Glücklich sein von Dolly-Bird ================================================================================ Kapitel 23: Die Bombe ist geplatzt ---------------------------------- Als Ciel aufwachte, fühlte er sich unglaublich wohl und ausgeruht. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber es ging ihm besser. Außerdem bildete er sich ein, Sebastian zu riechen. Zufrieden schmiegte er sich an den warmen Körper neben sich, von dem er dachte, es sei sein Vater. Seine Mutter konnte es nicht sein, dazu war die Brust zu flach und hart. Normalerweise schlief Ciel nicht mehr bei seinen Eltern im Bett, aber wenn es ihm besonders schlecht ging und Celest nicht da war, dann legte sich manchmal ein Elternteil zu ihm. Eine warme Hand fuhr durch seine Haare. „Na, ausgeschlafen?“, fragte eine Stimme leise und Ciel gab nur ein zustimmendes „Hmm“ von sich. Er war noch nicht bereit, die Augen zu öffnen und den Tag zu beginnen. Viel lieber wollte er in diesem Dämmerzustand zwischen schlafen und wach sein bleiben. Er fühlte sich wie in Watte gepackt. „Ciel … mein Arm ist schon ganz taub. Dreh dich wenigstens um“, jammerte es neben ihm. Ärgerlich grummelte er und zog seine Augenbrauen zusammen. Konnte man hier nicht einfach noch in Ruhe liegen bleiben? Als dann auch noch der Körper neben ihm begann sich zu bewegen, schlug Ciel endgültig die Augen auf, um seinem vermeintlichen Vater einen bösen Blick zuzuwerfen. Allerdings wandelte sich dieser in eine Mischung aus Überraschung und Verwunderung, als er erkannte, dass nicht sein Vater neben ihm lag, sondern sein Freund. „Se-sebastian?“ Ciel erinnerte sich nur sehr verschwommen an das, was am Abend zuvor geschehen war. „Geht es dir wieder besser?“, fragte dieser und streichelte ihm über den Kopf. Doch Ciel reagierte gar nicht darauf. Er sah sich beinahe panisch im Zimmer um. „Hey, was ist los?“, fragte Sebastian besorgt und setzte sich auf. Dabei zog er den Kleineren vorsichtig mit in eine sitzende Position, so dass er sich nicht noch mehr den Hals verrenken musste. „Wo sind sie? Du musst schnell raus, bevor sie kommen!“ Ciel steigerte sich immer mehr in die Angst, seine Eltern könnten jederzeit herein kommen und ihn mit Sebastian im Bett sehen. „Beruhige dich. Die Besuchszeit beginnt erst in knapp einer Stunde.“ Ciel atmete erleichtert aus. „Außerdem wissen sie, dass ich hier bin.“ „Was?!“ Seine Brust hob und senkte sich in einem viel zu schnellen Tempo, er atmete nur noch stoßweise. Sebastian hatte Angst, der Kleinere würde gleich hyperventilieren. „Ciel! Hey! Beruhige dich! Alles ist gut! Dein Vater hat mich gestern angerufen und gebeten, her zu kommen. Du hast dich nicht beruhigen lassen. Erst, als ich mich zu dir gelegt habe, wurdest du ruhiger. Ich denke, deine Eltern wissen es.“ „Was?!“ Ciel sah Sebastian mit weitaufgerissenen Augen beinahe panisch an. „Aber- aber das- dann fliegst du doch von der Schule! Und ich auch!“ „Sch … ganz ruhig. Jetzt ist nur wichtig, dass du wieder gesund wirst und dann sehen wir weiter.