In Zeiten des Krieges von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 32: Teil 2 – Kapitel 5 ------------------------------ Juli 1998 Die unterirdischen Kellergewölbe waren beinahe ebenso riesig wie das Anwesen der Lestranges. Tief unter dem Erdboden befanden sich zahlreiche Gänge und Räume. Die warmen Strahlen der Sommersonne vermochten es nicht bis hier unten durchzudringen. Es war kühl und feucht. Die Todesser hatten auch hierzu selbstverständlich Zugang. Die Lestranges stellten ihr gesamtes Anwesen zur Verfügung und der riesengroße Keller war wie geschaffen für die Gefangenen. Durch die dicken Steinmauern drangen immer wieder die dumpfen Schreie der Gepeinigten, bis man einen Schweigezauber über die Räume gesprochen hatte. Und so war es hier unten gespenstisch still.   Die Kerker wurden auch als Aufbewahrungsräume genutzt, zum Beispiel für Zaubertrankzutaten. Und genau die waren Dracos Ziel. Die Malfoys verfügten über einen eigenen Raum zum Tränkebrauen, doch die Zutaten waren äußerst bedürftig. Denn der einzige von ihnen, der im Kerker von Malfoy Manor tatsächlich Zaubertränke braute war Draco und er musste selbst für Nachschub sorgen. Mittlerweile war ihm das Baldriankraut ausgegangen und da die Läden in der Winkelgasse und Hogsmeade bereits geschlossen hatten wollte er sich an dem großzügigen Zutatenregal seiner Tante bedienen.   Mit einem geflüsterten „Lumos“ entzündete er die Deckenlampe. Die vielen Regale waren prall gefüllt mit Gläsern voller Zutaten, bei dem jeder Tränkemeister neidisch werden konnte. Baumschlangenhaut, Schlafbohnen und Giftpilze. Manche von den Zutaten konnte man nicht ohne Rezept der Heiler kaufen und Draco wusste, dass hier auch sehr viele andere Zutaten lagerten, die nicht frei verkäuflich waren. Seine Augen suchten die Regale ab. Das ein oder andere Etikett war mit der Zeit unleserlich geworden. Viele von ihnen steckten, seit Jahren unangetastet, unter einer dicken Staubschicht. Doch wo zur Hölle war das verfluchte Baldriankraut?!   Draco brauchte es für seine Schlaftränke. Schon seit einer Weile konnte er nicht mehr gut schlafen. Keine große Sache, hatte er am Anfang gedacht, doch mittlerweile spürte er, wie ausgezehrt er war. Sein Körper litt unter dem langanhaltenden Schlafmangel. Und nicht nur körperlich verspürte er Defizite, sondern mittlerweile auch psychisch. Nachts quälten ihn immer häufiger Alpträume, die ihn aus seinem Schlaf rissen. Nun gut, jeder wurde hin und wieder mal von Alpträumen geplagt, kein Grund zur Besorgnis – doch langsam hielt er es nicht mehr aus.   Angefangen hatte es mit der Muggelfamilie, die sie vor einigen Monaten umgebracht hatten. Immer und immer wieder sah er das kleine Mädchen vor sich, das durch seine Hand umgekommen war. Dazu kamen Träume von Hogwarts und seinen Mitschülern. Er sah sich selbst in seinen Träumen, wie er Erstklässler aus Slytherin umbrachte, wie er sie quälte und wie sie litten. Wahrscheinlich war sein Verstand noch dabei, die Geschehnisse zu verarbeiten. Er konnte es nicht leugnen, dass ihn die Vorfälle nach wie vor belasteten. Natürlich hatte er nie irgendwelche Erstklässler in Hogwarts umgebracht. Nein, er nicht, aber andere. Und irgendwie fühlte er sich dafür mitverantwortlich.   Letzte Nacht hatte er von Pansy geträumt. Er wusste, es tat ihm nicht gut, darüber zu grübeln, und doch musste er sich immer wieder die Fragen stellen: Wie war sie gestorben? Hatte sie sich gewehrt? Hatte sie vielleicht um Gnade gefleht? Hatte sie gelitten? Nachts träumte er von ihr und ihren leeren Augen, die ihn anblickten oder wie sie nach ihm rief, in den letzten Sekunden ihres Lebens. Bei der Erinnerung daran fuhr es ihm eiskalt den Rücken hinunter.   