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Glücklich sein

von

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Der verranzte Alte

„William~~!“ Grell fiel dem Gerufenen um den Hals. Dieser blickte seinen Kollegen nur kühl an und richtete mit seiner typischen Geste seine Brille: „Mr. Sutcliffe, wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Unterlassen Sie diese Annäherungen!“ „Aber Will~“, protestierte Grell. Sebastian schüttelte innerlich mit dem Kopf. Jeden Tag das Selbe. Manchmal fragte er sich wirklich, ob Mr. Spears so blind war oder es einfach nicht wahrhaben wollte. Grell warf sich ihm zwar auch regelmäßig an den Hals, aber bei William war es anders. Für diesen hatte Grell wirklich Gefühle, das sah ein Blinder mit Krückstock. Sebastian wunderte es, wie der andere mit dieser ständigen Ablehnung von William klar kam. Niemand konnte das so einfach wegstecken auf Dauer. Grell hatte sich aber auch in einen Kühlschrank verliebt. Wäre Sebastian der Angebetete, er hätte schon lange mit seinem Kollegen ein ernsthaftes Gespräch geführt, wenn er wirklich nicht interessiert war. Andernfalls hätte er ihn zu einem Date eingeladen. Er warf einen Blick auf die Uhr im Lehrerzimmer. Die Pause war fast vorbei, er sollte sich langsam auf den Weg zu seinem Unterrichtsraum machen. Sebastian nahm seine Tasche und trat auf den Gang. Kurz massierte er sich die Schläfen. Es waren gerade einmal die ersten beiden Stunden um und es bahnten sich schon Kopfschmerzen an. Wie ertrug Grell das nur? Er hielt es nur vom Zusehen schon nicht mehr aus. Sein Kollege tat ihm leid. Er bemühte sich so sehr und erhielt kaum eine Reaktion. Machte es William vielleicht sogar Spaß, mit ihm zu spielen? Sebastian schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seinen nächsten Unterricht. So oder so war es grausam, wie er sich Grell gegenüber verhielt.
 

Zur gleichen Zeit leerte sich das Lehrerzimmer, bis nur noch zwei Personen dort waren. „William.“ Der Angesprochene hob genervt seinen Blick. Er hatte begonnen Klassenarbeiten zu korrigieren, irgendwie musste er seine Freistunden schließlich sinnvoll nutzen. „Was wollen Sie?“, in seiner Stimme schwang ein deutlich genervter Unterton mit. Kein Wunder, schließlich wurde er täglich von diesem rothaarigen Etwas belagert und belästigt. Grell setzte sich neben ihn, sein Gesichtsausdruck war ernst. Was würde nun kommen? William war ein wenig überrascht, er hatte gedacht sein Kollege könnte nicht ernst sein. „Willst du ein Date mit mir? Ja oder nein?“ Der Angesprochene schaute sein Gegenüber überrascht an. Woher kam das denn auf einmal? Er rückte mit seiner typischen Geste seine Brille zurecht, dann blickte er seinen Kollegen mit kalten, grünen Augen an. „Nein. Haben Sie das bis jetzt immer noch nicht begriffen? Ich habe keinerlei Interesse an Ihnen! Sie sind einfach nur laut und anstrengend, wieso sollte ich mit jemandem wie Ihnen ausgehen?“ Seine Stimme war kühl. Als er den verletzten Ausdruck in Grells Augen sah, bereute er seine barschen Worte ein wenig. „Okay, ich habe es verstanden. Ich werde dich nicht weiter belästigen.“ William hatte mit vielem, von einem Heulkrampf bis Geschrei, gerechnet, doch sicherlich nicht mit wortloser Akzeptanz. Grell stand auf und ging zur Tür des Lehrerzimmers. Dort angekommen drehte er sich noch einmal um und sah William ausdruckslos an: „Wenn du so weiter machst wirst du von dem Eis in deiner Seele eine Erkältung bekommen.“ Mit diesen Worten verschwand er und ließ die Tür geräuschvoll ins Schloss fallen.