“ Vorsichtig schloss Sebastian Ciel in seine Arme und wiegte ihn leicht hin und her. Ihm war von Anfang mehr als bewusst gewesen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, sollte ihre Beziehung auffliegen, bevor Ciel 18 Jahre alt war. Im besten Fall würde er nur von der Schule fliegen. Allerdings war es mehr als fraglich, ob er dann noch irgendwo anders eine Stelle bekommen würde als Lehrer. Zwar hatte er Ciel zu nichts gezwungen, das könnte er auch nicht, doch wer würde ihm glauben? Im schlimmsten Fall würde er für einige Jahre ins Gefängnis kommen. Das war wirklich keine rosige Aussicht und Sebastian hoffte inständig, dass ihm das erspart bliebe. Doch letzten Endes hing das von Ciels Eltern ab, wie sie zu dieser Beziehung standen. Sebastian konnte durchaus verstehen, dass sie nicht gerade erfreut darüber waren, um es nett auszudrücken. Vielleicht konnte er später mit ihnen in Ruhe reden, ohne Ciel. Vielleicht würden sie einen Funken Verständnis aufbringen können. Er hatte sich doch nie in einen Schüler, der noch dazu minderjährig war, verlieben wollen! Aber, obwohl es so falsch war, fühlte es sich absolut richtig an, den Jungen in seinen Armen zu halten, ihn zu lieben, zu küssen und körperlich nah zu sein. „Was sollen wir jetzt nur tun?“, fragte Ciel nach einiger Zeit, in der jeder seinen Gedanken nachgehangen war. Sebastian seufzte lautlos, bevor er leise zugab: „Ich weiß es nicht.“ Lange konnten sie ihre Zweisamkeit nicht genießen, denn ein paar Minuten später klopfte es schon an der Tür und eine Schwester brachte Ciels Frühstück. Sie grüßte kurz, stellte das Tablett auf dem kleinen Tisch ab und ging wieder. Wenn sie über Sebastians Anwesenheit überrascht war, dann ließ sie es sich nicht anmerken. „Komm, du solltest etwas essen“, sagte Sebastian, löste sich von Ciel und stand auf. Der Kleinere war nicht gerade begeistert davon. Der Gedanke, dass seine Eltern von ihrer Beziehung wussten, schlug ihm auf den Magen. Allerdings kannte Sebastian kein Erbarmen. Er schmierte zwei Brotscheiben mit Butter und Marmelade, dann reichte er Ciel den Teller. Er selbst aß auch ein Brot, aber mit Wurst belegt. Nur mit großem Widerwillen und weil sein Magen knurrte, aß Ciel sein Frühstück. Sebastian würde aber auch nicht eher Ruhe geben, ehe der Kleinere etwas gegessen hatte. Kaum stellte Sebastian den Teller zurück auf das Tablett, klopfte es schon wieder an der Tür. Dieses Mal waren es Ciels Eltern. Dieser versuchte den dicken Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, während Sebastian sie so normal wie möglich grüßte. „Ciel, mein Schatz, wie geht es dir? Hast du schon gegessen?“, fragte Rachel und setzte sich zu ihrem Sohn auf das Bett. „Ja, habe ich.“ „Mr. Michaelis, auf ein Wort“, sagte Vincent und deutete mit einem Kopfnicken Richtung Tür. Sebastian nickte leicht und folgte ihm. Er fühlte sich wie ein Verurteilter auf dem Weg zum Schafott. Ciel sah ihm mehr als besorgt hinterher. Gerne hätte Sebastian ihm wenigstens zugelächelt, doch eine eiskalte Hand hielt seinen Magen fest umklammert, ihm war regelrecht schlecht. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, ging Vincent weiter. Er wollte also nicht direkt vor der Tür mit ihm sprechen. Sie gingen einige Minuten schweigend durch die unzähligen Gänge dieses riesigen Krankenhauses, bis sie irgendwann im Park standen, der hinter dem Gebäude angelegt worden war. Sebastian schluckte. Er hatte das Gefühl, sein kleines Frühstück würde ihm hochkommen. Vincent wollte nicht mit ihm reden, er wollte ihn gleich umbringen! Und dann hier im Park hinter irgendwelchen Büschen oder gar im See verschwinden lassen! Sebastian kannte viele Gerüchte, die sich um diesen Mann drehten. „Wachhund der Königin“ wurde er genannt. Außerdem hieß es, er habe viele Freunde und Vertraute im Untergrund. Doch weiter konnte Sebastian nicht mehr denken, denn Vincent blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Sie waren ein ganzes Stück vom eigentlichen Gebäude entfernt und hatten somit definitiv keine ungewollten Zuhörer. Vielleicht hatte er ihn deshalb hier raus geführt, bei dieser Kälte. Das war auch der Grund, wieso sie sich nicht auf eine der vielen Parkbänke setzten, die hier überall am Wegrand standen. „Was ist da zwischen Ihnen und meinem Sohn?