Er konnte es nicht mehr ertragen! Ein Hilfsmittel musste her und zwar schnell! Er wollte schlafen, einfach nur schlafen! Außerdem hatte er bald eine wichtige Mission und dafür musste er fit sein. Deshalb hatte Draco den längst verstaubten alten Kessel hervorgekramt und angefangen, die Zutaten für einen Schlaftrank zusammenzusuchen, bis er bemerkt hatte, dass das Baldriankraut fehlte – die wichtigste Zutat. Und da sie im Manor keins mehr hatten kam er nun hierher, um danach zu suchen.   Den Traumlosschlaf hatte er bisher zwar noch nicht gebraut, aber in einem seiner Bücher gab es dafür eine Anleitung. Sie klang ein wenig kompliziert, doch Draco beherrschte die Kunst des Tränkebrauens sehr gut. Im Unterricht war er immer einer der Besten gewesen. Es würde ihm mit Sicherheit gelingen.   Langsam wurde er ungeduldig. Er griff nach einem Glas, das aussah, als enthielte es Baldriankraut, doch bei näherem Hinsehen musste er erkennen, dass es nur Dianthuskraut war und er stellte murrend das Glas zurück ins Regal. Ein paar Gläser waren noch übrig und er besah sie sich alle, doch keins von ihnen enthielt die gewünschte Zutat.   „Darf man fragen wonach du suchst?“   Als er sich umdrehte war er nicht überrascht, dass er Snape im Türrahmen stehen sah, denn immerhin war sein ehemaliger Hauslehrer ebenfalls ein Tränkebrauer. Wenn er hier jemanden antreffen sollte, dann wohl am wahrscheinlichsten ihn.   Allerdings war Snape im Moment der Letzte, den er sehen wollte.   „Baldriankraut“, kam es schon beinahe widerwillig über seine Lippen. Snape schaute ihn einen Moment an, dann ging er einige Schritte, blieb vor einem Regal stehen und griff nach einem Glas. Wortlos reichte er es seinem ehemaligen Schüler. Draco verschwendete keinen Gedanken daran sich zu wundern, woher die Zutat auf einmal kam, denn schließlich hatte er alles bestimmt dreimal abgesucht. Doch das war ihm nun auch egal, jetzt hatte er endlich was er wollte und er konnte verschwinden. Er griff nach dem Glas und wollte sich an Snape vorbeidrängeln, doch der Tränkemeister ließ das Glas nicht los.   „Anscheinend kann hier jemand nicht gut schlafen“, schlussfolgerte er und seine dunklen Augen fixierten ihn. Statt zu antworten warf Draco ihm einen Blick zu, der besagte, dass ihn das einen Scheißdreck anginge.   „Was ist los, Draco?“, schnarrte seine ölige Stimme leise und kalt. „Woher kommt diese Spannung zwischen uns? Wir standen uns doch mal sehr nahe“, endete er mit einer beinahe väterlichen Vertrautheit, doch Draco wusste, dass es nur Fassade war. Snapes Augen schienen in seinen Kopf schauen zu wollen, doch Draco errichtete eine Mauer, die es Snape unmöglich machte in seine Gedanken eindringen zu können. Es stimmte, was er sagte. Draco hatte Snape früher verehrt und zu ihm aufgesehen. Ihm hatte er vieles zu verdanken, nicht nur die ausgezeichneten Noten sondern mit Sicherheit auch das ein oder andere gute Wort beim Dunklen Lord. Anders herum war es ähnlich gewesen. Draco war immer Snapes offenkundiger Lieblingsschüler gewesen.   Doch jetzt war alles anders.   Seitdem …   „Du vermisst wohl deine kleine Freundin“, raunte Snape, während etwas in seinen Augen aufblitzte. „Die arme Miss Parkinson. Wer hätte gedacht, dass sie sich als Verräterin entpuppen würde. Ich sicherlich nicht.