William saß sprachlos da. Eine Erkältung? Von dem Eis in seiner Seele? Was sollte das denn bedeuten? Zugegeben, es war nicht gerade nett was er zu Grell gesagt hatte, aber anders verstand dieser es doch auch nicht. Oder …? Eine leise Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass er es auch anders hätte sagen können. Unwirsch schob er diese Gedanken beiseite. Er würde nun nicht mehr belästigt werden von dieser rothaarigen Diva, das war es doch, was er wollte! Wieso hatte sich dann das Bild dieses verletzten Ausdrucks in Grells grünen Augen bei ihm eingebrannt? War er wirklich so kalt?
 

Als der Unterricht endlich vorbei war, ging Grell kurz ins Lehrerzimmer, schnappte sich seine Unterlagen und verschwand mit einem kurzen Gruß wieder. William war zu seinem Glück nicht anwesend gewesen. Eigentlich hatte er schon mit einer Abfuhr von dem anderen gerechnet, aber hatte er es wirklich so sagen müssen? [style type="italic"]Jemand wie er[/style]. Was sollte das heißen? Er war nun mal so wie er war, das hatte er sich nicht ausgesucht! Zumindest konnte er seine Hoffnungen jetzt endgültig begraben. Er lachte kurz zynisch auf.

Grell fuhr mit seinem roten Sportwagen nach Hause, um sich schnell umzuziehen. Er zog seine Schuluniform aus und hängte sie ordentlich auf. Auch wenn es ihm in diesem Moment egal war, aber am nächsten Tag würde er sich ärgern, wenn seine Kleidung zerknittert war. Dann öffnete er seinen großen Schrank, der hauptsächlich aus roter und schwarzer Kleidung bestand. Er liebte die Farbe Rot. Letztlich entschied er sich für eine schwarze Hose und einen roten Pulli mit V-Ausschnitt. Kurz ging er ins Bad, um seine langen, roten Haare noch einmal zu kämmen, dann ging er in den kleinen Flur seiner Wohnung, zog sich rote Boots und seinen roten Mantel an, schnappte sein Portemonnaie, seine Schlüssel und sein Smartphone und ging nach draußen. Da er in der Nähe der Innenstadt wohnte, musste Grell nur einige Minuten zu Fuß gehen, bis er die nächste Bar erreichte.

Zielstrebig ging er zum Tresen und setzte sich. Es waren nur ein paar Gäste da, die sich unterhielten. Aus Lautsprechern klang leise Musik, die so gar nicht zu Grells Stimmung passen wollte. „Was darf es sein?“, fragte der Mann hinter der Bar. „Whisky. Pur.“ Keine halbe Minute später stand ein Glas mit der goldbraunen Flüssigkeit vor ihm. Grell nahm es und leerte es in einem Zug. Geräuschvoll stellte er das Glas vor sich auf den Tresen. „Noch einen!“ Ein Kichern neben ihm ließ ihn zur Seite schauen. „Um diese Uhrzeit schon Alkohol?“ „Was geht Sie das an?“, fragte Grell wütend und leerte das nächste Glas in einem Zug. Neben ihm saß, in seinen Augen, ein verranzter, alter Kauz. Er trug schwarze Kleidung, einen langen schwarzen Mantel und hatte lange, grauweiße Haare. Sein Pony verdeckte die Hälfte seines Gesichts. Als Antwort bekam er ein Kichern. „Wenn Sie später so betrunken sind, dass Sie kaum noch laufen können, dann geht das meine Wenigkeit etwas an. Auch wenn sich meine Wenigkeit immer über neue Kunden freut, vor allem so hübsche, wäre es doch ein wenig schade. Sie sind noch so jung.“ Grell konnte mit dieser Antwort nichts anfangen und beschloss diesen Verrückten zu ignorieren.
 

