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Glücklich sein

von

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Wiedersehen und Campingausflug

Die Zeit verging wie im Flug und ehe sie sich versahen, waren die zwei Wochen Ferien schon vorbei. Ciel hatte fast jeden Tag mit Celest verbracht, schließlich sahen sie sich so selten. Zwar hatte dieser auch Zeit mit seiner Freundin Elizabeth verbracht, doch sein Bruder hatte Vorrang. Tagsüber dachte Ciel so gut wie gar nicht an Sebastian. Nur nachts, wenn er allein in seinem Bett lag, war die Versuchung groß, ihm eine Nachricht zu schreiben. Einmal ging es sogar so weit, dass er die Nachricht schon getippt hatte, doch dann zeigte die App ihm an, dass Sebastian online war und er warf erschrocken sein Smartphone auf sein Bett neben sich. Mit Herzklopfen hatte er gewartet, ob es vibrieren und damit eine neue Nachricht anzeigen würde, doch nichts geschah. Minuten vergingen, doch sein Handy blieb stumm. Enttäuschung machte sich in ihm breit, doch dann schüttelte er seinen Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen. Sebastian hatte keinen Grund ihm zu schreiben! Er war sein Lehrer, es waren Ferien, sie hatten sich nichts zu sagen!

Sebastian verbrachte seine Ferien mit Klassenarbeiten korrigieren, seinen Unterricht vorbereiten und lesen. Er genoss es, am Abend mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein dazusitzen. Ein paar Mal hatte er sich mit Claude getroffen, der am Rande des Wahnsinns zu wandeln schien. Sebastian wusste, dass es eigentlich nicht lustig war, aber trotzdem amüsierte es ihn, seinem besten Freund zuzuhören, wenn dieser von seinem Tag oder seiner Woche erzählte. Auch hatte er endlich Grells neuen Freund, oder „die Liebe seines Lebens“, wie er ihn nannte, kennengelernt. Ein verrückter Kerl mit intensivgrünen Augen und langen, grauen Haaren. Er war Bestatter und nannte sich selbst Undertaker. Wie passend, schmunzelte Sebastian. Aber irgendwie passten die beiden zusammen. Er freute sich für Grell, jemanden gefunden zu haben, der ihn so liebte wie er war, vor allem nach der Sache mit William.

An Ciel dachte er selten, und wenn schob er diese Gedanken gleich wieder zur Seite. Sie waren nicht nur Lehrer und Schüler, der Junge war noch dazu minderjährig und von ihrem Altersunterschied wollte er gar nicht erst anfangen. Er hatte kurzzeitig in Erwägung gezogen sich doch auf die Suche nach einem neuen Freund zu machen, doch das gab er gleich wieder auf. Es war nicht das, was er wollte.
 

Und so kam der Montag nach den Ferien unaufhaltsam und schneller, als ihnen lieb war. Ciel hatte sich Sonntagnachmittag schweren Herzens von Celest verabschiedet. Manchmal hatte er das Gefühl, ohne ihn würde ein Teil von ihm fehlen. Aber seinem Bruder ging es genauso. Sie hatten die ersten zwölf Jahre ihres Lebens immer zusammen verbracht, umso schwerer war der Abschied, als Celest auf eine Eliteschule gehen musste. Aber da er später einmal die Geschäfte ihres Vaters übernehmen sollte, gab es keinen Weg darum herum.

Ciel war seltsam nervös vor der Unterrichtsstunde, die er bei Sebastian hatte. Nachdem er das Schulgelände betreten hatte, hatte er sich immer wieder umgeschaut, als würde er verfolgt werden. Er beruhigte sich erst, als er im Klassenzimmer auf seinem Platz saß. Er hätte nicht gewusst, wie er sich hätte verhalten sollen, wäre er Sebastian irgendwo allein begegnet. Doch ehe Ciel noch weiter darüber nachdenken konnte betrat sein Lehrer das Klassenzimmer. Er sah aus wie immer, verhielt sich wie immer. Aber was hätte sich auch in den zwei Wochen großartig ändern sollen? Der Unterricht verlief wie gewohnt. Als es klingelte und Sebastian die Stunde für beendet erklärte rief er Ciel noch einmal zu sich. Dieser zuckte unmerklich zusammen. Was würde jetzt kommen? „Was gibt es?“, fragte er möglichst neutral. „Dein Vater hat mich informiert, dass ihr wieder in das Stadthaus gezogen seid, die Einbrecher wären verhaftet worden.“ „Ja, das stimmt.“ Nun würde er nicht mehr bei ihm wohnen. Aber das hatte doch schon sein Vater mit Sebastian geklärt? Dieser musste seine Gedanken erraten haben, denn er sagte: „Es geht um deinen Nachhilfeunterricht. Ich würde vorschlagen wieder samstags um dieselbe Uhrzeit wie vorher auch?“ „Ah, ja, sicher!“ Innerlich atmete Ciel auf. Darum ging es nur, das hatte er schon total verdrängt. „Gut, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag“, lächelte Sebastian sein nichtssagendes Lächeln und entließ damit seinen Schüler. Dieser ging zum Teil erleichtert, zum Teil ein kleines bisschen enttäuscht. Aber was hatte er sich denn erhofft? Der Kuss hatte Sebastian mit Sicherheit nichts bedeutet. Und ihm auch nicht! Redete er sich ein.
 