“, fragte Vincent ganz direkt. Sein stechender Blick aus braunen Augen ließ keine Lüge zu, aber auch so wäre Sebastian bei der Wahrheit geblieben. Es war besser, die Karten offen auf den Tisch zu legen, als sich in einem Netz aus Lügen zu verstricken. Er versuchte, den dicken Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken, räusperte sich, sah Vincent direkt in die Augen und sagte: „Wir lieben uns.“ Keine Emotion spiegelte sich in dem Gesicht seines Gegenübers, auch nicht, als er fragte: „Sie führen also eine Beziehung?“ „Ja.“ „Seit wann?“ „Seit über einem halben Jahr.“ Schweigen. „Sie wissen, dass Sie sich damit strafbar gemacht haben? Immerhin ist Ciel minderjährig.“ Sebastian seufzte tief, strich sich in einer verzweifelten Geste durch die schwarzen, unordentlichen Haare, ehe er antwortete: „Sie glauben gar nicht, wie bewusst mir das ist. Glauben Sie, ich wollte das? Mich in einen meiner Schüler verlieben! Bestimmt nicht. Aber ich habe es mir nicht ausgesucht, Ciel auch nicht. Es ist einfach passiert! Gefühle lassen sich nun mal nicht steuern.“ „Das heißt, Ciel liebt Sie? Hat er das gesagt?“ „Ja, das tut er. Glauben Sie mir, ich habe ihn sicherlich nicht gezwungen! Die Initiative kam von ihm.“ Nun zeigte Vincent tatsächlich eine Reaktion. Überraschung legte sich auf seine Züge. „Ciel? Ciel hat die Initiative ergriffen?“ Leichter Unglaube schwang in seiner Stimme mit. Damit hatte Vincent beim besten Willen nicht gerechnet. Zugegeben, genaugenommen war es Sebastian, der seine Gefühle zuerst gestanden hatte. Aber nur, weil er dachte, Ciel würde schlafen! Allerdings war es der Jüngere gewesen, der einen Kuss von Sebastian verlangt hatte, als er ihn von Alois‘ Party abgeholt hatte. Wäre dieser Kuss nicht gewesen, hätte er Ciel nicht geküsst, wären sie nun vielleicht gar kein Paar. So gesehen war es tatsächlich Ciel gewesen, der die Initiative ergriffen hatte. Zu Sebastians Glück fragte Vincent nicht, wie genau sie denn ein Paar geworden waren. „Hatten sie Sex?“, fragte er dann gerade heraus. Sebastian weitete kurz überrascht seine Augen, dann sagte er: „Sie können beruhigt sein, Ciel ist noch Jungfrau.“ Auch wenn ich nicht wüsste, was Sie das angeht, dachte er ärgerlich. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Michaelis, ich mache mir einfach Sorgen um meinen Sohn. Sie sind ein erwachsener Mann, der sicherlich schon die eine oder andere Beziehung hatte und Ciel ist ein Teenager. Zwar kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen.“ „Das ist mir sehr wohl bewusst. Sie können beruhigt sein, ich zwinge ihn zu nichts.“ Schließlich soll er Spaß daran haben und nicht traumatisiert sein, fügte er in Gedanken hinzu. „Nun gut, ich werde nun mit Ciel sprechen und dann sehen wir weiter.“ Damit drehte Vincent sich um und ging zurück ins Hauptgebäude. Sebastian blieb noch ein wenig draußen stehen und atmete die kühle, frische Luft ein. Auch wenn noch nichts entschieden war, fühlte er sich erleichtert. Vincent Phantomhive war sachlich geblieben und er lebte noch. Sein toter Körper sank in diesem Moment nicht auf den Grund des Sees. Ciel würde seinem Vater hoffentlich auch die Wahrheit sagen! Ob und welche Konsequenzen dann auf Sebastian warteten, war abzuwarten. Er genoss noch einige Minuten die Stille, dann machte er sich auch langsam auf den Weg Richtung Gebäude und zu Ciels Zimmer. Nun nahm er auch das leise Knirschen des Kies unter seinen Schuhen wahr. „Bitte, Mama, ihr dürft Sebastian nicht bestrafen! Er hat doch nichts falsch gemacht!