“   Draco traute seinen Ohren kaum. Dass er es wagte Pansy ihm gegenüber zu erwähnen! Er presste die Lippen fest aufeinander, um nichts zu sagen, was er später bereuen würde – denn egal was er dagegen einbringen würde, es würde die Befehle ihres Meisters in Frage stellen. Doch seine Augen sprachen Bände.   „Du weißt, ich tat nur, was getan werden musste. Merke dir meine Worte, Draco. Verräter werden bestraft“, sagte Snape, der das Glas endlich losließ. Mit einem letzten süffisanten Blick wandte er sich um und verließ mit wehendem Umhang den Raum und Draco hätte schwören können, Snapes Lippen hätte sich zu einem gehässigen Grinsen verzogen, als er ging.   Draco kochte vor Wut. Und er schwor sich, eines Tages würde er Snape dafür büßen lassen …   ***   Sie starrte auf ihre Finger … an ihnen klebte Blut … es wurde immer mehr, lief durch ihre Finger und tropfte auf den Boden … dort sammelte sich die dunkelrote dicke Flüssigkeit und es floss in Rinnsälen über den Boden …   Ihre Augen folgten der Spur bis hin zu einer Gruppe Menschen … reglos lagen die Körper auf dem Boden … ihre Augen starrten leer in den Himmel … ein Rabe flog über sie hinweg, zog mehrere Kreise, landete dann auf einem der Körper … der spitze Schnabel pickte schnell und gezielt zu und riss der Frau eins ihrer Augen aus der Höhle … der Anblick war verstörend, ekelerregend, und doch konnte sie nicht wegschauen …   „Sieh genau hin, Ginervra …“   Ihre Füße bewegten sich gegen ihren Willen … langsam näherte sie sich den Leichen … sie ging durch das Blut, hinterließ blutige Fußspuren … Angst durchströmte sie … sie begann zu zittern … sie wollte das nicht sehen … nein …   Sobald sie das rote Haar sehen konnte wollte sie sich abwenden …   „Nein!“   Übelkeit stieg in ihr hoch … beängstigende Gewissheit …   Eine Hand packte ihren Kopf und drehte sie in die Richtung, zwang sie, auf ihre Familie hinabzublicken …   „Sieh sie dir an, die Blutsverräter!“   Ein schrilles Lachen erklang laut und verstörend …   „Da siehst du nun, was mit denen geschieht, die sich mir widersetzen …“   Tränen liefen über ihr Gesicht … Ihre Mutter … Ihr Vater … Ihre Brüder …   Flügel, sie hörte Flügel schlagen … das dumpfe Dröhnen drang an ihr Ohr … rhythmisch schlagend … es wurde immer lauter, kam immer näher …   Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, was da angeflogen kam …   Sie wollte weglaufen, doch er hielt sie fest … sie konnte sich nicht bewegen, war wie gelähmt, steif und starr … Wieso nur war er so stark? Wieso hatte er solch eine Macht über sie?   Dann kamen die Flammen … die tobenden alles verzehrenden Flammen umhüllten sie und sie wusste, dass sie lichterloh brannte, ihre Haut und ihre Haare schmolzen, doch sie spürte nichts …   Der Drache flog weiter und hüllte die Welt in Feuer … er brüllte und spie todbringende Flammen und sie wusste, dass ihm nichts und niemand standhalten konnte …   Plötzlich sackte sie zusammen, als wäre die Macht, die sie gefangen gehalten hatte mit einem Male verschwunden … sie fiel auf die Knie, fiel vornüber, kauerte sich zusammen … eine Hand griff grob in ihr Haar und zog ihren Kopf daran hoch … und sie starrte in rote Augen …   „Wieso kämpfst du immer noch gegen mich, Ginervra?