So verging auch diese Woche ohne besondere Vorkommnisse und schon war es Samstag. Ciel war aus einem ihm unbekannten Grund seltsam nervös, während er darauf wartete, dass es an der Tür klingelte. Als die Klingel dann tatsächlich ertönte, musste er sich zusammenreißen ganz normal nach unten zu gehen und nicht zur Haustür zu stürmen und diese aufzureißen. Er fragte sich wirklich, was mit ihm los war.

„Guten Morgen, Ciel“, wurde er auch sogleich freundlich begrüßt. „M-morgen.“ Innerlich schalt er sich selbst, sich zusammen zu reißen. Wieso fing er in Sebastians Nähe auch immer wieder an zu stottern? Das tat er doch sonst auch nicht. Er räusperte sich leise. „Komm doch rein.“ Ciel trat zur Seite und ließ seinen Lehrer das große Stadthaus betreten. Kurz darauf waren sie allein im Arbeitszimmer seines Vaters. Dieser war bei einem Freund zu Besuch und würde erst am Abend wieder zurück kommen. Ciel bearbeitete die Aufgaben, die er von seinem Lehrer bekommen hatte. Solange der Text in Englisch geschrieben war, war es noch okay. Doch als er einen Text auf Deutsch bekam und diesen übersetzen sollte verstand er nur die Hälfte. „Mh Sebastian, was steht da?“, fragte er nach einigen Minuten dann doch, da es nichts nutzte. Der Angesprochene schaute von seinen Blättern auf und Ciel fragend an: „Was verstehst du denn nicht?“ „Den ganzen Text!“ Sein Lehrer zog eine zweifelnd Augenbraue hoch, stand auf, umrundete den großen Schreibtisch und stellte sich neben Ciel. „Les mir erst einmal vor was dort steht.“ Also tat er wie geheißen und las laut, mit wirklich schlechter Aussprache, den ersten Satz vor. „Und was steht da nun?“, fragte Sebastian geduldig. „Ich … ich weiß es nicht“, gestand Ciel leise. Es war ihm unangenehm, dass er sich mit dieser Sprache so schwer tat. Und die körperliche Nähe zu seinem Lehrer machte das Ganze nicht gerade besser. Sein Herz klopfte heftig und laut in seinem Brustkorb. Hoffentlich konnte Sebastian seinen Herzschlag nicht hören!

„Ciel? Hörst du mir überhaupt zu?“, riss ihn die angenehme Stimme des Älteren aus seinen Gedanken. „Was?“ Sebastian seufzte leise. „Du scheinst heute sehr unkonzentriert zu sein. Vielleicht sollten wir es für heute gut sein lassen und nächste Woche an dieser Stelle weiter machen.“ „Ist gut“, nickte er schnell. Umso früher das hier vorbei war, umso besser. Als er aufschaute traf sein Blick auf die rotbraunen Augen Sebastians, der ihn eindringlich ansah. „Ciel“, begann dieser mit ernster Stimme, „möchtest du über irgendetwas mit mir reden?“ „Nein.“ „Auch nicht darüber, was passiert ist, nachdem ich dich bei Alois abgeholt habe?“ Erschrocken riss Ciel seine blauen Augen auf, dann sagte er nüchtern: „Ich wüsste nicht, was es da zu reden gäbe.“ Sebastian nickte leicht: „In Ordnung. Dann wünsche ich dir noch ein schönes Wochenende, wir sehen uns Montag.“ „Danke. Dir auch.“ Als der Ältere das Arbeitszimmer verlassen wollte sprang Ciel schnell auf: „Warte, ich begleite dich noch zur Tür!“ Ohne sich umzudrehen sagte Sebastian mit kühlem Unterton: „Nicht nötig, ich finde selbst raus.“ Sprachlos stand Ciel da. Was war das denn nun gewesen?