“, platzte es aus Ciel heraus, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war. Rachel sah ihren Sohn teilweise überrascht, teilweise erschrocken an. „Es ist alles meine Schuld!“ Ciel kullerten dicke Tränen über die geröteten Wangen. Er befürchtete, dass seine Eltern Sebastian anzeigen würden und sie ein Kontaktverbot bekämen. Das würde er nicht aushalten! Er brauchte Sebastian. Nicht nur jetzt, im Krankenhaus, sondern immer. „Ciel, mein Schatz, dein Vater redet doch erst mal nur mit ihm. Ihr seid also wirklich zusammen?“ „Ja“, schniefte Ciel, „seit über einem halben Jahr.“ Rachel war schockiert, dass die Beziehung schon so lange ging und sie nie auch nur Verdacht geschöpft hatte. „“Aber- aber er ist ein erwachsener Mann! Noch dazu dein Lehrer!“ „Ich weiß! Ich liebe ihn aber trotzdem! Und er liebt mich.“ Ciel verschränkte seine Arme vor der Brust und sah seine Mutter beinahe trotzig an. Diese atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie wollte sich nicht streiten, sie wollte ein vernünftiges Gespräch mit ihrem Sohn führen. „Du … liebst ihn?“ „Sonst wäre ich wohl kaum mit ihm zusammen“, antwortete Ciel verständnislos. Rachel seufzte tief. „Was macht dich da so sicher?“ Er zögerte einen Moment und suchte nach den passenden Worten. „Es fühlt sich richtig an.“ Er würde seiner Mutter jetzt bestimmt nicht seine komplette Gefühlswelt darlegen! Dieser eine Satz musste ihr reichen. Erstaunt sah Rachel ihn an. Mit so einer Antwort hatte sie wirklich nicht gerechnet. „Er … zwingt dich auch zu nichts?“, fragte sie mit besorgtem Unterton. Ciel schnaubte: „Nur, dass ich mein Gemüse esse.“ Das wiederum zauberte seiner Mutter ein kleines Lächeln auf die Lippen. Vielleicht war Sebastian doch nicht so schlecht für ihren Sohn, wie sie dachte. Allerdings bereitete ihr der große Altersunterschied Kopfschmerzen. Immerhin stand man mit 25 Jahren an einem ganz anderen Punkt im Leben, als mit 16 Jahren. Doch bevor sie dieses Thema ansprechen konnte, öffnete sich die Tür und Vincent kam herein. Er zog seine Jacke aus, hängte sie über den Stuhl und setzte sich auf die andere Seite des Betts. Er stellte Ciel die gleichen Fragen, die er auch Sebastian gestellt hatte. Auch, wenn er das meiste schon seiner Mutter erzählt hatte, antwortete er auf alle Fragen. Erst, als sein Vater wissen wollte, ob sie schon Sex hatten, wurde Ciel knallrot und starrte ihn fassungslos an. „Darauf werde ich bestimmt nicht antworten“, sagte er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Denn das ging seine Eltern nun wirklich nichts an. Vincent lachte leise. „Schon gut, so genau will ich das auch gar nicht wissen.“ „Und … was geschieht jetzt? Werdet ihr Sebastian anzeigen?“, fragte Ciel unsicher. In diesem Moment klopfte es an der Tür und Sebastian kam herein. „Ah, Mr. Michaelis, gutes Timing!“, lächelte Vincent ihn freundlich an und winkte ihn heran. Der Angesprochene zog seine Jacke aus, hängte sie über den anderen Stuhl, der an dem kleinen Esstisch stand und setzte sich. Er war genauso nervös wie Ciel. Jedoch hing für ihn noch viel mehr von dem ab, was das Ehepaar Phantomhive entschieden hatte, als für seinen Freund. Vincent und Rachel hatten am Vorabend schon besprochen, was sie im besten und was im schlimmsten Fall tun werden, daher sagte er: „Wir werden von einer Anzeige absehen.