbrecher wären verhaftet worden.“ „Ja, das stimmt.“ Nun würde er nicht mehr bei ihm wohnen. Aber das hatte doch schon sein Vater mit Sebastian geklärt? Dieser musste seine Gedanken erraten haben, denn er sagte: „Es geht um deinen Nachhilfeunterricht. Ich würde vorschlagen wieder samstags um dieselbe Uhrzeit wie vorher auch?“ „Ah, ja, sicher!“ Innerlich atmete Ciel auf. Darum ging es nur, das hatte er schon total verdrängt. „Gut, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag“, lächelte Sebastian sein nichtssagendes Lächeln und entließ damit seinen Schüler. Dieser ging zum Teil erleichtert, zum Teil ein kleines bisschen enttäuscht. Aber was hatte er sich denn erhofft? Der Kuss hatte Sebastian mit Sicherheit nichts bedeutet. Und ihm auch nicht! Redete er sich ein. So verging auch diese Woche ohne besondere Vorkommnisse und schon war es Samstag. Ciel war aus einem ihm unbekannten Grund seltsam nervös, während er darauf wartete, dass es an der Tür klingelte. Als die Klingel dann tatsächlich ertönte, musste er sich zusammenreißen ganz normal nach unten zu gehen und nicht zur Haustür zu stürmen und diese aufzureißen. Er fragte sich wirklich, was mit ihm los war. „Guten Morgen, Ciel“, wurde er auch sogleich freundlich begrüßt. „M-morgen.“ Innerlich schalt er sich selbst, sich zusammen zu reißen. Wieso fing er in Sebastians Nähe auch immer wieder an zu stottern? Das tat er doch sonst auch nicht. Er räusperte sich leise. „Komm doch rein.“ Ciel trat zur Seite und ließ seinen Lehrer das große Stadthaus betreten. Kurz darauf waren sie allein im Arbeitszimmer seines Vaters. Dieser war bei einem Freund zu Besuch und würde erst am Abend wieder zurück kommen. Ciel bearbeitete die Aufgaben, die er von seinem Lehrer bekommen hatte. Solange der Text in Englisch geschrieben war, war es noch okay. Doch als er einen Text auf Deutsch bekam und diesen übersetzen sollte verstand er nur die Hälfte. „Mh Sebastian, was steht da?“, fragte er nach einigen Minuten dann doch, da es nichts nutzte. Der Angesprochene schaute von seinen Blättern auf und Ciel fragend an: „Was verstehst du denn nicht?“ „Den ganzen Text!“ Sein Lehrer zog eine zweifelnd Augenbraue hoch, stand auf, umrundete den großen Schreibtisch und stellte sich neben Ciel. „Les mir erst einmal vor was dort steht.“ Also tat er wie geheißen und las laut, mit wirklich schlechter Aussprache, den ersten Satz vor. „Und was steht da nun?“, fragte Sebastian geduldig. „Ich … ich weiß es nicht“, gestand Ciel leise. Es war ihm unangenehm, dass er sich mit dieser Sprache so schwer tat. Und die körperliche Nähe zu seinem Lehrer machte das Ganze nicht gerade besser. Sein Herz klopfte heftig und laut in seinem Brustkorb. Hoffentlich konnte Sebastian seinen Herzschlag nicht hören! „Ciel? Hörst du mir überhaupt zu?“, riss ihn die angenehme Stimme des Älteren aus seinen Gedanken. „Was?“ Sebastian seufzte leise. „Du scheinst heute sehr unkonzentriert zu sein. Vielleicht sollten wir es für heute gut sein lassen und nächste Woche an dieser Stelle weiter machen.“ „Ist gut“, nickte er schnell. Umso früher das hier vorbei war, umso besser. Als er aufschaute traf sein Blick auf die rotbraunen Augen Sebastians, der ihn eindringlich ansah. „Ciel“, begann dieser mit ernster Stimme, „möchtest du über irgendetwas mit mir reden?“ „Nein.“ „Auch nicht darüber, was passiert ist, nachdem ich dich bei Alois abgeholt habe?“ Erschrocken riss Ciel seine blauen Augen auf, dann sagte er nüchtern: „Ich wüsste nicht, was es da zu reden gäbe.“ Sebastian nickte leicht: „In Ordnung. Dann wünsche ich dir noch ein schönes Wochenende, wir sehen uns Montag.“ „Danke. Dir auch.“ Als der Ältere das Arbeitszimmer verlassen wollte sprang Ciel schnell auf: „Warte, ich begleite dich noch zur Tür!“ Ohne sich umzudrehen sagte Sebastian mit kühlem Unterton: „Nicht nötig, ich finde selbst raus.“ Sprachlos stand Ciel da. Was war das denn nun gewesen? Als Sebastian in seinem Auto saß seufzte er einmal tief. Was hatte das denn gerade gesollt? Wie konnte er sich so verhalten? Weil Ciel nicht mit ihm reden wollte? Was war nur los mit ihm? Er war nicht mehr er selbst. Am liebsten würde er die ganze Sache vergessen und den Nachhilfeunterricht endgültig beenden, aber das wäre nur kindisch. Noch einmal seufzend startete er den Motor seines Autos und verließ das große Grundstück. Während der Fahrt ließ Sebastian seine Gedanken schweifen und dachte über sein Verhalten und den Kuss nach. Doch egal wie er es drehte und wendete, er kam immer zu demselben Ergebnis. Doch das konnte einfach nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein! Ciel hatte derweil seine Schulsachen wieder aufgeräumt. Hätte er vielleicht doch den Kuss ansprechen sollen? Aber was hätte das gebracht? Sebastian sah in ihm bestimmt nur einen bemitleidenswerten Bengel. So vergingen einige Wochen, in denen beide nur das Nötigste miteinander sprachen und sich distanziert zueinander verhielten. Es war Frühling und das von Ciel mit Grauen erwartete Campingwochenende stand an. Sie würden zwei Nächte mit der ganzen Klasse auf einem Campingplatz, in der Nähe eines Waldes, in Zelten schlafen. Als er das zum ersten Mal hörte, hatte sich ihm der Magen umgedreht. Ciel hatte sein ganzes Leben lang noch nicht in einem Zelt geschlafen. Doch drücken konnte er sich davor auch nicht, und so stand er Freitagmittag mit einer großen Reisetasche an der Schule und wartete mit seinen Mitschülern auf den Bus. Bis gestern hatte er noch gedacht er würde nun ein Wochenende vor Sebastian fliehen können, die Situation zwischen ihnen wurde immer unangenehmer, doch ein Lehrer fiel als Begleitperson aus und so musste ausgerechnet er einspringen. Ciel seufzte leise, als ihm plötzlich ein Arm um die schmalen Schultern gelegt wurde. Er schaute nach links und blickte in Somas strahlendes Gesicht. Dieser schien sich ganz offensichtlich auf das Wochenende zu freuen. „Ist das nicht toll, Ciel? Wir werden ein ganzes Wochenende zusammen verbringen!“ „Ich kann es kaum erwarten …“, murmelte der Angesprochene wenig begeistert. Kurz darauf bog der Reisebus um die Ecke, das Gepäck wurde verstaut und jeder suchte sich einen Sitzplatz im Bus. Soma bestand natürlich darauf neben Ciel zu sitzen. Er hatte nach der Party bei Alois ein richtig schlechtes Gewissen gehabt. Soma hatte erst aufgehört sich zu entschuldigen und das Thema fallen gelassen, als Ciel ihm angedroht hatte kein Wort mehr mit ihm zu reden, sollte er noch einen Ton dazu sagen. Nachdem alle Schüler im Bus saßen zählte Grell, der sich trotz aller Bemühungen nicht vor dem Ausflug hatte drücken können, noch einmal durch, ob auch keiner fehlte, dann ging die Reise los. Sie fuhren knapp zwei Stunden irgendwo ins Nirgendwo. Am Zeltplatz angekommen wurden erst einmal die Schüler auf die Zelte aufgeteilt. Ciel durfte sich zu seiner, mehr oder weniger, großen Freude ein Zelt mit Soma und Alois teilen. Der Einzige, der sich darüber tatsächlich freute, war Soma. Ciel hoffte nur es würde trocken bleiben und in der Nacht nicht allzu kalt werden. Nachdem alle ihre Sachen in den jeweiligen Zelten aufgeteilt hatten mussten sie sich noch einmal versammeln. Es wurde bekannt gegeben, wann welches Zelt Küchendienst hatte. Genervtes Stöhnen hallte über den Platz. Wer nicht beim Kochen helfen musste hatte dann Freizeit bis zum Abendessen. Schnell hatten sich Grüppchen gebildet, die irgendwelchen sportlichen Aktivitäten nachgingen. Ciel hingegen nahm sich sein neues Buch, suchte sich ein ruhiges Fleckchen und las. Noch schien die Sonne und die Luft war warm. Ehe er sich versah wurde schon zum Abendessen gerufen. Überrascht sah Ciel auf. War es tatsächlich schon so spät? Beim Lesen vergaß er oft die Zeit. Jeder stellte sich mit seinem Teller in die Essensschlange. Zu seiner Freude war es ein anderer Lehrer und nicht Sebastian, der das Essen ausgab. Nachdem jeder seine erste Portion hatte durften sie anfangen. Es schmeckte erstaunlich gut und erinnerte Ciel an Sebastian Kochkünste. Verstohlen schielte er zu diesem rüber und zuckte unmerklich zusammen, als sein Blick auf rotbraune Augen traf. Schnell widmete er sich wieder seinem Teller und bemerkte nicht das enttäuschte Aufflackern in Sebastians Augen. Nach dem Essen verkündete Grell: „Da es die erste Nacht ist wird heute, wie jedes Jahr, die Nachtwanderung stattfinden. Für die, die es nicht wissen: jede Gruppe bekommt einen Kompass und muss innerhalb von zwei Stunden den Treffpunkt im Wald erreicht haben. Jedes Zelt bildet eine Gruppe. Wer es nicht in der vorgegeben Zeit schafft hat automatisch verloren. In einer Stunde, wenn es dunkel ist, werden wir starten.“ Ciels Begeisterung hielt sich stark in Grenzen. Er sollte mit Alois und Soma nachts in einen dunklen Wald gehen? Und anhand eines Kompass einen Treffpunkt finden? Wieso nur hatte er nicht auf seinen Bruder Celest gehört und sich am Morgen krank gestellt? Doch es half alles nichts und so standen er, Alois und Soma eine gute Stunde später am Waldrand, bewaffnet mit Taschenlampen und einem Kompass. Jede Gruppe hatte eine andere Route, so dass niemand schummeln konnte. Alois hatte den Kompass angenommen und ging selbstsicher voraus. Ciel hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Sie waren noch keine zehn Meter weit gegangen und schon war es stockdunkel, nur die Taschenlampen spendeten ihnen spärliches Licht. Bei jedem Knacken von Ästen und bei jedem Rascheln von Blättern zuckte Ciel zusammen. Durch die Dunkelheit konnten die anderen beiden das zum Glück nicht sehen. Alois hätte ihn bestimmt ausgelacht und Soma würde ihn vor lauter Sorge am Ende noch tragen. So in Gedanken versunken achtete Ciel nicht sonderlich auf seinen Weg und stolperte über eine, aus dem Boden ragende, Baumwurzel. Erschrocken ruderte er mit seinen Armen und fing sich gerade noch so, bevor er tatsächlich gefallen wäre. „Ciel! Alles in Ordnung?“, fragte Soma besorgt. Selbst Alois war stehen geblieben und warf einen genervten Blick nach hinten. „Ja, geht schon. Ich bin nur gestolpert.“ Schweigend setzten sie ihren Weg fort, wobei Soma immer wieder besorgt zu Ciel schaute, allzeit bereit einzugreifen, sollte der Kleinere wieder stolpern. Dieser setzte nach seinem beinahe Sturz nur noch vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Nach einigen Minuten ertönte ein lautes Donnergrollen, gefolgt von einem Blitz, der über den fast schwarzen Himmel zuckte. „Oh nein“, sagte Alois leise. Sein folgender Fluch wurde vom lauten Rauschen des plötzlich einsetzenden Regens verschluckt. Sekunden später waren alle drei komplett durchnässt. Ihre Kleidung klebte ihnen am Körper und die Haare teilweise im Gesicht. Genervt strich Ciel sich seine nassen, aschblauen Haare nach hinten. Für einen Moment durchzuckte ihn der Gedanke, dass diese Frisur seiner Tante Francis sicherlich gefallen würde. „Los kommt, wir müssen weiter!“, rief Alois über den Regen hinweg. Ciel hatte das Gefühl unter einem überdimensionalen Gartenschlauch zu stehen, so sehr regnete es. Am Nachmittag war noch keine einzige Wolke in Sicht gewesen und laut Wetterbericht sollte es an diesem Wochenende auch trocken bleiben. Lustlos trottete er den anderen beiden hinterher. Wie gerne würde er sich jetzt in die heiße Badewanne setzen, einen warmen Earl Grey Tee trinken und sich anschließend in sein warmes, weiches Bett kuscheln. Er seufzte genervt und achtete nicht mehr so genau auf den Weg, realisierte nicht einmal, dass er an Alois und Soma vorbei ging. Erst nach mehrmaligem Rufen drangen ihre Stimmen zu ihm durch: „Ciel, pass auf!“ Doch da war es schon zu spät. Er verlor den Halt unter seinen Füßen, rutschte einen Hang hinunter und schlug hart auf dem matschigen Boden auf. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst und benommen blieb er im Dreck liegen, während der Regen weiter unaufhörlich auf ihn niederprasselte. Kapitel 11: Rettung ------------------- „Shit!“, fluchte Alois laut. Er und Soma rannten zu der Stelle, an der sie Ciel zuletzt gesehen hatten. Dieser lag ein paar Meter tiefer auf dem matschigen Boden und regte sich nicht. „Oh nein! Ciel!“, heulte Soma los. Die ersten Tränen stiegen ihm schon in die Augen. „Er atmet noch!“, rief Alois erleichtert. Ganz schwach konnte er aus dieser Entfernung das Heben und Senken von Ciels schmaler Brust ausmachen. „Los Soma, wir müssen Hilfe holen! Es ist viel zu gefährlich, wenn wir da selbst runter steigen!“ „Du hast recht!“, nickte Soma entschlossen. So schnell es bei dem Regen und dem rutschigen Boden ging liefen sie zurück. Nach halber Strecke blieb Soma stehen und sagte: „Ich warte hier, damit wir den Weg zu Ciel auch sicher wieder finden!“ „Ist gut“, nickte Alois und eilte weiter. Zehn Minuten später kam er außer Puste am Zeltplatz an. Der erste, den er sah, war Sebastian. „Mr. Michaelis! Ciel ist-!“, er versuchte tief Luft zu holen. „Was ist mit Ciel?“, forderte der Ältere besorgt zu wissen. „Er ist- er ist einen Hang hinunter gestürzt!“ Erschrocken riss Sebastian seine rotbraunen Augen auf und sein Herz setzte für einen Moment aus. „Bring mich hin!“, forderte er mit ernstem Gesichtsausdruck. Als sie bei Soma ankamen fiel Alois auf die Knie. Er stützte sich mit den Händen auf dem matschigen Boden ab und rang nach Luft. „Kommen Sie!“, rief Soma und lief schon los. Alois deutete ihnen, ohne ihn weiter zu gehen. Noch nie hatte er sich körperlich so verausgabt. Soma und Sebastian rannten, so gut es auf dem rutschigen Untergrund ging, weiter. Nach einigen Minuten hatten sie endlich die Stelle erreicht. „Hier ist es“, sagte Soma und deutete nach unten. Dort lag Ciel, unverändert und regungslos. „Hör zu, Soma. Du gehst mit Alois zurück zu den anderen und sagst Mr. Sutcliffe Bescheid, er soll im nächsten Krankenhaus anrufen, dass wir einen Schüler bringen. Ob und wie er verletzt ist wissen wir nicht. Ich hole Ciel.“ „Mach ich“, nickte Soma ernst und warf noch einmal einen besorgten Blick nach unten. Dann ging er schnell zurück um Alois einzusammeln und seinen Auftrag auszuführen. Am Camp angekommen fiel Grell aus allen Wolken. Besorgt rief er beim Krankenhaus an und wies Soma und Alois an sich umzuziehen und dann ins Gemeinschaftszelt zu begeben, dort war es wenigstens warm. Er gab beiden Schülern eine Tasse mit heißem Tee, dann hieß es nur noch abwarten. Zum Glück hatten sie für solche Fälle ein Auto hier. In der Zwischenzeit kletterte Sebastian vorsichtig den rutschigen Hang hinunter. Als er nach einigen Minuten bei Ciel angekommen war, kniete er sich besorgt neben ihn. „Ciel? Hörst du mich?“ Es folgte keine Reaktion. Vorsichtig hob Sebastian ihn hoch und auf seine Arme. Er schien bewusstlos zu sein, seine Atmung war schwach, aber ruhig und gleichmäßig. Er drückte den bewusstlosen Jungen eng an sich, in der Hoffnung ihn so zumindest etwas zu wärmen, seine Haut war eiskalt. Nach einem Blick nach oben musste Sebastian feststellen, dass dieser Weg eindeutig keine Option war. Der Hang war viel zu steil, um auch nur alleine da wieder hoch zu klettern. Ein Wunder, dass er es unbeschadet nach unten geschafft hatte. Also folgte er dem matschigen Weg in die Richtung, in der der Zeltplatz lag. Knapp 20 Minuten später kam Sebastian endlich dort an. Mittlerweile waren alle Schüler wieder versammelt und alle atmeten erleichtert auf, als sie sahen, dass ihr Lehrer den vermissten Schüler gefunden hatte. Grell eilte sofort besorgt zu ihm: „Ich habe im Krankenhaus Bescheid gegeben und das Auto steht bereit. Aber du solltest wenigstens trockene Kleidung anziehen, bevor du fährst.“ Kurz zögerte er, doch dann nickte er. Es war nur sinnvoll, sonst würde er vielleicht noch ernsthaft krank werden. Vorsichtig reichte er Ciel an Grell weiter, damit dieser ihm trockene Kleidung anziehen konnte. Soma hatte schon vorausschauend Sachen von Ciel geholt. Ein paar Minuten später setzte Grell den trockenen, aber immer noch kalten und bewusstlosen Ciel auf den Beifahrersitz des Autos. Sebastian wickelte ihn in eine dicke Decke, dann stieg er selbst ein und fuhr los. Zum Glück war das nächste Krankenhaus nicht weit entfernt. Die Heizung drehte er auf Anschlag und knapp zehn Minuten später parkte er das Auto in der Nähe des Eingangs zur Notaufnahme. Vorsichtig hob er Ciel aus dem Auto und betrat das große Gebäude. Dort standen schon zwei Schwestern und ein Arzt bereit. „Was ist genau passiert?“, fragte der Arzt sogleich, während sie in ein Behandlungszimmer gingen. „Er ist einen Hang hinuntergestürzt und seit dem bewusstlos. Mehr weiß ich auch nicht.“ Während der Untersuchung musste Sebastian das Zimmer verlassen. Eine junge Schwester kam mit roten Wangen auf ihn zu und bat ihn in ein zweites Behandlungszimmer. Obwohl er sagte, ihm würde es gut gehen, wollte ihn ein weiterer Arzt trotzdem untersuchen, um sicher zu gehen. Danach musste er im Wartezimmer warten. Er bekam noch einen heißen Tee, um sich aufzuwärmen und ein Anmeldeformular, das er ausfüllen sollte. Die Zeit schien unglaublich langsam zu vergehen, doch dann endlich öffnete sich die Tür, hinter der Ciel war, und der Arzt kam heraus. „Es geht ihm soweit gut, er ist auch wieder aufgewacht. Er murmelt ständig ‚Sebastian‘ und reagiert kaum darauf, wenn man ihn anspricht. Aber das wird sich bald gelegt haben. Sie können zu ihm, wenn Sie möchten.“ Sofort stand Sebastian auf und betrat den Raum. Dort lag Ciel in einem viel zu großen Bett, die weiße Bettwäsche ließ ihn noch blasser aussehen, als er sowieso schon war, doch er schaute ihn an. Unglaubliche Erleichterung breitete sich in Sebastian aus. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ er sich auf die Kante des Krankenhausbettes sinken und strich ihm ein paar aschblaue Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Oh Ciel, was machst du nur für Sachen?“ „Se-Sebastian?“, flüsterte er mit brüchiger Stimme. „Ich bin da“, lächelte der Angesprochene und drückte die kleine Hand unter der Bettdecke. „Du hast mir wirklich einen gehörigen Schrecken eingejagt.“ „Sebastian …“, flüsterte Ciel und Tränen rannen über seine blassen Wangen. Vorsichtig wischte der Ältere sie weg. „Keine Sorge, ich bleibe bei dir“, lächelte er sanft. „Sebastian“, Ciels Stimme war nicht mehr als ein Hauchen. Er wollte scheinbar etwas sagen, doch kein weiteres Wort verließ seine blassen Lippen. Der Angesprochene runzelte nachdenklich die Stirn, dann fragte er: „Soll ich mich zu dir legen?“ Etwas anderes fiel ihm nicht ein, was Ciel von ihm nun wollen könnte. Er glaubte nicht, dass der Junge ihn nun wegschicken würde. Ein schwaches Nicken war die Antwort. Erstaunt weiteten sich Sebastian rotbraune Augen ein wenig, dann zog er schnell seine Schuhe aus, hob die weiße Decke ein wenig an und schlüpfte darunter. Vorsichtig, als könnte er zerbrechen, zog er Ciel in seine Arme. Dieser gab ein wohliges Geräusch von sich und schloss erschöpft seine blauen Augen. Er war zwar nicht mehr so eiskalt, aber seine Haut war immer noch kühl. Eng drückte er den kleineren Körper an seinen eigenen, um ihn mit seiner Körperwärme zu wärmen. Es dauerte nicht lange, dann war Ciel schon eingeschlafen. Sebastian betrachtete das entspannte Gesicht, die sanften Gesichtszüge und streichelte ihm sachte durch die aschblauen Haare. Er hauchte einen Kuss auf die Stirn und flüsterte so leise, dass er es selbst kaum hörte: „Ich liebe dich.“ Am nächsten Morgen wurde Sebastian von einer jungen Schwester geweckt. Diese brachte kichernd das Frühstück. Es dauerte einen Moment, bis er den Grund für dieses Verhalten herausfand. Sanft lächelnd fiel sein rotbrauner Blick auf den kleinen Körper in seinen Armen. „Ciel, es ist Zeit aufzuwachen“, sagte er leise. Es dauerte einen Moment, dann begann dieser sich zu regen. „Mmnn …“ „Das Frühstück ist schon da“, versuchte Sebastian es erneut, doch dieses Mal kuschelte Ciel sich nur noch enger an ihn und gab ein glückliches Geräusch von sich. Tief und geräuschvoll atmete er den Duft des Größeren ein. Dieser hob eine Augenbraue und fragte belustigt: „Was soll das denn werden?“ „… riechst so gut …“, murmelte es an seiner Brust. Scheinbar war Ciel noch nicht ganz wach. „Ich rieche also gut“, stellte Sebastian mit belustigtem Unterton fest. „Mmhmmm …“ „Kein Wunder dass ich mich in dich verliebt habe, wenn du so niedlich bist“, schmunzelte Sebastian und sprach unbewusst und ungewollt seine Gedanken laut aus. Ciel riss seine blauen Augen erschrocken auf und setzte sich ruckartig auf: „Was??!!“ Mit einem Schlag war er hellwach. Der Größere zögerte. Wie sollte er sich da nun rausreden? „Jetzt bist du endlich wach“, sagte er mit einem schwachen, schiefen Lächeln. „Du … du … warum?“, fragte Ciel, ihm fehlten die Worte. Sein Herz schlug so schnell und heftig gegen seinen Brustkorb, dass er sich sicher war, Sebastian würde es hören. Dieser schwieg kurz um sich zu sammeln, dann sagte er: „Warum ich mich in dich verliebt habe, obwohl es verboten ist? Weil du, du bist.“ „Aber ich bin klein und schmächtig, ich sehe aus wie ein Kind! Außerdem bist du doch viel älter als ich! Und“, Sebastian legte seinen Zeigefinger auf Ciels Lippen und brachte ihn damit zum Schweigen. „Ist schon gut. Ich habe das bestimmt nicht geplant, Gefühle machen, was sie wollen. Du musst mir darauf auch jetzt keine Antwort geben. Keine Sorge, ich werde dich nicht anders behandeln als vorher auch.“ Vorsichtig löste Sebastian sich von ihm und stieg aus dem Bett. „Du solltest erst einmal etwas essen“, sagte er und stellt ihm ein Tablett auf die Oberschenkel. Während des Frühstücks herrschte Stille zwischen ihnen. Keiner wusste so recht was er sagen sollte. Sebastian könnte sich ohrfeigen dafür, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte. Aber nun war es zu spät und ungeschehen machen konnte er es nicht. Kaum hatten sie aufgegessen kamen Ciels Eltern, um ihn abzuholen. Grell hatte sie am Morgen informiert und erzählt was passiert war. Durch den heftigen Regen in der Nacht wurde das Campingwochenende vorzeitig beendet und die Schüler wurden am Morgen mit dem Bus wieder abgeholt. Soma wollte zwar lieber zu Ciel, um zu sehen wie es diesem ging, doch er musste auch mit nach Hause fahren. „Ciel mein Schatz, wie geht es dir?“, fragte seine Mutter, kaum dass sie das Zimmer betreten hatte und zog ihn in ihre Arme. „Es geht mir gut, du kannst mich loslassen!“, murrte er mit roten Wangen. Es war ihm peinlich, dass seine Mutter ihn immer noch wie ein kleines Kind behandelte. Sebastian schmunzelte bei dem Anblick. „Mr. Michaelis“, wandte Vincent sich an diesen, „wie ich hörte waren Sie wieder einmal der Retter in der Not. Haben Sie vielen Dank, dass Sie sich um unseren Jungen so gut gekümmert haben.“ Er griff in die Innentasche seines Jacketts um sein Scheckheft herauszuholen, doch Sebastian winkte ab: „Das ist schon in Ordnung.“ Da Sebastian Nichts fehlte, durfte er kurz darauf gehen. Ciel hingegen wurde von einem Arzt noch einmal untersucht, und nachdem sein Vater die Formalitäten geklärt hatte, wurde auch er entlassen. Während der Fahrt ließ Ciel seine Gedanken schweifen. Sebastian hatte ihn gerettet, wieder einmal. Und er hatte ihm seine Gefühle gestanden. Wie sollte er nun damit umgehen? Was sollte er davon halten? Ihm schwirrte der Kopf. Der Einzige, der ihm helfen konnte, dem er sich anvertrauen konnte, war sein Bruder Celest. Doch da sein Handy zu Hause lag, sie durften keine technischen Geräte mitnehmen, konnte er ihm nicht gleich schreiben. Müde schloss er seine Augen und wünschte sich die wohlige Wärme und den angenehmen Duft, die ihn in der Nacht umgeben hatten, wieder zurück. Ciel konnte nicht beschreiben nach was es roch, doch Sebastians ganz eigener Geruch vermittelte ihm ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit. Und er hatte gesagt er sei in ihn verliebt. In seinem Bauch zog es sich angenehm unangenehm zusammen und ein Schauder rann über seinen Rücken. Was hatte das nun zu bedeuten? Aber es hatte sich nicht schlecht angefühlt. Vielleicht hatte Sebastian ihn nach Alois Party deshalb geküsst? Nicht aus Mitleid, sondern weil er ihn tatsächlich mochte? Sein Herz machte bei diesem Gedanken einen kleinen Hüpfer und ein Glücksgefühl breitete sich in ihm aus. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Als sie endlich zu Hause angekommen waren stürmte Ciel direkt in sein Zimmer um Celest zu schreiben, was passiert war. Es dauerte nicht lange, dann klingelte sein Smartphone auch schon und auf dem Display stand der Name seines Zwillings. „Hallo?“, meldete er sich und versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. „Mein Gott Ciel, geht es dir gut?“ Fragte Celest besorgt. „Ja, mir geht es gut, es war nicht so schlimm“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Deine Nachricht hat mir einen gehörigen Schrecken eingejagt!“ Ciel lachte leise: „Aber ich habe doch geschrieben, dass es mir gut geht! Viel wichtiger, was sagst du zu dem zweiten Teil?“ Kurz herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Das kam ziemlich unerwartet, oder? Was denkst du darüber?“, fragte Celest. Er wollte Ciels Meinung zu Sebastians Geständnis nicht beeinflussen. „Ich … weiß nicht. Irgendwie macht es mich glücklich“, sagte Ciel leise. Er dachte an die letzten Ferien, als Celest ihn gefragt hatte, ob er Sebastian mögen würde, im romantischen Sinn. Kurz herrschte Stille zwischen ihnen, dann fragte Ciel: „Wie fühlt es sich an jemanden zu lieben?“ Celest zögerte kurz, dann lächelte er, auch wenn es der andere nicht sehen konnte, und sagte: „Wenn man an die Person denkt, dann wird man ganz ruhig. Man fühlt sich in ihrer Nähe wohl und geborgen. Und wenn man verliebt ist bekommt man Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch wenn man nur an den anderen denkt.“ „Danke, Celest! Ich muss darüber nachdenken“, sagte Ciel und verabschiedete sich. Zum Glück war erst Samstag, somit hatte er genug Zeit sich über das Geständnis und seine Gefühle in Ruhe Gedanken zu machen. Sebastian derzeit fragte sich immer wieder was ihn in diesem Moment überkommen hatte. Wie sollte er sich nun Ciel gegenüber verhalten? Wenn dieser ihn ablehnen würde könnte er diese Gefühle begraben und sie könnten zur Normalität zurückkehren. Doch was, wenn er seine Gefühle erwiderte? Sie waren Lehrer und Schüler, Ciel noch dazu minderjährig, Sebastian würde sich also doppelt strafbar machen. Dieser Gedanke bereitete ihm am meisten Kopfschmerzen. Natürlich würde er sich auch freuen, doch so lange Ciel sein Schüler und nicht mindestens 18 Jahre alt war, konnten sie nicht zusammen sein. Das Schlimmste an der ganzen Situation war wohl die Ungewissheit, die stetig an ihm nagte, sowie die Frage ‚was wäre wenn‘. Kapitel 12: Tatsächlich Liebe ----------------------------- In der darauffolgenden Woche ließ Ciel sich nichts anmerken gegenüber Sebastian. Er war sich relativ sicher, was seine Gefühle betraf, doch er konnte es ihm unmöglich in der Schule oder über das Telefon sagen. Für Sebastian zog sich diese Woche hin wie Kaugummi. Nach außen gab er sich wie immer, doch in seinem Inneren drehte sich alles nur um Ciels Antwort und deren Auswirkungen. Doch irgendwann fand auch die längste Woche ein Ende und es war wieder Samstag. Ciel war seltsam nervös, bald würde Sebastian zur Nachhilfe vorbei kommen. Sie waren alleine in dem großen Stadthaus seiner Eltern, da diese schon direkt nach dem Frühstück zum Anwesen zurück gefahren waren. Die wenigen Bediensteten, die normalerweise im Stadthaus waren, waren entweder auch schon im Anwesen, oder hatten bis Montag frei. Ciel tigerte nervös vor der Haustür auf und ab. Heute war der Tag, an dem er Sebastian endlich eine Antwort geben würde. Mittlerweile war es sich sicher, wie diese ausfiel. Ein Klingeln ließ ihn aufschrecken. Noch einmal atmete er tief durch, um sich zu beruhigen, dann strich er seine Kleidung glatt und öffnete die Tür. „Guten Morgen, Ciel“, lächelte Sebastian. „M-morgen.“ Gedanklich befahl er sich, sich zusammen zu reißen. Wieso war sein Lehrer auch immer so selbstsicher, egal was passierte? Wahrscheinlich würde er nicht einmal aus der Fassung geraten, wenn er sich plötzlich grundlos vor ihm ausziehen würde, dachte Ciel verärgert. Für einen kurzen Moment dachte er ernsthaft darüber nach das zu tun, nur um Sebastians Gesichtsausdruck zu sehen, doch diesen Gedanken verwarf er gleich wieder. Sie gingen wie immer in das große Arbeitszimmer seines Vaters. Ciel bekam wie immer Aufgaben, die er bearbeiten sollte, doch er konnte sich überhaupt nicht konzentrieren und machte immer wieder Fehler. Sebastian sah ihn ernst an: „Ciel, was ist los? Liegt es an mir, dass du heute so unkonzentriert bist?“ „Ja. Nein! Ich meine, ähm … also … ich bin dir noch ein Antwort schuldig und …“ Ciel stand auf, umrundete den großen Schreibtisch seines Vaters und blieb ganz nah vor Sebastian stehen. Kurz zögerte er noch, dann holte er tief Luft und sagte: „Ich liebe dich.“ Erstaunt weiteten sich Sebastians rotbraune Augen, dann legte sich ein sanftes, liebevolles Lächeln auf seine Lippen. Er stand auf, zog Ciel in seine Arme und sagte leise: „Ich liebe dich auch.“ Der Kleinere konnte deutlich den Herzschlag von Sebastian an seiner Wange fühlen. Sein eigenes Herz schlug mindestens genauso schnell und laut in seiner Brust. Würden sie sich jetzt wieder küssen? Er hoffte es. In seinem Bauch kribbelte es vor Aufregung. Lange standen sie so da, dann schob Sebastian ihn sanft von sich. „Ciel“, sagte er mit einem liebevollen Lächeln, „du glaubst nicht, wie gerne ich dich jetzt küssen möchte.“ „Aber?“, fragte der Kleinere mit einem unguten Gefühl im Magen. Sebastians Gesichtsausdruck wurde gequält, als er sagte: „Aber ich darf nicht. Noch nicht.“ „Warum?“, fiel ihm Ciel sogleich ins Wort. „Weil ich dein Lehrer bin und du mein Schüler. Noch dazu bist du noch minderjährig, ich würde mich strafbar machen, würde ich Hand an dich legen, außerdem könnte ich meinen Job verlieren.“ „Das heißt, wir dürfen nicht zusammen sein?“, fragte Ciel. Die Enttäuschung in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. Sebastian fuhr seufzend sich durch die schwarzen Haare. Er setzte sich und zog den Kleineren auf seinen Schoß. „Offiziell dürfen wir nicht zusammen sein. In gut zwei Jahren wirst du die Schule beenden, und dann dauert es nicht mehr lange bis du 18 Jahre alt wirst, ab da dürfen wir offiziell zusammen sein.“ Seine Stimme war ruhig, als er das erklärte. „Aber“, setzte Ciel an und die ersten Tränen sammelten sich in seinen Augen, „was machen wir jetzt?“ „Jetzt können wir nur selten und unter Vorwand Zeit miteinander verbringen. Ich weiß es ist schwer, und zwei Jahre klingen nach viel Zeit, doch du wirst sehen, es dauert nicht lange bis zu deinem 18. Geburtstag.“ Ciel schniefte leise. „Ich darf dich nicht einmal hier küssen?“ „Nein“, sagte Sebastian entschieden. „Es könnte zur Gewohnheit werden und das würde das Risiko steigern, dass wir erwischt werden würden. Ich verspreche dir, wenn du 18 Jahre alt wirst, von diesem Tag an werde ich dich ganz viel küssen.“ Und noch ganz andere Sachen mit dir anstellen, fügte er in Gedanken hinzu. Ciel nickte nur und kuschelte sich traurig an ihn. Sein 18. Geburtstag war für ihn noch in großer Ferne, wie sollte er so lange warten können? Dass Sebastian mehr von ihm wollte als küssen, war ihm nicht bewusst. Sie saßen noch lange so da und genossen die Nähe des jeweils anderen. Als Ciels Fahrer kam um ihn abzuholen und zum Anwesen seiner Familie zu fahren mussten sie sich doch voneinander lösen. Ciel tröstete sich mit dem Gedanken, dass Celest zu Hause auf ihn warten würde, schließlich hatten sie nun wieder zwei Wochen Ferien, die letzten vor den großen Sommerferien. Das hieß aber auch, er würde Sebastian für ganze zwei Wochen nicht sehen, und das wo sie gerade frisch zusammen waren! Zu Hause angekommen trottete Ciel lustlos in sein Zimmer. Irgendwie machte ihn dieser Gedanke traurig. Nicht nur, dass sie eigentlich nicht zusammen sein durften, jetzt konnte er ihn vorerst nicht einmal sehen! Plötzlich wurde die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen und Celest betrat mit einem breiten Grinsen den Raum. „Ciel!“, eigentlich wollte er noch mehr sagen, doch das traurige Gesicht seines Bruders ließ ihn innehalten. Sein Blick änderte sich zu Besorgnis und er fragte: „Was ist denn los?“ Schniefend schaute der Kleinere seinen Zwilling an und sagte: „Ich vermisse ihn …“ „Heißt das, ihr seid jetzt zusammen?“ Ein Nicken war die Antwort. „Aber wir dürfen nicht. Erst wenn ich 18 Jahre alt bin“, fügte er traurig hinzu. „Ach Ciel“, sagte Celest, setzte sich neben ihn und wuschelte ihm durch die aschblauen Haare, „glaub mir, die Zeit wird wie im Flug vergehen und ehe wir uns versehen sind wir schon alt.“ Ciel lächelte schief. Sein Bruder hatte wahrscheinlich recht, doch jetzt schien das noch so unglaublich weit weg zu sein. Es war gerade mal eine Woche vergangen, also erst die Hälfte der Ferien, und Ciel hatte das Gefühl vor Sehnsucht zu vergehen. Was war nur passiert, dass er es auf einmal kaum aushielt? Plötzlich vibrierte sein Handy und kündigte damit eine neue Nachricht an. Verwundert nahm Ciel das Gerät in die Hand. Wer schrieb denn so früh an einem Samstagmorgen? Es war noch nicht einmal 8 Uhr. Er wusste selbst nicht, wieso er überhaupt schon wach war. Als er den Absender der Nachricht sah beschleunigte sich sein Herzschlag und ihm entkam ein leises, glückliches Glucksen. Schnell entsperrte er das Display um die vollständige Nachricht lesen zu können. Guten Morgen Ciel, ich habe dich hoffentlich nicht geweckt. Da heute Samstag ist dachte ich wir sollten, trotz Ferien, die Nachhilfe nicht schleifen lassen ;) Wenn du zu mir kommst koche ich uns auch etwas Leckeres zu Mittag. Nachhilfe? War das sein Ernst? Erst wollte er zurück schreiben, wie er denn auf die Idee kam ihm in den Ferien Nachhilfe geben zu wollen, doch dann hielt Ciel inne. Was, wenn das nur ein Vorwand war, damit er zu Sebastian in die Wohnung konnte? Dort wären sie ungestört … Schnell tippte er eine Antwort, sprang aus seinem großen Bett, schnappte sich frische Kleidung und eilte ins Bad. Bald würde es Frühstück geben und Ciel wollte sich direkt danach zu Sebastian fahren lassen. Während dem Frühstück musste Ciel sich sehr zusammen reißen, um nicht auffällig zu wirken. Ausgerechnet an diesem Tag hatte seine Familie ein großes Redebedürfnis und so zog sich das Essen zu Ciels Leidwesen unnötig in die Länge. Doch auch das ging irgendwann vorbei. Kurz danach saß er ungeduldig im Auto und konnte es kaum erwarten, endlich in London anzukommen. Beinahe hätte er seine Schulsachen als Tarnung vergessen. Celest, der sich schon denken konnte, weshalb sein Bruder nach London zu seinem Lehrer wollte, hatte ihn noch gerade so abgepasst und an seine Tasche erinnert. Kaum blieb der Wagen vor Sebastians Wohnung stehen riss Ciel die Autotür auf, verabschiedete sich von dem Fahrer und ging, möglichst normal, zur Haustür. Er klingelte und hörte wie das Auto wieder fuhr. Dann öffnete sich die Tür vor ihm. „Hallo Ciel, schön dass du da bist“, sagte Sebastian mit einem sanften Lächeln. Der Kleinere erwiderte den Gruß und trat dann an ihm vorbei. Kaum fiel die Haustür leise ins Schloss, umarmte er seinen inoffiziell festen Freund und sog tief seinen Geruch ein. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr er ihn vermisst hatte. Dieser streichelte ihm über die aschblauen Haare: „Willst du nicht erst einmal reinkommen?“ Sebastian lachte leise und hob Ciel, der keine Anstalten machte sich von ihm zu lösen, hoch und trug ihn ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich auf sein großes Sofa, den Kleineren auf seinem Schoß und küsste ihn sanft. Ciel schaute ihn verwundert an und fragte: „Ich dachte du willst mich nicht küssen, solange ich noch minderjährig bin?“ Sebastian lächelte gequält und sagte: „Ich habe nie davon gesprochen, dass ich es nicht will. Ich darf es nicht. Aber ich bin auch nur ein Mann und wenn jemand so niedliches wie du auf meinem Schoß sitzt, kann ich nicht anders.“ Ciels Wangen färbten sich rot und er senkte verlegen seinen Blick. Was sollte er dazu noch sagen? Gerne würde er noch einmal die Lippen des anderen auf seinen spüren, aber er traute sich nicht. Also lehnte er sich an Sebastians Oberkörper und schloss seine blauen Augen. Die Stille zwischen ihnen war angenehm und wurde erst nach einer Weile von Ciels Magenknurren unterbrochen. Vielleicht hätte er doch mehr als einen kleinen Joghurt zum Frühstück essen sollen. Sebastian lachte leise und hob den Kleineren hoch, um ihn neben sich auf das große Sofa zu setzen. Er stand auf und sagte: „Ich werde uns jetzt erst mal etwas Leckeres kochen und du machst in der Zwischenzeit die Aufgaben von letzter Woche.“ „Was? Wieso?“, fragte Ciel empört und verständnislos. Immerhin hatte er Ferien! Er hatte überhaupt keine Lust jetzt auch noch Deutschaufgaben bearbeiten zu müssen, schließlich war er wegen Sebastian hier. Dieser lächelte sein nichtssagendes Lächeln und sagte eine Spur zu freundlich: „Weil du offiziell zur Nachhilfe hier bist.“ Als Ciel seinen Mund öffnete, um zu protestieren, fügte er noch eine Spur freundlicher hinzu: „Außerdem hast du sie immer noch nötig.“ Mit diesen Worten verließ Sebastian das Wohnzimmer und ließ einen beleidigten Ciel mit aufgeblasenen Backen sitzen. Ein paar Minuten später kam Sebastian zurück ins Wohnzimmer, nur um festzustellen dass seiner Anweisung keine Folge geleistet wurde. Mit seinem nichtssagenden Lächeln ging er auf Ciel zu, beugte sich zu ihm runter und kam dem Mund des Kleineren immer näher. Dieser schloss in freudiger Erwartung seine blauen Augen. Doch als nach einigen Herzschlägen immer noch nichts geschah öffnete er sie verwundert und blickte direkt in Sebastians rotbraune Augen. Sein Blick wanderte ein wenig tiefer. Ihre Lippen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt, er konnte den warmen Atem des anderen in seinem Gesicht spüren. Der Größere raunte mit tiefer Stimme: „Wenn du willst, dass ich dich heute und in den nächsten Wochen noch einmal küsse, dann machst du jetzt ohne murren deine Aufgaben.“ Mit diesen Worten richtete er sich wieder auf und verließ das Wohnzimmer, ohne Ciel eines weiteren Blickes zu würdigen. Dieser schluckte erst einmal und saß noch einige Augenblicke einfach nur sprachlos da. Diese Drohung hatte ihre Wirkung definitiv nicht verfehlt! Als Sebastian Ciel später zum Essen rief wurde dieser gerade fertig. Erfreut stellte er fest, dass es Crepès als Mittagessen geben würde, mit Schokoladensoße. Doch vorher gab es eine Gemüsecremesuppe. Ciel verzog dabei ein wenig das Gesicht. Er mochte Gemüse nicht sonderlich. Sebastian lachte leise: „Ich weiß, dass wenn es nach dir gehen würde, du dich nur von Süßem ernähren würdest, aber Gemüse ist nun mal auch wichtig.