“   Seine Stimme glich dem Zischen einer Schlange … die roten Augen fixierten sie, bohrten sich in ihre Seele …   „Du müsstest doch wissen, dass du keine Chance gegen mich hast …“   Er drückte ihr seinen Stab an die Kehle … sie war starr vor Angst … mit diesem Zauberstab hatte er schon unzählige Menschen getötet … an ihm klebte so viel Blut …   Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, einem eiskalten Lächeln, dass ihr einen Schauer über den Rücken fahren ließ …   Sein Gesicht kam ihr noch näher, beinahe so nah, dass sich ihre Nasenspitzen berührten … Er war der Mann, den sie am meisten hasste …   „Ich genieße es, dich leiden zu sehen … Ich spüre es, ich spüre, wie sehr du leidest …“   Er schloss die Augen …   „Soll ich dich von deinem elendigen Leid erlösen, Ginervra?“ … Sein Stab bohrte sich wieder fester in ihre Kehle …  „Du musst … mich nur … darum bitten …“   Sie fühlte sich schwach, so schwach, und sie wollte einfach nur nachgeben … sie wollte, das es aufhörte, dass sie nicht mehr litt, dass es endlich vorbei war …   Aber sie würde niemals aufgeben … niemals …   Mit einer schnellen Bewegung entwand sie ihm seinen Zauberstab … für eine Sekunde war sie sich des Sieges sicher … doch ehe sie die Waffe gegen seinen Besitzer einsetzen konnte griff eine Hand danach und entzog ihr den Stab … Sie sah Riddle an, doch er war es nicht gewesen … seine Hände waren leer…   Langsam drehte sie sich um, und sah Draco, der dicht hinter ihr stand … Hoffnung keimte in ihr auf …   Doch er blickte sie nur an …   … nahm den Zauberstab in beide Hände …   … und brach ihn entzwei …   ***   Charlie Weasley hatte noch nie zu den Personen gehört, die sich glücklich schätzen konnten, über einen festen Schlaf zu verfügen. Nehme man nur einmal seinen Bruder Bill – die Welt könnte draußen untergehen und er würde nichts davon mitbekommen. Oder aber Fred und George, bei denen man nicht genau sagen konnte, wer von beiden denn nun am lautesten schnarchte. Ihre Mutter konnte bei ihnen durchs Zimmer wuseln und putzen, während die Zwillinge seelenruhig weiter schlummerten. Charlie hingegen wurde bei jedem kleinsten Geräusch sofort wach. Einerseits beneidete er seine Brüder darum, dass sie so tief und fest schlafen konnten, andererseits fühlte er sich durch seinen leichten Schlaf deutlich sicherer, denn ein Zauberer musste immer auf der Hut sein. In seiner Zeit in Rumänien hatte er es gelernt. Die Drachen waren da noch sein geringstes Problem gewesen, denn es hatte andere Tierwesen gegeben, die ebenso gefährlich waren. Er erinnerte sich noch gut an die Nacht, als es dem Lethifold gelungen war in sein Zelt zu gelangen und Charlie rechtzeitig aufgewacht war, bevor das bedrohliche Tierwesen ihn umbringen konnte.   Und genau diesem leichten Schlaf hatte Charlie es zu verdanken, dass er auch jetzt wach wurde. Die Geräusche in seinem Schlafzimmer rissen ihn aus einem Traum. Als das ängstliche Wimmern an seine Ohren drang saß er kerzengerade im Bett. Seine Hand schnellte unter sein Kopfkissen und griff nach dem Zauberstab, während er sich rasch im Zimmer umschaute. Es war stockdunkel und doch erkannte er schemenhafte Umrisse. Im Bett neben ihm lag Ginny, die sich unruhig hin und her bewegte. „Lumos!“   Sobald das Licht das Zimmer erhellte erblickte er den Grund: eine kleine schwarze Kreatur saß auf ihrem Brustkorb. Ein Nachtmahr! Erschrocken blickte das Tierwesen ihn aus großen pupillenlosen Augen an, nicht viel größer als ein Gnom, mit spitzen Ohren und weit aufgerissenem Mund.   Charlie reagierte sofort. „Stupor!