“ Sebastian atmete erleichtert auf, genauso Ciel. „Ihr dürft euch auch weiterhin sehen“, sagte Rachel mit einem kleinen Lächeln, „aber nur unter zwei Bedingungen.“ Ciel schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Er freute sich, aber fürchtete die Bedingungen. „Ihr dürft euch nur in unserem Anwesen oder im Stadthaus treffen, bis Ciel volljährig ist“, nannte Vincent die erste Bedingung. „Und deine Noten bleiben weiterhin gut“, ergänzte Rachel mit Blick zu ihrem Sohn. „Das heißt nicht, dass wir es gutheißen, oder gar befürworten, schließlich machen wir uns als Mitwisser auch strafbar“, sagte Vincent ernst, „aber wenn wir den Nachhilfeunterricht auf zwei Tage die Woche ausweiten wird wohl kaum jemand auch nur Verdacht schöpfen.“ Den zweiten Teil sagte er mit einem milden Lächeln auf den Lippen. Als Ciel bewusst wurde, was das bedeutete, strahlte er seine Eltern an. Sebastian hingegen starrte sie sprachlos an. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet! Zwar war er so nie wirklich alleine mit Ciel, nicht so wie in seiner Wohnung, aber das war sehr viel mehr, als er erwartet hätte. Vincent stand auf und streckte sich kurz. „Es war für uns eine sehr kurze Nacht, du bist sicher nicht böse, wenn wir euch jetzt allein lassen“, sagte Rachel lächelnd und stand ebenfalls auf. Sie gab Ciel noch einen Kuss auf den Scheitel zum Abschied. „Mr. Michaelis, passen Sie gut auf meinen Jungen auf, dass er sich auch schnell erholt“, sagte Vincent und reichte ihm die Hand. „Das werde ich. Und ... danke!“ Sebastian schüttelte kurz die dargebotene Hand. Rachel reichte ihm auch die Hand zum Abschied, dann waren sie auch schon verschwunden. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, grinste Ciel Sebastian breit an und klopfte neben sich auf das Bett. „Komm her!“ Der Angesprochene erwiderte das Grinsen erleichtert und folgte der Aufforderung. Kaum hatte er seine Schuhe von den Füßen gestreift und seine Beine auf die Matratze gelegt, kuschelte Ciel sich auch schon an ihn. Eine Zeitlang genossen sie einfach nur die Stille und Nähe des jeweils anderen. „Deine Eltern sind echt nicht so wie andere Eltern“, sagte Sebastian irgendwann. „Waren sie noch nie“, lachte Ciel leise. „Was hätte denn im schlimmsten Fall passieren können?“, fragte er vorsichtig nach. Eigentlich wollte er das gar nicht so genau wissen, doch diese Frage würde ihm sonst keine Ruhe lassen. Sebastian zögerte kurz, dann sagte er: „Im schlimmsten Fall hätte ich für einige Jahre ins Gefängnis gemusst, man hätte mir vorwerfen können, dass ich dich zu sexuellen Handlungen gezwungen hätte und ich hätte meine Zulassung als Lehrer verloren.“ Ciel starrte Sebastian daraufhin schockiert an. Das war furchtbar! „Aber du hast mich doch zu nichts gezwungen!“ „Ich weiß. Aber das ist nur der denkbar schlimmste Fall, der hätte passieren können. Doch scheinbar glauben deine Eltern uns, daher haben wir großes Glück.“ Einige Zeit saßen sie einfach nur aneinander gekuschelt da, bis sich Ciel eine neue Frage aufdrängte: „Aber das heißt jetzt, dass wir es gar nicht mehr tun können! Zumindest nicht, bis ich 18 bin.“ „Es?“, fragte Sebastian amüsiert. „Du weißt, was ich meine“, grummelte Ciel gespielt beleidigt. „Natürlich weiß ich das. Aber ja, das wird nun kaum mehr möglich sein.