“ „Ich weiß …“, murmelte Ciel und tauchte lustlos seinen Löffel in die Suppe in seinem Teller. Vorsichtig pustete er, schließlich wollte er sich nicht die Zunge verbrennen, und probierte dann von der Cremesuppe. Erstaunt stellte er fest, dass es gar nicht einmal so schlecht schmeckte. Schnell leerte er seinen Teller, damit er endlich von Sebastians leckeren Crepès essen konnte. Nach dem ersten Bissen seufzte Ciel glücklich. „Wirklich, du solltest deinen Beruf als Lehrer aufgeben und dafür mein persönlicher Koch werden!“, sagte er voller Überzeugung. Sebastian lachte leise: „Freut mich, dass es dir schmeckt. Sollten wir irgendwann zusammen wohnen, verspreche ich dir, dich jeden Tag zu bekochen.“ „O-okay“, sagte Ciel. Seine Wangen wurden unter Sebastians intensivem Blick warm. Bei dem Gedanken, dass sie in ein paar Jahren zusammen wohnen würden, und dann vielleicht sogar im selben Bett schlafen würden, schlug sein Herz vor aufgeregter Vorfreude schneller. Nach dem Essen half Ciel Sebastian sogar beim Abwasch, da dieser ihm eine Belohnung versprochen hatte, sollten alle Aufgaben richtig beantwortet sein. Aufgeregt stand Ciel kurz darauf neben seinem Lehrer und wartete darauf, dass dieser mit dem Korrigieren endlich fertig wurde. Als Sebastian, für Ciel nach einer gefühlten Ewigkeit, fertig war, lächelte er den Kleineren an: „Volle Punktzahl! Das hast du gut gemacht!“ Ein kleines, stolzes Lächeln schlich sich auf Ciels Lippen. Was würde nun wohl die Belohnung sein? Vielleicht noch etwas Süßes? Sebastian stand auf, zog ihn zu sich und setzte sich auf sein großes Sofa, den Kleineren wieder auf seinem Schoß. „Schließ deine Augen“, flüsterte er, „und mach deinen Mund auf.“ Ciel tat wie ihm geheißen und spürte wie sein Herzschlag sich vor Aufregung beschleunigte. Plötzlich spürte er eine fremde Zunge in seinem Mund und zuckte ein kleines bisschen zusammen. Sebastians Zunge umkreiste seine eigene und forderte sie zum Spielen heraus. Ciel krallte sich in das Oberteil des Größeren, sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Seine Emotionen fuhren Achterbahn und in seinem Magen flatterte es so heftig, dass er sich festhalten musste. Als sie sich voneinander lösten hauchte er ein leises ‚wow‘ und lehnte sich mit verträumtem Blick an Sebastians Brust. Er hatte nicht gewusst, dass man sich auch so küssen konnte. Der Größere lächelte sanft und strich ihm über die erhitzte Wange. Zärtlich legte er seine Arme um den kleineren Körper auf seinem Schoß. Sie saßen lange einfach nur so da. Ciel lauschte dem ruhigen, gleichmäßigen Herzschlag von Sebastian, genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte und atmete zufrieden seinen angenehmen Geruch ein. So könnte es immer sein, dachte er und merkte nicht, wie er langsam ins Reich der Träume abdriftete. Er hatte in der letzten Nacht aufgrund der Aufregung und Vorfreude kaum geschlafen. Mit einem sanften Lächeln stellte Sebastian fest, dass Ciel eingeschlafen war. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, stand er auf und legte ihn dann auf sein großes Sofa. Von seinem Sessel nahm er eine Decke und legte sie über den schlafenden Jungen. Dann legte Sebastian sich vorsichtig neben ihn und zog ihn in seine Arme. Zufrieden betrachtete er Ciels entspanntes, schlafendes Gesicht. So wirkte er noch jünger und zerbrechlicher als er ohnehin schon war. Kapitel 13: Das Date -------------------- Als es an der Zeit war, dass Ciel wieder nach Hause musste, weckte Sebastian ihn sanft. Er streichelte über seine Wange und fuhr durch die weichen, aschblauen Haare. Der Kleinere gab ein zufriedenes Schnaufen von sich, dann öffnete er blinzelnd seine Augen. „Was ist denn los?“, fragte er müde. „Es wird langsam Zeit für dich nach Hause zu gehen“, sagte Sebastian mit einem sanften Lächeln. „Schon?“ Der Unwille war deutlich aus Ciels Stimme herauszuhören. „Ja, sonst könnte es auffällig werden.“ Als Antwort erhielt er nur ein Murren. „Na komm, dein Fahrer wird gleich da sein“, sagte Sebastian, setzte sich auf und zog den Kleineren mit sich. Dieser ergab sich allmählich seinem Schicksal, auch wenn er am liebsten für den Rest des Tages so liegen geblieben wäre. Es dauerte keine fünf Minuten, dann klingelte es auch schon an der Tür. Seufzend nahm Ciel seine Schultasche und ging in den Flur um seine Schuhe anzuziehen. Sebastian folgte ihm und drückte ihn noch einmal, dann öffnete er die Tür und sie verabschiedeten sich. Auch, wenn sie sich am Montag schon wieder sehen würden, waren sie dann nur Schüler und Lehrer. Nicht mehr, nicht weniger. Bei diesem Gedanken wurde Ciel ein wenig traurig. Zum zweiten Mal seit Jahren hatte er wieder neben einer anderen Person geschlafen. Als Kinder hatten er und Celest oft in einem Bett geschlafen, vor allem bei Gewittern. Zu Hause angekommen führte ihn sein Weg zuerst in sein Zimmer. Dort stellte er seine Tasche ab und nahm sein Smartphone zur Hand. Keine neuen Nachrichten. Seufzend legte Ciel es auf seinen Schreibtisch und warf sich auf sein Bett. Seinen Kopf legte er auf seine Arme und atmete tief durch die Nase ein. Verwundert roch er an dem Ärmel seines blauen Pullovers. Es roch nach Sebastian. Auch wenn es nicht stark war, es war definitiv sein Geruch. Ein glückliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen und in seinem Bauch kribbelte es sanft. Wie es wohl wäre, wenn sein ganzes Bett nach Sebastians duften würde? Sein Herzschlag beschleunigte sich bei dieser Vorstellung. Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug und dann standen schon die Sommerferien vor der Tür. Celest war nach wie vor der Einzige, der von ihrer Beziehung wusste. Bisher hatte Ciel seinen Eltern gegenüber immer gesagt, er würde wegen der Nachhilfe zu Sebastian gehen, doch diese Ausrede konnte er nun, da die Ferien begonnen hatten, nicht mehr verwenden. So kam es, dass sie sich seit über einer Woche nicht mehr gesehen hatten. Zwar war Celest wieder zu Hause, doch dieser verbrachte seine Zeit hauptsächlich mit seiner Freundin Elizabeth. Ciel beneidete die beiden. Sie konnten so oft Zeit miteinander verbringen wie sie wollten. Er seufzte. Sollte er Sebastian schreiben? Aber was sollte er ihm schreiben? Ob er zu ihm konnte? Wie gerne würde er mal etwas mit ihm unternehmen. Oder über Nacht bleiben! „Ciel, mein Schatz, stimmt etwas nicht?“, fragte seine Mutter während dem Mittagessen besorgt. Bevor er antworten konnte sagte Celest lachend: „Er hat bestimmt nur Sehnsucht nach jemandem.“ Ciel öffnete seinen Mund um ihm zu widersprechen, doch sein Bruder zwinkerte ihm unauffällig zu. „Was? Hast du etwa jemanden kennengelernt, Ciel?“, fragte seine Mutter begeistert. „Uhm … ja“, antwortete er unsicher. „Aaww mein kleiner Ciel ist verliebt!“, schwärmte Rachel. Dieser wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham. Es stimmte zwar, aber es war ihm trotzdem peinlich. „Woher kennt ihr euch denn?“, kam auch sogleich die erste, neugierige Frage. „Von- von der Schule“, antwortete Ciel wahrheitsgemäß. Nach dem Essen, das sich endlos in die Länge gezogen hatte, verzog er sich erst einmal in sein Zimmer. Zum Glück hatte Celest ihre gemeinsame Mutter abgelenkt, sodass sie keine weiteren Fragen über die Person stellen konnte, in die er verliebt war. Schließlich konnte er unmöglich sagen, dass er seit fast zwei Monaten mit seinem 10 Jahre älteren Lehrer zusammen war! Er seufzte tief. Jeden Tag wurde der Wunsch, endlich wieder bei ihm zu sein, immer größer. Wie sollte er nur die nächsten zwei Jahre so durchhalten? Das Vibrieren seines Handys, das neben ihm lag, ließ ihn zusammenzucken. Überrascht schaute er auf das Display, wer ihm geschrieben haben könnte. Sein Herz klopfte sogleich heftiger in seiner Brust, als er sah, dass die Nachricht von Sebastian war. Schnell öffnete Ciel sie und las. Er wollte mit ihm ins Kino und Essen gehen. Sein Herz machte einen Hüpfer. War das etwa eine Einladung zu einem Date? Schnell sprang Ciel auf, verließ sein Zimmer und klopfte ein paar Meter weiter an die Zimmertür seines Bruders. Dieser bat ihn auch gleich herein. Überrascht betrachtete er den Kleineren, der versuchte, sein breites Grinsen zu unterdrücken. „Was ist los?“, fragte Celest neugierig. So kannte er ihn gar nicht. Als Antwort wurde ihm ein Smartphone entgegen gestreckt, auf dem immer noch Sebastians Nachricht geöffnet war. „Er lädt dich zu einem Date ein!“, sagte Celest breit grinsend. Ciel nickte, er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Doch plötzlich schlug seine Freude in Besorgnis um: „Aber was, wenn uns jemand als Lehrer und Schüler erkennt?“ Celest zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen. Natürlich war dieser Einwand berechtigt, aber die Wahrscheinlichkeit war lächerlich gering. Außerdem wollte er ihm nicht die Vorfreude auf sein erstes Date verderben. „Ciel, so etwas wird nicht passieren. Jetzt sag ihm erst einmal zu, und dann werde ich dich schon so herrichten, dass du älter aussiehst.“ Celests Zuversicht war ansteckend, und so schrieb Ciel schnell eine Antwort. Am Abend, im Schlafzimmer des Ehepaar Phantomhive, freute Rachel sich immer noch darüber, dass ihr kleiner Ciel eine Freundin gefunden hatte. Sie war bestimmt sehr hübsch, klug und kam aus gutem Haus. Sie schwärmte ihrem Mann Vincent vor, wie sie sich das Mädchen vorstellte. Dieser hörte ihr lächelnd zu. Nachdem sie das Licht gelöscht hatten, und Vincent sie in seine Arme gezogen hatte, war dieser schon fast eingeschlafen, als Rachel sich zu ihm umdrehte und ihn mit großen Augen durch die Dunkelheit anstarrte: „Ciel hat gesagt er hätte das Mädchen in der Schule kennengelernt. Aber er geht doch auf eine reine Jungenschule!“ „Liebling, dass es ein Mädchen ist hat er nicht gesagt, das hast du nur angenommen. Aber solange er glücklich ist, ist das Geschlecht doch egal“, nuschelte Vincent. „Ja, du hast recht“, sagte Rachel beruhigt und kuschelte sich zurück in seine Arme. Am nächsten Tag ließ Ciel sich zusammen mit Celest nach London fahren. Dieser traf sich mit Elizabeth. Nervös stand Ciel überpünktlich am Treffpunkt. Unruhig kaute er auf seiner Unterlippe. Zu Hause war er sich noch sicher gewesen, dass sein Outfit eine gute Idee war, doch jetzt war er nicht mehr so überzeugt davon. Aber ein Zurück gab es nun auch nicht mehr. „Ciel?“ Überrascht schaute der Angesprochene auf. Vor ihm stand Sebastian, gutaussehend wie immer. Augenblicklich beschleunigte sich sein Herzschlag und die Schmetterlinge in seinem Bauch begannen zu fliegen. Der Größere trug eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel er nach hinten gekrempelt hatte. Die ersten Knöpfe waren offen, so dass man gut die helle Haut darunter sehen konnte. „Wie siehst du denn aus?“, fragte Sebastian belustigt und ließ seinen Blick musternd über Ciel gleiten. Dieser schaute peinlich berührt zu Boden. „Ich wollte älter aussehen“, gab er kleinlaut zu. „Naja, so wie du sonst aussiehst gefällst du mir aber besser“, lächelte Sebastian und wuschelte ihm durch die streng nach hinten gekämmten, aschblauen Haare. Eine Frisur, die seiner Tante Frances sehr gefallen würde. Das hellblaue Hemd, das akkurat in die königsblaue Stoffhose gesteckt war, zog er ein wenig heraus, sodass es locker um Ciels schmalen Oberkörper fiel. Die blaue Schleife lockerte er und öffnete die obersten Knöpfe von dem hellblauen Hemd. „Das ist schon viel besser“, lächelte Sebastian. Verlegen und mit rosa Wangen senkte Ciel seinen Blick. Zugegeben, er hatte einige seltsame Blicke von Passanten zugeworfen bekommen, aber so wirkte er doch wieder viel mehr wie ein kleiner Junge, was nicht zuletzt an seiner geringen Körpergröße lag. "Gehen wir?", fragte Sebastian und deutete mit einem Nicken in die Richtung, in der das Kino lag. Der Kleinere nickte und lächelte ein wenig. Trotz der Nervosität freute er sich über ihr erstes, gemeinsames Date. „Gibt es einen bestimmten Film den du sehen willst?“, fragte Sebastian auf dem Weg zum Kino, das sich in einem großen Einkaufszentrum befand. Ciel schüttelte als Antwort mit dem Kopf. Da er erst 15 Jahre alt war, war die Auswahl an Filmen, die keine Kinderfilme waren, die für unter 16 Jährige freigegeben waren und noch dazu am Nachmittag liefen, nicht sonderlich groß. Sebastian würde den Film sowieso langweilig finden. Wieso gingen sie überhaupt ins Kino? Als sie vor dem Eingang des Kinos ankamen, deutete der Größere auf ein Plakat: „Wie wäre es mit diesem Film?“ Es war eine Komödie. „Okay“, stimmte er schulterzuckend zu. Der Titel sagte ihm nichts, aber er interessierte sich auch nicht sonderlich dafür welche Filme gerade aktuell waren. Sebastian kaufte die Karten und fragte an Ciel gewandt: „Möchtest du Popcorn?“ „Nein danke.“ Später würden sie noch essen gehen, da musste er sich jetzt nicht mit Süßkram vollstopfen. Im Kinosaal war es schon ziemlich dunkel, die Vorstellung würde gleich beginnen. Ciel schaute sich auf dem Weg nach oben, in die letzte Reihe, neugierig um. Er war noch nicht oft in einem Kino gewesen. So kam es, dass er durch das kaum vorhandene Licht eine Stufe übersah und ins Straucheln geriet. „Woah!“ Durch seinen erschrockenen Ausruf alarmiert reagierte Sebastian sofort und fing ihn auf. „Hast du mich denn so sehr vermisst?“, fragte er schmunzelnd und stellte Ciel wieder hin. Dieser grummelte und war froh, dass es so dunkel war in dem Kinosaal. Seine Wangen waren bestimmt knallrot, so heiß wie sie sich anfühlten. Als sie sich setzten begann gerade die Werbung. Nachdem diese vorbei war wurden noch ein paar Vorschauen für kommende Filme gezeigt, dann ging der eigentliche Film endlich los. Verwundert schaute Ciel sich um: „Sind wir etwa die Einzigen hier?“ „Scheint so“, stimmte Sebastian ihm zu. Umso besser, dachte er sich im Stillen. Als nach weiteren 20 Minuten tatsächlich niemand mehr gekommen war stand Sebastian plötzlich auf. „Was ist los? Willst du raus?“, fragte Ciel überrascht. „Nein“, lächelte der Größere und hob ihn aus seinem großen Sitz. Erschrocken hielt Ciel sich an ihm fest. Sebastian setzte sich zurück auf seinen Platz, während er den Kleineren weiterhin im Arm hielt. „Was-was soll das denn werden?“, fragte dieser unsicher. „Ist es so nicht viel besser?“, fragte Sebastian schmunzelnd. „So kann ich den Film aber nicht sehen“, grummelte Ciel. „Bin ich nicht viel interessanter?“ Augenblicklich begannen seine Wangen wieder zu glühen. Sebastian beugte sich ein Stück nach vorne und verschloss Ciels Lippen mit seinen eigenen. Dieser schlang seine Arme um den Hals des Größeren und drückte sich näher an ihn. Unbewusst rieb er sich ein wenig an ihm. Als sie sich voneinander lösten funkelte Sebastian ihn belustigt an. „Was ist?“, fragte Ciel misstrauisch. Mittlerweile kannte er den anderen gut genug um zu wissen, dass dieser sich über ihn amüsierte. „Das ist“, schmunzelte Sebastian und sein Blick deutete nach unten. Ciel folgte ihm mit den Augen und schnappte erschrocken nach Luft. In seiner Hose zeigte sich tatsächlich eine Beule! So etwas war ihm noch nie passiert und er wollte sich ganz schnell irgendwo verkriechen und nicht mehr heraus kommen. Doch der Boden war nicht so gnädig mit ihm und öffnete sich nicht, damit er darin verschwinden konnte. Ciel versteckte sein Gesicht hinter seinen Händen. Das war so unfassbar peinlich! „Hey, das muss dir doch nicht peinlich sein“, sagte Sebastian mit einem sanften Lächeln, zog Ciels Hände von seinem Gesicht weg und hielt sie stattdessen in seinen eigenen. Ciel wendete beschämt sein glühendes Gesicht ab. „Das ist eine ganz normale Reaktion deines Körpers.“ „Und wieso passiert dir dann sowas nicht?“, wollte er herausfordernd wissen. „Weil ich schon erwachsen bin und mich besser im Griff habe“, sagte Sebastian mit einem liebevollen Lächeln und strich Ciel eine aschblaue Haarsträhne aus dem Gesicht. Dieser entzog dem Größeren seine Hände und verschränkte stattdessen seine Arme vor seiner schmalen Brust. Das war so unfair! Er wollte auch endlich erwachsen sein! Sebastian zog ihn lächelnd in seine Arme. Eigentlich war das nur die halbe Wahrheit gewesen. Da er wusste, er würde sich nicht immer so im Griff haben und das letzte Mal für ihn schon recht lange her war, hatte er sich zuvor schon zu Hause Erleichterung verschafft. Er wollte Ciel schließlich nicht mit einer großen Beule in seinem Schritt verschrecken, da der Junge sicherlich noch nicht bereit war für Sex. Bis der Film zu Ende war hatte Ciel sich wieder beruhigt und sie verließen den Kinosaal. „Möchtest du etwas Bestimmtes essen?“, fragte Sebastian ihn. Als Antwort erhielt er nur ein Kopfschütteln. Beim Rausgehen konnte er noch hören wie die eine Kassiererin der anderen zuflüsterte: „Echt süß wie er sich um seinen kleinen Bruder kümmert.“ Er schmunzelte, sie sahen sich doch nicht einmal ähnlich. „Hast du Lust auf Pizza? Ich kenne einen guten Italiener in der Nähe“, schlug Sebastian vor. „Hm“, war Ciels Antwort. Sebastian seufzte leise und blieb stehen. Er packte den Kleineren am Handgelenk und drehte ihn zu sich um. „Bist du etwa immer noch wütend?“ Da er keine Reaktion erhielt legte er einen Zeigefinger unter Ciels Kinn und zwang ihn somit ihn anzusehen. „Das muss dir nicht peinlich sein. Ich mache mich auch nicht lustig über dich, eher im Gegenteil! Es freut mich, dass du auch körperlich auf mich reagierst.“ Ciel schluckte unter dem intensiven Blick aus rotbraunen Augen. „Hör auf dich über mich lustig zu machen!“, fauchte er und trat einen Schritt zurück. Sebastian fuhr sich seufzend durch die schwarzen Haare: „Was willst du denn hören, damit du mir glaubst? Ich möchte gerne weiter gehen als Küssen, aber du bist noch nicht bereit dafür und ich werde dich bestimmt nicht dazu zwingen, wenn du es nicht willst!“ Sebastian beugte sich zu ihm hinunter und raunte ihm ins Ohr: „Glaub mir, sobald du 18 geworden bist und es auch willst werde ich mich nicht mehr zurückhalten.“ Ciel schauderte, als der warme Atem sein Ohr streifte. Irgendwie hatte es beinahe wie eine Drohung geklungen. Für einen Moment schien es so, als würde Sebastian ihn küssen, doch da sie in der Öffentlichkeit waren richtete er sich wieder auf. „Gehen wir?“, fragte er lächelnd. Ciel nickte mit rosa Wangen. Sie liefen schweigend nebeneinander, bis sie ein kleines Lokal erreichten. Sebastian hielt ihm die Tür auf und folgte Ciel dann nach drinnen. Die Einrichtung bestand aus Holz und warmen Rottönen und lud direkt zum Wohlfühlen ein. Ein Kellner kam direkt zu ihnen: „Ein Tisch für zwei?“ Sebastian bejahte und sie wurden zu einer Nische geführt, in der sie etwas abgeschottet waren von dem Rest des Lokals. Sie setzten sich und erhielten direkt zwei Karten. „Warst du schon einmal hier?“, fragte Ciel. Er war noch nie in so einem Laden gewesen. Wenn er mit seinen Eltern essen ging war es immer ein gehobenes Restaurant. „Schon öfter, das Essen hier ist wirklich gut“, lächelte Sebastian. „Kannst… kannst du mir etwas empfehlen?“, fragte Ciel kleinlaut. Auch wenn die Karte nicht zu vollgestopft war, er konnte mit den Bezeichnungen nichts anfangen. „Hmm … wie wäre es damit?“, fragte Sebastian und deutete auf eine Pizza. Ciel las sich kurz durch was als Belag drauf sein würde, dann nickte er. „Die nehme ich.“ Kurz darauf kam die Bedienung um ihre Bestellung aufzunehmen. Fast schon krampfhaft überlegte Ciel was er sagen sollte. Die fast schon unangenehme Stille zwischen ihnen wurde nur durch leise Musik, die aus verschiedenen Lautsprechern kam, unterbrochen. „Bist du nervös?“, fragte Sebastian plötzlich und ließ ihn aufschrecken. „Was? Wieso? Wie-wie kommst du darauf?“, fragte Ciel überrascht. „Weil du die ganze Zeit schon auf den Tisch starrst und auf deiner Unterlippe kaust“, schmunzelte Sebastian. „Oh.“ Seine Wangen färbten sich wieder rosa. Seit wann wurde er denn ständig rot? „Etwas“, gab Ciel nach ein paar Momenten leise zu. „Das musst du doch nicht. Auch wenn das unser erstes richtiges Date ist sind wir nun schon zwei Monate zusammen“, lächelte Sebastian liebevoll. „Du hast recht“, gab Ciel zu, „aber es ist auch mein erstes Date überhaupt!“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Irgendwie hab ich alle meine ersten Male mit dir.“ „Ist das denn so schlimm?“, fragte Sebastian schmunzelnd. Ihn machte diese Tatsache glücklich. „Nein, eher im Gegenteil“, sagte Ciel und lächelte schüchtern. Kapitel 14: Ausflug am See -------------------------- Nach dem Essen spazierten sie noch durch einen Park in der Nähe. Fast überall waren Pärchen zu sehen. Gerne würde Ciel seine Finger mit Sebastians verschränken, so wie es fast alle hier taten. Doch abgesehen davon, dass sie vom selben Geschlecht waren, war er offensichtlich auch noch viel jünger. Ein wenig neidisch betrachtete er ein knutschendes Paar auf einer Bank am Rand des Wegs. Als hätte Sebastian seine Gedanken gelesen fasste er plötzlich nach seiner Hand und hielt sie in seiner eigenen, viel größeren. Als Ciel ihre verschränkten Hände betrachtete wurde ihm wieder einmal mehr als deutlich bewusst, dass er viel kleiner war als Sebastian. Verstohlen warf er einen Blick auf dessen Körpermitte. Ob er auch da größer wäre als er selbst? Bestimmt! Selbst Celest war in diesem Hinblick größer als er, und das obwohl sie gleichalt waren! Woher er das wusste? In den letzten Ferien hatte Ciel ihn versehentlich beim Duschen überrascht. Nicht, dass es seinen Bruder gestört hätte, als Kinder hatten sie oft zusammen gebadet, außerdem waren sie beide Jungs. „Was ist los?“, fragte Sebastian und riss ihn damit aus seinen trüben Gedanken. „Nicht so wichtig“, winkte Ciel ab. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt um über so etwas nachzudenken, er sollte stattdessen lieber die gemeinsame Zeit in vollen Zügen genießen. Doch auch der schönste Tag ging irgendwann zu Ende und es wurde für Ciel Zeit nach Hause zu gehen. Da Celest schon am vereinbarten Treffpunkt wartete, mussten sie sich beeilen. „Wenn du möchtest können wir das nächste Woche wiederholen“, schlug Sebastian lächelnd vor. „Gerne“, strahlte Ciel. Wie gerne er ihn jetzt küssen würde, dachte der Größere gequält. Zum Abschied wuschelte er ihm durch die aschblauen Haare und erntete dafür leisen Protest. „Melde dich, wenn du zu Hause bist, okay?“ „Mach ich!“ Dann trennten sich ihre Wege. Ciel schwebte auf Wolken, als er zu Celest ging, der wartend am Auto lehnte. „Na, hattest du Spaß?“, fragte er mit wissendem Unterton. „Oh ja!“, strahlte der Kleinere. Alles in allem war es ein wirklich tolles erstes Date gewesen. In der darauffolgenden Woche fuhren Ciels und Celests Eltern für vier Tage weg. Ihr Vater hatte einen Geschäftstermin in Deutschland und wollte bei der Gelegenheit gleich noch Diedrich besuchen. Seine Frau Rachel begleitete ihn. Ciel konnte sein Glück kaum fassen. Endlich hatte er die Möglichkeit bei Sebastian zu übernachten! Schnell schrieb er ihm einen Nachricht: „Meine Eltern fahren nächste Woche für ein paar Tage weg!“ Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Mit klopfendem Herzen öffnete Ciel die neue Nachricht: „Wenn das so ist, hast du Lust nächste Woche mit mir an einen See zu fahren?“ Okay, irgendwie war das enttäuschend. Wollte Sebastian nicht, dass er über Nacht blieb? Dementsprechend fiel auch seine Antwort aus: „Ja, wieso nicht.“ Kaum hatte er auf Senden gedrückt erschien schon eine neue Nachricht. Auch von Sebastian: „Da wir ein ganzes Stück zu dem See fahren, könnten wir uns ein Hotelzimmer nehmen und dann in aller Ruhe am nächsten Tag, nach dem Frühstück, nach Hause fahren ;)“ Ciel gluckste freudig und sein Herzschlag beschleunigte sich wieder. Zum ersten Mal würde er die Nacht mit Sebastian verbringen! Hoffentlich würde diese eine Woche schnell vorüber gehen! Eine Woche später war es dann endlich soweit. Die letzten zwei Tage war Ciel wie auf heißen Kohlen gesessen. Am Tag zuvor waren seine Eltern abgereist. Celest war kurz darauf zu Lizzy gefahren, die beiden wollten einen Ausflug ins Grüne machen und fuhren in das Ferienhaus ihrer Eltern. Während der Fahrt nach London ging Ciel immer wieder seine Packliste durch um sicher zu gehen, dass er auch alles dabei hatte. Die wichtigen Dinge, wie eine Badehose, frische Unterwäsche, Geld, sein Smartphone und sein Asthmaspray, hatte er dabei. Er ließ sich direkt bis zu Sebastians Wohnung fahren. Kaum angekommen sprang Ciel schon aus dem Auto und zog seine Tasche mit sich. Noch bevor er die Haustür erreicht hatte wurde diese schon geöffnet. Sebastian sah ihm lächelnd entgegen. Er trug eine knielange, schwarze Hose und ein schlichtes, rotes T–Shirt. Bei diesem Anblick begann es augenblicklich wieder in Ciels Bauch zu kribbeln. Sein Freund sah wirklich unfassbar gut aus. Kaum war die Haustür hinter ihm leise ins Schloss gefallen zog Sebastian ihn zu sich und küsste ihn zur Begrüßung. In der Wohnung war es angenehm kühl, wie Ciel feststellte. Da sie Hochsommer hatten war es extrem warm draußen. Zu warm. „Wenn du möchtest können wir gleich los“, lächelte Sebastian. „Okay“, nickte Ciel. Sein Herz klopfte immer noch viel zu heftig in seiner Brust. Würde das jemals aufhören? Sebastian schulterte eine Reisetasche und nahm noch einen Picknickkorb in die Hand. Auf Ciels fragenden Blick sagte er schmunzelnd: „Ich habe uns noch Essen vorbereitet.“ An so etwas hatte er gar nicht gedacht. Kurz darauf saßen sie in Sebastians Auto, das Gepäck im Kofferraum verstaut. Da es unter der Woche am Vormittag war, war zu ihrem Glück nicht viel auf den Straßen los. Die Fahrt dauerte über zwei Stunden. Sie fuhren erst zu dem Hotel, in dem Sebastian ein Doppelzimmer reserviert hatte, und checkten ein. Ciel trug eine Sonnenbrille, ein blaues T-Shirt, eine blau-grün karierte Hose und weiße Sneaker. Die Frau hinter der Theke hatte jedoch nur Augen für Sebastian. Ciel konnte die kleinen, rosa Herzchen schon fast sehen, die die Frau zu seinem Freund schickte. Wütend ballte er die Hände zu Fäusten. Was fiel der eigentlich ein? Sebastian war sein Freund! Am liebsten hätte er ihr das in diesem Moment entgegen geschrien, doch da wurde schon ein Arm um seine schmalen Schultern gelegt und er Richtung Aufzug gezogen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann war dieser schon da und sie stiegen ein. Kaum hatten sich die Türen des Fahrstuhls geschlossen zog Sebastian Ciel zu sich und küsste ihn. Dieser schlang haltsuchend seine Arme um den Hals des Größeren. Als ein leises ‚Ping‘ die Ankunft in ihrem Stockwerk ankündigte lösten sie sich wieder voneinander. Schweigend gingen sie zu ihrem Zimmer. „Warst du etwa gerade eifersüchtig?“, fragte Sebastian belustigt, nachdem sie ihr Hotelzimmer betreten hatten. Eifersüchtig? Er? Ciel gab nur ein Schnaube von sich. Damit war dieses Thema vorerst beendet. Sie stellten ihre Taschen ab und verließen dann wieder das Hotel, schließlich wollten sie zum See. Auf dem Weg zum Auto und auch während der Fahrt dachte Ciel darüber nach, ob es tatsächlich Eifersucht gewesen war, das er empfunden hatte. Aber was sollte er machen, wenn eine dahergelaufene Möchtegern-Barbie seinen Freund mit ihren Blicken schon fast auszog? „Wir sind da“, sagte Sebastian plötzlich und riss Ciel damit aus seinen Gedanken. Überrascht schaute er sich um. Sie waren irgendwo im Nirgendwo, umgeben von der Natur. „Es ist schön hier.“ Sebastian lächelte: „Wenn dir das hier schon gefällt, dann warte mal ab bis du den See siehst!“ Er stieg aus, drückte Ciel eine Tasche in die Hand, dann nahm er den Picknickkorb und eine Decke aus dem Kofferraum. Im Hotel hatten sie ihre Badehosen schon angezogen und Handtücher in eine Tasche gepackt. Sie liefen ein Stück durch eine Art kleiner Wald, dann erstreckte sich vor ihnen ein großer, blauer See, der in der Sonne einladend glitzerte. „Wow“, hauchte Ciel. Staunend schaute er sich um. Sie waren tatsächlich allein hier! „Na komm“, sagte Sebastian und zog ihn noch ein Stück weiter. Im Schatten stellten sie ihre Sachen ab und breiteten die mitgebrachte Decke aus. Ohne zu zögern entledigte sich Sebastian seiner Schuhe und seines T-Shirts. Ciel, der sich ebenfalls bis auf seine Badehose ausgezogen hatte, schluckte unweigerlich bei diesem Anblick. Plötzlich wollte er sein Shirt lieber wieder anziehen. Sebastian war, im Gegensatz zu ihm, durchtrainiert und unter seiner Haut bildeten sich definierte Muskeln ab. „Was ist?“, fragte er verwundert, als Ciel Anstalten machte sich wieder anzuziehen. „Ich…“, beschämt senkte er seinen Blick und versuchte seinen schmächtigen Oberkörper mit seinen Armen zu bedecken. Erfolglos. „Ciel“, sagte Sebastian liebevoll und löste sanft dessen Arme von seinem Oberkörper. „Schämst du dich etwa?“ Ein sachtes Nicken war die Antwort. Sebastian nahm Ciels Hände in seine eigenen: „Es gibt keinen Grund dazu! Außerdem sind wir hier allein.“ „Doch“, widersprach er leise. „Warum?“ „Findest du mich nicht abstoßend?“, fragte der Kleinere so leise, dass Sebastian es beinahe nicht verstanden hätte. „Nein. Ciel, ich liebe dich so wie du bist. Genau so. Du bist wunderschön, so wie du bist.“ Liebevoll sah er ihn aus rotbraunen Augen an. Ein leichtes Lächeln legte sich auf Ciels Lippen. Im nächsten Moment quiekte er erschrocken, als Sebastian ihn ohne Vorwand hochnahm und ins Wasser ging. „Hey! Lass mich runter!“, begann Ciel zu protestieren und zu strampeln. „Wie du möchtest“, sagte Sebastian, als er hüfttief im Wasser stand und ließ ihn in das kühle Nass des Sees fallen. Erschrocken japste der Kleinere nach Luft und tauchte Sekunden später hustend wieder auf. „Was sollte das denn?!“, fragte er wütend. „Du hast doch selbst gesagt, ich soll dich loslassen“, erwiderte Sebastian amüsiert und seine Augen funkelten vor Belustigung. „Hmpf!“, war Ciels Antwort darauf, als er seine Arme vor seiner schmalen Brust verschränkte und sich beleidigt von dem anderen wegdrehte. Sebastian lachte leise hinter vorgehaltener Hand, als ihn plötzlich ein Schwall kühles Wasser traf. Überrascht weiteten sich seine Augen, dann funkelte er Ciel gespielt böse an und holte zum Gegenangriff aus: „Na warte!“ Lachend versuchte der Kleinere zu flüchten. Allerdings war das gar nicht so einfach, da ihm das Wasser fast bis zur Brust ging. Kurz bevor Sebastian ihn erreicht hatte, tauchte er unter und schwamm ein Stück weiter. Als er wieder auftauchte stand er schon fast bis zum Hals im Wasser. Verwundert sah er sich um, von Sebastian war keine Spur zu sehen. Wo konnte er denn sein? Da die Sonne sehr hoch stand spiegelte die Wasseroberfläche, so dass Ciel nicht ausmachen konnte, was sich darunter befand. Ein paar Augenblicke später stieß er einen erschreckten Laut aus. Reflexartig wollte er einen Sprung zur Seite machen, etwas hatte ihn am Fuß gestreift, doch da dieser festgehalten wurde, wäre er beinahe untergetaucht. Jemand hob ihn hoch und lachte. „Hab ich dich!“ Sebastian hielt ihn auf einem Arm und Ciel schlang seine Arme um den Hals des Größeren. „Ja…“, seine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen. Immer mehr versank er in den schönen, rotbraunen Augen Sebastians. Unbewusst zog er diesen immer näher, bis sich ihre Lippen trafen. In diesem Moment gab es nur sie beide, nichts anderes zählte. Die Schmetterlinge in Ciels Bauch flogen wie verrückt. Als sie sich wieder voneinander lösten legte sich ein glückliches Lächeln auf seine Lippen. Sebastians Blick war voller Liebe. Zärtlich strich er eine nasse, aschblaue Haarsträhne aus dem Gesicht des Kleineren. Dieser schwebte gedanklich auf Wolke 7 und konnte seine blauen Augen gar nicht mehr von dem anderen abwenden. Für beide blieb die Zeit an diesem friedlichen, abgeschiedenen Ort stehen. Nach einer Weile hörten sie Stimmen und Gelächter. Sebastian seufzte: „Wollen wir raus und etwas essen?“ Bevor Ciel antworten konnte grummelte sein Magen. Verlegen und mit rosa Wangen drehte er seinen Kopf zur Seite. Der Größere lachte leise und machte sich auf den Weg zum Ufer, seinen Freund weiterhin auf dem Arm tragend. Kaum waren sie an ihrem Platz angekommen tauchte eine Gruppe Jugendlicher auf. Das war es dann mit der trauten Zweisamkeit. Sebastian setzte Ciel ab und begann den mitgebrachten Picknickkorb, der Innen eine Kühltasche war, auszuräumen. Es gab belegte Brote mit Gurkenscheiben, kleinen Tomaten und in Streifen geschnittene Paprika. Als Nachtisch hatte er einen Obstsalat gemacht. Begeistert begann Ciel zu essen. Egal was Sebastian in der Küche fabrizierte, es war immer köstlich. Allmählich kamen immer mehr Menschen, auch Eltern mit ihren kleinen Kindern, die dann endgültig die Ruhe vertrieben hatten. „Können wir gehen?“, fragte Ciel mit genervtem Unterton in der Stimme. Er hatte sich von diesem Ausflug erhofft mit Sebastian allein zu sein, da brauchte er nicht so einen Menschenauflauf. „Lass uns erst mal zurück ins Hotel fahren und duschen“, stimmte der Größere zu. Er wollte auch lieber mit Ciel allein sein. Das war gerade mal ihr zweites Date, weil sie zu Hause sich nicht ohne weiteres zusammen in der Öffentlichkeit sehen lassen konnten. In diesem Moment wünschte Sebastian sich nichts mehr, als dass Ciel endlich 18 Jahre alt werden würde und sie sich nicht mehr verstecken mussten. Doch darauf konnte er noch über zwei Jahre warten. Während der Fahrt zurück zum Hotel betrachtete Ciel die vorbeiziehende, überwiegend grüne Landschaft. „Es ist wirklich schön hier.“ Sebastian warf ihm einen kurzen Blick zu und lächelte: „Ja, das ist es wirklich.“ Im Hotel angekommen war immer noch die Frau von zuvor hinter der Rezeption und schmachtete Sebastian an. Dieser beachtete sie jedoch nicht weiter, während Ciel sie mit Blicken am liebsten getötet hätte. „Wollen wir später noch in die Stadt?“, fragte der Größere und riss ihn damit aus seinen düsteren Gedanken. „Äh klar, wieso nicht?“, antwortete Ciel und drängte sich näher an ihn. Sollten doch alle wissen, dass Sebastian zu ihm gehörte! Als sie in ihrem Zimmer angekommen waren ließ er Ciel den Vortritt zur Dusche. Normalerweise hätte er vorgeschlagen zusammen zu duschen, doch Sebastian wollte zum einen seine Selbstbeherrschung nicht komplett herausfordern, zum anderen war er sich nicht sicher, wie Ciel darauf reagieren würde. Offensichtlich war es ihm unangenehm sich auch nur in Unterwäsche vor ihm zu zeigen. Ein wenig konnte er es nachvollziehen, schließlich war Ciel nicht nur kleiner als andere in seinem Alter, er war auch fast schon zu dünn. Nicht, dass es Sebastian stören würde, er mochte ihn so wie er war. Auch wenn ein paar Kilo mehr ihm sicher nicht schaden würden. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als Ciel, nur mit einem weißen Handtuch um die schmalen Hüften gewickelt, aus dem Bad kam. Seine aschblauen Haare waren noch nass und einzelne Wassertropfen bahnten sich ihren Weg über seinen Oberkörper. „Ich bin fertig, du kannst jetzt rein“, sagte Ciel und kramte in seiner Tasche nach frischer Unterwäsche. Das leise Klicken des Schlosses verriet ihm, dass Sebastian im Bad war. Also löste er das Handtuch von seiner Hüfte und legte es auf das große Doppelbett. Gerade als er nach seiner Boxershorts greifen wollte kam der Größere aus dem Badezimmer und sagte: „Ich hab mein Shampoo verge-“ Der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken. Langsam ließ er seinen Blick über den nackten Körper vor sich schweifen. Ciel wurde unter der Musterung knallrot, vor allem als Sebastians rotbraune Augen an seiner Körpermitte hängen blieben. Erschrocken hielt er sich seine Hände davor und stotterte: „I-ich w-wachse noch!“ Das holte den Größeren wieder zurück in die Realität und er lachte verlegen: „Entschuldige, ich wollte dich nicht so anstarren.“ Ciels Gesicht glühte und er senkte peinlich berührt seinen Blick zu Boden. Also fand Sebastian ihn auch zu klein. Er wusste ja, dass er nicht sonderlich groß war, aber das nun auch noch ausgerechnet von seinem Freund bestätigt zu bekommen war zu viel! Seine Schultern bebten und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Sebastian ging auf ihn zu und legte seine Hände um Ciels die schmale Taille: „Hey, was ist denn los?“ Der Kleinere biss sich auf die Unterlippe und versuchte krampfhaft die Tränen herunterzuschlucken. Vergeblich. Sebastian zog ihn wortlos in seine Arme und hielt ihn fest. Sanft flüsterte er: „Ciel, ich habe dir schon am See gesagt, dass du keinen Grund hast dich zu schämen. Schon gar nicht vor mir! Ich hätte dich nicht so anstarren sollen, tut mir leid. Aber wenn ich meinen süßen Freund zum ersten Mal nackt sehe ist es beinahe unmöglich nicht hinzuschauen.“ Ein paar einzelne Tränen lösten sich aus Ciels blauen Augen und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Sein Herz schlug heftig in seiner Brust. Sebastian hatte ihn das erste Mal als seinen festen Freund bezeichnet! Kapitel 15: Abend im Hotel -------------------------- Sanft wischte Sebastian die schmalen Tränenspuren von Ciels rosigen Wangen, dann löste er sich langsam von ihm. „Ich werde jetzt schnell duschen gehen, dann können wir da weitermachen wo wir jetzt aufhören“, sagte er und zwinkerte dem Kleineren zu. Bevor dieser noch antworten konnte, war er schon im angrenzenden Bad verschwunden. Ein wenig ärgerte Ciel sich über sein Verhalten. Er wollte gar nicht wissen, was Sebastian jetzt von ihm dachte. Er wusste ihr Altersunterschied von zehn Jahren war groß, vor allem da er erst 15 und noch ein Teenager war. Sein Freund hingegen stand mit seinen 25 Jahren mit beiden Beinen im Leben, hatte einen Job, wohnte seit einigen Jahren alleine und hatte schon mindestens eine Beziehung. Doch als das Wasserrauschen im Bad nicht mehr zu hören war schob er seine trüben Gedanken beiseite, schließlich waren sie hier um ungestört ihre Zweisamkeit zu genießen! Als die Tür zum Badezimmer geöffnet wurde schlüpfte Ciel schnell in seine Boxershorts. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht einmal daran gedacht hatte sich anzuziehen. Er suchte nach einem T-Shirt in der mitgebrachten Tasche, in die sie ihre Sachen gepackt hatten, als sich zwei Arme um seinen Bauch legten. „Was hältst du davon, wenn wir uns später das Essen aufs Zimmer bringen lassen und für den Rest des Tages hier bleiben?