Nach dem fünften Glas purem Whisky beschloss er, etwas langsamer zu machen. Grell legte keinen Wert darauf, sich zu übergeben und gegessen hatte er auch noch nichts. Der seltsame Kerl saß weiterhin neben ihm, hatte aber kein Wort mehr gesagt. Nachdem Grell noch drei weitere Gläser, diesmal langsam, geleert hatte, beschloss er, dass es reichte. Er zahlte und stand auf. Allerdings drehte sich die Bar plötzlich und er wäre gestürzt, hätten zwei Arme ihn nicht aufgefangen. „Immer langsam“, kicherte jemand. Ein Arm wurde um ihn gelegt und langsam wurde er aus der Bar bugsiert. Draußen angekommen atmete Grell erst einmal die frische Luft tief ein. Das tat gut und klärte seinen Geist wieder etwas. Er wollte nach Hause gehen, schwankte jedoch bei jedem Schritt. „Immer langsam, wo wohnst du denn?“ „Hm?“ Grell erkannte den seltsamen Kerl aus der Bar. Er wusste, er sollte Fremden nicht so einfach vertrauen, trotzdem murmelte er seine Adresse. Der andere legte wieder einen Arm um ihn und geleitete ihn durch die Stadt zu Grells Wohnung.
 

Es war Freitagnacht. Grell saß alleine in seinem Wohnzimmer und schaute gelangweilt einen Film, der gerade im Fernsehen lief. Er hatte sich die letzten Tage, nach der Abfuhr von William, krank gemeldet. Am nächsten Morgen, nach dem Besuch in der Bar, hatte er den Kater seines Lebens gehabt und die freundliche Sekretärin hatte ihm sofort geglaubt, dass er krank war. Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen gewesen und seinen Kopf hätte er am liebsten abgeschraubt, so sehr schmerzte er. Seine Erinnerungen an die vorangegangene Nacht waren nur verschwommen. Er erinnerte sich noch daran, sich in der Bar betrunken zu haben, und an diesen verrückten Alten. Danach nur noch kleine Ausschnitte mit großen Lücken dazwischen. Er wusste nicht einmal, wie er nach Hause und in sein Bett gekommen war. Seine Kleidung hatte er, bis auf die Schuhe, noch angehabt. Das Einzige, das sich klar in sein Gedächtnis gebrannt hatte, waren leuchtendgrüne Augen. Nur zu wem gehörten diese Augen? Grell war sich sicher, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Doch nicht zu diesem verranzten Alten? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Doch ein kleiner Teil in ihm wünschte sich, diesen Verrückten, dessen Namen er nicht einmal kannte, wiederzusehen. Er war trotz seiner seltsamen Erscheinung der erste Mann seit Langem gewesen, der ohne eine Gegenleistung zu wollen, nett zu ihm war. Grell vermutete, dass es der Alte war, der ihn nach Hause gebracht hatte.

Er seufzte leise. Was war nur los mit ihm? Immer, wenn er seine Augen schloss, sah er das Bild von Williams kaltem, abweisendem Blick. „Sie sind einfach nur laut und anstrengend, wieso sollte ich mit jemandem wie Ihnen ausgehen?“ Immer wieder hörte er diesen Satz in seinen Gedanken. Jemand wie er … War er denn wirklich so schlimm? Grell wusste, er war nicht so wie andere. Abgesehen von seinen leuchtend roten Haaren, mit denen er schon aus der Masse hervorstach, schminkte er sich gern und trug privat öfter mal feminine Kleidung. Aber das war doch nicht so schlimm. Oder? Er versuchte den dicken Kloß in seinem Hals und die aufsteigenden Tränen herunter zu schlucken. Er würde wegen diesem Arsch jetzt bestimmt nicht heulen! Allerdings wurden seine Kopfschmerzen dadurch nur noch schlimmer und so ließ Grell es zu. Er zog seine Beine nah an seinen Körper, umschlang sie mit seinen Armen und legte seine Stirn auf seine Knie. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch nach einer gefühlten Ewigkeit waren seine Tränen endlich versiegt. Vielleicht hatte er auch einfach keine Flüssigkeit mehr im Körper, um neue zu produzieren. Müde und erschöpft legte er sich auf die Seite, zog eines der vielen Kissen, die auf seiner roten Couch lagen, an seine Brust und schloss seine Augen.
 