“ Er lachte leise und zog den Kleineren näher an sich. Wenn das seine einzige Sorge war, dann konnte es ihm gar nicht mehr so schlecht gehen. Sie blieben aneinander gekuschelt sitzen, bis eine Schwester Ciels Mittagessen brachte. Als dieser jedoch sah, dass er nur eine Gemüsesuppe bekam, verzog er unwillig das Gesicht. „Wollen die mich hier auf Diät setzen, oder was?“ Als ob er nicht schon dünn genug wäre! „Ich mach dir einen Vorschlag“, sagte Sebastian mit einem milden Lächeln, „du isst die Suppe, dann fahre ich heim und zaubere dir eine leckere Nachspeise.“ Sofort hellte sich Ciels Miene auf. Allerdings würde Sebastian ihn dann hier allein lassen und er würde sich schrecklich langweilen. „Bei der Gelegenheit bringe ich dir auch Kleidung und Bücher mit, einverstanden?“, schlug Sebastian vor. „Außer natürlich du willst dieses hübsche Krankenhaushemd weiter tragen.“ Ciels Wangen wurden bei dem spöttischen Unterton augenblicklich warm. Das wollte er natürlich nicht! Sie hatten ihm nicht mal Unterwäsche gegeben. Das lag wahrscheinlich an diesem Schlauch, der ihm den Gang zur Toilette ersparte. Er hoffte wirklich, dass er dieses Teil los wurde, so lange Sebastian nicht da war. Dieser gab ihm einen kurzen Kuss zum Abschied, nachdem Ciel brav seine Suppe gegessen hatte. Sebastian wusste, wie wenig sein Freund Gemüse mochte und traute ihm zu, die Suppe unangerührt abholen zu lassen. Kaum war Sebastian gegangen, ließ Ciel sich seufzend ins Kissen sinken. Was sollte er nun tun? Als Beschäftigung blieb ihm nur der Fernseher, er hatte nicht mal sein Handy da. Hoffentlich beeilte Sebastian sich! Um nicht Löcher in die Luft zu starren schaltete Ciel den Fernseher ein und zappte gelangweilt durch die Kanäle. Bei einer Serie, vermutlich ein Krimi, blieb er dann. Etwa eine halbe Stunde später klopfte es an seiner Tür und gleich zwei Schwestern kamen herein. Die eine nahm sein Tablett vom Mittagessen mit, die andere lächelte ihn freundlich an. Allein dieses Lächeln weckte ein gewisses Misstrauen in Ciel. Spätestens, als die junge Frau, sie war vielleicht Ende 20, sich Gummihandschuhe überzog, schrillten bei ihm sämtliche Alarmglocken. „Ich werde nun Ihren Katheter entfernen, Mr. Phantomhive.“ Der Angesprochene schluckte trocken. Ihm wäre es lieber, er würde nichts davon mitbekommen. Noch dazu war es ihm unangenehm, dass diese Frau ihn da unten in aller Ruhe betrachten konnte. Der Gedanke, dass es sie wahrscheinlich nicht interessierte und er sicherlich nicht der erste oder gar einzige wäre, bei dem sie das tat, beruhigte ihn auch nicht wirklich. Doch für eventuelle Einwände ließ sie ihm gar keine Zeit. Die Schwester schlug die Decke nach oben, sodass Ciels Beine und Unterleib frei lagen. Dann hob sie das Krankenhaushemd an und der Patient kniff die Augen zusammen. Er wusste nicht genau, wie es da unten aussah, er wollte es auch gar nicht wissen. Er rechnete damit, dass es furchtbar wehtun würde, doch er spürte nur einen leichten Druck und hörte kurz darauf die freundliche Stimme der Schwester: „Das war es schon! Wenn Sie unsicher sind, mit den Krücken auf die Toilette zu gehen, dann rufen Sie uns bitte.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich und Ciel war wieder allein. Er atmete erleichtert durch. Es war nicht ansatzweise so schlimm gewesen, wie er befürchtet hatte. Das konnte aber auch den Schmerzmitteln liegen, die er bekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)