“ Ciel schluckte. Es war gerade einmal Nachmittag und bis zu ihrer Abreise war es noch lange hin. Sie könnten so viel Zeit wie bisher noch nie miteinander verbringen, ohne dass sie jemand stören würde. In seinem Bauch begann es zu kribbeln und er drehte sich lächelnd in der Umarmung um. Statt einer Antwort legte er seine Arme um Sebastians Hals und zog diesen ein Stück nach unten, während er sich selbst auf die Zehenspitzen stellte. Glücklich legte er seine Lippen auf die des Größeren. Unzählige Blitzte jagten durch Ciels Körper, als er eine Zunge an seiner Unterlippe spürte. Bereitwillig gewährte er ihr Einlass. Sein ganzer Körper kribbelte. Plötzlich verlor er den Kontakt zum Boden. Sebastian hatte ihn hochgehoben und legte ihn vorsichtig auf das große Doppelbett, ohne den Kuss zu lösen. Als sie sich nach einiger Zeit voneinander lösten lächelte Ciel verträumt. Er hob seine Hand und streichelte durch Sebastians schwarze Haare und spielte mit den langen Ponysträhnen. Zärtlich fuhr er die Gesichtszüge des Größeren nach. Dieser hauchte einen sanften Kuss auf Ciels Handinnenfläche, als diese an seinem Mund ankam. Langsam beugte Sebastian sich zu ihm runter und küsste ihn wieder, diesmal leidenschaftlicher und fordernder als bisher. Seine rechte Hand setzte sich in Bewegung und streichelte Ciels linke Seite. Langsam wanderte die Hand weiter zu seiner schmalen Brust und dann nach unten zu dem flachen Bauch. Sebastian löste den Kuss, seine Lippen zogen eine feuchte Spur über Ciels Kinn zu seinem Hals. Sanft knabberte er an der zarten Haut des Kleineren. Dessen Herz raste und schlug so stark gegen seine Rippen, dass er befürchtete, es würde gleich heraus springen. In ihm mischte sich Aufregung mit Angst. Er dachte, Sebastian würde gleich aufhören, doch dieser küsste sich seinen Weg von seinem Hals weiter nach unten. Als er an Ciels Brust ankam und an seiner rosa Knospe saugte zog dieser erschrocken die Luft ein. Was war das gewesen? Irgendwie hatte es sich gut angefühlt. Aber irgendwie machte es ihm auch ein wenig Angst. Atemlos flüsterte er den Namen des Größeren. Doch dieser reagierte nicht und machte unbeirrt weiter. Er zog eine feuchte Spur von Ciels Brust zu seinem Bauchnabel. Kurz versank seine Zunge darin, was den Kleineren zusammenzucken ließ. Wieder flüsterte er seinen Namen, diesmal lauter. Den unsicheren Unterton hörte er nicht. Erst als seine Hand kurz darauf am Bund der Boxershorts entlang strich versuchte Ciel ihn mit aller Kraft wegzustoßen und schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen erschrocken an. „Se-Sebastian!“ Sein Herz raste und seine Atmung ging schwer und stockend. Über sich selbst erschrocken ließ dieser von ihm ab. „Entschuldige, Ciel! Ich hab mich mitreißen lassen. Es tut mir leid!“ Unsicher wurde er aus blauen Augen angeschaut. Seufzend fuhr Sebastian sich durch seine schwarzen, noch feuchten Haare. „Ich habe gesagt ich werde dich zu nichts zwingen, was du nicht auch willst, und daran halte ich mich auch. Versprochen!“ Mit einem liebevollen Lächeln hielt er Ciel die Hand hin, da dieser vor Schreck ein Stück von ihm weggerutscht war. Kurz zögerte dieser noch, doch dann ergriff er die dargebotene Hand und ließ sich in Sebastians Arme ziehen. „Es tut mir wirklich leid“, sagte dieser leise. „Schon okay … Ich hab mich nur erschreckt.“ „Entschuldige“, flüsterte der Größere und drückte ihm einen sanften Kuss auf den aschblauen Schopf. „Irgendwie … hat es sich komisch angefühlt. Aber auch gut“, sagte Ciel leise und durchbrach die angenehme Stille im Raum. „Es hat dir gefallen?“, fragte Sebastian mit überraschtem Unterton. „Ein bisschen“, gab der Kleinere mit roten Wangen leise zu. „Aber es hat mir auch Angst gemacht, als deine Hand plötzlich da unten war“, nuschelte er gegen Sebastians Brust. Dieser verstärkte die Umarmung noch ein wenig und legte sich dann mit Ciel im Arm hin. Zärtlich streichelte er den schmalen, nackten Rücken des Kleineren. „Das wollte ich wirklich nicht. Es soll dir gefallen, aber keine Angst machen.“ „Bist du böse?“, fragte Ciel unsicher und blickte ihn mit seinen großen, blauen Augen an. Sebastian schmunzelte: „Nein. Wie könnte ich auch? Du bist noch nicht bereit dafür und das ist okay. In deinem Alter habe ich das auch noch nicht gewollt.“ Erleichtert kuschelte Ciel sich wieder an ihn. Er hatte befürchtet Sebastian könnte nun enttäuscht von ihm sein oder ihn nicht mehr wollen, weil er sich so anstellte. Stattdessen traf er auf Verständnis. „Ich liebe dich“, flüsterte er leise. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Sebastian leise und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. Lange lagen sie so da, bis Ciel einschlief. Er war durch die ganze Aufregung und den langen Tag erschöpft. Erst sehr spät in der Nacht wachte er wieder auf. Das erste, das er wahrnahm, war, dass er nicht mehr in Sebastians Armen lag. Blinzelnd öffnete er seine Augen. Im Raum brannte nur schwaches Licht. „Na, wieder wach?“ Überrascht drehte Ciel sich um und blickte in Sebastians lächelndes Gesicht. Dieser legte das Buch weg, in dem er gerade gelesen hatte. „Mhm …“ Noch müde rieb Ciel sich die Augen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er eingeschlafen war. „Hast du Hunger?“, fragte Sebastian mit einem liebevollen Lächeln. Der Kleinere sah einfach zu niedlich aus mit seinen verwuschelten Haaren und dem noch etwas desorientierten Blick. „Mm ja“, war die leise Antwort. Sebastian stand auf und brachte ihm kurz darauf ein Tablett, dass er neben Ciel auf das Bett stellte. Auf dessen verwunderten Blick hin sagte er schmunzelnd: „Während du geschlafen hast habe ich Abendessen beim Zimmerservice bestellt. Lass es dir schmecken!“ „Danke“, lächelte Ciel. Sebastian verwöhnte ihn wirklich. Zurück in London blieb Ciel noch bis nach dem Mittagessen bei Sebastian, dann wurde er abgeholt. Der Abschied, auch, wenn er nicht für lange war, fiel ihm schwer. Sie hatten zwei wundervolle Tage miteinander verbracht und am liebsten wäre Ciel bei ihm geblieben. Zu Hause angekommen erwarteten ihn nur ein paar Bedienstete. Seine Eltern würden erst am nächsten Tag zurück sein, das hatten sie kurzfristig beschlossen, und Celest war mit Elizabeth im Ferienhaus ihrer Eltern. Hätte Ciel das gewusst, hätte er noch eine Nacht bei Sebastian bleiben können. So verbrachte er den Rest des Tages mit lesen. Der neue Krimi seines Lieblingsautors war so spannend und fesselnd, er konnte das Buch nicht zur Seite legen, nur wenn sein Magen schon knurrte vor Hunger oder die Natur rief. Doch irgendwann, als es schon recht spät war, siegte die Müdigkeit und Ciel beschloss schlafen zu gehen. Er hatte sich ein T-Shirt von Sebastian mitgenommen, das er in sein Bett mitnahm. Wenn er schon nicht neben dem anderen schlafen konnte, wollte er wenigstens etwas von ihm haben, das seinen Geruch hatte. Nachdem Ciel sich in seine Decke gekuschelt hatte, vergrub er seine Nase in dem Stoff des T-Shirts und schlief schnell ein. Am nächsten Tag ließ Ciel sich nachmittags zu Soma fahren. Er hatte dem Inder versprochen ihn an diesem Tag zu besuchen, das hatten sie schon vor einigen Wochen ausgemacht. Ciel hatte es beinahe vergessen. Nun stand er vor dem großen Stadthaus, in dem Soma wohnte. Kaum hatte er geklingelt wurde ihm auch schon die Tür geöffnet. Ein großer, junger Mann, offensichtlich indischer Abstammung, mit schneeweißen Haaren und einem freundlichen Lächeln begrüßte ihn höflich. „Prinz Soma, Euer Besuch ist da!“, rief er ins Innere des großen Hauses. „Kommt rein“, lächelte der Butler, „mein Name ist Agni. Wenn Ihr etwas benötigt müsst Ihr es nur sagen.“ Ehe Ciel etwas darauf erwidern konnte waren Schritte zu hören, die eilig eine Treppe herunter liefen. „Ciel~!! Endlich bist du da!“ Mit diesen Worten wurde er auch schon in eine kräftige Umarmung gezogen. „Soma, du erdrückst mich!“, würgte er. „Prinz Soma, lasst ihn los!“, sagte Agni streng, als der Angesprochene keine Anstalten machte den Kleineren wieder freizulassen. „Aber ich freu mich so, dass Ciel mich endlich mal besuchen kommt!“, protestierte er, ließ seinen Gast aber endlich frei. Dieser atmete erst einmal tief durch, um wieder genug Luft in seine Lungen zu pumpen. Doch ehe er sich versah wurde er schon am Handgelenk gepackt und mitgezogen. „Komm Ciel, ich hab ein neues Spiel, das müssen wir unbedingt ausprobieren!“, strahlte Soma und betrat das große Wohnzimmer. Dort schob er seinen Gast zu einer großen, schwarzen Coach und holte anschließend etwas von dem großen, eckigen Wohnzimmertisch. „Hier“, mit diesen Worten wurde Ciel ein Controller in die Hand gedrückt. „Deine Bildschirmhälfte ist links. Kennst du das Spiel?“ Ciel schüttelte verneinend mit dem Kopf. Auch wenn er Spiele mochte und gerne spielte, mit Videospielen hatte er sich bisher kaum beschäftigt. Kurz erklärte Soma ihm die Steuerung, dann startete er schon das Spiel. Es dauerte keine fünf Minuten, dann war Ciels Charakter schon tot. „Warte, ich belebe dich wieder!“, sagte Soma und ließ seine Figur zu der anderen laufen und belebte sie wieder. So musste er nicht so lange warten, bis er weiterspielen konnte. Eine knappe Stunde später pausierte Soma das Spiel und seufzte leise. „So funktioniert das nicht. Wenn ein Gegner kommt musst du ihn angreifen oder ausweichen, aber nicht einfach stehen bleiben!“ Ciel schnaubte. Sagte der so einfach! Er hatte noch nie so etwas gespielt, verständlich, dass er schlecht war! In diesem Moment kam Agni und brachte Tee und Gebäck. „Danke, Agni!“, strahlte Soma. „Sein Essen ist immer so köstlich, vor allem sein Curry! Nächstes Mal kommst du zum Mittagessen und Agni kocht für uns sein Curry, okay?“, fragte er an Ciel gewandt. Dieser lächelte leicht: „Wenn es so gut schmeckt, wie du sagst, gern.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile über Essen, Soma schwärmte hauptsächlich über Agnis Kochkünste, als plötzlich Ciels Handy klingelte. Verwundert schaute er nach, wer ihn denn nun anrief. Es war von zu Hause. „Entschuldige mich“, sagte er und verließ stirnrunzelnd den Raum. Was es wohl so dringendes gab, dass seine Eltern nicht warten konnten, bis er am Abend wieder zu Hause sein würde? Als er nach ein paar Minuten das Wohnzimmer wieder betrat war er leichenblass. „Ciel? Was ist los? Geht es dir nicht gut?“, fragte Soma besorgt. „Meine… meine Eltern…Krankenhaus…“, stammelte er, sein Blick ging ins Leere. „Deine Eltern sind im Krankenhaus?“, fragte der Ältere besorgt. Als Antwort erhielt er ein schwaches Nicken. „Wir bringen dich hin!“, sagte Soma, sprang auf und rief nach Agni. Was anschließend passierte zog an Ciel vorbei, als wäre die Welt in Watte gepackt. Der Weg ins Krankenhaus, Somas und Agnis Besorgnis, kaum etwas davon nahm er wahr. Erst als ein Arzt ihn ansprach und von seinen Eltern sprach lichtete sich der Nebel um seinen Verstand etwas. Wie in Trance schickte er Soma und Agni nach Hause, er wollte allein sein. Auch wenn der Inder lange protestierte, irgendwann gab er nach. Doch bevor er ging, rang er Ciel das Versprechen ab ihn anzurufen, sollte irgendetwas sein oder er doch jemanden brauchen, der an seiner Seite ist. Lange saß er einfach nur da und starrte ins Leere. Seine Eltern hatten einen Unfall gehabt, sie wurden operiert. Niemand konnte sagen, wie es um sie stand. Celest war nicht erreichbar, er hatte keinen Empfang in dem Ferienhaus und das Telefon dort nahm niemand ab. Ciel wusste nicht, wie lange er einfach nur dasaß, nichts dachte, nichts fühlte. Den ganzen Tag schon hatte er ein komisches Gefühl im Magen gehabt, ohne zu wissen warum. Als ihm dann mitgeteilt wurde, dass seine Eltern in einen schweren Unfall verwickelt worden waren, hatte er sich beinahe übergeben. Eine eiskalte Faust hielt seinen Magen umklammert. Und nun fühlte er nichts mehr. Da war nur Leere in seinem Inneren. Eine Schwester hatte ihm eine Decke über die Schultern gelegt, doch das hatte er nicht einmal mitbekommen. Sein Kopf war leer. Irgendwann formte sich etwas in seinen Gedanken, ein Name. Sebastian. Er musste Sebastian anrufen! Er brauchte ihn an seiner Seite. Sebastian musste kommen! Mit zittrigen, kalten Fingern zog er sein Smartphone aus seiner Hosentasche und entsperrte es. In der Anrufliste wählte er Den Namen seines Freundes aus und hielt sich das Gerät ans Ohr. Es tutete. Es tutete lange, dann ging die Mailbox dran. Langsam ließ er seine Hand sinken und legte auf. Er ging nicht dran. Ein paar Minuten später versuchte Ciel es wieder. Wieder die Mailbox. Umso mehr Zeit verstrich, umso verzweifelter wurde er. War ihm etwa auch etwas zugestoßen? Dieser Gedanke erfüllte ihn mit noch mehr Angst. Tränen brannten in seinen Augen. Das konnte nicht sein. Es durfte nicht! Immer wieder rief er ihn an und immer wieder ging nur die Mailbox dran. Als sein Akku beinahe leer war schrieb er Sebastian eine Nachricht: „Ich bin im Krankenhaus, meine Eltern hatten einen Unfall. Wo bist du?“ Kraftlos legte er das Gerät neben sich, stellte seine Füße auf den Stuhl, umklammerte seine Beine mit seinen Armen und vergrub sein Gesicht hinter seinen Knien. Die Tränen, die heiß über seine Wangen liefen, spürte er nicht einmal. Sebastian derweil war auf dem Weg nach Hause. Er hatte sich mit Claude getroffen, dieser hatte Urlaub und würde am nächsten Tag verreisen. Seiner eigenen Aussage nach hatte er das auch bitter nötig! Alois kostete ihn scheinbar den letzten Nerv. Bei dem Gedanken an die teils entrüsteten, teils genervten Erzählungen darüber, mit was der Junge Claude tagtäglich auf die Palme brachte, kicherte Sebastian. Er konnte sich wirklich gut vorstellen, was im Hause Trancy los war. Zu Hause angekommen machte er sich erst einmal auf die Suche nach seinem Smartphone, das er in seiner Wohnung vergessen hatte. Als er es aktivierte, wurden ihm unzählige entgangene Anrufe von Ciel angezeigt. Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. So viele Anrufe waren ein mehr als schlechtes Zeichen. Als er die Nachricht las hatte er das Gefühl, jemand hätte ihm in den Bauch geboxt. Ohne weiter nachzudenken zog Sebastian sich seine Schuhe wieder an, schnappte sich seine Schlüssel, verließ seine Wohnung, sprang ins Auto und fuhr so schnell er konnte ins Krankenhaus. Der Weg kam ihm endlos vor und mit jeder Minute wuchs seine Sorge um Ciel. Ausgerechnet in so einer Situation ließ er den Kleinen allein! Er fühlte sich unglaublich schuldig und machte sich den ganzen Weg über Vorwürfe. Dass er ausgerechnet an diesem Tag sein Handy zu Hause vergessen musste, dafür könnte er sich wirklich ohrfeigen! Kapitel 16: Das erste Mal ------------------------- Als Sebastian endlich am Krankenhaus angekommen war, stellte er sein Auto auf dem Parkplatz ab, dass er total schräg in der Parklücke stand, war ihm egal, und rannte zum Eingang. Kaum hatte er das Gebäude betreten, musste er nicht lange suchen. Im Wartebereich, der sich gegenüber des Empfangs befand, saß Ciel wie ein Häufchen Elend. Ganz allein. Die Schuldgefühle wollten Sebastian schier erdrücken. Er eilte zum ihm und hockte sich vor dem Kleineren hin. „Ciel! Ich bin da! Es tut mir so leid! Ich hab mein Handy zu Hause vergessen!“ Der Angesprochene reagierte erst nach einigen Momenten. Nur langsam drangen die Worte zu ihm durch. Wie in Zeitlupe hob er seinen Kopf und starrte Sebastian emotions- und wortlos an. „Wo warst du?“, fragte er mit leiser, brüchiger Stimme. Ehe der andere antworten konnte fragte er, diesmal lauter: „Warum hast du nicht abgehoben? Warum warst du nicht hier? Meine Eltern überleben das vielleicht nicht! Ist es nicht deine Aufgabe, dann bei mir zu sein?!“ Seine Stimme wurde immer lauter und der Ausdruck in seinen Augen immer verzweifelter. Sebastian wurde bei diesem Anblick richtig schlecht. Sein schlechtes Gewissen drohte ihn beinahe zu erdrücken, auch wenn es keine Absicht gewesen ist, dass er sein Smartphone in seiner Wohnung vergessen hatte. Er musste jetzt stark sein für Ciel, dieser brauchte ihn jetzt mehr denn je, also riss er sich zusammen und verdrängte die belastenden Gedanken. „Es tut mir leid“, sagte er leise. „Ach ja? Und warum hast du meine Anrufe nicht entgegen genommen?!“, schrie Ciel nun schon fast und stand auf. „Warum kommst du erst jetzt?!“, wütend ballte er seine Hände zu Fäusten und schlug kraftlos auf Sebastians Brust ein. Dieser hatte sich gleichzeitig mit dem Kleineren aufgerichtet und ließ ihn gewähren. Es tat nicht einmal wirklich weh. Nach einigen Minuten verlor Ciel endgültig die Kraft und sank weinend zu Boden. Bevor er auf diesem aufkam, fing Sebastian ihn auf und drückte den Kleineren an sich. Dann hob er ihn hoch und setzte sich, den Jungen auf seinem Schoß. Sanft streichelte er über seinen Kopf und Rücken, flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr. Ciel tat ihm so unendlich leid. Sebastian konnte sich nur vorstellen, was es für ein Gefühl sein musste, nicht zu wissen, ob die eigenen Eltern den nächsten Morgen noch erleben würden. Als Ciel sich halbwegs beruhigt hatte, wischte er sich mit dem Handrücken über die nassen Wangen. „Ich hab Angst“, flüsterte der Kleinere mit brüchiger Stimme und krallte sich in Sebastians T-Shirt. „Ich weiß“, erwiderte dieser. „Ich würde dir gerne versprechen, dass alles gut wird, doch das kann ich nicht.“ Lange saßen sie so da. Ciel weinte stumme Tränen, bis er irgendwann vor Erschöpfung in einen wenig erholsamen Schlaf glitt. Sebastian blieb wach und hielt ihn die ganze Zeit im Arm. Es war mitten in der Nacht, als zwei Ärzte zu ihm kamen. „Ist das der Junge Phantomhive?“, fragte der eine Arzt. „Das ist er“, bestätigte Sebastian und versuchte den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken. Sein Magen verkrampfte sich unangenehm. Nun war also der Moment gekommen, der Ciels Leben komplett verändern könnte, jedoch nicht zum Positiven. „Würden Sie ihn bitte wecken? Die Operationen seiner Eltern sind vorbei.“ Ernst blickte er die beiden Männer vor sich an: „Ich werde ihn nur wecken, wenn Sie gute Nachrichten haben. Er hat für heute schon genug gelitten.“ Der zweite Arzt, der bisher geschwiegen hatte, lächelte sanftmütig: „Wecken Sie ihn auf.“ Sebastian streichelte über die Wange des Jungen in seinem Arm. „Ciel, Zeit aufzuwachen. Die Ärzte möchten mit dir reden.“ „Hmmnn… was ist los?“, fragte er müde und rieb sich über die Augen. Als er die beiden fremden Männer sah, bildete sich ein dicker Kloß in seinem Magen. Sofort hielt ihn die Angst um seine Eltern wieder in ihren kalten Klauen. „Es ist alles gut verlaufen, deine Eltern befinden sich im Aufwachraum und sind über den Berg“, lächelte der ältere Arzt. Ciel schaute sie mit großen Augen an, sein Herz pochte heftig in seiner Brust. Hatte er das richtig verstanden? Seine Eltern würden wieder gesund werden? „Sie… kann ich zu ihnen?“, fragte er mit einem hoffnungsvollen Unterton in der Stimme. „Natürlich, ich bringe dich hin“, sagte der Arzt, der eben gesprochen hatte, mit einem Lächeln. Ciel kletterte von Sebastians Schoß und folgte dem Mann. Nach ein paar Schritten blieb er wieder stehen und drehte sich um: „Sebastian, kommst du nicht mit?“ Ein ängstlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. Der Angesprochene stand sofort auf und kam zu ihm. Ciel griff nach seiner Hand und hielt sich daran fest. Es fühlte sich an wie ein Rettungsanker, der ihm Halt gab. Am Aufwachraum verabschiedete sich der Arzt. Eigentlich wollte Sebastian vor der Tür warten, doch er wurde mit in den Raum gezogen. „Mama! Papa!“, rief Ciel erleichtert, kaum dass er den Raum betreten hatte. Seine Eltern sahen zwar schrecklich aus, diverse Schläuche und Kabel hingen an ihnen, aber sie lebten und waren wach. Alles andere war in diesem Moment egal. Schniefend stand er zwischen den Krankenhausbetten und setzte sich dann auf die Bettkante von dem Bett, in dem seine Mutter lag. „Ciel“, lächelte sie schwach und nahm seine Hand in ihre. Er drehte sich zu seinem Vater um: „Ich bin so froh, dass es euch gut geht!“ Rachel blickte sich verwundert um: „Ciel, bist du etwa allein hier?“ Sie klang besorgt. Der Angesprochene schüttelte mit dem Kopf: „Nein, Sebastian ist auch hier.“ „Oh, dein Freund?“ Die Neugierde in ihrer leisen Stimme war kaum zu überhören. Bevor Ciel jedoch antworten konnte, kam eine Schwester ins Zimmer: „Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen, Ihre Eltern brauchen jetzt Ruhe.“ Nach einem abschätzenden Blick auf Ciel fügte sie hinzu: „Und Sie offenbar auch.“ Jetzt, da er wusste, dass es seinen Eltern gut ging, machte sich die Erschöpfung bemerkbar. Das stundenlange Bangen und Hoffen hatte sehr an seinen Kräften gezehrt. „Sie hat recht. Geh nach Hause und schlaf dich aus, dann kannst du morgen wieder kommen“, sagte sein Vater und lächelte matt. Er klang auch noch recht schwach und erschöpft. „Ist gut“, willigte Ciel nach kurzem Zögern ein. Eigentlich wollte er seine Eltern nicht gleich wieder allein lassen, aber es ging ihnen den Umständen entsprechend gut und er fühlte sich plötzlich so unfassbar müde und erschöpft. Die tonnenschwere Last auf seinen Schultern war mit einem Schlag von ihm abgefallen. Nachdem Ciel sich von ihnen verabschiedet hatte, mit dem Versprechen am nächsten Tag mit Celest wieder zu kommen, wankte er zurück in den Wartebereich. Dort wartete Sebastian auf ihn, dieser wirkte auch ziemlich erschöpft. „Wie geht es ihnen?“, fragte er besorgt, als Ciel vor ihm stehen blieb. „Den Umständen entsprechend gut.“ Müde lehnte er sich an den Größeren und murmelte: „Aber jetzt will ich nur noch ins Bett.“ „Möchtest du mit zu mir kommen?“, fragte Sebastian liebevoll und legte ihm einen Arm um die schmalen Schultern. Müde nickte Ciel. Schweigend verließen sie das Krankenhaus und gingen zu Sebastians Auto, das zum Glück nicht allzu weit weg stand. Die Fahrt verlief schweigend. Sebastian wusste nicht wirklich, was er sagen sollte. Er war einfach nur erleichtert, dass es Ciels Eltern soweit gut ging. An die Folgen, wenn es nicht so wäre, wollte er gar nicht denken. Ciel hingegen hatte Mühe wach zu bleiben. Als die Welle der Erleichterung abgeklungen war, hatte sie nur noch Müdigkeit und geistige Erschöpfung zurück gelassen. Er nahm nur am Rande wahr, wie sie Sebastians Wohnung und dann das Schlafzimmer betraten. Schwerfällig zog Ciel seine Hose und seine Socken aus, dann kroch er mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet unter die Decke. Dort blieb er einfach auf dem Bauch liegen und schloss seine schweren Augenlider. Sebastian legte sich neben ihn. Gerne würde er den Kleineren jetzt in seine Arme ziehen, doch er wusste nicht, ob dieser noch sauer war auf ihn. Noch dazu plagte ihn immer noch sein schlechtes Gewissen. Er konnte nur erahnen, wie sein Freund sich gefühlt haben musste die ganze Zeit. Kurz biss er sich auf die Unterlippe, dann fragte er leise: „Ciel? Bist du noch wach?“ Stille. Als Sebastian schon nicht mehr mit einer Antwort rechnete, bekam er doch noch eine. „Hmmm, was ist los?“, fragte der Angesprochene mit leiser Stimme und drehte sich langsam auf die Seite. Müde schaute er Sebastian an. „Es tut mir leid, Ciel! Wirklich! Ich hätte von Anfang an bei dir sein sollen. Ich hätte mein Handy nicht vergessen dürfen!“ „Sebastian, es ist okay. Du hast es doch nicht mit Absicht gemacht. Mir tut es auch leid“, nuschelte Ciel und kuschelte sich müde an den Größeren. Dieser gab ihm einen Kuss auf die Stirn: „Ich bin nur froh, dass es deinen Eltern den Umständen entsprechend gut geht.“ „Ich auch“, murmelte Ciel noch und driftete langsam in das Reich der Träume ab. In Sebastians Armen fühlte er sich einfach wohl und sicher. Hier war die Welt in Ordnung. Als Sebastian an diesem Morgen aufwachte, schlief Ciel noch tief und fest neben ihm. Leise stand er auf. Durch die Aufregung der letzten Tage hatte der Jüngere nur schlecht geschlafen. Sebastian nahm sich eine Jogginghose, ein frisches T-Shirt und Socken aus dem Schrank, dann schlich er damit ins Bad um sich anzuziehen. Nachdem er angezogen war, sein Gesicht gewaschen und rasiert hatte, aß er eine Kleinigkeit und beschloss dann, da es noch recht früh und dementsprechend angenehm kühl draußen war, joggen zu gehen. Er machte regelmäßig Sport und hoffte, Ciel irgendwann auch dazu motivieren zu können. Nachdem er mit seinem kleinen Frühstück fertig war und alles wieder aufgeräumt hatte, schrieb er noch einen Zettel für den Jüngeren, dann zog er sich seine Laufschuhe an und verließ die Wohnung. Beim Laufen ließ er seine Gedanken schweifen und die letzten Tage Revue passieren. Am nächsten Morgen, nach dem Unfall, den Ciels Eltern hatten, waren sie von Celest wachgeklingelt worden. Dieser war sofort nach Hause gekommen, als er hörte, was passiert war. Sie wollten direkt ins Krankenhaus und Sebastian hatte die Zwillinge nur mit Mühe zu einem kleinen Frühstück überreden können, da das immer noch die wichtigste Mahlzeit des Tages war und sie zumindest etwas im Magen haben sollten, bevor sie gingen. Er selbst blieb in seiner Wohnung, sein Smartphone immer an seiner Seite, falls Ciel ihn brauchen sollte. Dieser verbrachte den Tag entweder mit Celest im Krankenhaus bei ihren Eltern, oder in ihrem Anwesen um wichtige geschäftliche Dinge für ihren Vater zu regeln. Diedrich, ein guter Freund von Vincent, kam extra aus Deutschland angereist um ihn für die Zeit seiner Genesung zu vertreten. Erst spät am Abend kam Ciel dann nach Hause zu Sebastian. Er berichtete erleichtert, dass seine Eltern auf dem Weg der Besserung waren. Zwar noch angeschlagen, doch sie würden zum Glück keine Folgeschäden davon tragen. Allerdings mussten sie noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben, bis sie entlassen werden konnten. Auch wenn sie sich freuten ihre Söhne zu sehen, sie hatten ihnen am Vortag ein vorübergehendes Besuchsverbot auferlegt. Sie lagen schließlich nicht im Sterben und würden wieder vollkommen gesund werden, es gab keinen Grund sie jeden Tag zu besuchen. Die Zwillinge sollten lieber auch ihre Ferien genießen. Aber vor allem brauchten ihre Eltern Ruhe und nicht zwei paar blaue Augen, die sie den ganzen Tag besorgt musterten und Fragen stellten, ob auch wirklich alles in Ordnung war oder sie nicht doch etwas brauchten. Derweil, in Sebastians Wohnung, wachte Ciel langsam auf. Er hatte komische Dinge geträumt, an die er sich nicht erinnern konnte. Irgendetwas hatte ihn geweckt, worüber er fast froh war. Nur am Rande nahm er wahr, dass Sebastian wohl schon aufgestanden war. Noch müde wollte er sich auf den Bauch drehen und noch etwas dösen, doch die Beule in seiner Boxershorts hinderte ihn daran. Murrend drehte er sich auf den Rücken und versuchte so wieder einzuschlafen. Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas am Morgen hatte und bisher hatte sich das auch immer nach einer Weile wieder gelegt, doch irgendwie klappte das diesmal nicht. Stattdessen begann es nach einigen Augenblicken zu pochen. Was sollte das denn jetzt? Ärgerlich zog Ciel seine Augenbrauen zusammen. Was sollte er jetzt tun? Er hatte davon keine Ahnung, schließlich hatte es ihn bis zu diesem Moment auch nicht interessiert. Da das Pochen aber allmählich fast schon schmerzhaft wurde, kaute er unsicher auf seiner Unterlippe. Sollte er das jetzt wirklich machen? Sebastian dachte bestimmt, er würde noch schlafen, ihn also auch nicht stören. Der Gedanke, sich auf diese Weise dort anzufassen, war seltsam. Er wusste zwar, dass es normal war, aber es tatsächlich zu tun, war doch etwas anderes. Oder sollte er einfach kalt duschen gehen? Das sollte dieses „Problem“ schließlich auch lösen. Das starke Pulsieren in seinem Schritt nahm ihm die Entscheidung ab. Zögerlich ließ Ciel seine Hand unter der Bettdecke nach unten wandern, bis sie an ihrem Ziel angekommen war. Er zögerte kurz, dann strich er vorsichtig über die Spitze der Beule in seiner Boxershorts. Überrascht zuckte er zusammen, es fühlte sich gar nicht mal so schlecht an. Ein paar Mal wiederholte er diese Bewegung, doch schnell stellte er fest, dass es nicht reichte. Also schob er seine Unterwäsche ein Stück nach unten und fuhr mit den Fingerspitzen über seine Erregung. Die Haut fühlte sich weich an. Sachte strich er über die leicht feuchte Spitze und stöhnte leise auf. Die verschiedensten Emotionen kämpften in ihm um die Oberhand. Er drückte sein Gesicht ins Kissen und atmete Sebastians Geruch ein. Ein wenig mutiger umfasste er den Schaft mit der Hand und rieb vorsichtig darüber. „Hn!“ Ciel drückte sein Becken ein wenig nach oben. Sebastians Bild erschien vor seinem geistigen Auge und unweigerlich stellte er sich vor, es wäre die Hand des anderen, die ihn so verwöhnte. Langsam, ohne es zu realisieren, wurden seine Bewegungen in einem ungleichmäßigen Rhythmus schneller und fahriger. Leise seufzte er Sebastians Namen und wand sich auf dem Bett. Die Decke hatte er längst von sich gestrampelt, es war viel zu warm darunter. Und dann war es plötzlich so weit und Ciel erreichte beinahe explosionsartig seinen ersten Höhepunkt. Er ergoss sich über seine Hand und lag schwer atmend einige Minuten einfach nur da. Als sich seine Atmung wieder beruhigt hatte, zog er seine Boxershort nach oben und schlich ins Badezimmer. Dort wischte er sich notdürftig ab, warf seine Unterwäsche in den Wäschekorb und stieg unter die Dusche. Irgendwie war es ihm peinlich dabei an Sebastian gedacht zu haben. Hoffentlich hatte dieser das nicht mitbekommen! Aber war es nicht normal, dass er dabei an seinen Freund dachte? Ob dieser wohl auch an ihn dachte, wenn er das tat? Erschrocken riss Ciel seine Augen auf. Schnell schob er diesen Gedanken wieder beiseite, er war sich nicht sicher, ob er das überhaupt wissen wollte. Es war zu peinlich! Da er fertig mit Duschen war, stellte er das Wasser ab und griff nach dem bereitgelegten Handtuch. Er trocknete sich ab und zog sich frische Kleidung an, die er mitgebracht hatte. Dann verließ er das Bad und machte sich auf den Weg zur Küche. Dort roch es nach frischen Brötchen und Tee. „Morgen“, sagte Ciel leise, als er Sebastian sah. Dieser lächelte ihn an: „Na, ausgeschlafen?“ Mit roten Wangen nickte der Kleinere. Er konnte ihm nicht in die Augen schauen, nicht so kurz nachdem er [style type="italic"]das[/style] getan hatte. In Sebastians Bett. Und dabei an ihn gedacht hatte. So entging ihm auch die Belustigung in den rotbraunen Augen. Mit gesenktem Blick setzte Ciel sich an den Tisch und nahm sich ein noch warmes Brötchen. Während er aß, fühlte er sich irgendwie beobachtet. „Ist was?“, fragte Ciel nach einer Weile leicht genervt und durchbrach damit die Stille zwischen ihnen. „Nein, was sollte denn sein?“, fragte Sebastian möglichst unschuldig. Er weiß es! Dieser Gedanke schoss durch Ciels Kopf und ließ ihn prompt knallrot anlaufen. Langsam legte er die angebissene Brötchenhälfte auf seinen Teller. Finster blickte er Sebastian an: „Hast du mich beobachtet?“ Der Angesprochene hob überrascht seine Augenbrauen. „Nein.“ Ciels Blick wurde skeptisch. „Ich wollte nach dir sehen, als ich wieder da war. Ich dachte, du schläfst noch. Stattdessen windest du dich ekstatisch auf meinem Bett und stöhnst meinen Namen“, schmunzelte Sebastian. Der Kleinere wurde noch einige Nuancen röter und starrte auf den Boden, in der Hoffnung, es würde sich ein Loch öffnen, in dem er verschwinden konnte. Das Ganze war ihm so unsagbar peinlich! Sebastian stand auf und umrundete den großen Esstisch. Vor Ciel blieb er stehen und legte einen Zeigefinger unter dessen Kinn, zwang ihn somit hoch- und ihn anzuschauen. Der Größere beugte sich so weit nach unten, dass ihre Lippen sich beinahe berührten. Ciel konnte den warmen Atem des anderen in seinem Gesicht spüren und augenblicklich beschleunigte sich sein Herzschlag. „Ich fühle mich geehrt, dass du dabei an mich gedacht hast“, flüsterte Sebastian leise, dann legte er seine Lippen auf Ciels und küsste ihn liebevoll. Als sie sich wieder voneinander lösten wurde er von großen, blauen Augen überrascht angeschaut. „Du… du fühlst dich geehrt?“, fragte der Kleinere leise und mit immer noch roten Wangen. „Natürlich“, lächelte Sebastian sanft und küsste ihn nochmal. Schließlich war es normal und er dachte dabei auch oft an seinen Freund, seit sie zusammen waren. Gerne hätte er gewusst, was Ciel sich dabei vorgestellt hatte, doch fragen würde er nicht. Er war sich sicher, keine Antwort zu bekommen. Zudem war der Kleinere schon verlegen genug, da musste er es nicht auf die Spitze treiben. Sebastian war sich nicht sicher, ob es für Ciel das erste Mal gewesen war, schließlich hatten sie bisher nicht über das Thema Sex gesprochen. Solange der Kleinere nicht bereit war und nicht von sich aus auf Sebastian zugehen würde, würde er warten, auch wenn es ihm manchmal schwer fiel. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, wäre er zuvor am liebsten zu Ciel ins Bett gestiegen und hätte ihm gezeigt, wie schön es sein kann, wenn man sich gegenseitig streichelt. Doch damit hätte er wohl eher das Gegenteil erreicht und so hatte Sebastian sich, nach ein paar Sekunden, wieder leise davon geschlichen und Ciel seine Privatsphäre gelassen. Kapitel 17: Neulich bei den Trancys ----------------------------------- Es war Abend und somit waren Alois und Claude allein in dem großen Stadthaus der Trancys. Nach dem Abendessen verließen die anderen Bediensteten das Haus und kamen erst am Vormittag wieder. Niemand hielt es mit dem hellblonden Teufel so lange aus wie Claude. Dieser kehrte nur an seinen freien Tagen in seine Wohnung zurück, sonst wohnte er in dem Stadthaus. Das Abendessen war vor nicht einmal zwei Stunden gewesen, doch irgendwie hatte Alois wieder Hunger. Da er keine Lust hatte Claude zu suchen, damit dieser ihm etwas zu essen holte, ging er selbst in die Küche. Er öffnete den Kühlschrank und schaute, was dieser so zu bieten hatte. Eine große, gelbe Honigmelone lachte ihn an, also nahm es sie raus und legte sie auf die Arbeitsplatte. Aus dem Messerblock, der daneben stand, nahm Alois ein großes, langes Messer, um die Melone aufzuschneiden. Claude derweil saß in seinem Zimmer und genoss die Ruhe. Das kleine Monster, wie er ihn gedanklich oft und gerne nannte, hatte ihn in den letzten Tagen in Ruhe gelassen. Er hoffte wirklich, dass das Thema Beischlaf nun vom Tisch war. Ein Schrei ließ ihn plötzlich aufschrecken. Was war denn nun wieder los? Genervt richtete er seine randlose Brille und stand auf. Wenn er ihn wieder ärgern wollte konnte er jetzt was erleben! Mit finsterem Blick öffnete er die Tür zu seinem Zimmer. Ein lautes „CLAAAAAAAUUUUUUUDE!!!“ ließ ihn besorgt schneller laufen. Kam das aus der Küche? Kaum stand er im Türrahmen, überblickte Claude schnell die Situation. Alois stand da und hielt sich den linken Zeigefinger. An seiner Hand lief Blut runter und tropfte auf den Boden. Auf der Arbeitsplatte lag eine gelbe Honigmelone und daneben ein großes, langes Messer. Mit einem leisen Seufzen sagte Claude: „Zeig mir mal deinen Finger.“ Vorsichtig wischte er mit einem Geschirrhandtuch das Blut von der Hand des Kleineren und begutachtete den Schnitt. Dieser zog sich quer über fast den ganzen Finger und war recht tief. Er wickelte das Handtuch um die Verletzung und drückte sachte darauf. „Claude…“, wimmerte Alois und schaute ihn mit tränennassen Augen ängstlich an. „Ich fürchte das muss genäht werden“, sagte dieser. Angst schimmerte in den hellblauen Augen. „Keine Sorge, so schlimm ist das nicht“, sagte Claude mit sanfter Stimme und zog Alois in seine Arme. Erst hatte er vermutet, dieser würde ihn nur wieder ärgern wollen, doch es schien tatsächlich keine Absicht gewesen zu sein. Zugegeben, er traute Alois auch nicht zu, sich selbst zu verletzen, und schon gar nicht so, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Kleinere weitete kurz überrascht seine Augen, dann schloss er sie und drückte sich ein wenig näher an den anderen. Für einen Moment vergaß er seine Schnittverletzung und genoss es im Arm gehalten zu werden. Wann war das letzte Mal, dass ihn jemand umarmt hatte? Er konnte sich nicht wirklich daran erinnern. „Na komm, wir fahren jetzt erst einmal ins Krankenhaus“, sagte Claude, ließ von Alois ab und zog ihn sachte mit. Im Krankenhaus angekommen meldete Claude sie gleich an. Sie wurden direkt zu einem Arzt geschickt, da die Wunde trotz Druck immer noch leicht blutete. Als Alois ins Behandlungszimmer gerufen wurde, wollte Claude im Wartebereich auf ihn warten, doch der Jüngere bestand darauf, dass er mitkam. Während der Untersuchung hielt Alois den linken Arm des anderen umklammert und drückte sein Gesicht dagegen. Claude hob erstaunt seine Augenbrauen. Er lernte gerade eine völlig neue Seite von diesem kleinen, blonden Teufel kennen. Ein wenig tat er ihm aber auch leid, Alois hatte scheinbar tatsächlich Angst. So löste er seinen Arm, der sonst noch taub werden würde, aus der festen Umklammerung und legte ihn stattdessen um Alois schmale Taille. Dessen Kopf ruhte nun an seiner Schulter. „Sie haben Glück, es muss nicht genäht werden und es wurde auch keine Sehne getroffen. Ich werde die Wunde jetzt erst einmal desinfizieren, das wird etwas brennen, und dann mit Klebefäden verschließen.“ Claude nickte ihm zu. Als das Desinfektionsspray auf und in die Wunde traf zuckte Alois zusammen. Es brannte und fühlte sich unangenehm an. Dann wurde die Wunde mit schmalen Klebefäden verschlossen, damit sie richtig zuwachsen konnte. Anschließend bekam er eine Kompresse um den Finger gelegt und dann wurde ein Verband darum gewickelt. „Passen Sie auf, dass der Verband nicht nass wird. Sollte es schmerzen oder doch wieder bluten, kommen Sie bitte wieder! Ansonsten sehen wir uns in einer Woche zur Kontrolle, ob auch alles schön verheilt.“ „Vielen Dank! Auf Wiedersehen“, sagte Claude als er aufstand und Alois mit hoch zog. Dieser war seltsam blass und wirkte erschöpft. Auch wollte er nicht von Claudes Seite weichen, was das Gehen nicht gerade einfacher machte. Trotzdem ließ der Größere seinen Arm um Alois schmale Taille liegen und zog ihn sanft mit, bis sie am Auto ankamen. Nachdem sie in Claudes Auto eingestiegen waren, startete dieser den Motor und parkte aus der Parklücke aus. „Warum hast du mich nicht gleich geholt, wenn du Hunger hast?“, durchbrach der Ältere die Stille zwischen ihnen. Alois schnaubte und funkelte ihn wütend an: „Für was hältst du mich eigentlich? Ein kleines, verwöhntes Balg das nichts ohne seinen Butler hinbekommt?“ „Nein“, antwortete er monoton. Aber für einen Satansbraten, der es sich scheinbar zur Lebensaufgabe gemacht hat, mir das Leben schwer zu machen, fügte er in Gedanken hinzu. Nach kurzer Zeit der Schweigens fragte Alois: „Wenn du mich so sehr hasst, warum hast du dann noch nicht gekündigt? Zahlt mein Onkel so viel besser als andere?“ Claude warf ihm einen überraschten Seitenblick zu. Kündigen … Daran hatte er bisher, wenn er ehrlich war, nicht einmal gedacht. Die Stelle wurde gut bezahlt, das stimmte, aber nicht viel besser als bei anderen Arbeitgebern. „Also liegt es am Geld“, schloss Alois aus dem Schweigen des anderen. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und senkte seinen Blick nach unten. „War ja klar. Niemand will mich haben. Warum sollte sich das auch ändern?“ In seiner Stimme schwang ein verletzter Unterton mit. Überrascht hob Claude seine Augenbrauen. Niemand wollte ihn haben? „Was meinst du damit?“, fragte er und unterdrückte die Neugierde in seiner Stimme. „Ts. Genau das!