Als er sie das nächste Mal öffnete, schaute er sich kurz verwirrt um. Er musste eingeschlafen sein. Sein Magen meldete sich mit einem lauten Grummeln. Ächzend stand Grell auf und schlurfte lustlos in seine kleine Küche. Als er seinen Kühlschrank öffnete, begrüßte ihn gähnende Leere. Er seufzte laut und tief. Das hieß wohl, er müsste nun auch noch einkaufen gehen. Wiederholt seufzend schlurfte er ins Bad. Ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, wusch er sein Gesicht, um die salzigen Spuren zu entfernen. Dann schaute er, aus reiner Gewohnheit, doch in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing, und erschrak. Leere, rotunterlaufene Augen blickten zurück. Seine Haut war blass und seine Haare stumpf. Er wandte sich von dem Spiegel ab und ging in den Flur. Es war ihm in diesem Moment herzlich egal, dass er mehr tot als lebendig aussah und dass er mit Jogginghose nach draußen gehen würde. Er zog sich seinen roten Mantel über, schlüpfte in schwarze Sneaker und setzte sich eine rote Strickmütze auf, die er sich tief ins Gesicht zog.
 

Am Supermarkt angekommen nahm Grell sich einen Korb und überlegte, was er nun überhaupt kaufen sollte. Er war froh, dass es diese 24 Stunden Supermärkte gab. Da es noch sehr früh am Morgen war, waren nur wenige Kunden da. Hungrig streifte er durch die unzähligen Gänge, ohne so recht zu wissen, was er eigentlich wollte. Wenn er nun schon hier war, würde er gleich für ein paar Tage einkaufen. Als er in den nächsten Gang einbog, blieb er erschrocken stehen. Das konnte doch nicht wahr sein! In einigen Metern Entfernung, mit dem Rücken zu ihm, stand William. Der letzte, den er nun sehen wollte. Grell machte auf dem Absatz kehrt und steuerte zügig den Ausgang an. Warum war William um so eine Uhrzeit hier? Konnte er nicht wo anders einkaufen gehen? In Gedanken versunken achtete Grell nicht so sehr auf den Weg, als er gegen etwas, oder eher jemanden, stieß und erschrocken ein paar Schritte zurück taumelte. Überrascht stammelte er eine Entschuldigung und wollte gerade weiter gehen, als ein Kichern ihn zurück hielt.

„Wer hat es denn so eilig, so früh am Morgen?“, kicherte eine bekannte Stimme. Grell schluckte. War das wirklich er? Überrascht hob er seinen Blick: „S-Sie?!“ Beinahe wäre ihm ‚der verranzte Alte‘ heraus gerutscht. Dieser kicherte. „Wieso sind Sie hier?“, fragte Grell. Der Angesprochene kicherte wieder: „Nun, ich möchte einkaufen.“ Grell ärgerte sich innerlich über sich selbst. Das war doch offensichtlich, was sollte man sonst in einem Supermarkt wollen? „Um die Uhrzeit?“, fragte er skeptisch. Welcher normale Mensch ging morgens um 5 Uhr einkaufen? Er war nur da, weil er eingeschlafen war und Hunger hatte. Und William … Er wurde von einem erneuten Kichern aus seinen Gedanken gerissen. „Ich habe viele Kunden bekommen, daher habe ich eine Nachtschicht eingelegt und möchte nun frühstücken.“ Grell hob verwundert eine Augenbraue. Was für einen Job der Alte wohl hatte? Und welche Kunden? Der andere kicherte wieder: „Möchtest du mir nicht Gesellschaft leisten beim Frühstück?“

In dem Moment tauchte William in Grells Blickfeld auf. Dieser erschrak und zuckte kaum merklich zusammen, dann stellte er seinen Korb an Ort und Stelle ab und rannte aus dem Supermarkt. Auf keinen Fall wollte er dem anderen begegnen! Draußen angekommen blieb Grell abrupt stehen. Unsicher biss er sich auf seine Unterlippe. Was sollte er nun tun? Er würde die Einladung wirklich gerne annehmen, aber er wollte auf keinen Fall William begegnen. Außerdem sah er schrecklich aus! Doch ehe Grell weiter darüber nachdenken konnte ertönte wieder ein bekanntes Kichern hinter ihm: „Ich gehe mal davon aus, dass du nicht vor mir weggelaufen bist. Meine Wohnung ist nicht weit von hier.“ Mit diesen Worten hakte er sich bei Grell unter und zog ihn einfach mit sich. Dieser war im ersten Moment viel zu perplex um zu reagieren.



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