Als Sebastian in seinem Auto saß seufzte er einmal tief. Was hatte das denn gerade gesollt? Wie konnte er sich so verhalten? Weil Ciel nicht mit ihm reden wollte? Was war nur los mit ihm? Er war nicht mehr er selbst. Am liebsten würde er die ganze Sache vergessen und den Nachhilfeunterricht endgültig beenden, aber das wäre nur kindisch. Noch einmal seufzend startete er den Motor seines Autos und verließ das große Grundstück. Während der Fahrt ließ Sebastian seine Gedanken schweifen und dachte über sein Verhalten und den Kuss nach. Doch egal wie er es drehte und wendete, er kam immer zu demselben Ergebnis. Doch das konnte einfach nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein!

Ciel hatte derweil seine Schulsachen wieder aufgeräumt. Hätte er vielleicht doch den Kuss ansprechen sollen? Aber was hätte das gebracht? Sebastian sah in ihm bestimmt nur einen bemitleidenswerten Bengel.
 

So vergingen einige Wochen, in denen beide nur das Nötigste miteinander sprachen und sich distanziert zueinander verhielten. Es war Frühling und das von Ciel mit Grauen erwartete Campingwochenende stand an. Sie würden zwei Nächte mit der ganzen Klasse auf einem Campingplatz, in der Nähe eines Waldes, in Zelten schlafen. Als er das zum ersten Mal hörte, hatte sich ihm der Magen umgedreht. Ciel hatte sein ganzes Leben lang noch nicht in einem Zelt geschlafen. Doch drücken konnte er sich davor auch nicht, und so stand er Freitagmittag mit einer großen Reisetasche an der Schule und wartete mit seinen Mitschülern auf den Bus. Bis gestern hatte er noch gedacht er würde nun ein Wochenende vor Sebastian fliehen können, die Situation zwischen ihnen wurde immer unangenehmer, doch ein Lehrer fiel als Begleitperson aus und so musste ausgerechnet er einspringen.

Ciel seufzte leise, als ihm plötzlich ein Arm um die schmalen Schultern gelegt wurde. Er schaute nach links und blickte in Somas strahlendes Gesicht. Dieser schien sich ganz offensichtlich auf das Wochenende zu freuen. „Ist das nicht toll, Ciel? Wir werden ein ganzes Wochenende zusammen verbringen!“ „Ich kann es kaum erwarten …“, murmelte der Angesprochene wenig begeistert. Kurz darauf bog der Reisebus um die Ecke, das Gepäck wurde verstaut und jeder suchte sich einen Sitzplatz im Bus. Soma bestand natürlich darauf neben Ciel zu sitzen. Er hatte nach der Party bei Alois ein richtig schlechtes Gewissen gehabt. Soma hatte erst aufgehört sich zu entschuldigen und das Thema fallen gelassen, als Ciel ihm angedroht hatte kein Wort mehr mit ihm zu reden, sollte er noch einen Ton dazu sagen.
 

Nachdem alle Schüler im Bus saßen zählte Grell, der sich trotz aller Bemühungen nicht vor dem Ausflug hatte drücken können, noch einmal durch, ob auch keiner fehlte, dann ging die Reise los. Sie fuhren knapp zwei Stunden irgendwo ins Nirgendwo. Am Zeltplatz angekommen wurden erst einmal die Schüler auf die Zelte aufgeteilt. Ciel durfte sich zu seiner, mehr oder weniger, großen Freude ein Zelt mit Soma und Alois teilen. Der Einzige, der sich darüber tatsächlich freute, war Soma. Ciel hoffte nur es würde trocken bleiben und in der Nacht nicht allzu kalt werden.

Nachdem alle ihre Sachen in den jeweiligen Zelten aufgeteilt hatten mussten sie sich noch einmal versammeln. Es wurde bekannt gegeben, wann welches Zelt Küchendienst hatte. Genervtes Stöhnen hallte über den Platz. Wer nicht beim Kochen helfen musste hatte dann Freizeit bis zum Abendessen. Schnell hatten sich Grüppchen gebildet, die irgendwelchen sportlichen Aktivitäten nachgingen. Ciel hingegen nahm sich sein neues Buch, suchte sich ein ruhiges Fleckchen und las. Noch schien die Sonne und die Luft war warm.