“, begehrte Alois auf, „meine Eltern haben sich nie für mich interessiert, mein Onkel hat mich postwendend in sein Stadthaus abgeschoben und alle Angestellten ergreifen nach maximal zwei Wochen die Flucht!“ „Das stimmt nicht“, sagte Claude ruhig, „ich bin seit über zwei Jahren bei dir und habe nicht die Flucht ergriffen. Und das liegt nicht daran, weil dein Onkel mir so viel bezahlt. Ich bekomme nicht viel mehr, als ich bei früheren Arbeitgebern verdient habe.“ „Ach ja? Was ist es dann? Bist du vielleicht ein ehemaliger Verbrecher?“ Claude rückte mit seiner typischen Geste seine Brille zurecht. Seine linke Augenbraue zuckte leicht. Wollte er ihn beleidigen? „Das bin ich sicher nicht!“, antwortete er spitz. Allmählich wurde Alois neugierig, was dann der Grund war. Er richtete sich auf und beugte sich zu dem anderen hinüber. Mit verführerischer Stimme fragte er: „Warum dann? Doch nicht etwa, weil du auf mich stehst?“ Claudes linke Augenbraue begann richtig zu zucken. „Nein, und jetzt setz dich wieder ordentlich hin! Ich weiß nicht warum ich bisher nicht einmal daran gedacht habe zu kündigen, aber es ist so. Ich kann dir keinen Grund nennen.“ Überrascht ließ Alois sich wieder in seinen Sitz sinken. Mit dieser Antwort hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Er hatte noch nicht einmal in Erwägung gezogen zu kündigen? Obwohl er ihn beinahe täglich ärgerte? Vielleicht mochte er ihn ja doch irgendwie? Ein kleines, glückliches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Das war ein schönes Gefühl. Kaum hatte Claude vor dem großen Stadthaus geparkt, sprang Alois schon aus dem Auto und tänzelte zur Haustür. Sein Butler folgte ihm in gemütlichem Tempo. Wenigstens war er jetzt wieder besser drauf, dachte er für sich. Kaum hatte Alois seine Schuhe ausgezogen, hüpfte er zur Treppe. Dort blieb er stehen und warf einen Blick aus funkelnden, hellblauen Augen nach hinten. „Claude, ich möchte jetzt ein Bad nehmen. Du wirst mir die Haare waschen! Schließlich darf mein Verband nicht nass werden“, flötete er und hüpfte die Treppe nach oben. Der Angesprochen richtete mit seiner typischen Geste seine Brille und seufzte leise. Er war sich sicher, dass er nicht nur Alois hellblonde Haare waschen musste. „Claude~ wo bleibst du?“, ertönte es ungeduldig aus dem ersten Stock. Nur langsam setzte er sich in Bewegung und ging die Treppe nach oben. Das würde wieder was werden … Kapitel 18: Gespräche --------------------- Lustlos stieg Ciel aus und schlurfte mit gesenktem Blick zur Eingangstür des großen Stadthauses seiner Familie. Es war Donnerstag und er war von der Schule abgeholt worden. Ein kalter Wind wehte, schließlich war es schon Anfang Dezember, kurz vor seinem 16. Geburtstag. Drinnen angekommen wollte er sich einfach nur schnell in sein Zimmer schleichen und dort verkriechen, doch seine Mutter machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Mit verschränkten Armen und ernstem Blick stand sie vor der Treppe, die in den ersten Stock führte. „Ciel, wir müssen uns unterhalten.“ Der Angesprochene schluckte. Keine Begrüßung war schon immer ein schlechtes Zeichen gewesen. Lustlos und mit ungutem Gefühl im Magen trottete er ihr hinterher in das Arbeitszimmer seines Vaters. Dieser saß hinter seinem massiven Schreibtisch und schaute fragend auf, als die Tür plötzlich geöffnet wurde. Wortlos setzte Rachel sich vor den Schreibtisch und Ciel neben sie. „Du weißt, worüber wir mit dir reden wollen?“, fragte Vincent und erhielt als Antwort ein Kopfschütteln. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder hatten sie das mit Sebastian herausgefunden oder er sollte wieder Privatunterricht bekommen. Er konnte nicht sagen, was schlimmer sein würde. „Nun“, begann sein Vater mit ernster Stimme und legte seine gefalteten Hände vor sich auf seinen Schreibtisch, „dein Lehrer hat angerufen. Er macht sich Sorgen um dich. Kannst du dir denken warum?“ Ciel schüttelte mit emotionslosem Blick wieder seinen Kopf. Zum einen war es ihm egal, was irgendeiner seiner Lehrer von ihm dachte, zum anderen könnte und würde jedes Wort, das er sagen würde, gegen ihn gerichtet werden. Also zog er es vor zu schweigen. Vincent seufzte leise und Rachel ergriff das Wort: „Er sagte, deine Noten wären stark gesunken, außerdem beteiligst du dich kaum noch am Unterricht und deine Hausaufgaben machst du entweder gar nicht oder nur schlampig. Was ist los mit dir? Wir machen uns Sorgen!“ Ciel lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Was interessierte ihn das? Seit die Sommerferien vorbei waren hatte er Sebastian nur noch in der Schule, oder eher im Unterricht, gesehen. Zwar schrieben und telefonierten sie mehrmals die Woche, doch seit ein paar Monaten konnten sie sich nicht mehr privat sehen. Ciels Eltern waren zu Schulbeginn des neuen Schuljahres aus dem Krankenhaus entlassen worden, mussten sich aber noch schonen. Dadurch schwirrte vor allem seine Mutter ständig um ihn herum. Wollte er in die Stadt, wollte sie ihn begleiten und wenn er sagte, er wolle sich mit jemandem treffen, wollte sie alles genau wissen: mit wem er sich traf, wohin sie gingen, was sie machen würden, wann er wieder kam … Auch hatte sie mehrmals gefragt ob es da jemand Besonderes geben würde, doch darüber wollte Ciel noch viel weniger reden. Dazu kam, dass die Lehrer besonders streng kontrolliert wurden, da sich ein Lehrer, den Ciel nicht einmal kannte, an einem Schüler vergriffen haben sollte. Den Nachhilfeunterricht bei Sebastian hatten seine Eltern auch eingestellt, da sein Zeugnis am Ende des vorherigen Schuljahres sehr gut war. Nachdem sie eingesehen hatten, dass Ciel nicht mit ihnen reden würde, zumindest noch nicht, hatten sie ihn vorerst entlassen. Mit einem tiefen Seufzen warf er sich auf sein Bett. Er wusste selbst, dass seine Noten mehr als schlecht waren und dass ihn die Schule überhaupt nicht mehr interessierte. Den ganzen Tag musste er an Sebastian denken und abends lag er lange wach und wünschte sich nichts mehr, als an seiner Seite zu sein. Wann hatte er ihn das letzte Mal berührt, umarmt oder gar geküsst? Ciel wusste kaum mehr wie es sich anfühlte. Er vermisste Sebastian so sehr, dass es weh tat. Manchmal, wenn er es nicht mehr aushielt betrachtete er ein Bild von seinem Freund, bis er vor Erschöpfung einschlief. Wieso konnte er nicht endlich 18 werden? Manchmal beschlichen ihn Zweifel, wenn er sah wie Sebastian mit anderen Schülern umging, ob er wirklich auf ihn warten würde oder nicht vielleicht doch schon längst jemand anderes gefunden hatte. Das alles machte ihm sehr zu schaffen, auch wenn er es nicht sagte und sich auch niemandem anvertraute. Mit wem sollte er auch darüber reden? Mit seinen Eltern? Die hätten wohl kaum Verständnis dafür, schon allein weil Sebastian zehn Jahre älter war als er selbst. Mit Soma konnte er nicht darüber reden, dieser würde noch mehr an ihm kleben als sowieso schon und ihn mit Fragen löchern. Mit Celest konnte er vielleicht reden, wenn dieser bald wieder nach Hause kam, doch das dauerte noch. „Ciel hat noch nie Ärger gemacht, was ist nur mit ihm los?“, fragte Rachel ihren Ehemann verzweifelt. Dieser runzelte nachdenklich die Stirn. „Er wird bald 16 und ist ein Teenager, vielleicht hat er Liebeskummer“, versuchte Vincent sie zu beruhigen. Die Angesprochene seufzte tief. „Hoffentlich hast du recht und es ist nur eine Phase.“ Am nächsten Morgen stand Ciel ein wenig motivierter auf. Er würde in den letzten beiden Stunden Sebastian haben. Das hieß, er konnte ihn für eineinhalb Stunden innerlich anschmachten und seiner wohlklingenden Stimme lauschen. Unbewusst verbrachte er im Bad mehr Zeit sich fertig zu machen als sonst. Es fühlte sich fast so an, als hätten sie ein Date. Vielleicht kam seine Nervosität aber auch daher, dass er eine Arbeit von seinem Freund zurück bekommen würde und die sicherlich nicht gut für ihn gelaufen war. Deutsch war nun mal weder sein Fach noch seine Sprache. Er fand es nach wie vor absolut unnötig, das zu lernen. Leider interessiert das niemanden. Nervös biss er sich auf seine Unterlippe. Während Ciel so in Gedanken versunken war, zogen das Frühstück, die Fahrt zur Schule und der Weg ins Klassenzimmer an ihm vorbei, ohne dass er es wirklich wahrnahm. Erst als es klingelte und der Lehrer das Klassenzimmer betrat, kehrte er in die Realität zurück. Die ersten vier Stunden zogen sich wie Kaugummi. Doch irgendwann war es dann tatsächlich so weit und es klingelte zur fünften Stunde. Endlich würde er Sebastian wieder sehen! Ciel freute sich, zumindest solange, bis sein Freund das Klassenzimmer betrat und ihm mit einem Blick aus rotbraunen Augen streifte, der ihm nichts Gutes verhieß. Nach der Begrüßung wurden gleich die Arbeiten zurückgegeben und in Ciels Magen machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Als Sebastian vor seinem Tisch stand und ihn mit seinen rotbraunen Augen intensiv ansah, stockte ihm kurz der Atem. „Komm bitte nach der Stunde zu mir“, sagte der Größere, legte ihm die korrigierte Arbeit auf den Tisch und ging weiter. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend und schnell schlagendem Herz nahm Ciel die Blätter und warf einen Blick auf seine Note. Eine 5. Er schluckte den Kloß in seinem Hals runter. Sebastian würde ihn mit Sicherheit übers Knie legen … Kurz zuckte ein kleines, dreckiges Grinsen über Ciels Lippen bei dem Gedanken daran. Während dem Unterricht konnte er sich kaum konzentrieren. Einerseits war er nervös, was Sebastian tun würde und andererseits schob sich immer wieder ein Bild von ihm, wie er bäuchlings auf dem Schoß seines Freundes lag und von diesem den entblößten Hintern versohlt bekam, vor sein geistiges Auge. Das wiederum führte dazu, dass sein Blut sich immer wieder lieber in seiner Körpermitte sammelte als sich überall gleichmäßig zu verteilen. So rutschte er die letzten 20 Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und her und traute sich kaum Sebastian anzusehen. Als das erlösende Klingeln ertönte packten alle schnell ihre Sachen ein und verabschiedeten sich ins Wochenende. Ciel ließ sich Zeit und ging, als alle draußen waren, mit weichen Knien zu Sebastian. Dieser schloss die Tür zum Klassenzimmer, dann zog er einen Stuhl zum Lehrerpult und deutete dem Kleineren an sich zu setzen. Dann ließ er sich auf dem Lehrerstuhl nieder. Ciel schluckte hart während sein Herz heftig in seiner Brust schlug und sein Magen sich unangenehm zusammen zog. Dieser ernste Gesichtsausdruck von Sebastian gefiel ihm ganz und gar nicht. Sebastian seufzte tief und sein ernster Gesichtsausdruck wich einem besorgten. „Ciel, was ist nur los mit dir? Deine Noten sind in den Keller gesunken und im Unterricht passt du auch nicht mehr auf.“ Der Angesprochene verschränkte seine Arme vor der Brust und schaute sein Gegenüber skeptisch an: „Fragst du mich das als mein Lehrer oder als mein Freund?“ Sebastian schwieg kurz, dann antwortete er ehrlich: „Sowohl als auch.“ „Sagst du das jetzt nur um mich zum Reden zu kriegen?“ „Nein. Wie könnte ich mir als dein Freund keine Sorgen machen? Nicht nur, dass du nicht mehr aufpasst und dir die Schule egal zu sein scheint, du bist dünner geworden. Ich weiß, dass es nicht leicht ist. Für mich ist es auch nicht einfach, und schon gar nicht, wenn ich zusehen muss, wie es dir immer schlechter geht.“ Ciel biss sich fest auf die Unterlippe, um ihr verräterisches Zittern zu verbergen. „Und was willst du jetzt von mir hören?“, fragte er leise. Kurz schwiegen sie, dann fragte Sebastian mit ernstem Unterton in der Stimme: „Liegt es an mir?“ Ciel schluckte hart. Es fühlte sich an, als würde eine eiskalte Hand seinen Magen umklammern. Mit leiser Stimme fragte er: „Und wenn ich ‚ja‘ sage, machst du dann Schluss mit mir?“ Er hatte Angst vor der Antwort und spürte wie sich die ersten Tränen ihren Weg in seine Augen kämpften. Sebastian seufzte leise und stand auf. Eindeutig. Er würde jetzt Schluss mit ihm machen. In der Schule. Der perfekte Start ins Wochenende. Ciel wurde richtig elend und am liebsten hätte er sich übergeben. Er wusste nicht, was er sagen sollte, die Zeit schien still zu stehen. Er hatte sich so davor gefürchtet und nun war es so weit. Sebastian würde ihn verlassen, weil er keine Lust mehr hatte zu warten. Mit aller Kraft versuchte er die Tränen herunter zu schlucken. Er würde jetzt bestimmt nicht anfangen zu heulen! Sebastian nahm Ciels Hand in seine, zog den Kleineren nach oben und in seine Arme und holte ihn damit aus seinen düsteren Gedanken zurück in die Realität. Liebevoll lächelte er ihn an: „Wie kommst du auf die Idee? Ich liebe dich. Und ich mach mir Sorgen um dich. Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?“ Sachte streichelte Sebastian ihm über den schmalen Rücken. Er ignorierte die leichten Erhebungen unter seinen Fingern, die von der Wirbelsäule stammten. Gleichzeitig brachen in Ciel alle Dämme. Sebastian wollte nicht Schluss machen! Ciel drückte weinend sein Gesicht an die Brust des Größeren. „Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr, dass ich es nicht mehr aushalte!“, flüsterte er mit erstickter Stimme in den weißen Stoff. Sebastian drückte ihn noch ein wenig fester an sich und gab ihm einen Kuss auf den aschblauen Haarschopf. Er hielt seinen kleineren Freund einfach nur fest. „Sebastian…“, schluchzte Ciel und klammerte sich noch fester in den Blazer des Größeren. Sebastians Herz zog sich schmerzhaft zusammen, doch er wusste nicht, was er tun sollte. Der Kleinere wollte ihm scheinbar nicht den Grund nennen, also hielt ihn einfach im Arm und streichelte sanft seinen Rücken, während er beruhigende Worte flüsterte. Lange standen sie so da, bis Ciel sich wieder beruhigt hatte. Mit roten Wangen löste er sich von dem Größeren und wischte sich mit dem Ärmel verlegen über sein Gesicht. „Hier“, sagte Sebastian mit einem sanften Lächeln und hielt ihm eine Flasche Wasser hin. Fragend schaute Ciel ihn an und nahm mit einem leisen „Danke“ das Getränk an. Er fühlte sich total ausgetrocknet. „Weil man, wenn man geweint hat, immer sehr durstig ist“, lächelte Sebastian auf die unausgesprochene Frage. Augenblicklich färbten sich Ciels Wangen noch röter und er schraubte verlegen die Flasche auf. Sein Freund war immer so aufmerksam und erwachsen, da fühlte er sich erst recht wie ein kleiner Junge. Nachdem er getrunken hatte, legten sich plötzlich zwei Arme um seinen schmalen Oberkörper und ein warmes, weiches Lippenpaar auf seine. Ohne darüber nachzudenken schloss er seine Augen und erwiderte den Kuss. Eine unglaubliche Wärme breitete sich in Ciel aus und seine Sorgen und Probleme rückten in den Hintergrund. Als Sebastians Zunge an seine Unterlippe stupste, gewährte der Kleinere ihm Einlass. Haltsuchend klammerte Ciel sich an ihn, als eine fremde Zunge seinen Mund erkundete und seine eigene zum spielen aufforderte. Leise keuchte er in den Kuss. Es fühlte sich einfach unglaublich an! Wann hatten sie sich das letzte Mal geküsst? Als sie sich voneinander lösten, schluckte Sebastian hart. Der Anblick, der sich ihm bot, gehörte verboten und trieb ihn endgültig an die Grenzen seiner Selbstbeherrschung. Ciel stand da, blickte mit verklärtem Blick, rosa Wangen und rotgeküssten Lippen verträumt zu ihm auf. Am liebsten hätte er ihm die Kleider vom Leib gerissen, ihn auf das Lehrerpult gelegt und auf der Stelle genommen. Vor seinem geistigen Auge sah er den kleineren Körper unter sich, wie er sich wand, keuchte, stöhnte und um mehr bettelte. Während er immer schneller und tiefer in ihn stieß, bis er seinen Namen schreien würde … „Sebastian …?“, holte ihn eine leise Stimme wieder zurück in die Gegenwart. Unsicher blickte Ciel zu ihm auf. „Ist alles in Ordnung?“ Der Angesprochene räusperte sich und leckte sich fahrig über die Lippen: „Ja, natürlich. Entschuldige, ich war in Gedanken. Was möchtest du?“ „A-also du, ähm …“, begann Ciel stockend und mit verdächtig roten Wangen, „naja … du-du hast…“ Verlegen brach er ab. Verwirrt schaute Sebastian ihn an und ohrfeigte sich innerlich selbst. Dank seiner schmutzigen Fantasie war er komplett weggetreten! Und das ausgerechnet dann, wenn Ciel sich so an ihn gedrückt hatte. Von seiner körperlichen Reaktion ganz zu schweigen. Er setzte ein schiefes Lächeln auf und fuhr sich verlegen durch die schwarzen Haare. Zumindest schien der Kleinere nicht verschreckt zu sein. Was das Thema anging konnte Sebastian ihn nur sehr schwer einschätzen. Zwar wusste er, dass Ciel sich schon selbst angefasst hatte, schließlich hatte er ihn dabei unabsichtlich erwischt gehabt, aber ob sie einen Schritt weiter gehen sollten? Bisher hatten sie keine Gelegenheit gehabt darüber zu sprechen. Aber das war nun auch nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit dafür. „Oh“, sagte Ciel und zog seine Aufmerksamkeit damit wieder zurück auf ihn. „Mein Fahrer wartet“, sagte der Kleinere leise. Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit. Nun müsste er wieder das ganze Wochenende warten, bis er Sebastian wiedersehen konnte. Dieser zog ihn in seine Arme und gab ihm einen liebevollen Kuss. „Ich finde eine Lösung, damit wir uns auch außerhalb der Schule sehen können“, versprach er und löste sich langsam von ihm. Schweren Herzens verabschiedeten sie sich, wobei Sebastian sehr nachdenklich schien. Lustlos trottete Ciel durch das Schulgebäude in Richtung Ausgang. Dort wartete ein Auto auf ihn, um ihn erst zum Stadthaus und dann zum Landsitz seiner Familie zu fahren. Während der Fahrt ließ er seine Gedanken schweifen und dachte an Sebastian, an ihren Kuss und hoffte, dass sie eine Lösung finden würden. Die Landschaft zog an ihm vorbei, ohne, dass er sie wahrnahm. Seine Eltern waren schon am Morgen zurück gefahren und als Ciel durch die große Eingangstür des Landsitzes seiner Familie trat, erwartete seine Mutter ihn schon. Unwillkürlich hatte er ein Déja-vu und schluckte trocken. „Da bist du ja! Komm mit, dein Vater und ich müssen etwas mit dir besprechen.“ Was war denn nun schon wieder? Am liebsten hätte er genervt mit den Augen gerollt. Wollten sie etwa da weitermachen, wo sie gestern aufgehört hatten? Ciel seufzte leise und trottete seiner Mutter lustlos hinterher. Sein Vater erwartete sie schon in seinem großen Arbeitszimmer. Dieser begann ohne Umschweife: „Nach Silvester werden deine Mutter und ich verreisen. Wir müssen geschäftlich nach Deutschland und Frankreich.“ Ciel sah ihn erstaunt an. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Es wird voraussichtlich mindestens drei Monate dauern, vielleicht aber auch länger. Ich habe vorhin mit deinem Lehrer Mr. Michaelis telefoniert“, fuhr Vincent fort. Ciel versuchte seine Aufregung zu unterdrücken. Hatte Sebastian etwa so schnell eine Lösung gefunden? „Er macht sich Sorgen um dich und deine Noten und hat angeboten, dir wieder Nachhilfeunterricht zu geben.“ Schnell wich die Aufregung Enttäuschung. Das war alles? Irgendwie hatte er sich mehr erhofft. „Du wirst nach Silvester, sobald wir verreisen, wieder vorübergehend bei ihm einziehen. Wir möchten dich nicht alleine im Stadthaus lassen und das hat das letzte Mal gut funktioniert. Außerdem wird er darauf achten, dass du dich in der Schule auch wieder anstrengst“, riss sein Vater Ciel aus den trüben Gedanken. „Was?“ Hatte er das gerade richtig gehört? „Du wirst für einige Zeit, solange wir weg sind, wieder bei deinem Lehrer wohnen“, wiederholte Rachel für ihren Sohn nochmal und lächelte. Dieser musste sich anstrengen seine Freude nicht allzu sehr zu zeigen. „Okay“, war alles, was Ciel heraus brachte, während er krampfhaft versuchte, seine Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. „Gut, dann geh dich umziehen, es gibt gleich essen“, lächelte Rachel ihn an. Wortlos verließ er das Arbeitszimmer seines Vaters. Innerlich jubelte er vor Freude. Kapitel 19: Nackte Tatsachen und Wiedersehen -------------------------------------------- Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, strahlte Ciel über das ganze Gesicht. Er würde wieder bei Sebastian wohnen! Er konnte sein Glück kaum fassen. Wie auf Wolken und sehr viel besser gelaunt ging er in sein Zimmer und schrieb seinem Freund gleich eine Nachricht. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sebastian schrieb, dass Ciel nicht nur zum Vergnügen bei ihm sein würde, sondern auch, damit seine Noten besser wurden. Aber das konnte seine gute Laune kaum dämpfen. Nur drei Wochen und dann konnte er Sebastian so oft küssen und umarmen wie er wollte! Die Zeit verging für Ciel nur sehr langsam. Einen Tag vor ihrem Geburtstag kam Celest nach Hause und es gab eine große Feier mit den Verwandten und Freunden der Familie. Undertaker hatte seinen neuen Freund mitgebracht, Grell, ausgerechnet einer von Ciels Lehrern. Dessen Freude darüber hielt sich zwar in Grenzen, doch er musste Celest zustimmen, als dieser meinte, die beiden würden gut zusammen passen. Es hieß nicht umsonst ‚Gleich und Gleich gesellt sich gern‘. Nach ihrem 16. Geburtstag musste Ciel noch eine Woche lang zur Schule, dann waren Weihnachtsferien und Weihnachten stand auch schon vor der Tür. Gerne hätte er an Heiligabend die Zeit mit Sebastian verbracht, doch wie jedes Jahr verbrachte er die Feiertage mit seinen Eltern und seinem Bruder Celest. Sebastian verbrachte die Zeit bei seinen Eltern, es war wohl die gesamte Verwandtschaft eingeladen und groß gefeiert. Es war zwischen Weihnachten und Silvester, als Celest an Ciels Zimmertür klopfte. „Herein“, ertönte dessen gedämpfte Stimme durch das dicke Holz. „Na Kleiner“, grinste der Größere als er die Tür hinter sich schloss. „Du sollst mich nicht so nennen“, grummelte der Angesprochene. Celest ließ sich auf dem großen Bett nieder. „Ich habe gehört, dass deine Noten ziemlich schlecht geworden sind“, begann er ohne Umschweife. Ciel seufzte tief: „Fängst du jetzt auch noch damit an?“ „Ich mach mir Sorgen um dich! Du hast das Lernen sonst immer ernst genommen und nie schleifen lassen. Was ist los?“ Der Kleinere biss sich kurz auf die Unterlippe. „Liegt es etwa an einem gewissen Lehrer?“, fragte Celest mit wissendem Unterton. Ciels Wangen färbten sich rosa, dann platzte es einfach aus ihm heraus: „Kannst du dir vorstellen wie es ist, die Person, in die du verliebt bist, jeden Tag zu sehen und nicht näher kommen zu dürfen?“ „Nein, aber ich kann Lizzie auch nur in den Ferien sehen.“ „Ihr dürft ja auch zusammen sein. Unsere Eltern unterstützen das auch noch! Wenn sie das mit Sebastian wüssten dürfte ich wahrscheinlich nicht mal mehr die Schule besuchen, geschweige denn zu ihm nach Hause!“ „Das stimmt“, lachte Celest, „sie würden dich nicht so einfach wieder bei ihm wohnen lassen.“ „Aber sag mal“, begann der Größere und schaute seinen Zwilling neugierig an, „habt ihr schon … du weißt schon was gemacht?“ Ciels Gesicht färbte sich augenblicklich rot: „Nein! Natürlich nicht! Wie kommst du darauf?“ Celest lachte. „Was heißt denn ‚natürlich nicht‘? Willst du etwa nicht?“, fragte er verwundert. „Nein, doch! Ich … ich weiß nicht“, gab Ciel leise zu. „Wieso nicht? Stehst du doch eher auf Frauen?“ „Nein, das ist es nicht.“ „Was ist los?“, fragte Celest besorgt. „Ich will schon, aber … jetzt noch nicht“, gestand der Kleinere leise, und knetete unsicher seine Hände in seinem Schoß. Sein Bruder lächelte ihn aufmunternd an: „Das ist doch okay. Oder hat er dich etwa zu etwas gezwungen, was du nicht wolltest?“ „Was? Nein! Ich frage mich nur manchmal, ob Sebastian wirklich bereit ist so lang auf mich zu warten …“ „Ist das der Grund, wieso deine Noten so schlecht sind? Wenn er dich wirklich liebt, dann wird er auf dich warten“, lächelte Celest ihn aufmunternd an. „Das klingt ganz schön kitschig“, lachte Ciel leise. Es war drei Tage nach Silvester, als das Ehepaar Phantomhive beschloss, ihre Reise früher als geplant anzutreten. Sie wollten noch ein paar Tage allein für sich haben, was auch verständlich war. Ciel hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, weil er sich darüber freute, dass seine Eltern früher als geplant abreisten. So konnte er Sebastian schon früher besuchen. Bei dem Gedanken schlug sein Herz schneller. Seit seinem Geburtstag bekam er von seinem Freund des Öfteren zweideutige Nachrichten, die eigentlich doch recht eindeutig gewesen waren. Ciel war sich ziemlich sicher, dass Sebastian endlich mehr von ihm wollte, als küssen und kuscheln. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, war er neugierig, wie es wohl sein würde. Er seufzte leise und warf einen Blick auf sein Smartphone. 17:03 Uhr. Er hatte, kaum dass seine Eltern die Auffahrt verlassen hatten, Sebastian direkt geschrieben. Die Antwort hatte nicht lange auf sich warten lassen. Sie hatten verabredet, dass Ciel um 19 Uhr bei seinem Freund sein würde. Das war am Vormittag gewesen und seit dem war er nervös gewesen. Sollte heute der Tag sein? So recht überzeugt war er nicht. Nach dem Mittagessen hatte er seinen Bruder Celest aufgesucht. Dieser hatte schon erste Erfahrungen mit Lizzy gesammelt. Auch wenn Ciel sich weigerte, sich die beiden in so einer Situation vorzustellen, er wollte für alle Eventualitäten gewappnet sein. Außerdem wollte er alles richtig machen. Allerdings hatte ihm Celest weder wirklich weiterhelfen können, noch ihn beruhigen können. „Entspann dich einfach und schau was dir gefällt“, hatte er gesagt. „Und lass dich auf keinen Fall zu etwas überreden, dass du nicht willst! Und wenn es dir zu viel wird, dann brech es ab, okay? Zwing dich zu nichts“, hatte Celest ihm eingeschärft. Doch das hatte Ciel eher verunsichert, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass Sebastian etwas tun würde, was er nicht wollte. „Auf jeden Fall solltest du vorher duschen und frische Kleidung anziehen“, hatte Celest ihn aufmunternd angelächelt. Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen hatte sein Zwilling noch hinzugefügt: „Also … das musst du nicht tun, ist vielleicht auch nicht nötig bei dir … aber … also, ich hab mich noch rasiert.“ Auf Ciels verständnislosen Blick ergänzte Celest, seine Augen auf die Körpermitte seines Bruders gerichtet: „Da unten.“ Es dauerte eine Sekunde, dann machte es Klick bei dem Kleineren und er bekam rote Wangen. Das würde er sicherlich nicht tun! Und nun stand er ein wenig unschlüssig im Bad. Er hatte sich frische Kleidung bereitgelegt und die andere in den Wäschekorb geworfen. Da Ciel sich noch nie hatte rasieren müssen, besaß er keinen Rasierer. Sein Zwilling hatte ihm seinen angeboten, natürlich mit einem neuen Klingenaufsatz. Und dort lag er, auf dem weißen Waschbecken und glänzte ihn hämisch an. Sollte er das wirklich tun? Unsicher blickte Ciel an seinem nackten Körper herunter. Seine Körperbehaarung war kaum bis gar nicht vorhanden, Bartwuchs war auch in weiter Ferne. Nach einigen Minuten, in denen er sich nicht entscheiden konnte, beschloss er, den Rasierer einfach mit unter die Dusche zu nehmen. Wenn er sich gewaschen hatte, konnte er immer noch entscheiden, ob er ihn benutzen wollte oder nicht. Ciel stellte die Wassertemperatur der Dusche ein, wartete kurz, bis sie erreicht war, dann stellte er sich unter den Wasserstrahl und schloss seine blauen Augen. Die Wärme tat gut und entspannte ihn etwas. Doch die Zeit blieb nicht stehen, nur weil er es wollte und da er pünktlich bei Sebastian sein wollte, shampoonierte er sich schnell die Haare ein und wusch seinen Körper mit einem zart nach Vanille riechenden Duschgel. Anschließend senkte er seinen Blick zu seiner Körpermitte. Sollte er? Oder sollte er nicht? Was, wenn er es nicht richtig machte und sich dann blamierte? Langsam ließ er seine rechte Hand über seinen flachen Bauch nach unten gleiten. Seine Fingerspitzen fuhren über den kleinen Flaum weicher Härchen. War es überhaupt notwendig sie wegzumachen? Sebastian hatte ihn doch schon nackt gesehen und nichts dazu gesagt. Gedankenverloren streichelte er durch die wenigen Härchen und das Bild seines fast nackten Freundes erschien vor seinem geistigen Auge. Ohne es wirklich zu merken, sammelte sich sein Blut zwischen seinen Beinen. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn Sebastian ihn da berühren würde? Unbewusst war Ciels Hand ein wenig weiter nach unten gewandert und er streichelte sich selbst. Seufzend lehnte er sich an die kühlen Fließen in seinem Rücken und gab sich dem Gefühl und der Vorstellung, es wäre nicht seine Hand, sondern die seines überaus attraktiven Freundes, hin. Es dauerte nicht lange und Ciel ergoss sich in seiner Hand. Erschrocken riss er seine Augen auf, er hatte die Zeit total vergessen! Schnell wusch er seine Hand ab, stellte das Wasser aus und stieg aus der Dusche. Da klopfte es auch schon an der Tür zum Badezimmer. Celests Stimme drang gedämpft herein: „Ciel? Brauchst du noch lange? Das Auto ist bald soweit.“ „O-okay! Fünf Minuten!“, antwortete er. Ihm blieb keine Zeit mehr sich noch länger Gedanken um sein Äußeres zu machen. Schnell trocknete Ciel sich ab, zog sich die mitgebrachte Kleidung an und föhnte seine Haare. Es war schließlich noch tiefster Winter und er legte keinen Wert auf eine Erkältung. Eilig schnappte er sich seine Tasche, die er in weiser Voraussicht schon gepackt hatte, und lief nach unten. Dort warteten schon Celest und Lizzy, die sich mit ein paar anderen in London verabredet hatten. Während der Fahrt nach London plapperte Lizzy fast ununterbrochen, doch Ciel hörte ihr kaum zu. Sein Herz schlug immer noch heftig in seiner Brust und der Kloß in seinem Hals ließ sich nicht herunterschlucken. Immer wieder kreisten dieselben Fragen durch seinen Kopf. Was, wenn er sich unnötig verrückt gemacht hatte und Sebastian gar nicht wollte? Was, wenn er etwas falsch machte? Was, wenn Sebastian ihn dann doch nicht so toll fand? Was, wenn er es mitten drin doch nicht mehr wollte? Hätte er sich doch rasieren sollen? Wie sollte er anfangen? Musste er den anderen verführen? Würde Sebastian den ersten Schritt machen? Würden sie ins Schlafzimmer gehen? Wie weit würden sie gehen? Ciel war sich sicher noch nicht bereit zu sein den ganzen Weg zu gehen. Die Frage, die am meisten an ihm nagte und ihm gleichzeitig am meisten Angst machte, war, was passieren würde, wenn Sebastian ihn doch nicht wollte oder gar fand dass er zu klein sei. Vielleicht fand er seinen Körper auch zu kindlich. Ohne, dass Ciel es merkte, veränderte sich die Landschaft, sie wurden langsamer und fuhren an den ersten Häusern vorbei. „Ciel, wir sind da“, sagte Celest und riss ihn damit aus seinen sorgenvollen Gedanken. Der Kleinere versuchte nochmals den Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken. „Ja … viel Spaß euch“, sagte er leise. Er war so nervös wie selten zuvor. „Dir auch viel Spaß“, rief Celest und zwinkerte ihm aufmunternd zu. Lizzy schaute irritiert zwischen den beiden hin und her, doch da fuhr die Limousine weiter und das Fenster wurde geschlossen. Mit weichen Knien ging Ciel langsam auf die Haustür zu. Noch einmal atmete er tief durch, straffte seine Schultern und betätigte dann die Klingel. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann wurde ihm die Tür von einem lächelnden Sebastian geöffnet: „Hallo Ciel, schön, dass du da bist.“ „H-hallo“, würgte er hervor. Nun seinen Freund vor sich zu sehen ließ ganze Kolonien von Schmetterlingen in seinem Bauch fliegen und sein Herz unangenehm heftig schlagen. „Komm rein“, lächelte Sebastian und trat zur Seite, damit der Kleinere den Flur betreten konnte. Dort zog Ciel sich mit leicht zittrigen Fingern die warme Winterjacke, seinen Schal und die Schuhe aus. Natürlich entging Sebastian seine Nervosität nicht, aber er sagte nichts dazu. Er schloss aus Ciels Verhalten, dass dieser bereit war, den nächsten Schritt zu gehen. Schließlich war der Jüngere schon lange nicht mehr so nervös gewesen, auch, wenn er es erfolglos versuchte zu überspielen. Unbewusst leckte Sebastian sich kurz über die Lippen. „Ich hoffe du hast Hunger, das Essen ist gleich fertig“, sagte er mit einem sanften Lächeln und schob Ciel sachte Richtung Küche. „E-eigentlich nicht …“, sagte der Kleinere leise und versuchte krampfhaft seine Aufregung zu unterdrücken. „Das ist aber schade“, sagte Sebastian mit gespielt traurigem Unterton, „wozu habe ich dann diesen leckeren Schokokuchen gebacken? Mit Schokocreme und Vollmilchglasur. Aber wenn du keinen Hunger hast …“ Ciel bekam große Augen und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Wie sollte er auch zu so etwas ‚Nein‘ sagen? „A-also … bevor er schlecht wird …“ Mit roten Wangen brach er ab, als er das Leuchten in Sebastians Augen sah. Der Mistkerl hatte das mit Absicht gemacht! Doch bevor Ciel sich weiter darüber Gedanken machen konnte, stand schon ein Teller mit einem besonders großen Stück vor ihm. Mit leuchtenden Augen setzte er sich an den Tisch, nur um festzustellen, dass ihm ein neuer, noch leerer Teller hingestellt wurde. „Erst isst du was Vernünftiges“, sagte Sebastian ernst. War doch klar gewesen, dachte Ciel. Er wusste, dass er auf seine Ernährung achten musste und sich nicht nur von Süßkram ernähren konnte, aber trotzdem wollte er jetzt nichts lieber als dieses Kuchenstück essen. Sebastian derweil deckte den Tisch. Es gab Spaghetti Bolognese mit einem bunten Salat. Während Ciel sich etwas davon auf seinen Teller, bzw. in das Salatschüsselchen lud, merkte er, wie hungrig er eigentlich war. Er hatte seit dem Mittagessen nichts mehr gegessen, durch die Aufregung hatte er keinen Bissen herunter bekommen. Doch diese war nun vergessen. Während dem Essen erzählten sie sich, was sie über die Feiertage und die letzten Tage gemacht hatten. Sebastian stellte zufrieden fest, dass Ciel sich wieder beruhigt hatte. Wäre er später auch so angespannt hätte es keinen Wert gehabt. Der Kleinere wäre das reinste Nervenbündel gewesen und hätte es nicht genießen können. Nach dem Essen bekam Ciel das versprochene Stück Kuchen. Amüsiert wurde er von Sebastian beobachtet. „Was ist?“, fragte der Kleinere irritiert. Der Angesprochene lächelte: „Ich habe noch nie jemanden mit so viel Genuss essen sehen.“ Ciels Wangen färbten sich rosa und er beschloss den anderen die nächsten Minuten nicht weiter zu beachten und sich stattdessen ganz auf den Kuchen zu konzentrieren. Kurz kam ihm der Gedanke Sebastian zu heiraten, schon allein damit dieser ihn jeden Tag bekochen würde und er täglich seine köstlichen Desserts verspeisen konnte, doch diesen Gedanken schob er, mit roten Wangen, gleich wieder zur Seite. Während Ciel sich noch ein zweites Stück genehmigte, brachte Sebastian seine Küche wieder in Ordnung. Angenehme Stille herrschte zwischen ihnen und langsam kroch in Ciel die Aufregung wieder hoch. Er dachte daran, was sie jetzt wohl gleich tun würden und schluckte. Da er fertig war stand er auf und brachte den Teller zur Spüle, damit Sebastian ihn gleich spülen konnte. „Soll ich dir helfen?“, fragte Ciel leise, da er plötzlich nicht so recht wusste, was er sonst tun sollte. „Gern“, sagte Sebastian und reichte ihm ein Geschirrhandtuch, „du kannst abtrocknen.“ Um die Stille zu durchbrechen begann der Größere irgendetwas zu erzählen, doch Ciel hörte ihm kaum zu. Sein Herz machte Überstunden und schlug heftig gegen seine Rippen. Nach langen Minuten waren sie fertig und Sebastian drehte sich mit einem vorfreudigen Funkeln in den Augen zu Ciel. Dieser erwiderte den Blick ein wenig unsicher. Was sollte er nun tun? In seinem Bauch flatterte es wie verrückt und sein Herzschlag wollte sich gar nicht mehr beruhigen. „Komm her“, lächelte Sebastian ihn warm an und zog den Kleineren zu sich. Sanft legte er seine Arme um den schmalen Oberkörper, beugte sich nach unten und gab ihm einen liebevollen Kuss. „Ich hab dich vermisst“, hauchte er gegen Ciels Lippen. „Ich dich auch.“ Seine Stimme zitterte unmerklich vor Aufregung. Sebastian zog ihn in einen zärtlichen Kuss, den er schnell intensivierte und leidenschaftlicher werden ließ. Als sie sich voneinander lösten, um nach Luft zu schnappen, hob Sebastian Ciel hoch, sodass dieser reflexartig seine Arme um den Hals des Größeren und seine Beine um dessen Taille schlang. Er verwickelte ihn wieder in einen leidenschaftlichen Kuss. Während ihre Zungen um die Dominanz kämpften ging Sebastian langsam Richtung Schlafzimmer. Dort angekommen legte er Ciel vorsichtig auf dem großen Bett ab und beugte sich über ihn. Wieder fing er seine Lippen ein. Mit der linken Hand stütze Sebastian sich ab, mit der rechten streichelte er Ciels Bauch und schlüpfte unter dessen Pullover. Leicht erschauerte der Kleinere, bog sich der Hand aber entgegen. Langsam wanderte Sebastians Hand weiter nach oben, streichelte die weiche Haut und fuhr wie zufällig über die rosa Knospen. Ciel seufzte in den Kuss. Davon angestachelt fing die Hand an ein wenig mit ihnen zu spielen, worauf bald ein leises Keuchen die Lippen des Kleineren verließ. Sebastian löste den Kuss, um Ciel den Pullover auszuziehen. Sein eigener wanderte gleich dazu, genauso wie ihre Hosen. Ausgiebig betrachtete er den Körper, der unter ihm lag. Dieser wand sich unter ihm, da ihm der intensive Blick unangenehm war. „Du bist wunderschön“, hauchte Sebastian und küsste ihn zärtlich. Dann wanderten seine Lippen weiter nach unten, saugten an der weichen Haut am Hals, knabberten am Schlüsselbein und bahnten sich ihren Weg zu Ciels Brust. Dessen Herz raste vor Aufregung. Ein wenig zuckte er zusammen, als Sebastians Lippen eine Knospe umschlossen und sanft daran saugten. Gleichzeitig fuhr er mit einer Hand über Ciels flachen Bauch hinunter zum Bund von dessen Shorts. Kurz hielt er inne und warf einen Blick in das Gesicht des Kleineren, dann streichelte er über die Beule, die sich unter dem Stoff gebildet hatte. Erschrocken zog Ciel die Luft ein und entließ sie zittrig, als Sebastian diese Geste wiederholte und sich gleichzeitig seiner anderen Knospe widmete. Ohne es zu realisieren lag er plötzlich komplett nackt unter seinem Freund. Dieser kam wieder zu Ciel hoch, verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen Kuss, während seine Hand begann die Erregung des Kleineren zu streicheln. Dieser keuchte leise und drückte sich ihm unmerklich entgegen. Sebastian umfasst ihn mit der ganzen Hand und fuhr langsam und sanft auf und ab. Ciel keuchte immer wieder leise. Er klammerte sich an den Größeren und japste nach Luft: „Ah! Ich ... Ich k-“ Augenblicklich ließ Sebastian von ihm ab. Ciel gab unwillkürlich einen enttäuschten Laut von sich. „Noch nicht“, hauchte Sebastian verführerisch und küsste sich langsam einen Weg über Ciels Brust, seinen Bauch, immer tiefer. Gleichzeitig streichelte er die Innenseiten seiner Oberschenkel. Vorsichtig spreizte er seine Beine noch ein wenig weiter und ließ sich endgültig dazwischen nieder. „Wa-was hast du vor?“, fragte Ciel atemlos und zuckte zusammen, als er Lippen auf der Spitze seines Glieds spürte. Sanft leckte Sebastian die ersten Lusttropfen weg und nahm langsam immer mehr von Ciel in seinen Mund auf. Als er ihn komplett eingekesselt hatte leckte er erst über den Schaft, dann begann er sachte zu saugen. Ciel stöhnte auf und warf seinen Kopf hin und her. Er wusste gar nicht wohin mit sich, es fühlte sich einfach nur unglaublich an. Langsam intensivierte Sebastian die Bewegungen mit seinem Mund und knetete mit einer Hand sachte die Hoden. Ciel in seinem Mund zuckte unkontrolliert, während dieser undefinierbare Laute von sich gab. Er wollte Sebastian vorwarnen, doch er bekam kein vernünftiges Wort zustande. Dieser saugte noch ein wenig stärker und bewegte seine Zunge schneller und so dauerte es nicht mehr lange und Ciel entlud sich in einem explosionsartigen Orgasmus. Schwer atmend lag er da und sah nur Sternchen. Das war unglaublich gewesen! Sein Herz raste, doch er fühlte sich unglaublich gut. Ohne, dass Ciel es merkte, hatte Sebastian alles geschluckt und legte sich nun neben ihn. Seine eigene, beinahe schon schmerzhaft pochende, Erregung ignorierend. Kapitel 20: Erinnerungen ------------------------ In Erinnerung an jemanden, der mir sehr wichtig war und mich viele Jahre begleitet hat. Alois saß in seinem Zimmer, in einer großen Fensternische, die er sich mit Decken, Polstern und Kissen gemütlich eingerichtet hatte, und schaute gelangweilt nach draußen. Dieser Ort war sein Lieblingsplatz. Als er damals zu seinem Onkel kam, hatte er schon einiges erlebt und alles verloren gehabt. Seine Familie, sein zu Hause, seinen kleinen Bruder und besten Freund. Trauer hatte sein komplettes Denken beherrscht und alles was er wollte war Trost und jemanden, der für ihn da war. Wenigstens ab und zu, doch sein Onkel wollte nichts von ihm wissen. Er hat ihn in sein Stadthaus, das er eh nie benutzte, abgeschoben und ein paar Bedienstete hingestellt. Zum „Spielen“ kamen immer neue Butler, doch niemand hatte es lange mit ihm ausgehalten. Alois wusste, dass er anstrengend war, verhielt er sich doch absichtlich so. Er wollte niemanden mehr an sich heran lassen um nicht Gefahr zu laufen noch einmal so einen Verlust verkraften zu müssen. Der Tod seiner Eltern war schlimm gewesen, doch er hatte immer noch seinen kleinen Bruder Luca gehabt. Sie kamen in ein Waisenhaus, niemand war da, der sich um sie kümmern wollte. Doch sie wurden so schlecht dort behandelt, dass Alois in einer Nacht mit Luca floh. Sie lebten eine Zeit lang auf der Straße, bis zu dem wohl schlimmsten Tag in Alois jungem Leben. Es hatte wie aus Eimern geregnet, der Himmel war dunkel von den vielen Wolken. Da es Sommer war, war es nicht sonderlich kalt draußen. Sie hatten seit Tagen kaum etwas gegessen und Luca wollte ihm eine Freude machen, also stahl er zwei Äpfel in einem kleinen Laden. Der dicke Besitzer jagte den Jungen, wollte Geld für das Obst und Luca rannte, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Und dann geschah es, zu schnell, um reagieren zu können. Sein kleiner Bruder wurde von einem viel zu schnell fahrenden Auto erwischt und war augenblicklich tot. Alois war zu ihm gestürmt, hatte den kleinen, leblosen Körper an sich gepresst und sich die Seele aus dem Leib geschrien. Er hatte gehofft ein Auto würde ihn auch überfahren, doch nichts geschah. Was anschließend passierte wusste er nicht. Das Nächste, an das er sich erinnern konnte, war, dass er im Krankenhaus lag. In seinem Arm stecke eine Infusionsnadel und unter seiner Nase befand sich ein Sauerstoffschlauch. Ehe er sich darüber wundern konnte, ging die Tür auf und eine junge Schwester trat ein. „Oh, du bist wach!“ Sie wuselte um ihn herum, redete auf ihn ein, doch Alois hörte ihr gar nicht zu. Plötzlich öffnete sich wieder die Tür und ein fetter, schmieriger Kerl kam herein, stellte sich als seinen Onkel vor und sagte ihm, er würde sich von nun an um ihn kümmern. Das Einzige, das Alois in diesem Moment für den Mann, den er nie gesehen hatte, fühlte, war Hass. Tiefer, alleszerfressender Hass. Wäre dieser Widerling ein paar Tage früher aufgetaucht, würde Luca noch leben. Doch Alois schwieg. Als er eine Woche später aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sah er seinen Onkel wieder. Dieser erklärte ihm, dass er ab sofort in dessen Stadthaus wohnen würde. Kurzzeitig hatte Alois gedacht, sein Onkel würde sich tatsächlich für ihn interessieren, doch schnell stellte er fest, dass dieser nur ein schlechtes Gewissen hatte, weil Luca tot war. Alois schnaubte verächtlich und wischte sich ärgerlich über sein Gesicht. Gleich würde Claude kommen, um ihn zum Mittagessen zu holen. Da Sonntag war, waren sie wieder mal allein in dem viel zu großen Haus. Sein Butler sollte nicht sehen wie er weinte, er würde es wahrscheinlich sowieso nur ignorieren. In diesem Moment klopfte es auch schon leise an seiner Tür, ehe diese geöffnet wurde. „Das Essen ist serviert“, teilte Claude ihm mit. „Ich hab keinen Hunger“, sagte Alois leise und so emotionslos wie möglich. Sein Gesicht war weiterhin der Fensterscheibe zugewandt. Sein Butler seufzte innerlich und sagte: „Wie du wünschst.“ Er verließ das Zimmer wieder, doch ehe er die Tür komplett zugezogen hatte, hörte er ein leises Schluchzen. Claude rang mit sich. Sollte er? Oder sollte er nicht? Ein Blick auf das Häufchen Elend, das am Fenster saß, nahm ihm die Entscheidung ab. Langsam ging er auf Alois zu, ohne, dass dieser es bemerkte. Als sich plötzlich zwei Arme von hinten um ihn legten und er an einer breiten Brust lehnte, zuckte er erschrocken zusammen. „Ist schon okay“, flüsterte Claude und zog den Kleineren auf seinen Schoß, während er sich selbst an die breite Mauer in seinem Rücken lehnte. Alois saß einige Herzschläge lang einfach nur regungslos da, dann lehnte er sich langsam zurück und entspannte sich. Die Tränen liefen wieder, doch es war ihm egal. Er drehte sich in der Umarmung so weit, dass er sein Gesicht an Claudes Schulter lehnen konnte. Dieser hielt ihn einfach nur fest und sagte nichts. Er wusste von Luca und den Umständen, wie Alois zu seinem Onkel kam. Vor ein paar Monaten, als er den Kleineren ins Krankenhaus bringen musste, weil dieser sich in den Finger geschnitten hatte, hatte ein wenig im Internet recherchiert, um mehr über den Jungen zu erfahren. Vor allem über seine Hintergründe, um ihn vielleicht besser verstehen zu können. Dabei war er auf einen Artikel gestoßen, in dem von Lucas Tod berichtet wurde. Hauptsächlich ging es darum, dass der tolle Lord Trancy seinen Neffen bei sich aufgenommen hatte, obwohl sie nicht einmal direkt verwandt waren, sondern über mehrere Ecken. Claude schnaubte bei dem Gedanken abfällig. Wahrscheinlich hatte dieser Widerling das nur für gute Publicity getan. Die Aktien von dessen Firma waren damals auf einem fallenden Kurs, sanken immer tiefer. Noch dazu gab es viele Gerüchte wegen Drogen- und Menschenhandel. Da kam es ihm doch gerade recht, seinen verloren geglaubten Neffen zu finden und ihm ein zu Hause zu geben. Damit war sein Ruf wieder einigermaßen hergestellt und die Aktien krochen langsam aus dem Keller hervor. Natürlich hatte er Alois dann zu vielen Veranstaltungen mitgenommen, um ihn vorzuführen und zu zeigen, was für ein toller Kerl er selbst doch ist. Doch kaum war die Öffentlichkeit weg, ließ er den Jungen fallen wie eine heiße Kartoffel. Das hatte Claude in den letzten zwei Jahren schon oft mitbekommen. Erst hatte er gedacht, es läge an Alois, aber dessen Verhalten war nur die Antwort auf das seines Onkels. „Heute wäre er 14 geworden“, nuschelte Alois an Claudes Schulter mit tränenerstickter Stimme. Dieser zog den Kleineren nur noch näher an sich. „Möchtest du ihn besuchen?“, fragte Claude, erhielt jedoch ein Kopfschütteln als Antwort. Das letzte Mal, als Alois an dem Grab war, war bei der Beerdigung gewesen und das war nun schon fast zehn Jahre her. Er hatte oft mit dem Gedanken gespielt einfach dorthin zu gehen, doch er hatte es nicht gekonnt. „Aber vielleicht hilft es dir, deine Trauer zu verarbeiten. Ich bin mir sicher, er hätte nicht gewollte, dass du so leidest.“ Minuten vergingen, in denen niemand etwas sagte. Einzig die Geräusche der Stadt waren ganz leise zu hören und durchbrachen die Stille. Langsam löste Alois sich von Claude und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. „Vielleicht hast du recht“, sagte er leise und stand auf. Langsam stand er auf, ging zu seinem großen Kleiderschrank und zog aus diesem eine schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt und einen schwarzen Pullover hervor. Ohne den anderen zu beachten zog Alois sich bis auf die Unterwäsche aus. Er hatte keinen Grund sich zu schämen, schließlich hatte Claude ihn schon oft nackt gesehen. Dieser beobachtete ihn und musste sich eingestehen, dass sich seine Sicht auf Alois geändert hatte. Langsam und so schleichend, dass er es nicht bemerkt hatte, nicht bemerken konnte. Hinter der Fassade des lauten, nervigen, frechen, immer gut gelaunten Teenagers versteckte sich ein kleiner Junge, der sich von der Welt verlassen fühlte und der unglaublich einsam war. Als Alois fertig war, gingen sie schweigend nach unten, zogen sich Jacke und Schuhe an und verließen das große Stadthaus. Da der Friedhof außerhalb von London war, mussten sie eine Weile mit dem Auto fahren. Alois schaute die ganze Fahrt über nur aus dem Beifahrerfenster. Er fühlte sich leer. Als Claude auf dem Parkplatz vor dem Friedhof parkte, stieg Alois wortlos aus und ging langsam auf das Eisentor zu. Kurz hielt er inne, atmete noch einmal durch, dann drückte er das Tor auf und betrat den schmalen Pfad, der sich durch die Gräber schlängelte. Claude folgte ihm mit einigem Abstand. Alois fand das Grab seines Bruders auf Anhieb, als wäre kein Tag seit der Beerdigung vergangen. Lange stand er einfach nur da und betrachtete die vielen Blumen. Zumindest wurde es ordentlich gepflegt. Alois wusste nicht, wie lange er schon dort stand, gewärmt von der Sonne, die schien, als wäre es der schönste Tag des Jahres. Bei der Beerdigung hatte es geregnet, als gäbe es kein Morgen, als würde der Himmel mit ihm trauern. Stumme Tränen liefen über sein Gesicht, während er einfach nur dastand. Maybe in another life I could find you there Pulled away before your time I can't deal it's so unfair And it feels And it feels like Heaven's so far away And it feels Yeah it feels like The world has grown cold Now that you've gone away Claude wusste nicht, wie lange sie auf dem Friedhof standen, doch irgendwann hatte Alois sich umgedreht und war langsam gegangen. Als er die Tränen gesehen hatte, hätte er ihn am liebsten in den Arm genommen, doch er blieb regungslos stehen. Claude konnte sich nicht vorstellen, wie schlimm dieser Verlust sein musste. Wahrscheinlich hatte Alois in den ganzen Jahren alleine mit seiner Trauer leben müssen, ohne jemanden zu haben, der ihn je tröstete. Sein Onkel interessierte sich nicht für ihn, hatte er ihn doch nur für gute Publicity aufgenommen. Und soweit Claude wusste, waren seine Vorgänger nie lange genug geblieben, um Alois wirklich kennenzulernen. Bisher hatte er es nur als seine Arbeit betrachtet, sich um den Jungen zu kümmern, ohne jegliche Emotionen. Doch allmählich wurde ihm immer bewusster, dass es gerade das war, was er brauchte. Warum Alois versucht hatte ihn in sein Bett zu bekommen. Wenn er schon keine Liebe auf der Gefühlsebene bekam, dann wollte er sie wenigstens körperlich. Dass seine Herangehensweise eher das Gegenteil bewirkte, war ihm wohl nicht bewusst. Wieder einmal fragte Claude sich, ob Alois es auch schon bei seinen Vorgängern versucht hatte und ob er es geschafft hatte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, störte ihn dieser Gedanke. Nicht, weil er eifersüchtig war. Er wollte einfach nicht, dass Alois ausgenutzt wurde. Zugegeben, er brachte ihn beinahe täglich auf die Palme, doch seit dem Vorfall, als der Jüngere sich geschnitten und sie sogar ins Krankenhaus gemusst hatten, hatte sich Claudes Sicht langsam verändert. So schleichend, dass er es nicht einmal bemerkt hatte. Am Auto angekommen schloss er es mit der Funkfernbedienung auf und Alois stieg schweigend ein. Auch während der Fahrt zum Stadthaus schwiegen sie. Claude hätte auch nicht wirklich gewusst, was er sagen sollte. Als sie den Friedhof verlassen hatten, waren ein paar lachende Kinder an ihnen vorbeigerannt und er hatte einen kurzen Blick in die hellblauen Augen des Jüngeren erhascht. Für einen kurzen Moment hatte sich alles in seinem Magen zusammen gezogen. Claude hatte geglaubt den Schmerz der ganzen Welt in diesen Augen zu sehen. Als er vor dem Stadthaus parkte, schnallte Alois sich ab und stieg aus, immer noch schweigend und mit gesenktem Kopf. Es war, als wäre er über Nacht ausgetauscht worden. Der Jüngere ging langsam, die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, auf die Haustür zu. Dort wartete er, bis Claude zu ihm kam und aufschloss. Alois schlüpfte schnell durch die Tür, zog sich Jacke und Schuhe aus und verschwand in sein Zimmer. Sein Butler stand im Eingang wie bestellt und nicht abgeholt. Sollte er ihm jetzt hinterher gehen? Er entschied sich, ihn erst mal alleine zu lassen und ging seinen anderen Aufgaben nach, das Abendessen bereitete sich schließlich nicht von selbst zu. Außerdem wollte Claude sich von seinen düsteren Gedanken ablenken. Alois saß derweil einfach nur in seinem Zimmer, an seinem Lieblingsplatz in der Fensternische und tat nichts, außer atmen. Er fühlte sich unglaublich leer und ausgelaugt. Wenn er seine Augen schloss, sah er das lachende Gesicht des kleinen Luca vor sich. Von einem Moment auf den anderen überkam ihn die heiße Wut auf seinen verhassten Onkel. Hätte dieser sie früher aufgenommen, würde sein kleiner Bruder noch leben. Er wusste, dass diese Gedanken nichts änderten und normalerweise verdrängte er sie einfach, doch an diesem Tag ging es nicht. Er wollte sich einfach in seiner Trauer und seinem Hass suhlen. Lange hatte er sich verboten wirklich zu trauern, doch dadurch holte es ihn immer wieder mit einer solchen Wucht ein, dass es ihn beinahe von den Füßen riss. Irgendwann klopfte es leise an seiner Tür und schreckte Alois aus seinen düsteren Gedanken. Es fühlte sich an wie ein Déjà-vu. Claude kam herein, in der Hand eine große Tasse mit dampfendem Inhalt. „Es ist Zeit für das Abendessen.“ „Ich hab keinen Hunger“, erwiderte Alois und wendete sich ab. Claude, der damit schon gerechnet hatte, kam näher und setzte sich ungefragt neben den Jüngeren. „Ich hab dir eine heiße Schokolade gemacht, trink wenigstens die. Mit leerem Magen wird es auch nicht leichter.“ Alois warf ihm einen kalten Blick zu, nahm dann aber doch die Tasse entgegen. Er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und sein Körper verlangte nach Nahrung. Er umfasste die Tasse mit beiden Händen, die dadurch gewärmt wurden, und pustete vorsichtig. Die Sahnehaube war schon halb geschmolzen, doch das störte ihn nicht. Langsam setzte er die Tasse an seine Lippen und nahm ein kleines Schlückchen, um sich nicht zu verbrennen. Doch der Kakao hatte die perfekte Trinktemperatur. Während Alois die Tasse leerte, merkte er erst so richtig, wie hungrig er war. Kaum hatte er das Getränk geleert, sagte er leise, mit gesenktem Blick: „Ich … möchte jetzt doch etwas essen.“ „Kommt sofort“, sagte Claude mit einem angedeuteten Lächeln, stand auf und verließ den Raum, nur um einen Augenblick später mit einem silbernen Speisewagen zurück zu kommen. Vorausschauend hatte er diesen auf dem Gang abgestellt, auch auf die Gefahr hin, dass er nicht gebraucht wurde. Er nahm das gefüllte Tablett von dem Wagen und stellte es vor Alois. Normalerweise bestand Claude darauf, im Speisesaal, oder zumindest in der Küche, zu essen, doch heute machte er eine Ausnahme. Der Jüngere sagte nichts dazu und aß schweigend. Nach dem Essen, als Claude das Tablett wegräumen wollte, wurde er durch ein leichtes Ziehen an seinem Frack zurückgehalten. Mit fragendem Blick drehte er sich um. „Bleib heute Nacht bei mir“, bat Alois leise. „Natürlich.“ Damit verließ der Größere das Zimmer, brachte den Speisewagen zurück in die Küche und räumte das Geschirr weg. Anschließend ging er in sein Zimmer und überlegte kurz, ob er wirklich mit Pyjama zu Alois gehen sollte. Da er normalerweise so etwas nie trug, entschied er sich für ein einfaches T-Shirt und eine Jogginghose. Als er Alois Zimmer wieder betrat, lag dieser schon in seinem großen Bett und wirkte verloren darin. Leise schloss Claude die Tür und ging zu dem Jüngeren, während ihn hellblaue Augen verfolgten. Wortlos hob er die Decke an, setzte sich auf die Bettkante, um aus seinen Hausschuhen zu schlüpfen, und legte sich hin. Leise raschelte eine Decke, dann spürte er auch schon einen warmen Körper an seiner Seite, der sich ankuschelte. Eigentlich war es noch viel zu früh für ihn um zu schlafen, aber er brachte es nicht übers Herz, Alois allein zu lassen. Dieser begann neben ihm zu zittern und schniefte kurz leise. Claude drehte sich auf die Seite, legte einen Arm um den Kleineren und zog ihn ganz dicht an sich, sodass Alois sein Gesicht an seiner Brust vergraben konnte. Claude spürte, wie sein T-Shirt immer feuchter wurde, doch er sagte nichts, hielt ihn einfach nur fest, bis das Schluchzen immer leiser wurde und der Kleinere immer ruhiger. Auch als er ruhig und gleichmäßig atmete, offenbar eingeschlafen war, hielt er ihn weiter fest und schlief irgendwann selbst auch ein. Liedtextausschnitt: Five Finger Death Punch – Gone Away Kapitel 21: Bettgeflüster ------------------------- Zufrieden kuschelte Ciel sich ein. Das war so unglaublich gewesen! Erst als er etwas Hartes an seiner Hüfte spürte, drückte er sich ein wenig von Sebastian weg und sah diesen fragend an. „Was ist? Willst du nochmal?“, fragte der Größere mit einem sanften Lächeln und strich ihm eine aschblaue Haarsträhne aus dem Gesicht. Ciels Wangen wurden warm und er senkte verlegen seinen Blick. „W-was ist mit dir?“, fragte er leise. „Was soll sein?“, er klang verwundert. „Naja …“, Ciels Blick deutete zu der Beule in Sebastians Shorts. „Das ist schon okay“, flüsterte dieser und gab ihm einen zärtlichen Kuss, „genieße lieber das von gerade eben.“ Damit zog er den Kleineren noch näher an sich und die Decke ein Stück höher. Ciel seufzte zufrieden und schmiegte sich in die wohlige Wärme. In diesem Moment war er einfach nur unglaublich glücklich. So bemerkte er auch nicht, wie er langsam einschlief. Sebastian beobachtete ihn beim Schlafen. Ciels Züge waren nach wie vor kindlich. Seine großen, blauen Augen, die nun geschlossen waren, wurden von langen, dichten Wimpern umrandet. Wenn Sebastian ehrlich zu sich selbst war, hätte er nie gedacht einen so jungen und niedlichen Freund zu haben. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen fand er Ciel schon sehr niedlich, weil er klein war und diese wunderschönen, großen blauen Augen hatte. Natürlich hatte er sich dabei nicht mehr gedacht, schließlich war er ein Schüler. Er dachte zurück an ihren ersten gemeinsamen Kuss, an ihr erstes Date. Ciel war ganz anders als seine wenigen Ex-Freunde, doch Sebastian liebte ihn von ganzem Herzen. Er wusste, dass diese Beziehung verboten war, schon allein, weil Ciel noch minderjährig war, aber wie hieß es so schön? Wo die Liebe nun mal hinfällt. Es störte ihn nicht einmal so sehr, wie er angenommen hatte, auf das Körperliche zu verzichten. Natürlich wollte er nicht ewig warten, aber Sebastian war es wichtig, dass Ciels erstes Mal, ihr gemeinsames erstes Mal, etwas Besonderes sein würde und der Kleinere auch bereit dazu war. Zärtlich strich er Ciel eine verirrte Strähne aus dem Gesicht und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich“, flüsterte er so leise, dass er es selbst kaum verstand. „Ich dich auch“, war die ebenso leise Antwort. Langsam schlug Ciel seine Augen wieder auf und schaute Sebastian verschlafen und mit einem kleinen, glücklichen Lächeln auf den Lippen, an. Der Größere konnte nicht anders, als ihn zu küssen. Sanft legte er seine Lippen auf Ciels, der den Kuss erwiderte und ein paar Momente später bat er mit seiner Zunge um Einlass. Ein wenig überrascht öffnete Sebastian seinen Mund einen Spalt breit und hieß die fremde Zunge willkommen. Schnell intensivierte sich der Kuss, wurde leidenschaftlicher. Ciel drückte sich näher an den anderen, seine Hände legte er auf Sebastians Brust ab, streichelte ein wenig unsicher darüber. Er wollte ihn berühren, war sich aber nicht sicher was er tun sollte und ob es dem anderen gefallen würde. Sebastians Hände derweil wanderten von Ciels Rücken hinab zu dessen Hintern und umfassten ihn sanft, drückten ihn noch ein wenig näher. Deutlich konnte der Jüngere an seiner Hüfte etwas Hartes spüren. Ohne darüber nachzudenken rieb er sich daran und keuchte leise in den Kuss. Plötzlich drehte Sebastian sich auf den Rücken, sodass Ciel auf dessen Schoß saß. Mit roten Wangen und schwer atmend erwiderte er unsicher den Blick aus rotbraunen Augen. „Mach ruhig weiter“, lächelte Sebastian und setzte sich auf, um ihn wieder zu küssen. Seine Hände legte er an Ciels Hüfte und bewegte diese. „W-warte“, schnaufte der Kleinere und schob Sebastian etwas von sich. Dieser ließ sich zurück in die Kissen sinken. Dann schob Ciel seine Finger unter den Bund von dessen Shorts. Das letzte Stückchen Stoff, das noch zwischen ihnen war, störte Ciel auf einmal sehr. Sebastian hob ein wenig seine Hüfte an, um ihm das Ausziehen leichter zu machen. Allerdings schaffte Ciel es nicht, sie ganz auszuziehen, also setzte Sebastian sich noch einmal auf um es selbst zu tun, dann legte er sich zurück in die Kissen und schloss seine Augen. Er würde warten und Ciel machen lassen. Dieser saß ein wenig ratlos auf Sebastians Oberschenkeln und betrachtete mit großen Augen dessen bestes Stück. Er kam nicht umhin sich selbst damit zu vergleichen und schluckte. Ein Kloß breitete sich in seinem Hals aus. Es so direkt zu sehen war doch etwas anderes als nur darüber nachzudenken. Sebastian war in allen Punkten wesentlich größer als er. Unsicher biss Ciel sich auf die Unterlippe. Sollte er ihn nun anfassen? Er würde gerne, doch so recht traute er sich nicht. Durch seine unsicheren Gedanken erschlaffte seine Erregung, was ihn noch kleiner aussehen ließ. Sebastian derweil öffnete verwundert seine Augen. Als er Ciels traurigen Blick sah, zog sich etwas in seinem Magen zusammen. „Hey … was ist denn los?“, fragte er sanft und setzte sich auf. Der Angesprochene wich seinem Blick aus und schaute nach unten. Sebastian folgte der Richtung mit seinen Augen und vermutete, was das Problem war. „Ciel“, begann er mit sanfter Stimme, „es gibt keinen Grund sich zu schämen.“ Dieser schwieg. Plötzlich fühlte er sich unfassbar angreifbar und verletzlich und hätte am liebsten seinen Körper bedeckt. Was fand Sebastian, der groß, durchtrainiert und gutaussehend war, nur an ihm? „Ciel, du bist wunderschön und genau richtig, so wie du bist. Es gibt keinen Grund sich zu schämen“, sagte Sebastian mit sanfter Stimme. Langsam näherte er sich seinem Gesicht und flüsterte: „Ich hab mich in dich verliebt, weil du so bist wie du bist.“ Sanft legte er seine Lippen auf Ciels. Zögerlich erwiderte dieser den Kuss. Sein Herz raste und in seinem Bauch explodierten Schmetterlinge. Ohne den Kuss zu vertiefen streichelte Sebastian über Ciels Seiten, hinab zu dessen Schoß, über die Innenseiten seiner Oberschenkel zu seinem schlaffen Glied. Sachte streichelte er über die weiche Haut und spürte, wie es langsam unter seinen Fingern härter und größer wurde. Mit der anderen Hand streichelte er sich selbst und bat mit seiner Zunge um Einlass. Dieser wurde ihm auch sogleich gewährt, während Ciel sich ihm entgegen drückte und leise keuchte. Kurz ließ Sebastian von ihm und sich ab, zog den Kleineren stattdessen ein wenig höher, so dass ihre Körpermitten sich leicht berührten. Überrascht japste Ciel nach Luft und riss seine Augen auf. Ein Stromstoß schoss durch seinen Körper und ließ ihn schaudern. Ehe er darüber nachdenken konnte löste Sebastian eine Hand von Ciels Körper und führte sie stattdessen zwischen sie beide. Er umfasste ihre Erregungen und begann langsam seine Hand auf und ab zu bewegen. Ciel drückte seinen Rücken durch und stöhnte erregt auf. In seinem Magen zog sich alles auf angenehme Weise zusammen. Haltsuchend legte er seine Arme um Sebastians Hals und drückte sich diesem entgegen. In einem unregelmäßigen Rhythmus zuckte seine Hüfte. Langsam wurde die Hand schneller und Ciel spürte wie er seinem Höhepunkt immer näher kam. „Ah! Se-seba- … ich … ich ko-“ Stöhnend ergoss er sich und atmete zittrig ein und aus. Sebastian folgte ihm ein paar Momente später mit einem dunklen Stöhnen, das Ciel angenehm schaudern ließ. Der Größere angelte nach einer Box Taschentücher, die neben dem Bett stand und wischte erst seine Hand, dann sie beide ab. Immer noch schwer atmend lehnte Ciel sich an ihn. „Das war … unglaublich … !“ „Das war es“, lächelte Sebastian, legte einen Arm um den Kleineren und ließ sich langsam nach hinten sinken. Er konnte sein eigenes, schnell schlagendes Herz und das von Ciel an seiner Brust spüren. Sebastian zog die Decke über sie beide und kurz darauf war der Jüngere erschöpft eingeschlafen. Minuten später fielen auch Sebastian die Augen zu. Ciel erwachte mitten in der Nacht. Er lag, so wie er eingeschlafen war, bäuchlings und nackt auf Sebastian. Dieser schien friedlich zu schlafen. Er betrachtete das entspannte Gesicht seines Freundes und augenblicklich begann es wieder in seinem Bauch zu kribbeln. Vorsichtig rollte er sich von dem Größeren runter. Ciel konnte nicht sagen was ihn geweckt hatte, doch er verspürte das dringende Bedürfnis sich etwas anzuziehen. Zumindest seine Unterwäsche. Er war nie ein Nacktschläfer gewesen und fühlte sich unwohl. Leise schälte er sich aus der Decke, stieg auf und suchte im Dunkeln auf dem Boden nach seiner Shorts. Als er sie gefunden hatte, zog er sich seine Unterwäsche schnell an. Viel besser! Eigentlich wollte Ciel sich nun wieder ins Bett legen, doch irgendwie hatte er ein wenig Hunger und da war noch diese überaus köstliche Schokotorte im Kühlschrank … Ohne weiter darüber nachzudenken schlich er zur Tür, öffnete diese so leise wie möglich und begab sich durch den dunklen Flur zur Küche. Diese wurde von den Straßenlaternen ein wenig erhellt. Gerade genug, damit Ciel nicht die helle Deckenbeleuchtung einschalten musste. Als er vor dem Kühlschrank stand, zögerte er. War das wirklich in Ordnung, wenn er sich einfach bediente? Das hatte er bisher nur einmal getan, und das war bei seinem verunglückten, ersten Versuch zu kochen. Andererseits hatte Sebastian die Torte extra für ihn gebacken. Bei dem Gedanken an diese Geschmacksexplosion lief Ciel das Wasser im Mund zusammen und ohne noch länger zu zögern öffnete er den Kühlschrank. Verstohlen linste er über seine Schulter zur Tür, erwartete beinahe, dass Sebastian dort stehen würde, doch dem war nicht so. Vorsichtig hob Ciel die Tortenplatte heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte der Küchenzeile. Mittlerweile kannte er sich gut genug aus, um Besteck und Teller zu finden. Er nahm ein großes Messer aus einer Schublade und schnitt sich großzügig ein Stück ab. Dann schob er das Messer darunter, balancierte den Kuchen darauf, stützte ihn mit den Fingern und legte ihn unfallfrei auf den Teller. Dann leckte er genüsslich die Schokoladencreme von seinen Fingerspitzen und holte eine Kuchengabel. Ciel trennte auch gleich ein Stückchen ab und schob es sich in den Mund. Er seufzte zufrieden, während die Süße sich auf seiner Zunge ausbreitete. War das köstlich! Er konnte gar nicht verstehen, dass es Menschen gab, die so etwas nicht mochten. Ciel machte sich gar nicht die Mühe, sich mit dem Kuchen an den Tisch zu setzen. Stattdessen stand er, mit dem Teller in der Hand, neben der Küchenzeile und aß genüsslich das Tortenstück. Sebastian war derweil auch aufgewacht, da er es seltsam kühl fand. Schnell stellte er fest, dass die Decke nicht einmal mehr seinen halben Körper bedeckte und Ciel fehlte. Er dachte sich nichts weiter dabei, der Kleinere war wahrscheinlich nur kurz ins Bad. Doch es war nichts zu hören, es war absolut still in der Wohnung. Plötzlich meinte Sebastian ein zufriedenes Seufzen zu hören und lauschte in die Stille. „Mmmh“, erklang leise und mit hochgezogener Augenbraue beschloss er, nun doch nachsehen zu gehen, was Ciel da eigentlich trieb. Leise stand Sebastian auf, fischte noch schnell seine Shorts vom Boden, und verließ sein Schlafzimmer. An der Badezimmertür angekommen ertönte wieder ein überaus zufriedener Laut, doch dieser kam eindeutig aus der Küche. Verwundert ging Sebastian darauf zu. Im Türrahmen blieb er schmunzelnd stehen. Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Ciel diese Laute beim Verspeisen der Schokotorte machen würde. „Schmeckt’s?“, fragte er belustigt und machte somit auf sich aufmerksam. Ciel zuckte erschrocken zusammen und starrte ihn ertappt an. Er nickte mit rosa Wangen und stellte den leeren Teller hinter sich auf die Arbeitsplatte. Sebastian kam lächelnd näher, legte seine Arme um Ciels schmale Taille und küsste ihn sanft. „Möchtest du noch ein Stück?“, fragte der Größere und erhielt ein Kopfschütteln als Antwort. „Eins reicht mir“, lächelte Ciel und löste sich aus der Umarmung, um die Torte zurück in den Kühlschrank zu stellen. Auch nicht wenn ich es von deinem Körper esse? Schoss es Sebastian durch den Kopf, doch er stellte diese Frage nicht laut. „Dann lass uns zurück ins Bett gehen“, sagte er lächelnd und zog Ciel wieder zu sich. Ehe dieser sich versah, hatte der andere ihn hochgehoben und trug ihn wie eine Braut zurück ins Schlafzimmer. „Ich kann alleine laufen!“, protestierte er, doch das war Sebastian recht herzlich egal. Viel zu lange waren sie getrennt gewesen und nach dem, was sie vor ein paar Stunden getan hatten, wollte er den Kleineren erst recht nicht mehr loslassen. Dieser schmiegte sich, trotz seines Protests, an ihn und drückte seine Nase in Sebastians Halsbeuge, um seinen Geruch tief einatmen zu können. Im Schlafzimmer angekommen legte er Ciel sanft auf die Matratze, nur um sich direkt über ihn zu knien und den Untenliegenden zärtlich zu küssen. Der Kuss dauerte nur ein paar Augenblicke, dann lösten sie sich voneinander und Sebastian legte sich neben den Kleineren. Ciel kuschelte sich direkt an die Brust seines Freundes und schloss seine Augen. Sebastian kraulte Ciels Nacken, bis dieser eingeschlafen war. Ruhig und gleichmäßig atmend lag er in seinen Armen. Er betrachtete wieder einmal die entspannten, kindlichen Gesichtszüge. Wie Ciel wohl in ein paar Jahren aussehen würde? Irgendwie konnte Sebastian sich nicht vorstellen, dass der Kleinere noch mal einen Schuss in die Höhe machen und seine Züge markanter werden würden. Er wusste, dass Ciel sich oft wie ein kleiner Junge vorkam, doch wenn Sebastian ehrlich zu sich selbst war, hoffte er, dass sein Freund so klein und niedlich bleiben würde. Natürlich hatte er sich nicht nur in sein Äußeres verliebt, der Charakter war mindestens genauso wichtig, aber Ciel gefiel ihm genau so, wie er war. Zugegeben, ein paar Pfunde mehr würden ihm sicherlich nicht schaden, der Junge war fast schon zu dünn. Seine Rippen und Hüftknochen zeichneten sich deutlich unter der hellen Haut ab. Zärtlich fuhr Sebastian mit den Fingerspitzen die Konturen nach. Eigentlich war es ein Wunder, dass er so dünn war bei dieser Vorliebe für Süßigkeiten und Süßspeisen. Über diesen Gedanken schlief Sebastian langsam ein. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war das Bett neben ihm leer. Dafür drang der zarte Geruch von frischem Tee und aufgebackenen Brötchen in seine Nase. Sollte Ciel etwa gerade wirklich das Frühstück vorbereiten? Sich erinnernd, was das letzte Mal, als sein Freund versucht hatte zu kochen, passiert war, schwang Sebastian schnell seine Beine über die Bettkante und stand auf. Nach Ciels erstem, und bisher einzigem, Kochversuch hatte er die Pfanne wegschmeißen können. Sebastian war deswegen nicht böse, schließlich wollte der Kleinere ihm nur eine Freude machen, aber auf eine Wiederholung konnte er verzichten. Im Türrahmen zur Küche blieb Sebastian überrascht stehen. Der Tisch war gedeckt, der Eierkocher meldete gerade, dass er fertig war, und die Brötchen lagen in einem Flechtkorb, der schon auf dem Tisch stand. Überrascht hob er beide Augenbrauen und beobachtete Ciel, der gerade die Eier unter den kalten Wasserstrahl hielt, damit sie etwas abkühlten und man sich nicht direkt die Zunge verbrannte. Lächelnd ging Sebastian näher, bis er seine Arme um die schmale Taille des Kleineren legte: „Guten Morgen.“ Ciel zuckte erschrocken zusammen und drehte seinen Kopf so weit wie möglich nach hinten. Dann lächelte er leicht: „Morgen.“ „Du warst aber schon ganz schön fleißig, so früh am Morgen.“ Ciel hob eine Augenbraue: „Früh am Morgen? Es ist fast 12 Uhr mittags!“ „So spät schon?“, fragte Sebastian überrascht, zuckte dann aber mit den Schultern, „für mich ist es noch morgens.“ Ciel drehte sich in seiner Umarmung und lachte leise: „Ja, so siehst du auch aus.“ Er streckte seine Hände nach oben, die Eier hatte er in der Halterung im Spülbecken abgestellt, und kämmte mit den Fingern durch Sebastians schwarze Haare. Dieser nutzte die Gelegenheit, beugte sich nach unten und zog Ciel in einen sanften Kuss. Er fühlte sich fast wie ein frisch gebackener Ehemann, der von seiner Frau umsorgt wurde. Kapitel 22: Sport ist Mord -------------------------- „Ciel, wie wäre es, wenn wir heute gemeinsam joggen gehen?“, fragte Sebastian während dem Frühstück, das der Angesprochene vorbereitet hatte. Dieser verschluckte sich prompt an seinem Earl Grey und hustete erst mal heftig. „Ist das dein Ernst?“, fragte er krächzend. Der Ältere lächelte und nickte: „Das ist mein voller Ernst. Nur weil du dünn bist, heißt das nicht, dass du nichts für deinen Körper tun musst oder fit wärst. Du weißt selbst, dass deine Kondition mehr als zu wünschen übrig lässt.“ Finster wurde er aus blauen Augen angeschaut. Ciel wusste, dass Sebastian recht hatte, aber deswegen hatte er trotzdem keine Lust, Sport zu machen. Noch dazu war es kalt draußen. Eiskalt. Doch dieses Argument wurde mit den Worten „dafür ist es trocken“ sofort von Sebastian zunichte gemacht. So kam es, dass Ciel eine Stunde nach dem Frühstück mit verschränkten Armen und schmollend draußen stand. Er trug eine große, dunkelblaue Wollmütze, dazu einen passenden Schal, den er bis zur Nase hochgezogen hatte, eine Sportjacke mit einem Sweatshirt darunter und eine warme Jogginghose. Seinen letzten Trumpf, er hätte keine passenden Schuhe, hatte Sebastian auch zunichte gemacht, indem er Ciel seine Sportschuhe, die dieser sonst nur im Spotunterricht in der Schule brauchte, in die Hand drückte. Diese waren schließlich Laufschuhe, also perfekt geeignet, um zu joggen. Sebastian selbst war ähnlich gekleidet wie Ciel, nur dass er gut gelaunt lächelte. „Also komm, fangen wir langsam an und steigern dann das Tempo“, lächelte der Größere und ging los. Es war mehr ein schnelles Spazieren, doch Ciel stand immer noch bockig da. Er wollte das nicht! Sebastian drehte sich nach ein paar Metern um und warf ihm einen fragenden Blick zu: „Kommst du?“ Der Angesprochene schnaubte ärgerlich. Sein Atem bildete kleine Wölkchen. Doch dann gab er sich einen Ruck, sein Freund würde ja doch keine Ruhe geben. Also brachte er es einfach nur hinter sich. Seufzend lief er los. Fünfzehn Minuten später joggten sie langsam durch einen Park, während Ciel schon um Luft rang. Sein Herz pochte so schnell und heftig in seiner Brust, als sei er einen Marathon gelaufen. Dabei hatten sie erst angefangen und Sebastian, der nicht einmal ansatzweise außer Puste war, machte extra langsam für ihn. Ciel drückte sich die Hände in die linke Seite, da er seit einiger Zeit Seitenstechen hatte und es allmählich nicht mehr aushielt. In dem Moment, als er Sebastian sagen wollte, dass er eine Pause brauchte, hörte er ein lautes Quietschen, sah zwei Lichter, die auf ihn zukamen, spürte einen dumpfen Aufprall und dann Dunkelheit. Sebastian stand ganze zwei Sekunden einfach nur bewegungsunfähig da. So lange brauchte sein Gehirn, um die Informationen, die ihm seine Augen sendeten, zu verarbeiten. Sie waren an einem der vielen Ein- bzw. Ausgänge des Parks, in der Nähe der Straße. Ein Auto war wegen zu hoher Geschwindigkeit auf dem Eis ins Rutschen geraten, der Fahrer hatte die Kontrolle über den Wagen verloren und war schlitternd in den Park gefahren. Die vielen Pflanzen hatten den Wagen zwar abgebremst, aber die Geschwindigkeit war immer noch hoch genug, sodass es Ciel durch den Aufprall einige Meter wegschleuderte. Sebastian riss sich aus seiner Starre und rannte zu seinem Freund. „Ciel? Ciel, hörst du mich?“ Doch dieser reagierte nicht. Nur das sachte Heben und Senken seiner Brust zeigte, dass er noch atmete. Sebastian verfluchte sich, dass er sein Handy nicht mitgenommen hatte. Schnell zog er seine Trainingsjacke aus, um sie über Ciel zu legen, dann rannte er nach draußen und rief nach Hilfe. Ein junger Mann rief für ihn einen Krankenwagen und schaute dann nach dem Unfallverursacher. Sebastian war das egal, für ihn zählte nur Ciel! Es dauerte keine fünf Minuten, auch wenn es sich wie fünf Stunden anfühlte, dann kamen zwei Krankenwägen und ein Notarzt. Sanitäter rannten zu ihnen und untersuchten Ciel. Das Folgende zog an Sebastian nur noch wie durch einen Schleier vorbei. Er saß im Krankenwagen, während sein Freund auf der Trage lag und beatmet wurde. Das nächste, an das Sebastian sich erinnern konnte, war, wie er im Krankenhaus saß und einer Schwester Ciels Namen und den seiner Eltern mitteilte, da diese informiert werden mussten. Sein Freund wurde untersucht und geröntgt. Sebastian wusste nicht, wie lange er bewegungsunfähig dort gesessen hatte, als Ciels Eltern mit mehr als besorgten Gesichtern den Wartebereich betraten. Müde stand er auf und wollte sagen, dass es seine Schuld war, da fragte Vincent schon, ob er etwas über den Verursacher wüsste. Sebastian spürte heiße Wut in sich aufsteigen, schüttelte aber mit dem Kopf. Kraftlos ließ er sich auf den Stuhl sinken, Rachel setzte sich neben ihn, während ihr Mann telefonieren ging. „Es ist meine Schuld“, murmelte Sebastian und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Nein, das stimmt nicht!“, wurde ihm direkt widersprochen. „Doch, ich hätte ihn nie dazu drängen sollen, bei dem Wetter mit mir joggen zu gehen.“ Seufzend fuhr er sich durch die unordentlichen, schwarzen Haare. „Nein“, widersprach Rachel ihm wieder, „schuld ist der, der zu schnell bei Glätte gefahren ist und die Kontrolle über sein Auto verloren hat! Dafür können Sie nichts! Und wissen konnten Sie es erst recht nicht!