Ehe er sich versah wurde schon zum Abendessen gerufen. Überrascht sah Ciel auf. War es tatsächlich schon so spät? Beim Lesen vergaß er oft die Zeit. Jeder stellte sich mit seinem Teller in die Essensschlange. Zu seiner Freude war es ein anderer Lehrer und nicht Sebastian, der das Essen ausgab. Nachdem jeder seine erste Portion hatte durften sie anfangen. Es schmeckte erstaunlich gut und erinnerte Ciel an Sebastian Kochkünste. Verstohlen schielte er zu diesem rüber und zuckte unmerklich zusammen, als sein Blick auf rotbraune Augen traf. Schnell widmete er sich wieder seinem Teller und bemerkte nicht das enttäuschte Aufflackern in Sebastians Augen.
 

Nach dem Essen verkündete Grell: „Da es die erste Nacht ist wird heute, wie jedes Jahr, die Nachtwanderung stattfinden. Für die, die es nicht wissen: jede Gruppe bekommt einen Kompass und muss innerhalb von zwei Stunden den Treffpunkt im Wald erreicht haben. Jedes Zelt bildet eine Gruppe. Wer es nicht in der vorgegeben Zeit schafft hat automatisch verloren. In einer Stunde, wenn es dunkel ist, werden wir starten.“ Ciels Begeisterung hielt sich stark in Grenzen. Er sollte mit Alois und Soma nachts in einen dunklen Wald gehen? Und anhand eines Kompass einen Treffpunkt finden? Wieso nur hatte er nicht auf seinen Bruder Celest gehört und sich am Morgen krank gestellt?

Doch es half alles nichts und so standen er, Alois und Soma eine gute Stunde später am Waldrand, bewaffnet mit Taschenlampen und einem Kompass. Jede Gruppe hatte eine andere Route, so dass niemand schummeln konnte. Alois hatte den Kompass angenommen und ging selbstsicher voraus. Ciel hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Sie waren noch keine zehn Meter weit gegangen und schon war es stockdunkel, nur die Taschenlampen spendeten ihnen spärliches Licht. Bei jedem Knacken von Ästen und bei jedem Rascheln von Blättern zuckte Ciel zusammen. Durch die Dunkelheit konnten die anderen beiden das zum Glück nicht sehen. Alois hätte ihn bestimmt ausgelacht und Soma würde ihn vor lauter Sorge am Ende noch tragen.

So in Gedanken versunken achtete Ciel nicht sonderlich auf seinen Weg und stolperte über eine, aus dem Boden ragende, Baumwurzel. Erschrocken ruderte er mit seinen Armen und fing sich gerade noch so, bevor er tatsächlich gefallen wäre. „Ciel! Alles in Ordnung?“, fragte Soma besorgt. Selbst Alois war stehen geblieben und warf einen genervten Blick nach hinten. „Ja, geht schon. Ich bin nur gestolpert.“ Schweigend setzten sie ihren Weg fort, wobei Soma immer wieder besorgt zu Ciel schaute, allzeit bereit einzugreifen, sollte der Kleinere wieder stolpern. Dieser setzte nach seinem beinahe Sturz nur noch vorsichtig einen Fuß vor den anderen.

Nach einigen Minuten ertönte ein lautes Donnergrollen, gefolgt von einem Blitz, der über den fast schwarzen Himmel zuckte. „Oh nein“, sagte Alois leise. Sein folgender Fluch wurde vom lauten Rauschen des plötzlich einsetzenden Regens verschluckt. Sekunden später waren alle drei komplett durchnässt. Ihre Kleidung klebte ihnen am Körper und die Haare teilweise im Gesicht. Genervt strich Ciel sich seine nassen, aschblauen Haare nach hinten. Für einen Moment durchzuckte ihn der Gedanke, dass diese Frisur seiner Tante Francis sicherlich gefallen würde. „Los kommt, wir müssen weiter!“, rief Alois über den Regen hinweg. Ciel hatte das Gefühl unter einem überdimensionalen Gartenschlauch zu stehen, so sehr regnete es. Am Nachmittag war noch keine einzige Wolke in Sicht gewesen und laut Wetterbericht sollte es an diesem Wochenende auch trocken bleiben. Lustlos trottete er den anderen beiden hinterher. Wie gerne würde er sich jetzt in die heiße Badewanne setzen, einen warmen Earl Grey Tee trinken und sich anschließend in sein warmes, weiches Bett kuscheln. Er seufzte genervt und achtete nicht mehr so genau auf den Weg, realisierte nicht einmal, dass er an Alois und Soma vorbei ging. Erst nach mehrmaligem Rufen drangen ihre Stimmen zu ihm durch: „Ciel, pass auf!“ Doch da war es schon zu spät. Er verlor den Halt unter seinen Füßen, rutschte einen Hang hinunter und schlug hart auf dem matschigen Boden auf. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst und benommen blieb er im Dreck liegen, während der Regen weiter unaufhörlich auf ihn niederprasselte.



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