“ Überrascht sah Sebastian in zwei leuchtende, blaue Augen, die pure Entschlossenheit ausstrahlten. Schwach lächelte er, doch die Schuld lastete immer noch auf seinen Schultern. In dem Moment kam Vincent zurück: „Ich habe alle Termine verschoben.“ Seine Frau nickte ihm zu, dann ließ er sich auf den Stuhl neben ihr fallen und zerwühlte seine sonst so ordentliche Frisur. Er seufzte tief, als ein Arzt zu ihnen trat: „Familie Phantomhive?“ „Ja!“ Alle drei sprangen auf, auch wenn Sebastian eigentlich nicht dazu gehörte. Er musste wissen, wie es Ciel ging! „Die Operation ist gut verlaufen. Er hat ein gebrochenes Bein und mehrere Schürfwunden. Er ist noch nicht aufgewacht, aber wenn er die Nacht überlebt, ist er über den Berg.“ Rachel schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund und Sebastian hatte das Gefühl, eine eiskalte Faust würde seinen Magen fest umklammert halten. Am liebsten hätte er sich übergeben. „Können … können wir zu ihm?“, fragte Vincent und der Arzt nickte. Sebastian wäre gerne mit, aber er gehörte nicht zur Familie, zumindest nicht offiziell. Als sie ein paar Schritte gegangen waren, blieb Rachel stehen und blickte zurück: „Kommen Sie?“ „N-natürlich!“ Sebastian überbrückte die kurze Distanz und ging mit heftig schlagendem Herzen dem Ehepaar Phantomhive und dem Arzt hinterher. Als sie in dem Krankenzimmer ankamen, musste er schwer schlucken. Dort lag Ciel, weiß wie die Wand, in weißer Bettwäsche und einem hellblauen Krankenhaushemdchen. In seinem Mund war ein Schlauch, seine Hand war mit einem Tropf verbunden und unzählige Kabel gingen von seinem Körper zu irgendwelchen piependen Maschinen. Es war ein schrecklicher Anblick! Sein Magen drehte sich nun endgültig und Sebastian übergab sich in den nahestehenden Mülleimer. Der Arzt sagte noch etwas, doch das bekam er gar nicht mehr mit. Eine Schwester reichte ihm Taschentücher und einen Becher Wasser, damit er sich den Mund ausspülen konnte. Der Mülleimer wurde danach entfernt. „Geht es?“, fragte Rachel besorgt und Sebastian nickte schwach. Seine Gesichtsfarbe machte der von Ciel nun Konkurrenz. Zwar hatte Vincent ihm angeboten, ihn sofort anzurufen, sollte Ciel aufwachen oder sich etwas an seinem Zustand ändern, doch Sebastian bat, dableiben zu dürfen. In seiner Wohnung würde er doch keine Ruhe finden und so hielten sie abwechselnd Wache. Wie gerne hätte er sich zu Ciel ins Bett gelegt und ihn im Arm gehalten, doch das war nicht möglich. Abgesehen von der Anwesenheit seiner Eltern, war der Junge an so viele Geräte angeschlossen. Als die Nacht vorbei war, hatte sich an Ciels Zustand nichts merklich verändert. Das Klicken von Absätzen hallte im Gang wider und kam näher. Als die Schritte ganz nah waren, wurde die Tür geöffnet und eine Frau mit roten Haare, roten Augen und rotgeschminkten Lippen betrat das Zimmer. Unter ihrem weißen Kittel trug sie ein anliegendes, rotes Kleid und rote High Heels. Wer war das denn? „Ann!“ Rachel sprang auf und fiel der anderen Frau um den Hals. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme! Man hat mich nicht früher informiert.“ In ihrer Stimme schwang deutlich ein wütender Unterton mit. Vincent begrüßte die neue Frau auch, dann machte er sie mit Sebastian bekannt. Wären die Umstände anders, Madam Red hätte definitiv mit ihm geflirtet. Aber so war die Situation viel zu ernst. Kurz kam Sebastian der Gedanke, dass Grell ihr sicherlich sofort verfallen würde, wäre sie ein Mann. Er wusste nicht, dass die beiden schon lange befreundet waren. Plötzlich erklang ein leises Husten und Würgen vom Bett und alle Blicke richteten sich auf Ciel. Dieser wehrte sich, eher unterbewusst, gegen den Schlauch in seinem Hals. „Ciel mein Schatz! Ganz ruhig!“, versuchte Rachel ihn erfolglos zu beruhigen. Madam Red hatte derweil Schwestern geholt und trat neben Ciel, um den Schlauch zu entfernen, da der Patient wach und wieder selbst atmen konnte. Kaum war der störende Schlauch weg, hustete er und versuchte dann etwas zu sagen, doch nur ein kratziges Geräusch verließ seine Kehle. „Ganz ruhig, du bist im Krankenhaus. Erinnerst du dich an den Unfall?“, fragte Vincent, der neben seiner Frau stand. Ciel nickte schwach und versuchte wieder etwas zu sagen, doch sein Körper war noch viel zu schwach. „Ich glaube, er sagt ‚Seba‘“, sagte ein junger Assistenzarzt. Ciel nickte und seine Augen sahen sich suchend um. Dann endlich trat Sebastian an sein Bett, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. Ciels Augen leuchteten auf, als er seinen Freund sah. Gerne hätte dieser seine Hand gedrückt, aber nicht unter den Augen seiner Familie. Mittlerweile war auch Ciels eigentlich behandelnder Arzt da und untersuchte den Jungen. Da er wusste, dass dies der Neffe von Madam Red war, sagte er lieber nichts. Schließlich war diese Frau ein Vorstandsmitglied und Teilhaberin des Krankenhauses. „Sebastian, gehen Sie nach Hause, schlafen und essen Sie etwas, dann können Sie gerne wiederkommen. Es war für uns alle eine harte Nacht und Ciel braucht Ruhe. Sollte etwas sein, dann werden Sie selbstverständlich informiert“, wandte Vincent sich an ihn. Auch wenn Sebastian ungern ging, hatte der andere recht. Ciel war über den Berg und döste schon wieder, es war nur sinnvoll, wenn sie sich alle ausruhten. Außerdem war der Junge hier in guten Händen. Als Sebastian aus dem Schlaf hochschreckte, wusste er erst gar nicht, wo er war, wer er war, was passiert war und welcher Tag überhaupt war. Verwirrt sah er sich in seinem Schlafzimmer um. Wie war er hierher gekommen? Das Letzte, an das Sebastian sich erinnern konnte, war, dass er bei Ciel im Krankenhaus war und dessen Vater ihn nach Hause geschickt hatte. „Ciel!“ Erschrocken riss Sebastian kurz seine Augen auf, dann suchte er fahrig nach seinem Handy. Er aktivierte mit schnellschlagendem Herzen das Display und stellte beruhigt fest, dass er keine Nachrichten hatte. Das hieß, Ciel ging es den Umständen entsprechend gut. Erleichtert atmete er auf. Ein weiterer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass es erst kurz nach 8 Uhr war, die Besuchszeiten im Krankenhaus noch nicht einmal begonnen hatten. Sebastian wäre lieber die Nacht bei Ciel geblieben, doch das war ihm nicht möglich. Offiziell galt er als sein Lehrer, da war es schon seltsam genug, dass er so besorgt um den Jungen war. Klar, er war bei dem Unfall dabei gewesen und fühlte sich auch ein Stück weit schuldig, aber trotzdem musste er die Rolle als Ciels Lehrer aufrecht erhalten. Sebastian wollte sich nicht vorstellen, was los wäre, würde ihre Beziehung auffliegen. Seufzend strich er sich durch seine schwarzen Haare, schlug die Decke zurück und stand schwerfällig auf. Überrascht stellte Sebastian fest, dass er sich sogar bis auf seine Boxershorts und sein T-Shirt ausgezogen hatte. Er streckte sich kurz, dann schlurfte er in die Küche. Appetit hatte er zwar keinen, aber Nahrung brauchte sein Körper trotzdem. Und da erst in knapp einer Stunde die Besuchszeit im Krankenhaus begann, konnte er die Zeit wenigstens sinnvoll nutzen. Nach einem kleinen Frühstück, das aus Porridge mit frischem Obst und einer Tasse Tee bestand, schleppte Sebastian sich ins Bad. Er zog sein T-Shirt und seine Boxershorts aus, stellte die Wassertemperatur in der Dusche so ein, dass es angenehm war, und stieg dann unter den warmen Strahl. Sebastian schloss seine Augen und genoss kurz die angenehme Wärme. Dann wusch er sich schnell und stieg aus der Dusche. Er zog sein großes, flauschiges Badetuch vom Handtuchhalter und trocknete sich ab. Sebastian ging, wie Gott ihn schuf, in sein Schlafzimmer und zog sich dort frische Unterwäsche und ein frisches T-Shirt an. Er wollte gerade nach seiner Jeans greifen, da vibrierte sein Handy und das Display zeigte einen eingehenden Anruf an. Ohne zu zögern nahm er das Gerät zur Hand und schob den grünen Hörer zur Seite. „Michaelis?“, meldete er sich mit schnellschlagendem Herz und einem flauen Gefühl im Magen. Wenn er um diese Uhrzeit von einer nicht eingespeicherten Nummer angerufen wurde, konnte es nur um Ciel gehen. „Mr. Michaelis? Gut, dass Sie schon wach sind! Hier ist Vincent Phantomhive. Wir wurden ins Krankenhaus gerufen, Ciel schreit und weint, seit er aufgewacht ist und lässt sich nicht beruhigen. Die Ärzte trauen sich nicht, ihm eine Beruhigungsspritze zu geben. Er schlägt um sich, wenn man ihm zu nahe kommt. Er sagt immer wieder etwas, das mit viel Fantasie nach ‚Seba‘ klingt. Bitte, kommen Sie so schnell wie möglich! Vielleicht können Sie ihn beruhigen.“ „Ich bin schon unterwegs!“ Sebastian war regelrecht schlecht vor Sorge. So schnell er konnte zog er sich seine Jeans und ein Sweatshirt an, schlüpfte in Jacke und Schuhe und verließ in Windeseile seine Wohnung. Kurz überlegte er, mit dem Auto zu fahren, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder. Er war viel zu unkonzentriert, um sich auf den Londoner Stadtverkehr zu konzentrieren. Er rannte zur nächsten Bushaltestelle, die zum Glück nur ein paar hundert Meter entfernt war. Sebastian musste keine zwei Minuten warten, da kam schon ein Bus, der ihn fast direkt bis zum Krankenhaus brachte. Die Fahrt dauerte nur zehn Minuten, doch es fühlte sich an wie eine Stunde. Ungeduldig hatte er mit den Fingern auf seinen Oberschenkel getrommelt, bis der Bus endlich die Bushaltestelle neben dem Krankenhaus erreichte. Kaum öffneten sich die Türen, sprang er aus dem Bus. Im Krankenhaus musste er sich sehr beherrschen, nicht durch die Gänge zu rennen. Das wurde dort gar nicht gern gesehen und er wollte nicht wegen unnötigen Belehrungen aufgehalten werden. Als er endlich das Zimmer erreichte, in dem Ciel war, nahm er sich noch einen Moment, um seine Haare zu richten und tief durchzuatmen. Sebastian klopfte an und wartete auf das „Herein“, das fast sofort kam. Mit wild schlagendem Herzen drückte er die Klinke nach unten und die Tür auf. Das erste, das er sah, war ein blasser, weinender Ciel, der in dem großen, weißen Krankenhausbett noch blasser und zerbrechlicher wirkte, als er eh schon war. Sebastian hielt sich nicht lange mit Begrüßungen auf und trat direkt an das Krankenbett. „Hey …“ Vorsichtig ergriff er Ciels Hand. Dieser zuckte erst zusammen und wollte ihm die Hand entziehen, doch als er erkannte, wer da neben seinem Bett stand, erwiderte er schwach den Druck. Immer noch liefen ihm heiße Tränen über die geröteten Wangen. Sein schmächtiger Körper zitterte und wurde von neuen Schluchzern geschüttelt. In Sebastian zog sich alles zusammen und ohne weiter nachzudenken setzte er sich auf die Bettkante, zog seine Jacke aus, die er ans Fußende warf, streifte seine Schuhe von den Füßen und legte sich zu Ciel unter die Decke. Vorsichtig zog er den zitternden Körper an sich und hielt den weinenden Jungen fest. Dieser klammerte sich in Sebastians Sweatshirt, als hätte er Angst, der andere würde sonst wieder gehen. Als Ciel am Morgen aufgewacht war und niemand da war, hatte ihn eine unbändige Angst ergriffen. Er hatte plötzlich Angst, dass seine Eltern von seiner Beziehung zu Sebastian wussten. Zusätzlich hatte der Schock nachgelassen. Ciel hatte begonnen zu weinen, bis er regelrecht hysterisch wurde. Er konnte und wollte sich nicht beruhigen. Er wollte, dass Sebastian kam, er wollte nur in seinen Armen liegen. Doch es fiel ihm unfassbar schwer, auch nur seinen Namen auszusprechen. Und dann war da plötzlich eine warme Hand, die seine eigene hielt und ein warmer Körper, dessen vertrauter Geruch ihn fast sofort beruhigte. Sebastian wusste, dass er ein großes Risiko einging, doch in dem Moment war Ciel für ihn wichtiger. Er liebte den Jungen aus vollem Herzen. Es war ihm egal, ob dessen Eltern nun von ihrer Beziehung wussten, oder nicht. Es war ihm egal, welche Folgen das haben würde. Einzig und allein Ciel zählte für ihn in diesem Moment. Leise flüsterte Sebastian beruhigende Worte und hielt den kleineren Körper einfach nur fest im Arm. Er spürte, wie dessen Zittern allmählich nachließ, bis es irgendwann komplett aufhörte. Auch Ciels Atem wurde ruhiger, bis er eingeschlafen war. Auch wenn es Sebastian unfassbar schwer fiel, sollte er aufstehen. Der Junge hatte sich beruhigt, also gab es doch eigentlich keinen Grund mehr, dass er weiter bei ihm lag. Doch Ciel hatte sich an ihn geklammert und Sebastian brachte es einfach nicht über sich. Außerdem befürchtete er, den Jungen zu wecken, sollte er nun aufstehen. Noch dazu fühlte es sich viel zu gut an, seinen Freund im Arm zu halten. Für Sebastian war der Unfall schließlich auch ein großer Schock, von dem er sich selbst noch nicht wirklich erholt hatte. „Was – was hat das zu bedeuten?“, fragte Rachel atemlos und starrte auf Ciel und Sebastian. Sie konnte sich sicherlich ihren Teil denken, ebenso ihr Mann. Bevor der Angesprochene auch nur die richtigen Worte finden konnte, hob Vincent die Hand und winkte ab. Ruhig sagte er: „In diesem Fall ist es besser, es nicht so genau zu wissen.“ Er war ein intelligenter Mann, der trotz seines verhältnismäßig jungen Alters schon viel gesehen und erlebt hatte. Er hatte schon lange geahnt, dass da mehr zwischen Ciel und dessen jungem Lehrer war. Das bedeutete nicht, dass er es gut hieß, doch im Augenblick hatte die Genesung seines Sohnes oberste Priorität. Rachel wurde weiß wie die Wand hinter ihr, als ihr das Ausmaß der Situation bewusst wurde. Vincent legte einen Arm um die Schultern seiner Frau und schob sie langsam Richtung Tür. Bevor er diese öffnete drehte er sich noch einmal um und sah Sebastian ernst an: „Passen Sie gut auf meinen Jungen auf.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und verließ mit einer fassungslosen Rachel das Krankenzimmer. „Du wusstest es?!“, platzte sie raus, kaum dass die Tür hinter ihnen sanft ins Schloss gefallen war. „Wissen ist zu viel gesagt. Ich hatte eine Ahnung, die sich nun bestätigt hat.“ Sprachlos starrte Rachel ihren Mann an. Sie hatte das Gefühl im falschen Film zu sein. „Ist das dein Ernst?!“ Vincent tat etwas für ihn sehr untypisches: er fuhr sich seufzend durch seine braunen, ordentlich frisierten Haare. „Was willst du von mir hören? Soll ich Mr. Michaelis wegsperren? Du hast doch Ciel gesehen. Er braucht ihn jetzt. Glaub mir, mir gefällt das auch nicht.“ Kraftlos ließ Rachel sich auf einen der Stühle sinken, die für wartende Besucher bereit standen. „Ich wusste, dass mein Baby verliebt ist. Und dass es kein Mädchen ist. Aber sein Lehrer? Ein erwachsener Mann! Das ist doch strafbar! Wer weiß, zu was er meinen armen Jungen zwingt!“ Sie hob in einer verzweifelten Geste ihre Hände und rang um ihre Fassung. Rachel malte sich die schlimmsten Szenarien aus, die ihr einfielen. Seufzend setzte Vincent sich neben seine Frau und nahm ihre Hände in seine. „Rachel, Liebling, beruhig dich. Glaubst du wirklich, Ciel würde sich vertrauensvoll an ihn schmiegen, wenn Mr. Michaelis ihn zu irgendetwas gezwungen hätte? Oder ihm gar weh getan hätte?“ „Aber vielleicht leidet er an diesem Syndrom. Du weißt schon, wenn die Geisel sich in ihren Entführer verliebt!“ Vincent hob eine Augenbraue und blickte seine Frau mehr als skeptisch an. „Jetzt übertreibst du aber wirklich. Wir reden mit den beiden, wenn es Ciel besser geht, einverstanden?“ Rachel zögerte. „Jetzt steht seine Genesung an erster Stelle und wenn er dazu Mr. Michaelis an seiner Seite braucht, dann ist das eben so. Daran können wir jetzt nichts ändern.“ „Aber-“, wandte Rachel ein, wurde jedoch sofort von ihrem Mann unterbrochen. „Schatz, glaubst du wirklich, ich würde unseren Jungen bei einem Mann lassen, bei dem ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, dass er vertrauenswürdig ist?“ Vincent Phantomhive war schon zu lange der Wachhund der Königin und im Untergrund tätig, als dass er so unvorsichtig wäre. „Du hast ja recht, aber ich mache mir trotzdem Sorgen“, gab Rachel nach und lehnte sich erschöpft an ihrem Mann. An ihr waren die letzten Stunden auch nicht spurlos vorüber gegangen. Kapitel 23: Die Bombe ist geplatzt ---------------------------------- Als Ciel aufwachte, fühlte er sich unglaublich wohl und ausgeruht. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber es ging ihm besser. Außerdem bildete er sich ein, Sebastian zu riechen. Zufrieden schmiegte er sich an den warmen Körper neben sich, von dem er dachte, es sei sein Vater. Seine Mutter konnte es nicht sein, dazu war die Brust zu flach und hart. Normalerweise schlief Ciel nicht mehr bei seinen Eltern im Bett, aber wenn es ihm besonders schlecht ging und Celest nicht da war, dann legte sich manchmal ein Elternteil zu ihm. Eine warme Hand fuhr durch seine Haare. „Na, ausgeschlafen?“, fragte eine Stimme leise und Ciel gab nur ein zustimmendes „Hmm“ von sich. Er war noch nicht bereit, die Augen zu öffnen und den Tag zu beginnen. Viel lieber wollte er in diesem Dämmerzustand zwischen schlafen und wach sein bleiben. Er fühlte sich wie in Watte gepackt. „Ciel … mein Arm ist schon ganz taub. Dreh dich wenigstens um“, jammerte es neben ihm. Ärgerlich grummelte er und zog seine Augenbrauen zusammen. Konnte man hier nicht einfach noch in Ruhe liegen bleiben? Als dann auch noch der Körper neben ihm begann sich zu bewegen, schlug Ciel endgültig die Augen auf, um seinem vermeintlichen Vater einen bösen Blick zuzuwerfen. Allerdings wandelte sich dieser in eine Mischung aus Überraschung und Verwunderung, als er erkannte, dass nicht sein Vater neben ihm lag, sondern sein Freund. „Se-sebastian?“ Ciel erinnerte sich nur sehr verschwommen an das, was am Abend zuvor geschehen war. „Geht es dir wieder besser?“, fragte dieser und streichelte ihm über den Kopf. Doch Ciel reagierte gar nicht darauf. Er sah sich beinahe panisch im Zimmer um. „Hey, was ist los?“, fragte Sebastian besorgt und setzte sich auf. Dabei zog er den Kleineren vorsichtig mit in eine sitzende Position, so dass er sich nicht noch mehr den Hals verrenken musste. „Wo sind sie? Du musst schnell raus, bevor sie kommen!“ Ciel steigerte sich immer mehr in die Angst, seine Eltern könnten jederzeit herein kommen und ihn mit Sebastian im Bett sehen. „Beruhige dich. Die Besuchszeit beginnt erst in knapp einer Stunde.“ Ciel atmete erleichtert aus. „Außerdem wissen sie, dass ich hier bin.“ „Was?!“ Seine Brust hob und senkte sich in einem viel zu schnellen Tempo, er atmete nur noch stoßweise. Sebastian hatte Angst, der Kleinere würde gleich hyperventilieren. „Ciel! Hey! Beruhige dich! Alles ist gut! Dein Vater hat mich gestern angerufen und gebeten, her zu kommen. Du hast dich nicht beruhigen lassen. Erst, als ich mich zu dir gelegt habe, wurdest du ruhiger. Ich denke, deine Eltern wissen es.“ „Was?!“ Ciel sah Sebastian mit weitaufgerissenen Augen beinahe panisch an. „Aber- aber das- dann fliegst du doch von der Schule! Und ich auch!“ „Sch … ganz ruhig. Jetzt ist nur wichtig, dass du wieder gesund wirst und dann sehen wir weiter.“ Vorsichtig schloss Sebastian Ciel in seine Arme und wiegte ihn leicht hin und her. Ihm war von Anfang mehr als bewusst gewesen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, sollte ihre Beziehung auffliegen, bevor Ciel 18 Jahre alt war. Im besten Fall würde er nur von der Schule fliegen. Allerdings war es mehr als fraglich, ob er dann noch irgendwo anders eine Stelle bekommen würde als Lehrer. Zwar hatte er Ciel zu nichts gezwungen, das könnte er auch nicht, doch wer würde ihm glauben? Im schlimmsten Fall würde er für einige Jahre ins Gefängnis kommen. Das war wirklich keine rosige Aussicht und Sebastian hoffte inständig, dass ihm das erspart bliebe. Doch letzten Endes hing das von Ciels Eltern ab, wie sie zu dieser Beziehung standen. Sebastian konnte durchaus verstehen, dass sie nicht gerade erfreut darüber waren, um es nett auszudrücken. Vielleicht konnte er später mit ihnen in Ruhe reden, ohne Ciel. Vielleicht würden sie einen Funken Verständnis aufbringen können. Er hatte sich doch nie in einen Schüler, der noch dazu minderjährig war, verlieben wollen! Aber, obwohl es so falsch war, fühlte es sich absolut richtig an, den Jungen in seinen Armen zu halten, ihn zu lieben, zu küssen und körperlich nah zu sein. „Was sollen wir jetzt nur tun?“, fragte Ciel nach einiger Zeit, in der jeder seinen Gedanken nachgehangen war. Sebastian seufzte lautlos, bevor er leise zugab: „Ich weiß es nicht.“ Lange konnten sie ihre Zweisamkeit nicht genießen, denn ein paar Minuten später klopfte es schon an der Tür und eine Schwester brachte Ciels Frühstück. Sie grüßte kurz, stellte das Tablett auf dem kleinen Tisch ab und ging wieder. Wenn sie über Sebastians Anwesenheit überrascht war, dann ließ sie es sich nicht anmerken. „Komm, du solltest etwas essen“, sagte Sebastian, löste sich von Ciel und stand auf. Der Kleinere war nicht gerade begeistert davon. Der Gedanke, dass seine Eltern von ihrer Beziehung wussten, schlug ihm auf den Magen. Allerdings kannte Sebastian kein Erbarmen. Er schmierte zwei Brotscheiben mit Butter und Marmelade, dann reichte er Ciel den Teller. Er selbst aß auch ein Brot, aber mit Wurst belegt. Nur mit großem Widerwillen und weil sein Magen knurrte, aß Ciel sein Frühstück. Sebastian würde aber auch nicht eher Ruhe geben, ehe der Kleinere etwas gegessen hatte. Kaum stellte Sebastian den Teller zurück auf das Tablett, klopfte es schon wieder an der Tür. Dieses Mal waren es Ciels Eltern. Dieser versuchte den dicken Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, während Sebastian sie so normal wie möglich grüßte. „Ciel, mein Schatz, wie geht es dir? Hast du schon gegessen?“, fragte Rachel und setzte sich zu ihrem Sohn auf das Bett. „Ja, habe ich.“ „Mr. Michaelis, auf ein Wort“, sagte Vincent und deutete mit einem Kopfnicken Richtung Tür. Sebastian nickte leicht und folgte ihm. Er fühlte sich wie ein Verurteilter auf dem Weg zum Schafott. Ciel sah ihm mehr als besorgt hinterher. Gerne hätte Sebastian ihm wenigstens zugelächelt, doch eine eiskalte Hand hielt seinen Magen fest umklammert, ihm war regelrecht schlecht. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, ging Vincent weiter. Er wollte also nicht direkt vor der Tür mit ihm sprechen. Sie gingen einige Minuten schweigend durch die unzähligen Gänge dieses riesigen Krankenhauses, bis sie irgendwann im Park standen, der hinter dem Gebäude angelegt worden war. Sebastian schluckte. Er hatte das Gefühl, sein kleines Frühstück würde ihm hochkommen. Vincent wollte nicht mit ihm reden, er wollte ihn gleich umbringen! Und dann hier im Park hinter irgendwelchen Büschen oder gar im See verschwinden lassen! Sebastian kannte viele Gerüchte, die sich um diesen Mann drehten. „Wachhund der Königin“ wurde er genannt. Außerdem hieß es, er habe viele Freunde und Vertraute im Untergrund. Doch weiter konnte Sebastian nicht mehr denken, denn Vincent blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Sie waren ein ganzes Stück vom eigentlichen Gebäude entfernt und hatten somit definitiv keine ungewollten Zuhörer. Vielleicht hatte er ihn deshalb hier raus geführt, bei dieser Kälte. Das war auch der Grund, wieso sie sich nicht auf eine der vielen Parkbänke setzten, die hier überall am Wegrand standen. „Was ist da zwischen Ihnen und meinem Sohn?“, fragte Vincent ganz direkt. Sein stechender Blick aus braunen Augen ließ keine Lüge zu, aber auch so wäre Sebastian bei der Wahrheit geblieben. Es war besser, die Karten offen auf den Tisch zu legen, als sich in einem Netz aus Lügen zu verstricken. Er versuchte, den dicken Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, räusperte sich, sah Vincent direkt in die Augen und sagte: „Wir lieben uns.“ Keine Emotion spiegelte sich in dem Gesicht seines Gegenübers, auch nicht, als er fragte: „Sie führen also eine Beziehung?“ „Ja.“ „Seit wann?“ „Seit über einem halben Jahr.“ Schweigen. „Sie wissen, dass Sie sich damit strafbar gemacht haben? Immerhin ist Ciel minderjährig.“ Sebastian seufzte tief, strich sich in einer verzweifelten Geste durch die schwarzen, unordentlichen Haare, ehe er antwortete: „Sie glauben gar nicht, wie bewusst mir das ist. Glauben Sie, ich wollte das? Mich in einen meiner Schüler verlieben! Bestimmt nicht. Aber ich habe es mir nicht ausgesucht, Ciel auch nicht. Es ist einfach passiert! Gefühle lassen sich nun mal nicht steuern.“ „Das heißt, Ciel liebt Sie? Hat er das gesagt?“ „Ja, das tut er. Glauben Sie mir, ich habe ihn sicherlich nicht gezwungen! Die Initiative kam von ihm.“ Nun zeigte Vincent tatsächlich eine Reaktion. Überraschung legte sich auf seine Züge. „Ciel? Ciel hat die Initiative ergriffen?“ Leichter Unglaube schwang in seiner Stimme mit. Damit hatte Vincent beim besten Willen nicht gerechnet. Zugegeben, genaugenommen war es Sebastian, der seine Gefühle zuerst gestanden hatte. Aber nur, weil er dachte, Ciel würde schlafen! Allerdings war es der Jüngere gewesen, der einen Kuss von Sebastian verlangt hatte, als er ihn von Alois‘ Party abgeholt hatte. Wäre dieser Kuss nicht gewesen, hätte er Ciel nicht geküsst, wären sie nun vielleicht gar kein Paar. So gesehen war es tatsächlich Ciel gewesen, der die Initiative ergriffen hatte. Zu Sebastians Glück fragte Vincent nicht, wie genau sie denn ein Paar geworden waren. „Hatten sie Sex?“, fragte er dann gerade heraus. Sebastian weitete kurz überrascht seine Augen, dann sagte er: „Sie können beruhigt sein, Ciel ist noch Jungfrau.“ Auch wenn ich nicht wüsste, was Sie das angeht, dachte er ärgerlich. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Michaelis, ich mache mir einfach Sorgen um meinen Sohn. Sie sind ein erwachsener Mann, der sicherlich schon die eine oder andere Beziehung hatte und Ciel ist ein Teenager. Zwar kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen.“ „Das ist mir sehr wohl bewusst. Sie können beruhigt sein, ich zwinge ihn zu nichts.“ Schließlich soll er Spaß daran haben und nicht traumatisiert sein, fügte er in Gedanken hinzu. „Nun gut, ich werde nun mit Ciel sprechen und dann sehen wir weiter.“ Damit drehte Vincent sich um und ging zurück ins Hauptgebäude. Sebastian blieb noch ein wenig draußen stehen und atmete die kühle, frische Luft ein. Auch wenn noch nichts entschieden war, fühlte er sich erleichtert. Vincent Phantomhive war sachlich geblieben und er lebte noch. Sein toter Körper sank in diesem Moment nicht auf den Grund des Sees. Ciel würde seinem Vater hoffentlich auch die Wahrheit sagen! Ob und welche Konsequenzen dann auf Sebastian warteten, war abzuwarten. Er genoss noch einige Minuten die Stille, dann machte er sich auch langsam auf den Weg Richtung Gebäude und zu Ciels Zimmer. Nun nahm er auch das leise Knirschen des Kies unter seinen Schuhen wahr. „Bitte, Mama, ihr dürft Sebastian nicht bestrafen! Er hat doch nichts falsch gemacht!“, platzte es aus Ciel heraus, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war. Rachel sah ihren Sohn teilweise überrascht, teilweise erschrocken an. „Es ist alles meine Schuld!“ Ciel kullerten dicke Tränen über die geröteten Wangen. Er befürchtete, dass seine Eltern Sebastian anzeigen würden und sie ein Kontaktverbot bekämen. Das würde er nicht aushalten! Er brauchte Sebastian. Nicht nur jetzt, im Krankenhaus, sondern immer. „Ciel, mein Schatz, dein Vater redet doch erst mal nur mit ihm. Ihr seid also wirklich zusammen?“ „Ja“, schniefte Ciel, „seit über einem halben Jahr.“ Rachel war schockiert, dass die Beziehung schon so lange ging und sie nie auch nur Verdacht geschöpft hatte. „“Aber- aber er ist ein erwachsener Mann! Noch dazu dein Lehrer!“ „Ich weiß! Ich liebe ihn aber trotzdem! Und er liebt mich.“ Ciel verschränkte seine Arme vor der Brust und sah seine Mutter beinahe trotzig an. Diese atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie wollte sich nicht streiten, sie wollte ein vernünftiges Gespräch mit ihrem Sohn führen. „Du … liebst ihn?“ „Sonst wäre ich wohl kaum mit ihm zusammen“, antwortete Ciel verständnislos. Rachel seufzte tief. „Was macht dich da so sicher?“ Er zögerte einen Moment und suchte nach den passenden Worten. „Es fühlt sich richtig an.“ Er würde seiner Mutter jetzt bestimmt nicht seine komplette Gefühlswelt darlegen! Dieser eine Satz musste ihr reichen. Erstaunt sah Rachel ihn an. Mit so einer Antwort hatte sie wirklich nicht gerechnet. „Er … zwingt dich auch zu nichts?“, fragte sie mit besorgtem Unterton. Ciel schnaubte: „Nur, dass ich mein Gemüse esse.“ Das wiederum zauberte seiner Mutter ein kleines Lächeln auf die Lippen. Vielleicht war Sebastian doch nicht so schlecht für ihren Sohn, wie sie dachte. Allerdings bereitete ihr der große Altersunterschied Kopfschmerzen. Immerhin stand man mit 25 Jahren an einem ganz anderen Punkt im Leben, als mit 16 Jahren. Doch bevor sie dieses Thema ansprechen konnte, öffnete sich die Tür und Vincent kam herein. Er zog seine Jacke aus, hängte sie über den Stuhl und setzte sich auf die andere Seite des Betts. Er stellte Ciel die gleichen Fragen, die er auch Sebastian gestellt hatte. Auch, wenn er das meiste schon seiner Mutter erzählt hatte, antwortete er auf alle Fragen. Erst, als sein Vater wissen wollte, ob sie schon Sex hatten, wurde Ciel knallrot und starrte ihn fassungslos an. „Darauf werde ich bestimmt nicht antworten“, sagte er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Denn das ging seine Eltern nun wirklich nichts an. Vincent lachte leise. „Schon gut, so genau will ich das auch gar nicht wissen.“ „Und … was geschieht jetzt? Werdet ihr Sebastian anzeigen?“, fragte Ciel unsicher. In diesem Moment klopfte es an der Tür und Sebastian kam herein. „Ah, Mr. Michaelis, gutes Timing!“, lächelte Vincent ihn freundlich an und winkte ihn heran. Der Angesprochene zog seine Jacke aus, hängte sie über den anderen Stuhl, der an dem kleinen Esstisch stand und setzte sich. Er war genauso nervös wie Ciel. Jedoch hing für ihn noch viel mehr von dem ab, was das Ehepaar Phantomhive entschieden hatte, als für seinen Freund. Vincent und Rachel hatten am Vorabend schon besprochen, was sie im besten und was im schlimmsten Fall tun werden, daher sagte er: „Wir werden von einer Anzeige absehen.“ Sebastian atmete erleichtert auf, genauso Ciel. „Ihr dürft euch auch weiterhin sehen“, sagte Rachel mit einem kleinen Lächeln, „aber nur unter zwei Bedingungen.“ Ciel schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Er freute sich, aber fürchtete die Bedingungen. „Ihr dürft euch nur in unserem Anwesen oder im Stadthaus treffen, bis Ciel volljährig ist“, nannte Vincent die erste Bedingung. „Und deine Noten bleiben weiterhin gut“, ergänzte Rachel mit Blick zu ihrem Sohn. „Das heißt nicht, dass wir es gutheißen, oder gar befürworten, schließlich machen wir uns als Mitwisser auch strafbar“, sagte Vincent ernst, „aber wenn wir den Nachhilfeunterricht auf zwei Tage die Woche ausweiten wird wohl kaum jemand auch nur Verdacht schöpfen.“ Den zweiten Teil sagte er mit einem milden Lächeln auf den Lippen. Als Ciel bewusst wurde, was das bedeutete, strahlte er seine Eltern an. Sebastian hingegen starrte sie sprachlos an. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet! Zwar war er so nie wirklich alleine mit Ciel, nicht so wie in seiner Wohnung, aber das war sehr viel mehr, als er erwartet hätte. Vincent stand auf und streckte sich kurz. „Es war für uns eine sehr kurze Nacht, du bist sicher nicht böse, wenn wir euch jetzt allein lassen“, sagte Rachel lächelnd und stand ebenfalls auf. Sie gab Ciel noch einen Kuss auf den Scheitel zum Abschied. „Mr. Michaelis, passen Sie gut auf meinen Jungen auf, dass er sich auch schnell erholt“, sagte Vincent und reichte ihm die Hand. „Das werde ich. Und ... danke!“ Sebastian schüttelte kurz die dargebotene Hand. Rachel reichte ihm auch die Hand zum Abschied, dann waren sie auch schon verschwunden. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, grinste Ciel Sebastian breit an und klopfte neben sich auf das Bett. „Komm her!“ Der Angesprochene erwiderte das Grinsen erleichtert und folgte der Aufforderung. Kaum hatte er seine Schuhe von den Füßen gestreift und seine Beine auf die Matratze gelegt, kuschelte Ciel sich auch schon an ihn. Eine Zeitlang genossen sie einfach nur die Stille und Nähe des jeweils anderen. „Deine Eltern sind echt nicht so wie andere Eltern“, sagte Sebastian irgendwann. „Waren sie noch nie“, lachte Ciel leise. „Was hätte denn im schlimmsten Fall passieren können?“, fragte er vorsichtig nach. Eigentlich wollte er das gar nicht so genau wissen, doch diese Frage würde ihm sonst keine Ruhe lassen. Sebastian zögerte kurz, dann sagte er: „Im schlimmsten Fall hätte ich für einige Jahre ins Gefängnis gemusst, man hätte mir vorwerfen können, dass ich dich zu sexuellen Handlungen gezwungen hätte und ich hätte meine Zulassung als Lehrer verloren.“ Ciel starrte Sebastian daraufhin schockiert an. Das war furchtbar! „Aber du hast mich doch zu nichts gezwungen!“ „Ich weiß. Aber das ist nur der denkbar schlimmste Fall, der hätte passieren können. Doch scheinbar glauben deine Eltern uns, daher haben wir großes Glück.“ Einige Zeit saßen sie einfach nur aneinander gekuschelt da, bis sich Ciel eine neue Frage aufdrängte: „Aber das heißt jetzt, dass wir es gar nicht mehr tun können! Zumindest nicht, bis ich 18 bin.“ „Es?“, fragte Sebastian amüsiert. „Du weißt, was ich meine“, grummelte Ciel gespielt beleidigt. „Natürlich weiß ich das. Aber ja, das wird nun kaum mehr möglich sein.“ Er lachte leise und zog den Kleineren näher an sich. Wenn das seine einzige Sorge war, dann konnte es ihm gar nicht mehr so schlecht gehen. Sie blieben aneinander gekuschelt sitzen, bis eine Schwester Ciels Mittagessen brachte. Als dieser jedoch sah, dass er nur eine Gemüsesuppe bekam, verzog er unwillig das Gesicht. „Wollen die mich hier auf Diät setzen, oder was?“ Als ob er nicht schon dünn genug wäre! „Ich mach dir einen Vorschlag“, sagte Sebastian mit einem milden Lächeln, „du isst die Suppe, dann fahre ich heim und zaubere dir eine leckere Nachspeise.“ Sofort hellte sich Ciels Miene auf. Allerdings würde Sebastian ihn dann hier allein lassen und er würde sich schrecklich langweilen. „Bei der Gelegenheit bringe ich dir auch Kleidung und Bücher mit, einverstanden?“, schlug Sebastian vor. „Außer natürlich du willst dieses hübsche Krankenhaushemd weiter tragen.“ Ciels Wangen wurden bei dem spöttischen Unterton augenblicklich warm. Das wollte er natürlich nicht! Sie hatten ihm nicht mal Unterwäsche gegeben. Das lag wahrscheinlich an diesem Schlauch, der ihm den Gang zur Toilette ersparte. Er hoffte wirklich, dass er dieses Teil los wurde, so lange Sebastian nicht da war. Dieser gab ihm einen kurzen Kuss zum Abschied, nachdem Ciel brav seine Suppe gegessen hatte. Sebastian wusste, wie wenig sein Freund Gemüse mochte und traute ihm zu, die Suppe unangerührt abholen zu lassen. Kaum war Sebastian gegangen, ließ Ciel sich seufzend ins Kissen sinken. Was sollte er nun tun? Als Beschäftigung blieb ihm nur der Fernseher, er hatte nicht mal sein Handy da. Hoffentlich beeilte Sebastian sich! Um nicht Löcher in die Luft zu starren schaltete Ciel den Fernseher ein und zappte gelangweilt durch die Kanäle. Bei einer Serie, vermutlich ein Krimi, blieb er dann. Etwa eine halbe Stunde später klopfte es an seiner Tür und gleich zwei Schwestern kamen herein. Die eine nahm sein Tablett vom Mittagessen mit, die andere lächelte ihn freundlich an. Allein dieses Lächeln weckte ein gewisses Misstrauen in Ciel. Spätestens, als die junge Frau, sie war vielleicht Ende 20, sich Gummihandschuhe überzog, schrillten bei ihm sämtliche Alarmglocken. „Ich werde nun Ihren Katheter entfernen, Mr. Phantomhive.“ Der Angesprochene schluckte trocken. Ihm wäre es lieber, er würde nichts davon mitbekommen. Noch dazu war es ihm unangenehm, dass diese Frau ihn da unten in aller Ruhe betrachten konnte. Der Gedanke, dass es sie wahrscheinlich nicht interessierte und er sicherlich nicht der erste oder gar einzige wäre, bei dem sie das tat, beruhigte ihn auch nicht wirklich. Doch für eventuelle Einwände ließ sie ihm gar keine Zeit. Die Schwester schlug die Decke nach oben, sodass Ciels Beine und Unterleib frei lagen. Dann hob sie das Krankenhaushemd an und der Patient kniff die Augen zusammen. Er wusste nicht genau, wie es da unten aussah, er wollte es auch gar nicht wissen. Er rechnete damit, dass es furchtbar wehtun würde, doch er spürte nur einen leichten Druck und hörte kurz darauf die freundliche Stimme der Schwester: „Das war es schon! Wenn Sie unsicher sind, mit den Krücken auf die Toilette zu gehen, dann rufen Sie uns bitte.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und Ciel war wieder allein. Er atmete erleichtert durch. Es war nicht ansatzweise so schlimm gewesen, wie er befürchtet hatte. Das konnte aber auch den Schmerzmitteln liegen, die er bekam. Kapitel 24: Besuch und Zeit zu zweit ------------------------------------ Seit dem Unfall waren vier Wochen vergangen. Vier absolut ereignislose Wochen. Ciel langweilte sich nur noch im Krankenhaus. Selbst lesen wollte er nicht mehr. Und dann kam die Hiobsbotschaft, zumindest in seinen Augen. Sein Beinbruch verheilte nicht so gut wie er sollte, daher sollte er in eine Spezialklinik am anderen Ende von England gebracht werden. Ciel hatte geschimpft, getobt und steif und fest behauptet, seine Eltern würden das nur machen, um ihn von Sebastian zu trennen. Natürlich war ihm klar, dass das Blödsinn war, aber er konnte die Zeit fast an einer Hand abzählen, die er mit Sebastian alleine verbracht hatte. Ständig kam ihn irgendwer besuchen, daher konnten sie sich kaum sehen. Zudem hatte Sebastian noch einen Vollzeitjob und ein Privatleben, das konnte er nicht komplett vernachlässigen. „Es sind doch nur ein paar Wochen“, hatte er gesagt. Ciel schnaubte verächtlich bei dem Gedanken. Ein paar Wochen … sagte der so einfach! Für ihn war jeder Tag ohne Sebastian eine Qual. Nach der Wut war die Traurigkeit gekommen. Ciel vermisste seinen Freund schmerzlich. Wann hatten sie sich das letzte Mal geküsst? Wann hatte er zum letzten Mal in seinen Armen gelegen? Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein. Doch noch viel schlimmer als das Vermissen war die nagende Frage, ob Sebastian ihn auch so vermissen würde. Ob er auch so viel an ihn dachte? Was war, wenn er einen anderen gefunden hätte?! Das machte Ciel am meisten Sorgen. Er vertraute Sebastian, wirklich, aber diese Angst war trotzdem da. Ciel war nun schon drei Wochen in der Klinik und hielt es vor Sehnsucht fast nicht mehr aus. Es war Freitagabend, also könnte Sebastian Zeit haben. Oder? Sie schrieben sich immer wieder Nachrichten, doch telefoniert hatten sie seit Ciels Verlegung kaum. Bevor er noch länger das Für und Wider erörterte, griff er sich sein Handy und scrollte durch das Telefonbuch bis zu Sebastians Namen. Ohne weiter darüber nachzudenken drückte Ciel auf den Hörer und legte sich das Gerät ans Ohr. Es tutete. Gerade, als er panisch auflegen wollte, weil er gar nicht wusste, über was sie reden sollten, wurde am anderen Ende abgenommen. „Ciel! Wie geht’s dir?“ „Ganz gut … Und dir?“, schob er noch schnell leise hinterher. Kurz war nur Stille zu hören, dann ein Rascheln und Sebastian sagte: „Ich vermisse dich.“ Ciels Unterlippe begann zu zittern, ein Kloß bildete sich in seinem Hals und seine Sicht verschwamm. Mit erstickter Stimme wisperte er kaum hörbar: „Ich dich auch.“ Bevor Sebastian etwas sagen konnte hörte er ein leises Schluchzen. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Geräusch. Er würde nun nichts lieber tun, als Ciel in den Arm zu nehmen und sich selbst eine scheuern, damit er diese drei Worte nicht sagen konnte. „Hey, Ciel …“, er brach ab, da er nicht wusste, was er sagen sollte. Wie gerne wäre er jetzt bei ihm! „Ich will nach Hause!“, schluchzte der andere ins Telefon. Sebastians Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ciel so leiden zu hören und nichts dagegen tun zu können war für ihn kaum zu ertragen. Er beschleunigte seine Schritte. Ciel schluchzte leise ins Telefon, während Sebastian versuchte, ihn irgendwie zu trösten. Ohne es zu merken begann er zu rennen. Er rannte, als würde es um sein Leben gehen. Gleichzeitig versuchte er, Ciel abzulenken und fragte ihn, wie denn sein Alltag aussehen würde. Es gab nicht viel zu erzählen, aber immerhin lenkte es ihn etwas ab. „Ich will nach Hause“, sagte Ciel nach einer kurzen Pause leise. So leise, dass Sebastian es fast nicht gehört hätte. Er presste seine Lippen aufeinander und wischte sich grob mit dem Ärmel über die tränenden Augen. Seine Sicht war schon ganz verschwommen und beinahe wäre Sebastian gestolpert. „Oh, ich muss aufhören, eine Schwester kam gerade rein. Ich ruf dich später wieder an“, sagte Ciel und verabschiedete sich kurz. Sebastian blieb kurz stehen und rang um Atem. Er hatte sein Ziel fast erreicht, aber so abgehetzt und außer Atem würde man ihn wohl kaum einfach rein lassen. Die Krankenschwester hatte Ciel nur den Speiseplan der nächsten Woche gebracht, damit er sich aussuchen konnte, was er essen wollte. Als ob ihn Essen im Moment interessieren würde! Kaum war sie weg, rief er Sebastian wieder an. Doch es ging nur die Mailbox dran. Verwundert legte Ciel auf und wählte die Nummer nochmal. Wieder nur die Mailbox. Nach dem fünften Versuch warf er ärgerlich sein Handy auf das Bett. Wieso nahm sein Freund denn nicht mehr ab? Das waren doch höchstens fünf Minuten gewesen! Wahrscheinlich hatte er einfach keine Lust mehr sich sein Gejammer anzuhören. Das dachte zumindest Ciel. Traurig legte er sich hin und verkroch sich unter der Decke. Ohne dass er es wollte oder auch nur etwas dagegen tun könnte, begannen die Tränen wieder zu fließen. Da er allein war machte er sich nicht einmal mehr die Mühe, sie weg zu wischen. Leise weinte Ciel ins Kissen und hörte so auch nicht das Klopfen an seiner Tür. Beinahe geräuschlos wurde die Klinke herunter gedrückt und die Tür aufgeschoben. Der Besucher blieb kurz stehen. Seine Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen gepresst. Eine kleine, zitternde Kugel lag unter der Decke und das Zimmer war von leisen Schluchzern erfüllt. Der Besucher schloss die Tür leise, stellte seine Tasche ab, legte seinen Mantel über einen Stuhl und trat langsam an das Bett heran. Er wollte den anderen nicht erschrecken. „Ciel …“ Dieser reagierte nicht. Er dachte, er würde vor lauter Sehnsucht schon Stimmen hören. Aber das war unmöglich! Erst als eine Hand ihn sacht am Rücken berührte zuckte er erschrocken zusammen und drehte sich, so schnell es ihm mit dem eingegipsten Bein möglich war, um. „Se-Sebastian?!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte er seinen Besucher ungläubig an. Dieser lächelte leicht und setzte sich auf die Bett kannte. „Ciel …“ Ein paar Herzschläge lang starrte der Angesprochene seinen Freund an, als wäre dieser eine Fata Morgana. Sebastians leichtes Lächeln bildete sich langsam zu einem Grinsen und er breitete seine Arme aus: „Na komm schon her.“ Das ließ Ciel sich nicht zweimal sagen. So gut es ihm möglich war warf er sich in die Arme des Größeren. Ab da gab es für ihn kein Halten mehr. Als wäre ein Damm gebrochen weinte Ciel und schien sich nicht mehr beruhigen zu wollen. Sebastian hielt den kleinen Körper einfach nur fest, während ihm selbst ein paar Tränen über die, von der Kälte geröteten, Wangen liefen. „Ist ja gut, ich bin da“, versuchte er nach einer schier endlosen Zeit Ciel dazu bringen, sich wenigstens etwas zu beruhigen. Es dauerte noch einige Momente, dann löste der Kleinere sich ein wenig von ihm. Aber nur so weit, dass er ihm in die Augen sehen konnte. Ciels Hände waren weiterhin in Sebastians Sweatshirt gekrallt, als würde dieser verschwinden, wenn er ihn loslassen würde. „Was machst du hier?“, fragte Ciel mit belegter Stimme. Der Angesprochene schmunzelte: „Für dich da sein, was denn sonst?“ „Ja, aber wie …?“ „Dein Vater hat dafür gesorgt, dass ich über das Wochenende hier bei dir sein kann. Normalerweise dürfen Besucher nicht über Nacht bleiben, aber bei Minderjährigen machen sie Ausnahmen.“ Ciel starrte ihn weiterhin ungläubig aus großen, blauen Augen an. „Ich weiß, eigentlich müssten deine Eltern jetzt hier sein, aber du kannst bestimmt auch mit mir Vorlieb nehmen, oder?“, sagte Sebastian mit einem Augenzwinkern. Ciel konnte immer noch nicht glauben, dass sein Freund plötzlich da war. Bevor er wusste, was er tat, zog er den Größeren zu sich runter um ihn endlich küssen zu können. Er seufzte leise und zerging fast, als sich ihre Lippen berührten. Wie er das vermisst hatte! Sebastian ging es nicht viel anders, trotzdem versuchte er sich zurück zu halten. Als sie sich wieder voneinander lösten strahlte Ciel ihn regelrecht an. Allein den Kleineren so glücklich zu sehen machte die Strapazen dieser langen Zugfahrt wieder wett. Sebastian streifte sich die Schuhe von den Füßen und löste Ciel vorsichtig von seinem Sweatshirt. „Was hast du vor?“, fragte dieser, als hätte er Angst, sein Freund würde nun wieder gehen. „Ich mach es mir nur etwas bequemer“, antwortete dieser mit einem Lächeln. Er zog sein Sweatshirt aus und legte es ordentlich über den zweiten Stuhl im Krankenzimmer. Darauf folgte seine Jeans und als er wieder auf dem Bett saß noch seine Socken. „Und jetzt rutsch rüber!“ Wortlos tat Ciel wie ihm geheißen, während Sebastian, jetzt nur noch mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet, es sich bequem machte. Kaum lag er, klebte Ciel auch schon an ihm wie eine Klette. Sanft legte Sebastian seine Arme um den kleineren Körper und streichelte den schmalen Rücken. Genussvoll schloss Ciel seine Augen und kuschelte sich noch enger an den anderen. Tief atmete er Sebastians Geruch ein und war in diesem Moment einfach nur glücklich, ihn bei sich zu haben. „Guten Morgen Schlafmütze“, sagte Sebastian lächelnd und strich Ciel einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dieser murrte leise, zeigte aber sonst keine Reaktion. „Das Frühstück ist da“, startete er einen zweiten Versuch. Diesmal flatterten Ciels Lider, bevor er seine Augen blinzelnd öffnete. Sebastian schmunzelte. Essen zog doch immer bei seinem Freund. Verschlafen schaute dieser ihn an und sah sich dann kurz verwirrt im Raum um. Er brauchte einen Moment, bis er sich daran erinnerte, dass er im Krankenhaus war und Sebastian am Abend zuvor plötzlich da war um ihn zu besuchen. Mit den Erinnerungen kamen auch die Schmerzen in seinem gebrochenen Fuß zurück. Ciel verzog das Gesicht, bevor er nach den Tabletten angelte, die die Schwester mit ihrem Frühstück gebracht hatte. Da sie in einer privaten Klinik waren, waren die Portionen immer recht üppig und schmeckten nicht wie Massenware. Während Ciel seine Tabletten nahm holte Sebastian das Tablett vom Tisch und stellte es auf den Nachttisch mit Rollen, sodass sie vom Bett aus essen konnten. „Hast du gut geschlafen?“, fragte er, während er sich ein Brötchen schmierte. „So gut wie schon lange nicht mehr“, strahlte Ciel ihn regelrecht an. Sebastian wuschelte ihm lächelnd durch die aschblauen Haare. Danach herrschte angenehme Stille zwischen den beiden während sie frühstückten. „Ich hab dich vermisst“, sagte Ciel leise. Kaum war Sebastian fertig mit essen, hatte er sich eng an den Größeren gekuschelt. „Ich dich auch“, erwiderte dieser ebenso leise und hauchte einen Kuss auf den aschblauen Schopf. Sie lagen eine Weile schweigend eng aneinander gekuschelt in dem, für zwei Personen, schmalen Krankenhausbett. „Was hältst du davon, wenn wir ein wenig nach draußen gehen?“, schlug Sebastian vor. Er traf auf wenig Begeisterung. „Muss das sein?“ In Ciels Stimme schwang ein genervter Unterton mit. „Können wir nicht … einfach im Bett bleiben und …?“ das Rosa auf seinen Wangen beendet auch ohne Worte seinen Satz. Sebastian verzog gequält das Gesicht. Gerne würde er mit Ciel intim werden, aber sie waren in einem Krankenhaus und nicht im Hotel. Er konnte schlecht ein „Bitte nicht stören“ - Schild an die Tür hängen. Das teilte er auch Ciel mit. Dieser seufzte nur leidend. Er hatte Sebastian so lange nicht gesehen und jetzt konnten sie ihr Wiedersehen nicht mal richtig feiern. Sollten so die knapp zwei Jahre aussehen bis er endlich 18 wurde? „Na komm, wir gehen ein wenig raus in den Park“, sagte Sebastian lächelnd und löste sich vorsichtig von Ciel, bevor er aufstand und sich warm anzog. Blaue Augen verfolgten jede Bewegung. „Willst du dich nicht anziehen?“, fragte Sebastian, nachdem er fertig war. Ciel schnaufte nur genervt. „Ich komm so nicht an den Schrank.“ Der andere hob die Augenbrauen, ging zum Schrank und holte frische, warme Kleidung heraus. Bei der Jogginghose half Sebastian ihm die über den Gips zu ziehen. Nachdem Ciel noch eine Jacke, Schal und Mütze trug, reichte er ihm die Krücken. Doch statt sie zu nehmen schaute Ciel nur verlegen zur Seite. „Ich kann damit nicht laufen.“ Zum Bad und zurück ging gerade so, aber weiter auf keinen Fall. Er kam sich jämmerlich vor. „Dann nehmen wir den Rollstuhl“, meinte Sebastian schulterzuckend und rollte diesen zum Bett. Er konnte sich schon vorstellen, wieso Ciel nicht mit Krücken laufen konnte. Er hatte nicht genug Kraft in seinen dünnen Armen. Um den Jüngeren nicht bloß zu stellen und weiter in Verlegenheit zu bringen, sagte er nichts dazu und hob seinen Freund stattdessen vorsichtig vom Bett in den Rollstuhl. Kurz fragte Sebastian sich, ob Ciel noch leichter geworden ist als vor dem Unfall. Den Gedanken beiseite schiebend legte er noch eine dicke, warme Decke über Ciels Beine, dann schob er ihn auch schon Richtung Tür. Kaum hatten sie das beheizte Gebäude verlassen schlug ihnen kühle, klare Luft entgegen. Schnell schob Ciel seine Hände unter die Decke und war nun mehr als froh, dass er sie hatte. Erst hatte er dagegen protestieren wollen, aber es dann schnell sein lassen, da Sebastian ihm eh nicht seinen Willen gelassen hätte. Zum Glück, wie Ciel sich nun eingestehen musste. Der Himmel war zwar strahlendblau und die Sonne wärmte, doch die Luft war kalt. Schweigend schob Sebastian den Rollstuhl über den Kiesweg. Ein paar wenige Patienten und ihre Besucher hatten sich auch in die Kälte gewagt. Nach einigen Minuten erreichten sie eine Bank, die etwas abgelegen war. Sebastian blieb stehen und fragte: „Sollen wir uns hierhin setzten?“ Ciel nickte und ließ sich von dem anderen aus dem Rollstuhl heben und auf die Bank setzen. Sebastian hatte die Decke auseinander gefaltet, sodass sie beide darauf sitzen konnten und Ciel trotzdem noch zugedeckt war. Dieser kuschelte sich auch sofort an seinen Freund, kaum dass Sebastian saß. Er legte den Arm um den kleineren Körper neben sich und drückte ihn noch ein wenig näher an sich. Ciel kaute auf seiner Unterlippe rum und überlegte krampfhaft, über was sie reden könnten. Jetzt sahen sie sich nach langen drei Wochen endlich wieder und es gab nichts, über das sie reden könnten! Das war ein schlechtes Zeichen, oder? Sebastian sagte schließlich auch nichts! Dieser bemerkte wiederum Ciels innere Unruhe. Sanft legte er seine Hand an dessen Kinn und zog mit dem Daumen die malträtierte Unterlippe hervor. „Was beschäftigt dich so?“, fragte er mit einem sanften Lächeln. Ciel presste seine Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Konnte er das wirklich sagen? Und was, wenn dann alles aus war? Unsicher blickte er in warme, rotbraune Augen, die ihn mit so viel Liebe ansahen, dass seine Zweifel kurz verflogen und es aus ihm heraus platzte: „Wieso haben wir uns nichts zu sagen?!“ Sebastian schaut ihn überrascht an. „Warum denkst du, dass wir uns nichts zu sagen hätten?“ „Weil wir, seit du gestern gekommen bist, so gut wie über nichts gesprochen haben!“ Leise fügte er hinzu: „Das macht mir Angst.“ „Ciel …“, Sebastian legte seine Hand wieder unter sein Kinn und zwang seinen Freund, ihn anzusehen, „es ist nicht so, dass ich dir nichts zu sagen hätte. Ich genieße es gerade einfach nur, dich nach so langer Zeit im Arm halten zu können. Natürlich könnten wir über Gott und die Welt reden, aber manchmal ist es auch schön, einfach zu schweigen und die Anwesenheit des anderen zu genießen. Oder findest du unser Schweigen unangenehm?“ Bei der letzten Frage schwang ein Hauch Unsicherheit in Sebastians Stimme mit. Ciel dachte kurz über die Frage nach, aber es gab nur eine klare Antwort für ihn darauf: „Nein. Überhaupt nicht. Ich bin einfach nur glücklich, dass du hier bist.“ „Siehst du“, sagte Sebastian lächelnd, „man muss auch gemeinsam schweigen können.“ Er blickte sich kurz um, dann gab er Ciel einen kurzen, sanften Kuss. Zufrieden kuschelte er sich an seinen Freund und schloss die Augen. Nach einiger Zeit wurde es, obwohl sie in der Sonne saßen, zu kalt um noch länger draußen zu bleiben. „Können wir wieder rein gehen?“, fragte Ciel mit von der Kälte geröteten Wangen. „Das wollte ich auch gerade vorschlagen“, grinste Sebastian und stand auf. Vorsichtig hob er den Kleineren hoch und setzte ihn in den Rollstuhl. Dann legte er ihm die Decke über die Beine, löste die Bremse und sie machten sich auf den Weg zurück ins Gebäude. „Im Sommer ist es hier bestimmt schön.“ „Und voll mit Menschen“, erwiderte Ciel. Sebastian lachte leise. Kapitel 25: Familienabend und Gespräche am Morgen ------------------------------------------------- Ein paar Wochen, nachdem Ciel aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatten seine Eltern Sebastian zum Essen eingeladen. Er durfte sogar über Nacht bleiben! Er war wirklich überrascht gewesen, als seine Mutter vorgeschlagen hatte, sein Freund könne auch gerne bei ihnen übernachten. Das war wahrscheinlich der Grund, wieso er nun vor dem Schreibtisch seines Vaters in dessen Arbeitszimmer saß. Vincent hatte einen ernsten Gesichtsausdruck und seine Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet. Hoffentlich will er jetzt nicht über Verhütung reden, dachte Ciel allein von dem Gedanken peinlich berührt. Er wusste, er konnte mit seinen Eltern über alles reden, aber dieses Thema würde er da gerne auslassen. Vincent hatte lange überlegt, wie er dieses Gespräch beginnen sollte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er durchaus eine Minute gebraucht, um zu verdauen, dass Ciel mit einem Mann, noch dazu seinem Lehrer, zusammen war. Es war nicht so, dass er seinen Sohn mit einem hübschen Mädchen im Arm gesehen hätte, ihm bereitete viel mehr der Altersunterschied Bedenken. Als „Wachhund der Königin“ hatte er im Londoner Untergrund einfach schon zu viel gesehen. Es war nicht so, dass er seinem Sohn nicht vertraute, den richtigen Partner zu wählen oder Sebastian nicht genauestens überprüfen ließ. Ciel war der jüngere Zwilling und von klein auf der körperlich Schwächere und kleiner gewesen. Er hatte immer ein wenig mehr schutzbedürftig gewirkt und das konnte er als Vater nicht so einfach ablegen. „Ciel, mein Junge“, Vincent seufzte leise und fuhr sich durch seine braunen, bis dahin ordentlich frisierten Haare. Also doch Verhütung, dachte der Angesprochene und bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht. „Ich will nur sicher sein, dass du dir sicher bist.“ Was war das denn für ein Einstieg? Ciel hob zweifelnd eine Augenbraue. Vincent zögerte. „Ich mach mir einfach Sorgen, weil Sebastian ein erwachsener Mann ist und du … du bist mein Junge.“ Das „kleiner“ konnte er sich gerade noch so verkneifen. Ciel zog ärgerlich seine Augenbrauen zusammen und verschränkte seine Arme vor seiner schmalen Brust. „Und das soll heißen? Dass du mir nicht vertraust? Dass Sebastian über mich herfällt, sobald wir alleine sind?! Nur damit du es weißt, wir haben schon öfter in einem Bett geschlafen und Sebastian würde nie etwas tun, was ich nicht will!“ Zum Ende wurde Ciel immer lauter. Schuldbewusst presste Vincent seine Lippen aufeinander. Er würde es nicht einmal vor sich selbst zugeben, aber genau das waren seine Befürchtungen. „Das wollte ich damit auch nicht sagen, lenkte er ein und hob abwehrend die Hände. „Was dann?“, fragte Ciel ärgerlich. Er war sich sicher, sein Bruder Celest hatte nie so ein Gespräch mit ihrem Vater führen müssen. Er fühlte sich ungerecht behandelt. Vincent zögerte wieder, dann stand er auf, umrundete seinen alten, massiven Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl neben Ciel. Er sah ihm aufrichtig in die blauen Augen, als er sagte: „In meinem Kopf bist du immer noch mein kleiner Junge.“ „Dad, ich bin 16!“ „Ich weiß.“ Ein wenig wehleidig verzog Vincent sein Gesicht. „Gerade warst du noch Jahre alte und bist zu deiner Mutter und mir ins Bett gekrochen und jetzt bist du ein junger Mann und in einer Beziehung.“ Ciel musste nun doch leicht lächeln. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Er konnte seinen Vater verstehen, aber seine Sorgen waren unbegründet. Das teilte er ihm auch so mit. „Ich muss wohl endlich akzeptieren, dass du kein kleines Kind mehr bist“, in Vincents Stimme schwang ein belustigter Unterton mit und er wuschelte durch Ciels aschblaue Haare. Dieser protestierte leise, ließ es aber über sich ergehen. Sebastian kam pünktlich zum Abendessen und brachte für die Erwachsenen eine Flasche Rotwein mit. Ciel rannte beinahe zur Tür vor Aufregung, als es klingelte. Sie hatten sich in den letzten Wochen kaum gesehen außerhalb der Schule. Mit klopfendem Herzen strich Ciel seine Kleidung glatt und öffnete dann die Tür. „Hey“, Sebastian lächelte ihn an, bevor er seinem Freund einen sanften Kuss gab. Ciel zuckte unmerklich zusammen. Nicht, weil Sebastian ihn küsste, sondern weil er nicht von seinen Eltern dabei gesehen werden wollte. Es war ihm einfach peinlich, obwohl Sebastian nun schon öfter hier gewesen war und sie mit seiner Familie gegessen haben. Sein Bruder Celest küsste Lizzie auch hin und wieder, sogar auf Banketten. Es gab keinen Grund, wieso es ihm peinlich sein sollte, es war einfach so. Sebastian schmunzelte auf Ciels Reaktion. Er fand es süß. Allerdings hoffte er, dass sich das irgendwann legen würde, schließlich gab es keinen Grund sich zu schämen. Als er selbst noch ein Teenager war hatte er auch nicht gewollt, dass seine Eltern sahen, wie er seinen damaligen Freund küsste. Nach dem Essen, das wie immer köstlich war, verzogen Ciel und Sebastian sich ins Wohnzimmer. Der Jüngere würde sich lieber direkt mit dem anderen in seinem Zimmer verbarrikadieren, aber irgendwo war er auch selbst schuld, dass sie stattdessen nun ins Wohnzimmer gingen. Er hatte Sebastian grob von dem Gespräch mit seinem Vater erzählt. Es hatte ihn einfach beschäftigt. Daher hatte Sebastian vorgeschlagen, dass sie nach dem Essen noch einen Film schauen könnten. Im Wohnzimmer wartete Ciel, bis der andere sich gesetzt hatte, um sich dann selbst zwischen dessen Beine zu setzen. Er hatte viel zu lange auf seinen Freund verzichten müssen, seiner Meinung nach. Zufrieden mit sich und der Welt und der Fernbedienung in der Hand lehnte Ciel sich zurück und an Sebastians Brust. Dieser legte einen Arm um Ciels flachen Bauch und zog ihn noch ein wenig näher. Er hatte schließlich auch viel zu lange auf die Nähe seines Freundes verzichten müssen. Der Film lief erst einige Minuten, da gesellten sich Rachel und Vincent zu ihnen auf das große Sofa. Ciel versteifte sich sofort, da es ihm grundlos unangenehm war, so von seinen Eltern gesehen zu werden. Am liebsten würde er sich mit etwas Abstand neben Sebastian setzen, doch das würde nur komische Fragen aufwerfen und sein Unwohlsein erst recht hervorheben. Zudem hielt Sebastian ihn an Ort und Stelle und kraulte leicht Ciels Bauch, sodass dieser sich recht schnell wieder entspannte. Rachel bot Sebastian noch ein Glas Wein an, das dieser dankend annahm. Es fühlte sich irgendwie natürlich an, wie sie vier auf dem großen Sofa saßen und irgendeine Komödie zusammen schauten. Nach gut der Hälfte des Films merkte Ciel, wie ihm die Augen immer wieder zufielen. Einige Minuten kämpfte er noch mit der Müdigkeit, dann gab er auf. Sebastian bemerkte lächelnd, dass der Kleinere in seinen Armen eingeschlafen war. Er stellte sein fast leeres Weinglas auf den Beistelltisch neben dem Sofa, dann zog er Ciel auf seinen Schoß und streckte seine langen Beine aus. Sanft hielt er den Jungen im Arm. Rachel, die zu den beiden sah, lehnte sich zu ihrem Mann und flüsterte: „So süß.“ Sebastian tat so, als hätte er es nicht gehört. Er trank den letzten Schluck Wein aus seinem Glas, dann hob er Ciel auf seine Arme und wünschte eine Gute Nacht. Glücklicherweise war er oft genug in dem großen Anwesen der Phantomhives gewesen und wusste daher, wo Ciels Zimmer war. Vorsichtig legte Sebastian den Kleineren auf dessen Bett ab. Kurz betrachtete er Ciel. Die feingeschwungenen Augenbrauen, die dichten Wimpern, die schmalen Lippen und die noch immer kindlichen Gesichtszüge. Sanft strich er eine aschblaue Haarsträhne zurück und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Danach begann er, den Kleineren auszuziehen. Sebastian wusste, dass Ciel am liebsten mit Schalfanzug schlief und wollte ihm diesen anziehen, allerdings zeigte sich der andere reichlich unkooperativ. Sebastian seufzte genervt und gab es nach einigen gescheiterten Versuchen auf. „Dann schläfst du eben in Unterwäsche!“ Er zog sich selbst bis auf seine Boxershorts aus und legte sich anschließend neben Ciel ins Bett und deckte sie beide zu. Der Kleinere lag mit dem Rücken zu Sebastian und schlief tief und fest. Dieser legte seinen Arm um den schmächtigen Körper, zog ihn noch etwas näher an sich und schlief auch langsam ein. Am nächsten Morgen war Ciel der erste, der aufwachte. Wohlig seufzend drehte er sich um, um sich an Sebastian zu kuscheln, doch dieser lag auf dem Bauch, das Gesicht ihm zugewandt. Ciel betrachtete die entspannten Züge und sah seinem Freund beim Schlafen zu. Das war das erste Mal, dass er Sebastian so sah. Normalerweise war Ciel derjenige, der beim Schlafen beobachtet wurde. Nach einigen Minuten drehte Sebastian sich auf die Seite und zog Ciel in seine Arme. „Morgen …“, nuschelte er und drückte einen Kuss auf den aschblauen Haarschopf. „Guten Morgen“, antwortete Ciel leise, reckte sich etwas und küsste Sebastian. Sanft streichelte dieser Ciels schmalen Rücken. Beide genossen die Zweisamkeit. „W-was ist?“, fragte Ciel verunsichert, als er Sebastians musternden Blick auf seinem fast nackten Körper bemerkte. Der Angesprochene schien wie aus Gedanken gerissen und erwiderte den Blick aus großen, blauen Augen. „Du bist wunderschön“, war die einfache Antwort. Ciel spürte, wie seine Wangen heiß wurden und er wandte verlegen seinen Blick ab. Bin ich nicht, hätte er am liebsten geantwortet, doch tat es nicht. Er wollte nicht die schöne Stimmung verderben, indem er eine Diskussion oder gar einen Streit vom Zaun brach. Sebastian bemerkte, wie Ciel sich auf die Unterlippe biss und rot wurde. Sanft legte er einen Daumen an sein Kinn und zog die malträtierte Unterlippe hervor, um sie sanft zu küssen und gleichzeitig seinen Freund von dessen düsteren Gedanken abzulenken. Sebastian wusste, dass Ciel sich selbst nicht besonders schön fand. Ciel hatte sich vor ihrer Beziehung nie viele Gedanken um sein Äußeres gemacht. Warum auch? Er wusste, dass sein Gesicht ganz gut aussah, aber sein Körper war für sein Alter einfach zu klein und zu dünn war er auch. Eine Zeitlang hatte Ciel sogar versucht zuzunehmen, doch sein Körper reagierte auf die erhöhte Nahrungsaufnahme nur mit Übelkeit. Irgendwann hatte er begonnen, es zu ignorieren und sich nicht weiter im Spiegel zu betrachten. Außer ihm sah es doch eh keiner. Doch nun gab es Sebastian, der ihn sogar gerne so leicht bekleidet ansah. Ciel konnte seine Unsicherheit nicht ablegen, was seinen Körper betraf, obwohl er in den rotbraunen Augen nichts als Liebe und Zuneigung sehen konnte. „Ich liebe dich“, flüsterte Sebastian. Ciels Herzschlag beschleunigte sich und in seinem Bauch kribbelte es, als würden tausende Schmetterlinge darin fliegen. „Ich dich auch“, wisperte er und streckte sich, um Sebastian zu küssen. Dieser kam ihm entgegen und legte seine Lippen sanft auf Ciels. Langsam vertiefte Sebastian den Kuss, stupste mit seiner Zunge gegen Ciels Unterlippe und bat um Einlass, der ihm auch gleich gewährt wurde. Sebastian drehte sie beide, sodass er, auf seine Unterarme gestützt, über dem Kleineren lag. Dieser schlang seine Arme und Beine um Sebastian und zog ihn näher. Er wollte sein Gewicht auf sich spüren. Gerade als die Hand des Älteren südlicher wandern wollte, klopfte es an Ciels Zimmertür. Erschrocken lösten sie sich voneinander und blickten zur Tür. Ciel erwartete regelrecht, dass sein Vater wutentbrannt rein stürmen und Sebastian hochkantig rauswerfen würde. Doch stattdessen ertönte nur die Stimme seines Vaters: „Ciel, seid ihr wach? Das Frühstück ist fertig.“ „Ja! Ja, wir kommen gleich runter!“ Einige Herzschläge lang blieben sie noch reglos in ihrer Position, dann rollte Sebastian sich von dem Kleineren runter. Dessen Herz raste, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Schmunzelnd fuhr Sebastian sich mit einer Hand durch seine schwarzen Haare. Wie lange war es her, dass er dabei von Eltern gestört wurde? Er wusste es nicht. Ciel war es offensichtlich peinlich. Er murmelte etwas von wegen, dass sein Vater so etwas sonst nie tun würde. Sebastian stand auf, zog sich T-Shirt und Jogginghose an und Ciel in seine Arme. Die Umarmung hielt nur ein paar Moment, dann löste der Kleinere sich von ihm. „Wir sollten runter gehen, bevor mein Vater gleich wieder hier steht.“ Er grummelte leise, während er sich selbst anzog. Sebastian lachte leise und wuschelte durch Ciels vom Schlafen zerzauste Haare. Dieser protestierte leise, konnte aber nichts dagegen tun. Beim Frühstück plauderte Rachel mit Sebastian über Gott und die Welt. Ciel hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Themen interessierten ihn nicht sonderlich, er war einfach froh, dass seine Eltern Sebastian mochten und die wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Ciel versank in seinen Gedanken, als seine Mutter Sebastian fragte: „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“ Ciel wurde plötzlich heiß und kalt zugleich. Geburtstag. Er wusste nicht, wann sein Freund Geburtstag hatte! „Am 16. März“, antwortete Sebastian. Ciel schluckte schwer. Das war schon in zwei Wochen! Und er hatte es nicht gewusst! Hätte seine Mutter Sebastian nicht gerade zufällig gefragt … Er wollte sich nicht ausmalen was passiert wäre, hätte er es nicht gewusst. Seine Gedanken begannen zu rasen. Zwei Wochen. Wie sollte er innerhalb so kurzer Zeit ein Geschenk finden? Sebastian war an Ciels Geburtstag nicht da gewesen, aber hatte ihm, als sie sich nach Neujahr wieder gesehen hatten, sein Geschenk überreicht. Das neue Buch seines Lieblingsautors und eine kleine Tüte mit unfassbar leckerer Schokolade. Wie sollte er da mithalten? Nicht, dass es ein Wettbewerb war, aber er wollte seinem Freund eine mindestens genauso große Freude mit dem Geschenk machen. Jedoch hatte Sebastian alles, was er brauchte. Was sollte er ihm nur schenken? „Ciel, mein Schatz, alles in Ordnung? Du bist so blass“, fragte seine Mutter besorgt und holte ihn zurück in das Hier und Jetzt. „J-ja, alles okay!“, würgte er hervor. Skeptisch wurde er von drei Augenpaaren angesehen. Ciel zwang sich dazu, den Rest seines Frühstücks herunter zu würgen, dann stand er auf: „Ich leg mich nochmal hin!“ Damit ging er schnell aus dem Speisesaal und direkt in sein Zimmer. Dort warf er sich auf sein Bett. Seine Gedanken rasten. Was sollte er Sebastian nur zum Geburtstag schenken?! Einige Minuten später klopfte es an seiner Tür und Sebastian lugte besorgt ins Zimmer. „Ciel? Alles okay? Ist dir schlecht?“ Er hatte durchaus bemerkt, dass sein Freund weniger als sonst gegessen hatte. Erschrocken zuckte der Angesprochene zusammen und drehte sich langsam um. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe rum. Sebastian setzte sich auf die Bettkante. Sanft lächelnd zog er die malträtierte Lippe hervor und fragte ruhig: „Was ist los?“ Unsicher wich Ciel seinem Blick aus. Er schämte sich für sein Verhalten und rang sichtlich mit sich, entschloss sich dann aber doch für die Wahrheit: „Ich wusste nicht, dass du bald Geburtstag hast.“ Seine Stimme war leise. Sebastian hob erstaunt seine Augenbrauen. „Das ist doch nicht so schlimm.“ „Doch!“, widersprach Ciel, „ich muss das doch wissen!“ Sebastian lächelte ihn warm an. „Komm her“, er breitete seine Arme aus, sodass Ciel sich an ihn kuscheln konnte. Kurz spielte dieser mit dem Gedanken seinen Freund zu fragen, was dieser sich zum Geburtstag wünschte, verwarf es aber gleich wieder. Er fand es schon schlimm genug, dass er nie nach dem Datum gefragt hatte. Außerdem wollte er nicht „du musst mir nichts schenken“ hören. Das war die Standardantwort seiner Eltern gewesen, wenn er sie gefragt hatte. Sebastian war sein Geburtstag nicht so wichtig, aber wenn er ehrlich war, wäre er schon etwas enttäuscht gewesen, hätte sein Freund es nicht gewusst. Ciel gegenüber würde er das nicht zugeben, schließlich war dieser schon niedergeschlagen genug. Sebastian selbst hatte den anderen auch nie nach seinem Geburtstag gefragt, aber als Lehrer konnte er so etwas jederzeit in den Schülerakten nachlesen. Nicht, dass er deswegen in Ciels Akte gesehen hätte. Als er dessen Deutschtest korrigiert hatte, hatte er sich gefragt, wie es in den anderen Fächern aussah. Zu Sebastians Erstaunen war Ciel nur in Deutsch so leistungsschwach. Eher zufällig hatte er dabei das Geburtsdatum gesehen. 14.12.2002, das hatte er sich unbewusst gemerkt. Zur gleichen Zeit saßen Rachel und ihr Mann Vincent noch am Frühstückstisch im Speisesaal. „Wirklich ein netter junger Mann“, sagte Rachel. „Er scheint sich wirklich gut um Ciel zu kümmern.“ „Hm“, war Vincents kurze Antwort. „Was ist los?“ Der Angesprochene fuhr sich nach kurzem Zögern seufzend durch die normalerweise ordentlich frisierten, braunen Haare. „Ich … mach mir einfach Sorgen. Sebastian ist immerhin 10 Jahre älter! Und Ciels erster Freund. Was, wenn er ihn zu Dingen zwingt, die Ciel nicht will?“ Ein sorgenvoller Blick aus braunen Augen traf auf ein verständnisvolles Lächeln. Rachel legte ihre Hand auf die ihres Mannes. Sie verstand seine Sorgen, sie führten auch nicht zum ersten Mal dieses Gespräch. „Schatz, du weißt, dass ich mir auch Sorgen mache, aber Sebastian scheint unseren Jungen wirklich zu lieben. Hab ein bisschen Vertrauen“, sagte sie und lächelte ihren Mann liebevoll und aufmunternd an. Sie war sich sicher, dass Sebastian Ciel wirklich liebte und ihn immer beschützen würde. Und dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruhte. Kapitel 26: Geburtstagsgeschenk ------------------------------- Es war Montagmorgen und Ciel musste wieder zur Schule. Er hatte überhaupt keine Lust. Durch den Unfall hatte er recht lange gefehlt und nun einiges nachzuholen. Soma hatte ihm einmal die Woche alle Unterlagen gebracht, sodass Ciel immer auf dem gleichen Stand war, allerdings hatte er nun viele Klassenarbeiten nachzuschreiben. Heute waren Mathe und Englisch dran. Er seufzte tief bei diesem Gedanken. Das einzige positive daran war, dass er die nächsten Wochen vom Sportunterricht befreit war. Allerdings durfte er nicht früher nach Hause, sondern musste in dieser Zeit nachschreiben. Ciel seufzte nochmal. Sein Stundenplan am Montag war aber auch grausam! Mathe, Deutsch und Sport an einem Tag. Wer dachte sich sowas denn aus? Sein einziger Lichtblick war, dass er im Deutschunterricht Sebastian wieder sehen würde. Dieser war am Vortag schon nach dem Mittagessen gegangen, da er sich auf den Unterricht vorbereiten wollte. Ciel war ein wenig enttäuscht gewesen, er hätte gerne mehr Zeit mit seinem Freund verbracht. Manchmal wünschte er sich nichts sehnlicher, als endlich 18 Jahre alt zu sein, damit sie ihre Beziehung nicht länger verstecken mussten. Blätter, die vor ihm auf den Tisch gelegt wurden, rissen Ciel aus seinen Gedanken. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er in der Schule war und Mr. Spears ihm gerade seine Mathearbeit hingelegt und ihn angesprochen hatte. Dieser wiederholte seine Frage, ob es Ciel wieder besser ginge, da dieser offensichtlich nicht zugehört hatte. „J-ja, mein Fuß ist wieder gesund. Ich darf ihn aber noch nicht so stark belasten.“ Er war froh, nicht mehr auf Krücken angewiesen zu sein. Anfangs hatte Ciel sich kaum fortbewegen können, da ihm schlicht die Kraft in den Armen fehlte. Celest, der für einige Tage nach Hause gekommen war, hatte ihn erst mal ausgelacht, da es wohl recht komisch aussah, wie Ciel versuchte sich fortzubewegen. Selbst Sebastian als sein Freund hatte leise gelacht! Ciel hatte darauf nur beleidigt die Backen aufgeblasen, wofür er einen äußerst amüsierten Blick aus rotbraunen Augen bekam. Mit einem stummen Seufzen widmete Ciel sich der Mathearbeit, die vor ihm auf dem Tisch lag. Am Nachmittag war er allein mit Sebastian in einem Klassenzimmer. Während seine Mitschüler Sportunterricht hatten, musste er in Englisch nachschreiben. „Bist du bereit?“, fragte Sebastian mit einem fast schon gezwungenen Lächeln. Der Angesprochene nickte nur. Es war für beide irgendwie seltsam jetzt Lehrer und Schüler zu sein. In einem vollen Klassenzimmer war es erstaunlich einfach, doch jetzt, alleine? „Okay, du hast 90 Minuten Zeit“, sagte Sebastian und diesmal wirkte sein Lächeln ehrlicher. Ciel erwiderte es schüchtern, dann widmete er sich zum zweiten Mal an diesem Tag einer Klassenarbeit. Sebastian setzte sich an das Lehrerpult und begann Klassenarbeiten zu korrigieren. So fielen sie langsam in ihre Rollen als Lehrer und Schüler. Ciel erledigte konzentriert die Aufgaben, während Sebastian ihm immer wieder einen kurzen Blick zuwarf, um sicher zu gehen, dass er keinen Spickzettel benutzte. Nicht, dass er das vermutete, aber es gehörte nun mal zu seinem Job als Lehrer. Zehn Minuten vor Ende der Zeit sah Ciel zum ersten Mal auf, seit er begonnen hatte die Aufgaben zu bearbeiten. „Ich bin fertig.“ Überrascht sah Sebastian auf: „Willst du nicht nochmal alles durchgehen?“ „Hab ich schon. Zweimal.“ Ein leiser, stolzer Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Sehr gut“, lächelte Sebastian und nahm die ausgefüllten Blätter entgegen. Ihre Finger berührten sich kurz, was Ciel einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. „Dann bist du jetzt entlassen“, sagte Sebastian. Sein Blick flackerte kurz zu Ciels Lippen. Gerne würde er ihn jetzt küssen, doch das Risiko, erwischt zu werden, war zu hoch. Ciel war ein wenig enttäuscht, aber vernünftig genug, sich kurz zu verabschieden und dann zu gehen. Obwohl sie seit einigen Monaten zusammen waren, war er immer noch wahnsinnig verliebt in Sebastian und wollte am liebsten jede freie Minute mit ihm verbringen. Dem Älteren ging es nicht anders, doch er war vernünftig genug kein unnötiges Risiko einzugehen. So verging die Woche wie im Flug und ehe Ciel sich versah war es schon Samstag. Er war im Stadthaus geblieben. Sebastian würde später nicht vorbei kommen und nochmal mit ihm Deutsch üben, da er Montag in diesem Fach seine Klassenarbeit schreiben musste und es den anderen gegenüber unfair wäre. Ciel seufzte tief. Er tat sich einfach schwer mit der Sprache und wollte Sebastian nicht enttäuschen. Nicht nur, weil er sein Freund war, sondern auch, weil er so viel Zeit damit verbracht hatte, Ciel die Sprache begreiflich zu machen. So verbrachte er den Großteil seines Wochenendes mit lernen. Schneller als Ciel lieb war, war es Mittwoch und er hatte nur noch drei Tage, bis Sebastians Geburtstag und noch kein Geschenk! Nicht mal eine Idee! Ciel raufte sich innerlich die Haare. Wie konnte er das nur vergessen? Zwei Tage zerbrach er sich den Kopf und durchforstete Onlineshops, doch nichts schien ihm passend. Frustriert legte er sein Handy zur Seite und öffnete dabei versehentlich die Fotoalbum-App. Erst wollte Ciel sie schließen, doch dann sprang ihm ein Bild ins Auge. Vielleicht …? Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe rum. Es war vielleicht nicht die beste Idee, aber die beste, die er bisher hatte. Am nächsten Tag fand Ciel die Idee immer noch gut, weshalb er nach der Schule direkt los ging und das Bild ausdruckte und einen passenden Bilderrahmen kaufte. Zurück im Stadthaus legte er das Bild in den Rahmen und wickelte es in Geschenkpapier ein. Das Geschenk sah aus, als hätte es ein Grundschüler eingepackt. Ciel seufzte leise. Besser würde er es sowieso nicht hinkriegen, also ließ er das Geschenk Geschenk sein und ging nach unten, wo seine Eltern und das Mittagessen auf ihn warteten. Am Nachmittag ging Ciel duschen. Er war aufgeregt, da er die Nacht bei Sebastian verbringen würde. Nur sie beide. Allein. Ungestört. Der Gedanke, was an diesem Abend passieren könnte, verursachte ein Kribbeln in Ciels Bauch und Unterleib. Er genoss einige Momente dieses Gefühl, dass riss er sich zusammen, wusch sich schnell ab und stieg aus der Dusche. Umso schneller er fertig war, umso schneller würde er bei Sebastian sein. Ciel trocknete sich ab, rubbelte über seine Haare und zog sich an. Er entschied sich für eine dunkelblaue Jenas und einen mittelblauen Strickpullover, der mindestens eine Größe zu groß war. Laut seiner Cousine Elizabeth war das modern und die Farbe würde seine Augen besonders gut zur Geltung bringen. Ciel betrachtete sich kurz im Spiegel. Er machte sich nach wie vor nicht viel aus seinem Aussehen, doch er wollte Sebastian gefallen. Ciel fischte sein Handy von seinem Bett, aktivierte das Display und befand nach einem Blick auf die Uhr, dass es Zeit war zu gehen. Er schnappte sich seinen gepackten Rucksack, in dem sich das Geschenk für seinen Freund befand, steckte sein Handy ein und ging nach unten. Dort wartete sein Vater schon auf ihn. Dieser wollte sich mit einem Freund treffen und würde Ciel auf dem Weg bei Sebastian absetzen. Als sie vor Sebastians Wohnung hielten zog Ciel sich seine Kapuze über den Kopf, verabschiedete sich von seinem Vater, der ihm viel Spaß wünschte, schnappte sich seinen Rucksack und stieg aus. Mit schnell schlagendem Herzen drückte er auf den Klingelknopf. Es dauerte ein paar Herzschläge, dann wurde ihm die Tür geöffnet. Sebastian stand vor ihm, nur mit einem Handtuch um die Hüfte gebunden und nassen, schwarzen Haaren. Ciel schluckte bei dem Bild, das sich ihm bot. „Hey“, Sebastian lächelte, „du bist aber früh dran. Komm rein!“ „Hi“, erwiderte Ciel schüchtern. Er konnte seine Augen schier nicht losreisen von Sebastians definiertem Oberkörper, was diesem nicht entging. Kaum war die Tür zu, zog Sebastian den Kleineren in seine Arme und küsste ihn. Ciel erwiderte den Kuss und seufzte leise und zufrieden. Wie hatte er diese weichen Lippen vermisst! Als sie sich wieder voneinander lösten sagte Sebastian: „Ich zieh mir schnell etwas an, du kannst schon mal ins Wohnzimmer gehen.“ Wir können auch direkt ins Schlafzimmer und du bleibst so, hätte Ciel am liebsten geantwortet, traute sich aber nicht, diese Worte laut auszusprechen. Stattdessen zog er Jacke und Schuhe aus und nahm das Geschenk aus seinem Rucksack. Jetzt, kurz bevor er es Sebastian überreichen würde, fand er die Idee doch nicht mehr so gut. Kurz spielte Ciel mit dem Gedanken, sich eine Schleife umzubinden und sich selbst als Geschenk zu präsentieren. Doch bevor er das ernsthaft in Erwägung ziehen konnte, kam Sebastian in den Flur und schaute ihn fragen an. „Bist du da festgewachsen?“ In seiner Stimme schwang ein belustigter Unterton mit. Ciel schreckte aus seinen Gedanken auf und streckte, ohne weiter darüber nachzudenken, Sebastian das Geschenk hin. „Alles Gute zum Geburtstag! Ich … hoffe, es gefällt dir.“ „Danke.“ Sebastian schien sich ehrlich zu freuen. Es war recht offensichtlich, dass Ciel es selbst verpackt hatte. Sebastian war wirklich neugierig, was sich darin verbarg. Da er es aber nicht im Flur öffnen wollte, nahm es Ciels Hand und ging mit diesem ins Wohnzimmer. Erst, als sie auf dem großen Sofa saßen, öffnete er vorsichtig das Geschenkpapier. Ciel beobachtete ihn dabei mit großen, blauen Augen. Als Sebastian sein ausgepacktes Geschenk in den Händen hielt, fragte der Kleinere unsicher: „Gefällt es dir?“ Sebastian sah ihn mit leuchtenden, rotbraunen Augen an: „Ja! Es ist … wundervoll!“ Er hatte kurz nach dem richtigen Wort gesucht. „Danke.“ Er küsste Ciel sanft, der bis dahin unsicher seine Hände in seinem Schoß geknetet hatte. Sebastian betrachtete glücklich lächelnd das Bild in seinen Händen. In dem weißen Bilderrahmen waren er und Ciel zu sehen. Beide lagen in Sebastians Bett, aneinander gekuschelt und lächelten glücklich in die Kamera. Sebastian hatte wenige Wochen vor Ciels Unfall spontan dieses Selfie geschossen. Es war eines ihrer wenigen gemeinsamen Bilder, aber definitiv sein liebstes. Vorsichtig legte Sebastian den Bilderrahmen auf den kleinen Couchtisch. Er würde es später im Schlafzimmer aufstellen. „Gefällt es dir … wirklich?“, fragte Ciel unsicher. „Ja, es gefällt mir sehr“, antwortete Sebastian mit einem ehrlichen, breiten Lächeln. „Und jetzt komm her!“ Er lehnte sich zu Ciel und küsste ihn. Langsam sanken sie auf das Sofa, sodass der Kleinere unter Sebastian lag. Glücklich und zufrieden mit sich und der Welt kuschelte Ciel sich an Sebastian. Dieser schloss den Kleineren in seine Arme. „Ich liebe dich“, flüsterte Ciel. Sebastians Blick war voller Liebe, als er sagte: „Ich liebe dich auch.“ Er hatte das Gefühl überzulaufen vor Glück. Es war das erste Mal, dass Ciel diese berühmten drei Worte zu ihm sagte. Sebastian drückte den Kleineren noch ein wenig näher an sich. Als Ciel am nächsten Morgen aufwachte schlief Sebastian noch. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es noch recht früh war. Also drehte er sich um und kuschelte sich mit dem Rücken an Sebastian. Als Ciel das nächste Mal wach wurde, spürte er eine Hand, die sanft seinen Rücken streichelte. „Guten Morgen“, flüsterte Sebastian und lächelte leicht. „Mmmh“, war die einzige Antwort, die er bekam. Langsam fuhr die streichelnde Hand zu Ciels ungeschützter Seite und begann ihn zu kitzeln. Erschrocken zuckte er zusammen, lachte quiekend auf und versuchte, der Hand zu entkommen. Erfolglos. Er drehte sich um und versuchte genug Abstand zwischen sie beide zu bekommen, um der Kitzelattacke zu entkommen. „Ich bin wach, ich bin wach!“ Sebastian lachte leise und Ciel fiel mit ein. „Wie wäre es dann mit Frühstück?“ „Oh ja, gute Idee!“, sagte der Kleinere und robbte zum Bettrand. Er schnappte sich Sebastians T-Shirt, das noch am Fußende lag und zog es über. Sebastian schmunzelte bei dem Anblick des Kleineren. Dieser versank beinahe in dem für ihn viel zu großen T-Shirt. Nach dem Frühstück kuschelten sie auf Sebastians großem Sofa, während sie einen Film schauten. „Willst du dir eigentlich nicht mal etwas anziehen?“, fragte Ciel mit hochgezogener Augenbraue. „Ein gewisser jemand hat mein T-Shirt geklaut“, antwortete Sebastian, der nur eine anliegen Boxershorts trug, als würde das alles erklären. Ciel öffnete seinen Mund, schloss ihn wieder und sagte verwirrt: „Du hast doch mehr als ein T-Shirt.“ Sebastian lachte leise, gab seinem Freund einen Kuss auf die Wange und stand auf, um ins Schlafzimmer zu gehen. Ihn störte es nicht, wenn sie nackt oder nur in Unterwäsche kuschelten, aber Ciel fühlte sich bei zu viel nackter Haut offensichtlich unwohl, daher zog Sebastian sich schnell ein schwarzes T-Shirt über. Als er sein Wohnzimmer wieder betrat strahlte Ciel ihn regelrecht an und kuschelte sich wieder an seinen Freund, kaum dass dieser auf dem Sofa saß. Er erinnerte Sebastian irgendwie an eine äußerst anschmiegsame Katze. Sie genossen die Zweisamkeit. Es war lange her, seit sie zum letzten Mal wirklich alleine waren. Sebastian war erstaunt gewesen, als Ciel ihm mitteilte, dass er bei ihm übernachten dürfte. Vincent war normalerweise sehr bedacht darauf, dass sie zumindest nicht alleine im Haus waren. Sebastian konnte seine Sorge durchaus verstehen, als Freund nervte es ihn manchmal aber auch. Natürlich würde er gerne öfter mit Ciel intim sein, aber der Kleinere traute sich meistens nicht. Aus Angst, sein Vater könnte plötzlich vor der Tür stehen. Was natürlich nicht passierte, aber trotzdem wollte Ciel lieber warten, bis seine Eltern im Bett waren. Sebastian verstand es, schließlich war er auch mal 16 Jahre alt gewesen. Trotzdem wäre es schön, wenn sie ab und zu auch mal in seiner Wohnung wären, dort waren sie allein. Andererseits konnten sie auf dem Grundstück der Phantomhives nicht von anderen gesehen werden. Über diesen Gedanken döste er ein. Kapitel 27: Entführt -------------------- Am Nachmittag wurde Ciel abgeholt. Sebastian wollte den Kleineren gar nicht gehen lassen und dieser wollte nicht gehen, trotzdem musste er. Am Abend würde seine Tante Frances mit Familie zum Essen kommen. Sebastian würde sich mit Claude und Grell und dessen merkwürdigem Freund treffen, um seinen Geburtstag nachzufeiern. Während Ciel mit gebrochenem Bein im Krankenhaus gelegen hatte, hatte Sebastian Cedric kennen gelernt. Er fand ihn ein wenig merkwürdig, etwas verrückt vielleicht, aber er schien Grell gut zu tun. Dieser strahlte beinahe täglich vor Glück. William hingegen schien zu bereuen, Grell so behandelt und in den Wind geschossen zu haben. Vielleicht war er aber auch einfach nur froh, dass Grell offensichtlich glücklich vergeben war und ihn, William, in Ruhe ließ. Sebastian fand es schade, dass Ciel nicht dabei sein konnte. Er würde ihn gerne seinen Freunden vorstellen. Wobei Grell als Lehrer ihn schon kannte. Spät in der Nacht fiel Sebastian müde und angetrunken in ein Bett. Nach dem Essen sind sie in einen angesagten Club gegangen um zu tanzen. Genau genommen hatten er und Grell getanzt, während Claude und Cedric sich an die Bar verzogen hatten. Sebastian drückte seine Nase ins Kissen und atmete Ciels Geruch ein. Er war nur schwach vorhanden, aber das reichte ihm. Schlaftrunken suchte er nach seinem Schlafshirt, das sein Freund am Morgen noch getragen hatte. Als er es nicht fand, zuckte er gedanklich mit den Schultern und schlief langsam ein. Zur selben Zeit schlief Ciel schon seit ein paar Stunden in seinem Bett. Doch statt seinem Schlafanzug trug er Sebastians T-Shirt, das er unbewusst eingepackt hatte. Als er Zuhause seinen Rucksack ausgepackt hatte, war er ziemlich überrascht gewesen, das Shirt seines Freundes in der Hand zu haben. Ciel legte es in sein Bett und zog es später an, als er unter die Decke kroch. Das T-Shirt roch nach Sebastian und Ciel fragte sich, wieso er nicht schon früher auf die Idee gekommen war. Montagnachmittag ging Ciel zusammen mit Soma nach Hause. Ciel hatte die letzte Klassenarbeit nachgeschrieben, während der Rest seiner Klasse Sportunterricht hatte. Soma erzählte gerade, dass er in den nächsten Ferien nach Indien fahren würde, um seine Eltern zu besuchen, als ein schwarzer Transporter neben ihnen hielt. Ehe sie wussten, was los war, wurde die Seitentür geöffnet, zwei schwarz gekleidete Männer stiegen aus, packten Ciel, zogen ihn in den Transporter und waren so schnell weg, wie sie gekommen waren. Soma stand einige Sekunden geschockt und reglos da. „C-ciel?“, fragte er so leise, dass er es selbst kaum hörte. Was war da gerade passiert?! Kaum hatte er den ersten Schreck überwunden, nahm er die Beine in die Hand und rannte zum Stadthaus der Phantomhives. Dort klingelte er sturm, bis ihm ein Butler nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Tür öffnete: „Ja, bitte?“ „Ich muss sofort mit Mr. Phantomhive sprechen!!“ Der Butler musterte Soma von oben bis unten. Er trug dieselbe Schuluniform wie sein junger Herr und war schon des Öfteren hier gewesen. Er wirkte abgehetzt und atmete schwer. „Um was geht es?“, fragte der Butler ruhig, während Soma immer unruhiger wurde. „Ciel wurde gerade entführt!!“, platzte es aus ihm heraus. Die Augen des Butlers weiteten sich kurz, ansonsten blieb professionell und trat zur Seite: „Folgen Sie mir.“ Er führte Soma in den ersten Stock und ein Stück den Gang hinunter. Vor einer Tür blieb er stehen und klopfte an. Ein dumpfes „Herein“ ertönte und der Butler öffnete die Tür. Bevor er den unangekündigten Besuch ankündigen konnte, drängte Soma sich an ihm vorbei. „Sie haben Ciel entführt!“ Vincents Augen weiteten sich erschrocken. „Wer? Wer sind ‚Sie‘?“ „Plötzlich-plötzlich war da ein schwarzer Transporter und die haben Ciel mitgenommen!“ Soma war ganz außer sich. Vincent stand auf und deutete auf die Stühle vor seinem Schreibtisch: „Setz dich und dann erzähl mir, was genau passiert ist.“ Soma tat wie ihm geheißen und atmete tief durch, dann begann er zu erzählen. Blinzelnd öffnete Ciel seine Augen. Das erste, das er sah, war ein dunkelbrauner Wohnzimmertisch. Wo war er? Nur sehr langsam und wie durch Watte kamen seine letzten Erinnerungen zurück. Er war mit Soma nach Hause gegangen, als ein schwarzer Transporter neben ihnen angehalten hatte. Da waren Männer, er wurde gepackt und dann war alles schwarz. Ruckartig setzte Ciel sich auf, oder eher versuchte es, denn er fiel direkt wieder, mit dem Gesicht voran, auf das Polster. Seine Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. „Mist, er ist wach!“, rief eine Männerstimme. Ciel versuchte sich zu drehen, um die Person zu sehen, doch er hatte nicht die Kraft sich aufzusetzen. Als nächstes hörte er ein dumpfes Geräusch, einen Schmerzlaut und eine zweite Stimme, die verärgert klang. „Du Idiot! Schrei doch nicht so rum, wenn ich gerade Lösegeld fordere!“ Zur gleichen Zeit saß Soma sprachlos im Wohnzimmer des Stadthauses der Phantomhives. Nachdem er Vincent erzählt hatte, was passiert war, hatte dieser direkt zum Telefonhörer gegriffen und eine Nummer gewählt. Soma wurde von einem Butler ins Wohnzimmer gebracht. Vor ihm standen Tee und Gebäck, unangerührt. Alleine bei dem Anblick drehte sich ihm der Magen um. Er verstand nicht, was los war, warum Vincent nicht die Polizei rief. Plötzlich hörte er Schritte von mehreren Person im Flur und leise Stimmen, doch sehen konnte er niemanden. Er machte sich wahnsinnige Sorgen um Ciel. Soma stand auf und ging unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Wieso passierte denn nichts? Er war kurz davor, sich die Haare zu raufen. Ciel wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Seine Entführer waren in einem anderen Raum und vertrauten scheinbar darauf, dass er nicht abhauen würde. Er rüttelte an seinen Fesseln und versuchte sie zu lösen. Erfolglos. Stattdessen schnitt ihm das Material nur weiter unangenehm in die Haut. Er konnte nicht einmal schreien, da sie ihn zusätzlich mit einem Stofftuch geknebelt hatten. Tränen der Angst und Verzweiflung brannten in seinen Augen, doch Ciel versuchte, sie herunter zu schlucken. Er würde jetzt bestimmt nicht weinen! Er hatte wahnsinnige Angst, doch unterrückte sie so gut er konnte. Von den vielen Krimis, die er gelesen hatte, wusste er, dass er die besten Chancen hatte, wenn er ruhig blieb. Kopflose Panik würde ihm jetzt nichts bringen. Ciel wusste nicht, ob oder wann ihn jemand retten würde. Er presste fest seine Augen zu und dachte an Sebastian. Er wünschte, sein Freund wäre da, um ihn zu retten. So wie er ihn damals beim Einbruch im Stadthaus gerettet hatte. Zur gleichen Zeit saß Soma wieder auf dem großen Sofa und rieb seine feuchten Hände unruhig am Stoff seiner Hose trocken. Von Sorge getrieben stand er wieder auf und tigerte durch das große Wohnzimmer. Es waren mittlerweile fast zwei Stunden vergangen. Zwei Stunden, in denen nichts passiert war. Zwei Stunden, in denen Ciel seinen Entführern schutzlos ausgeliefert war! Wütend und ganz krank vor Sorge ging Soma mit entschlossenen Schritten zum Arbeitszimmer und riss ohne anzuklopfen die Tür auf. Mehrere überraschte Augenpaare blickten zu ihm. Soma öffnete seinen Mund, doch er vergaß seine Ansprache. Stattdessen fragte er verwundert: „Mr. Michaelis?“ Bevor der Angesprochene antworten konnte, sagte Vincent ruhig: „Er gehört zur Familie.“ Sebastian war gerade in ein Auto gestiegen, als er den Anruf bekam. Vincent hatte ihm die Wahl gelassen, ob er bei Ciels Befreiung helfen wollte. Er hatte das Gefühl, von seiner Entscheidung würde viel abhängen, trotzdem traf er sie ohne zu zögern. Außerdem würde es ihn verrückt machen, Zuhause zu sitzen und zu warten und nichts tun zu können. Er war zwar nur ein Lehrer und konnte wahrscheinlich nicht viel ausrichten, aber er würde für Ciel da sein, wenn dieser ihn brauchte. Zu seiner Überraschung war Grells Freund – Undertaker wurde er genannt – bei der kleinen Versammlung dabei. Die anderen Männer kannte er nicht. Vincent erklärte mit ernstem Gesicht, dass die Entführer ein Lösegeld gefordert hatten und die Nummer gerade geortet werden würde. Sebastian hörte nur schweigend zu, während Ciels Befreiung geplant wurde. Er fühlte sich wie in einem Film. Die Gerüchte über den „Wachhund der Königin“ waren wohl wahr. Als die Tür zum Arbeitszimmer plötzlich aufgerissen wurde, zuckte Sebastian unmerklich zusammen. Seine rotbraunen Augen weiteten sich kurz, als er Soma sah. Vincent warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir brechen auf. Soma, du bleibst hier.“ „Wa-? Aber?“, der Angesprochene wollte widersprechen, doch Vincent unterbrach ihn: „Es ist zu deiner eigenen Sicherheit. Du kannst gerne hier warten.“ Der Junge würde ihnen nur um Weg sein und sich selbst in Gefahr bringen. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Die Entführer waren scheinbar auf schnelles Geld aus und dachten, es sei am einfachsten, Kinder reicher Eltern zu entführen. Allerdings hatten sie sich dafür die falsche Familie ausgesucht. Vincent informierte unterwegs seinen Bekannten bei Scotland Yard, sodass die bei der Befreiung anwesend waren und die Entführer verhaften konnten. So ersparte er sich und den anderen Anwesenden eine Menge Ärger hinterher. „Scheinbar mögen deine Eltern dich nicht besonders“, sagte plötzlich jemand zu Ciel. Dieser reagierte nicht darauf. Sein Vater würde ihn bestimmt jeden Moment holen. „Hey! Ich rede mit dir!“ Als der Angesprochene immer noch keine Reaktion zeigte, griff der Mann in Ciels aschblaue Haare und zog ihn grob nach oben. Dann holte er aus und grub seine Faust in Ciels Bauch. Dieser keuchte, würgte und krümmte sich, so gut es ging. Als der Mann wieder ausholte, kniff Ciel seine Augen zu und bereitete sich mental auf den Schlag vor. „Hände hoch und gehen Sie von dem Jungen weg!“, brüllte eine andere Stimme. Plötzlich ging alles sehr schnell. Laute Schritte und Stimmen waren zu hören, die durcheinander schrien. „Ciel! Ciel, hörst du mich? Bist du verletzt?“ Überrascht riss der Angesprochene seine Augen auf. Sebastian! Ungläubig starrte er seinen Freund an, als wäre dieser eine Erscheinung. Vorsichtig löste Sebastian den Knebel an Ciels Hinterkopf. Er versuchte, seine trockenen Lippen zu befeuchten, doch sein Mund war zu trocken. Es kam nur ein Krächzen über seine Lippen. „Ssscchh … Schon gut.“ Sebastian zerschnitt die Kabelbinder, mit denen Ciels Hände gefesselt waren und half ihm langsam, sich aufzusetzen. Nur am Rande bemerkte er, dass Sebastian eine schusssichere Weste trug. Dieser verkniff sich gerade noch so die Frage, ob alles in Ordnung war und fragte stattdessen: „Bist du verletzt?“ Ciel schüttelte mit dem Kopf. Er verzog schmerzhaft sein Gesicht, als wieder Blut durch seinen eingeschlafenen Arm floss, auf dem er die ganze Zeit gelegen hatte. „Hier, trink was.“ Sebastian hielt ihm eine kleine Flasche Wasser an die Lippen. Ciel trank ein paar Schlucke. Ihm war noch ganz schlecht von dem Schlag in seinen Bauch. „Ich heb dich jetzt hoch, okay?“, fragte Sebastian. Auf das Nicken seines Freundes schob er einen Arm unter dessen Knie und legte den anderen an den schmalen Rücken. Vorsichtig hob er Ciel hoch und ging mit ihm nach draußen. Dort sahen sie noch, wie zwei Autos von Scotland Yard wegfuhren. „Ciel, mein Junge! Geht es dir gut?“, fragte Vincent besorgt. Er hatte mit Sir Randall gesprochen, sich dann mit einer kurzen Entschuldigung von diesem abgewandt, als er seinen Sohn sah. „Ja, alles okay soweit“, flüsterte Ciel. Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. Er ist sehr tapfer, dachte Sebastian bewundernd. Er ging mit Ciel zu einem der Autos, setzte ihn auf die Rückbank und sich daneben. Kaum war die Autotür zu, warf der Kleinere sich gegen Sebastian und weinte. Dieser zog den Jungen sanft auf seinen Schoß und flüsterte beruhigende Worte. „Ich … ich hatte … solche Angst“, würgte Ciel zwischen Schluchzern hervor. Sebastian streichelte den schmalen Rücken. „Jetzt bist du in Sicherheit. Ich bin da.“ Es dauerte noch einige Zeit, bis Ciel sich soweit wieder beruhigt hatte. Erschöpft lehnte er an Sebastian und bekam kaum mit, wie sie zurück ins Stadthaus fuhren. Dort angekommen ging er, an Sebastian gelehnt, direkt nach oben ins Badezimmer. Am Rande nahm er wahr, dass jemand seinen Namen rief, doch er wollte nur duschen und allein sein. Er hatte sich kurz von seiner besorgten Mutter in den Arm nehmen lassen und dann Sebastian gebeten, ihn allein zu lassen. Ein Butler betrat das Wohnzimmer, in dem Soma immer noch darauf wartete, mit Ciel sprechen zu dürfen, als ein Butler den Raum betrat. Hinter ihm ein junger Mann mit weißen Haaren. „Agni!“ „Prinz Soma, gehen wir nach Hause“, sagte dieser lächelnd, „Ihr könnt morgen den jungen Herrn Ciel besuchen. Er braucht ein wenig Ruhe.“ Soma war enttäuscht, schließlich wollte er Ciel nur helfen und hatte sich gesorgt, über Stunden. Vermutlich hatte Agni recht. Nach der ganzen Aufregung merkte Soma langsam auch die Erschöpfung. Ciel war lange unter der Dusche gestanden. Er hatte einfach nur warmes Wasser über seinen Körper laufen lassen und versucht, die Ereignisse der letzten Stunden irgendwie zu verarbeiten. Als er in sein Zimmer trottete standen dort eine Teekanne, eine Tasse und Gebäck auf seinem Schreibtisch. Er zog sich Unterwäsche und ein T-Shirt an und trank einen Schluck Tee. Dieser wärmte ihn von innen. Ciel war unendlich müde. Er wusste nicht, wie lange er dort gelegen hatte und versuchte stark zu sein, doch jetzt musste er es nicht mehr sein. Erschöpft legte er sich in sein kaltes Bett und schloss seine Augen. Doch einschlafen konnte er nicht. Sein Bett wollte einfach nicht warm werden. Zitternd zog Ciel seine Knie an seine Brust und weinte. Das musste der Schock sein. Leise klopfte es an seiner Tür und Sebastian streckte seinen Kopf rein. Als er ein leises Schluchzen hörte, schloss er schnell die Tür hinter sich und setzte sich auf die Bettkante. „Ciel“, wisperte er. Vorsichtig legte Sebastian eine Hand auf den schmalen Rücken. Der Kleinere zuckte zusammen und drehte sich um. Mit großen, blauen Augen sah er seinen Freund an. „Legst du dich zu mir?“, fragte er leise. „Natürlich“, lächelte Sebastian. Er zog sich bis auf Boxershorts und T-Shirt aus und legte sich unter die Decke. Beinahe sofort kuschelte Ciel sich an seine Brust und lauschte dem ruhigen Herzschlag des Größeren. „War Soma vorhin da gewesen?“, fragte Ciel leise. Sebastian blinzelte überrascht und stoppte kurz das Kraulen von Ciel Rücken. Er dachte, dieser wäre längst eingeschlafen. „Ja, war er. Er hatte wohl die ganze Zeit auf dich gewartet und sich Sorgen gemacht.“ „Oh.“ Ciel würde ihm morgen schreiben, dass alles okay war soweit. „Hat er dich gesehen?“ „Ja, er ist ins Arbeitszimmer deines Vaters geplatzt.“ „Und was hast du gesagt, wieso du da bist?“, fragte Ciel besorgt. Nicht, dass ihr Geheimnis nun auch noch auffliegen würde. „Nichts. Dein Vater sagte, ich gehöre zur Familie.“ „Das hat er gesagt?“, erstaunt sah Ciel ihn an und richtete sich etwas auf. „Ja, stimmt etwas nicht?“, in Sebastians Stimme schwang ein besorgter Unterton mit. „Nein, nein!“, winkte Ciel ab und grinste den anderen an, „das heißt, du bist offiziell in unserer Familie aufgenommen! Meine Eltern mögen dich wirklich“, strahlte Ciel ihn glücklich an. Sebastian erwiderte es mit einem breiten Lächeln. Nun stand ihrem Glück nichts mehr im Weg. Kapitel 28: Geburtstag ---------------------- Es ist so weit, der lang ersehnte Geburtstag von Ciel und Celest! Danke an alle, die diese Geschichte verfolgt haben. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge darf ich euch nun das letzte Kapitel präsentieren. Viel Spaß damit! Seit dem waren über eineinhalb Jahre vergangen. Nach seinem Schulabschluss war Ciel auf eine Universität in London gewechselt. Er wollte später einmal die Spielzeugfirmen seines Vaters leiten. Er hatte ein eigenes, kleines Apartment nahe der Universität bezogen, das seine Eltern ihm als vorzeitiges Geburtstagsgeschenk gekauft hatten. Auf Ciels Wunsch hatte er keine Angestellten. Einmal die Woche kam jemand vorbei, um zu putzen, den Rest erledigte er selbst. Wobei er sich die meiste Zeit von Sebastian bekochen ließ oder der Einfachheit halber direkt in der Mensa aß. Endlich war der langersehnte Tag gekommen, der 18. Geburtstag von Ciel und Celest. Ciel freute sich mehr denn je auf ihren Geburtstag. Da sie nun volljährig wurden, war es eine riesige Feier. Er wusste nicht, wie viele Hände er schon geschüttelt und wie viele Glückwünsche er schon entgegen genommen hatte. Doch irgendwann schaffte er es, sich nach draußen zu schleichen. Auf dem großen Balkon war zu seiner Freude niemand. Erleichtert schloss er seine blauen Augen und atmete die frische, kühle Nachtluft ein. „Hier bist du also“, sagte eine Stimme hinter ihm und ließ ihn herumwirbeln. „Sebastian!“, strahlte Ciel und fiel ihm um den Hals. Seit ihrem ersten Treffen war er um ganze fünf Zentimeter gewachsen. Allerdings überragte Sebastian ihn immer noch um über einen Kopf. „Alles Gute zum Geburtstag, Ciel“, sagte er liebevoll lächelnd. Sebastian zog den Kleineren in seine Arme und beugte sich nach unten, um dessen Lippen mit seinen zu verschließen. Sachte stupste Ciel mit seiner Zunge gegen Sebastians Unterlippe und bat um Einlass. Er war zwar immer noch etwas zurückhaltend, aber nicht mehr so schüchtern wie zu Beginn ihrer Beziehung. Als sie sich voneinander lösten fragte Ciel mit einem frechen Grinsen: „Und wo ist mein Geschenk?“ „Das bekommst du morgen“, lächelte Sebastian. Ciel schob seine Unterlippe vor, verschränkte seine Arme vor seiner Brust und sagte gespielt beleidigt: „Ich habe aber heute Geburtstag!“ Sebastian schaute sich kurz um, dann nahm er ihn an der Hand und zog ihn die kleine Treppe, die sich an der Seite des großen Balkons befand, nach unten und weiter in den Garten. Erst als sie so weit vom Anwesen entfernt waren, dass die Musik kaum noch zu hören war, zog Sebastian ihn nah an sich und beugte sich wieder zu Ciel runter. Sanft legte er seine Lippen auf die des Kleineren. Langsam wanderte Sebastians Mund über Ciels Kinn tiefer zu seinem Hals. Dort hinterließ er eine feuchte Spur und saugte sich leicht an der dünnen Haut fest. Sein Weg wurde bald von Ciels Hemdkragen gestoppt. Sebastian murrte leise und begann die Weste, die der Kleinere unter seinem Jackett trug, und dann das Hemd aufzuknöpfen. Ciel fröstelte ein wenig, als er die kalte Luft auf seinem freien Oberkörper spürte. Gleichzeitig wanderte das Kribbeln in seinem Bauch in südlichere Regionen. Es war aufregend und die Möglichkeit, dass sie jederzeit erwischt werden könnten, beschleunigte seinen Herzschlag noch mehr. Sebastian lächelte leicht, dann küsste er sich seinen Weg über das nun freigelegte Schlüsselbein zu Ciels Brust. Dort saugte er erst sanft, dann fester an den Knospen, bis er ein leises Stöhnen als Antwort bekam. Seine Hände glitten derweil über die Seiten zu Ciels Hosenbund und nestelten an dem Verschluss. Sanft schob er den Kleineren ein kleines Stück weiter nach hinten, so dass dieser an einem großen Baum lehnte. Sebastians Hand glitt in Ciels Hose und streichelte ihn zärtlich. Der Kleinere schluckte und seufzte zufrieden. Mittlerweile war er weder unsicher, noch schüchtern, wenn sie intim wurden. Zwar hatten sie noch nicht richtig miteinander geschlafen, dafür aber alles andere ausprobiert und Ciel fühlte sich mehr als bereit, diesen letzten Schritt zu gehen. Nur nicht jetzt, draußen in der Kälte, an einen Baum gelehnt im Garten. Ciel riss erstaunt die Augen auf und schnappte erschrocken nach Luft, als er die Lippen des anderen an seiner Körpermitte spürte. Auch wenn die Luft kühl war, ihm war plötzlich unfassbar heiß. Er war tatsächlich kurz gedanklich soweit abgedriftet! Doch jetzt konnte er sich auf nichts anderes konzentrieren als die Lippen an seiner Erregung. Nachdem Ciel seinen Höhepunkt erreicht hatte ließ Sebastian von ihm ab und leckte sich über die Lippen. „Du schmeckst gut“, raunte Sebastian und ehe der Kleinere noch etwas erwidern konnte wurde er wieder geküsst, als gäbe es kein Morgen mehr. Er konnte sich selbst schmecken. Während sie sich küssten fand seine Hand ihren Weg in Sebastians Schritt und drückte leicht zu. Ein leises Keuchen war die Antwort. Ciel blickte sich kurz um, ob auch noch niemand nach ihm suchen würde, dann öffnete er Sebastians Hose und zog diese ein Stück nach unten. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, leckte er sich kurz über die Lippen. Sebastians Erregung glänzte feucht im schwachen Licht. Ciel legte seine Hand darum und bewegte diese erst in einem langsamen Rhythmus, dann schneller. Wer wusste schon, wie viel Zeit sie hatten? Als Sebastians Keuchen zu einem Stöhnen wurde ging Ciel in die Knie. Das war ein deutliches Zeichen, dass der andere nicht mehr lange durchhalten würde. Ohne Zögern nahm Ciel Sebastians Glied in den Mund und saugte, während seine Hand ihren schnellen Rhythmus beibehielt. Es dauerte nur noch ein paar Herzschläge, dann ergoss Sebastian sich mit einem unterdrückten Stöhnen in Ciels Mund. Dieser schluckte bereitwillig und richtete sich dann wieder auf. Schnell richteten sie ihre Kleidung. „Das war aufregend“, sagte Ciel grinsend. „Hier seid ihr!“ Erschrocken zuckten sie zusammen und drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Erleichtert atmete Ciel auf, als er seinen Bruder Celest erkannte. „Drinnen suchen dich schon alle, Ciel. Die Geburtstagstorte soll angeschnitten werden.“ Der Angesprochene nickte, ihm war die Torte gerade herzlich egal. Zum Glück hatten sie ihre Kleidung schon wieder gerichtet. „Geht ihr vor, ich komme dann nach“, lächelte der Größere. Ciel nickte und trottete lustlos neben Celest her. Wie gerne würde er jetzt einfach nur mit Sebastian allein sein. Besonders nach gerade eben. Noch immer schmeckte er seinen Freund und konnte sich ein kleines, zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Als die Feier endlich vorbei war, war es schon nach vier Uhr am Morgen. Sebastian blieb über Nacht, sie würden nach dem Frühstück in dessen Wohnung fahren. Ciel war einfach glücklich, dass sie ab diesem Tag ihre Beziehung nicht mehr geheim halten mussten. Natürlich war es besser, wenn sie noch etwas warteten, bis sie es ihren Freunden und Verwandten erzählten, aber das war ihm egal. In ein paar Monaten würde er Sebastians Eltern kennen lernen, auch wenn diese noch nichts von ihrem Glück wussten. Einige Stunden später saßen sie mit Ciels Eltern, seinem Bruder und Lizzy am Frühstückstisch. Seine Cousine war mehr als überrascht, als sie von der Beziehung erfuhr, aber freute sich sehr für Ciel. Sie hatte Sebastian damals bei ihrem ersten Date gesehen, als sie Ciel in London abgesetzt hatten. Obwohl sie Celest mehrmals gefragt hatte, hatte der ihr nur wage Antworten gegeben. Damals hatte Lizzy sich geärgert, doch nun war ihr einiges klar geworden. Natürlich hätte Celest sie in das Geheimnis einweihen können, doch wäre es ihr Bruder gewesen, hätte sie es ihrem Verlobten wahrscheinlich auch nicht erzählt, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Nach dem Frühstück verabschiedeten Ciel und Sebastian sich. Als sie endlich an Sebastians Wohnung ankamen war Ciels Aufregung so groß, dass er kaum vernünftig laufen konnte. Sebastian hingegen schien die Ruhe selbst zu sein. Doch der Schrein trug, der Ältere war genauso aufgeregt. Beiden war klar, was gleich passieren würde. Auf diesen Tag hatten sie lange gewartet und so wurde Ciel ins Innere gezogen, kaum dass Sebastian die Tür aufgeschlossen hatte. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen zog Ciel ihn zu sich herunter und küsste ihn leidenschaftlich. Küssend bewegten sie sich ins Schlafzimmer. Dort legte Sebastian ihn sanft auf das große Bett und küsste ihn unendlich sanft. „Bist du aufgeregt?“, fragte er leise. Ciel nickte. Er brachte kaum ein Wort heraus, sein Herz pochte heftig in seiner Brust und Kolonien von Schmetterlingen flatterten in seinem Bauch. „Keine Sorge, es wird dir gefallen“, lächelte Sebastian, küsste ihn wieder und öffnete dabei dessen Hose. Kurz darauf lag der Kleinere nackt unter ihm. Mittlerweile fühlte Ciel sich auch nicht mehr unwohl unter dem Blick aus rotbraunen Augen. „Du bist wunderschön“, flüsterte Sebastian und zog seine eigene, zu eng gewordene Hose aus. Er legte seine Lippen wieder auf die des Kleineren und angelte gleichzeitig nach dem Gleitgel in einer Nachtischschublade und legte es neben sie auf die Matratze. Langsam küsste er sich Ciels Hals entlang, knabberte an seinem Schlüsselbein und saugte an dessen rosa Knospen. Er keuchte immer wieder auf. Langsam zog Sebastian eine feuchte Spur zu Ciels Bauchnabel und ließ seine Zunge hinein gleiten. Der Kleinere keuchte überrascht auf, während es in seinem Bauch heftig kribbelte. Sebastian angelte nach einem Kissen und schob es unter Ciels Po. Langsam wanderte er tiefer, bis er an zuckender Erregung des Kleineren ankam. Sanft küsste er die Spitze. „Ha!“ Es schmeckte ein wenig salzig, die ersten Lusttropfen hatten sich schon gebildet. Langsam ließ er seine Zunge immer wieder über die Spitze gleiten, bis er diese komplett in den Mund nahm und sachte daran saugte. Ciel stöhnte auf und bog sich ihm entgegen. Sebastian befeuchtete derweil seine Finger mit Gleitgel und fuhr mit einem Finger zwischen Ciels runde Bäckchen. Dieser nahm das nur am Rande wahr, viel zu sehr lenkte ihn der Mund an seinem Glied ab. Sanft massierte Sebastian den Muskelring, bis dieser sich lockerte. Dann drang er vorsichtig mit der Kuppe seines Zeigefingers ein. Der Kleinere zuckte ein wenig zusammen, entspannte sich aber gleich wieder. Es war nicht das erste Mal, dass er Sebastians Finger in sich spürte. Ganz langsam drang der Finger tiefer in ihn ein, während Sebastian ihn weiter mit dem Mund verwöhnte. „S-Seb-Sebastian, warte!“ Der Angesprochene hielt augenblicklich inne, löste sich von ihm und blickte ihn besorgt und fragend zugleich an. „Soll ich aufhören?“ „Ja. Nein! Warte!“ Ciel atmete heftig. Beinahe wäre er schon gekommen. Sebastian wollte seinen Finger wieder zurückziehen, doch er wurde aufgehalten: „N-nicht …“ Mit roten Wangen wurde er aus glänzenden, blauen Augen angesehen. „Soll ich weiter machen?“, fragte er mit einem sanften Lächeln. Ciel nickte als Antwort. Er hatte sich wieder etwas beruhigt. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper, er japste nach Luft und sah für einen Moment Sternchen vor seinen Augen. Sein Freund hatte diese besondere Stelle in ihm gefunden. Ciel wand sich wohlig seufzend. Als sein Freund zum ersten Mal darüber gestrichen hatte, hatte er gar nicht gewusst, was plötzlich los war. Ciel hatte davon bei seinen Internetrecherchen gelesen, doch so richtig vorstellen hatte er es sich nicht gekonnt. Sebastian schmunzelte und fuhr wieder über die gleiche Stelle. „Ha~!“ Langsam zog er seinen Finger wieder zurück, um ihn gleich darauf sanft in den Körper unter ihm zu stoßen. Nachdem er diesen Vorgang einige Male wiederholt hatte, nahm er einen zweiten Finger hinzu. Ciel drückte sich ihm immer wieder entgegen, wenn Sebastian diesen einen Punkt traf. Vorsichtig spreizte er seinen Finger, um den Kleineren zu dehnen. Dieser krallte sich keuchend ins Bettlaken und verlangte nach mehr. Als ein dritter Finger dazu kam, verspannte Ciel sich. Jetzt zog es doch etwas unangenehm. „Alles OK?“, fragte Sebastian besorgt und beugte sich zu ihm runter. „Soll ich aufhören?“ Der Kleinere schüttelte mit dem Kopf: „Nein, mach weiter!“ Langsam begannen die Finger sich wieder in ihm zu bewegen. Zur Ablenkung küsste Sebastian ihn. Er streifte immer wieder Ciels Punkt, was diesen zum Stöhnen brachte, und spreizte seine Finger. Als er fand, es sei genug, zog er seine Hand zurück und erntete dafür ein unzufriedenes Murren. Sebastian ignorierte es, nahm noch ein zweites Kissen und legte es unter Ciel, damit dieser erhöht lag. Diesem war es nun doch etwas peinlich, so entblößt und mit weit gespreizten Beinen vor dem anderen zu liegen. Doch viel Zeit, darüber nachzudenken, hatte er nicht. Sebastian positionierte sich an dem Eingang des Kleineren, dann suchte er dessen blaue Augen mit seinen. „Bist du bereit?“ Ciel nickte leicht. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, in seinem Bauch flatterte es wie verrückt. Vorsichtig drang Sebastian mit der Spitze ein. Er beobachtete jede Regung des Kleineren genau, bereit jederzeit aufzuhören. Er wollte ihm auf keinen Fall weh tun. Langsam schob er sich weiter in die heiße Enge, die ihn allmählich an den Rand seiner Selbstbeherrschung trieb. So lange hatte er darauf gewartet. Doch Ciel brauchte noch einige Moment, um sich an das ausfüllende Gefühl zu gewöhnen und zu entspannen. So konnte Sebastian sich nicht bewegen, ohne ihm weh zu tun. Als Ciel sich entspannte drang er langsam tiefer in ihn ein, bis er sich komplett in dem Körper unter ihm versenkt hatte. Sebastian hielt er still, ließ ihm Zeit, sich daran zu gewöhnen. „Se …bastian …“, flüsterte Ciel und hob leicht zitternd eine Hand. Der Größere nahm sie in seine und hauchte einen sanften Kuss auf die Handinnenfläche. „Bist du soweit?“, fragte er. „Ja“, hauchte Ciel und drückte seine Hand. Ihre Finger waren ineinander verschränkt und Sebastian spürte das leichte Zittern, als er sich langsam aus ihm zurück zog und wieder mit seiner gesamten Länge in ihn eindrang. Allmählich erhöhte er sein Tempo und erntete ein kehliges Stöhnen, als er Ciels Punkt streifte. Dieser war mittlerweile komplett entspannt und begann es zu genießen. Immer schneller stieß Sebastian in ihn, bis Ciel mit einem heißeren Stöhnen seinen Höhepunkt erreichte. Schwer atmend und mit roten Wangen blickte er zu dem Größeren auf. „Mach …weiter …!“, sagte Ciel nach Luft ringend. Sebastian zögerte kurz, dann begann er wieder sich zu bewegen, schließlich war er noch nicht gekommen. „Kann ich …kann ich in dir … kommen?“, fragte er keuchend, als er merkte, dass er auch bald so weit war. „Ha~! Ja“, keuchte Ciel. Auch wenn er erst einen Orgasmus hatte, er wollte noch mehr und war schon wieder hart. Es fühlte sich einfach viel zu gut an in seinem Inneren. Plötzlich stöhnte Sebastian und ergoss sich tief in ihm. Das wiederum stieß auch Ciel zum zweiten Mal über die Klippe und er verteilte sich zwischen ihren verschwitzten Körpern. Sebastian küsste ihn, dann zog er sich langsam aus ihm zurück. „Ich liebe dich“, hauchte Ciel und lächelte glücklich. „Ich liebe dich auch“, erwiderte der Größere. Dann angelte er nach der Packung Taschentücher, die auf seinem Nachtisch stand, und säuberte sie beide. Anschließend zog er Ciel in seine Arme und legte die große Bettdecke über sie beide. „Das war wunderschön“, murmelte der Kleinere gegen seine Brust und kuschelte sich noch ein wenig mehr an ihn. Sebastian küsste ihn sanft auf die Stirn und schloss glücklich seine Augen. Das war es wirklich. Als Ciel einige Stunden später aufwachte, lag er in Sebastians Armen. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er kuschelte sich noch ein wenig näher an ihn. Sie hatten endlich miteinander geschlafen. Obwohl sie schon oft miteinander intim gewesen waren, war es doch neu und aufregend gewesen. Sebastian war unfassbar sanft gewesen. Sie hatten sich Zeit gelassen und ihr erstes gemeinsames Mal voll ausgekostet. Als Ciel in Sebastians schlafende Gesicht blickte, wusste er, egal was noch kommen würde, mit ihm an seiner Seite würde er immer glücklich sein. Noch ein wenig Werbung in eigener Sache: wenn ihr mehr von Sebastian und Ciel lesen wollt, schaut doch bei meiner anderen Geschichte Crush on you vorbei :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)