“ Der rote Lichtblitz traf den Nachtmahr und er flog gegen die gegenüberliegende Wand. Er machte einen klagenden schrillen Laut und huschte durch das Zimmer. Charlie  sprang aus dem Bett, stolperte dabei über etwas und hob erneut seinen Zauberstab, da war das Wesen aber auch schon durch das offene Fenster gehuscht und wieder verschwunden. So war es also – das Fenster! Ginny musste es die Nacht über offen gelassen haben, um kühle Luft hineinzulassen und hatte dann vergessen es zu schließen. Über Nachtmahre hatte Charlie schon einiges gehört, aber es war das erste mal, dass er tatsächlich einen zu Gesicht bekommen hatte. Diese düsteren und tückischen Tierwesen schlichen sich nachts zum Schlafenden, kauerten über ihm und ließen ihn Alpträume durchleben.   In dem Moment, als der Nachtmahr von ihr verschwand, wachte Ginny auf. Sie saß aufrecht im Bett und starrte Charlie schockiert an. Das Gesicht seiner Schwester wurde nur vom Zauberstablicht erleuchtet. Sie war so blass, dass sie aussah, wie ein Gespenst, mit großen weit aufgerissenen Augen.   „Was ist passiert?“   Ihre Finger wanderten zu ihrem Gesicht. Ihre Wangen waren tränennass. Hatte sie etwa geweint? Immer noch spürte sie die panische Angst, die sie im Traum empfunden hatte. Sie fühlte sich gehetzt, gejagt, verängstigt. Wie ein in die Enge getriebenes Reh sah sie sich im Zimmer um, auf der Suche nach einer möglichen Gefahr.   Charlie entzündete die Deckenlampe, sodass er das Licht seines Zauberstabs löschen konnte, und setzte sich zu ihr aufs Bett. Sanft legte er seine Hand auf ihre. „Du hattest einen Alptraum“, erklärte er. „Ein Nachtmahr ist durch das Fenster gekommen und ließ dich schlecht träumen. Aber jetzt ist er fort.“ Beruhigend streichelte er über ihre Finger, versuchte somit ein wenig Trost zu spenden. Seine kleine Schwester so verängstigt zu sehen rührte etwas in ihm. Schon früher, als sie noch Kinder gewesen waren, hatte er sie immer beschützen wollen.   Ihr Blick wanderte zum Fenster.   „Das schließen wir jetzt lieber. Nicht, dass er zurückkommt“, sagte Charlie und als er seinen Zauberstab schwang glitt das Fenster zu. „Möchtest du erzählen, wovon du geträumt hast?“   Aber Ginny schien seine Frage nicht gehört zu haben. Angestrengt starrte sie aus dem Fenster. „Wie konnte das passieren?“, fragte sie mehr sich selbst. Dann entzog sich ihm ihre Hand. Sie schlug die Decke beiseite. Da es im Sommer auch trotz der Kühlzauber im Zimmer sehr warm war trug sie nur ein Top und Shorts und bei ihrem Anblick musste er sich wieder einmal eingestehen, dass aus dem kleinen frechen Mädchen eine junge hübsche Frau geworden war. Doch was Charlie verwunderte war, dass sie trotzdem einen Gürtel trug und daran hing der Drachenlederbeutel, den er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Im ersten Moment war er verwirrt, da es ziemlich ungewöhnlich war, so zu schlafen. Das war doch sicherlich sehr unbequem. Oder sollte er lieber geschmeichelt sein, dass sie sein Geschenk sogar nachts mit ins Bett nahm?     Sie schaute in den Beutel und machte einen erschrockenen Laut. „Er ist weg!“, hauchte sie fassungslos. Was auch immer seine Schwester zu suchen schien, es musste sehr wichtig sein, denn sie begann hektisch in ihrem Bett zu wühlen und suchte mehrmals unter dem Kissen und der Bettdecke. Dabei murmelte sie immer wieder „oh nein, oh nein, oh nein“.   „Was suchst du?“, versuchte Charlie ihr irgendwie zu helfen, da er sich im Moment recht nutzlos vorkam. „Suchst du deinen Zauberstab? Ich glaube der liegt–“   In dem Moment sprang Ginny aus dem Bett und sie bückte sich nach etwas, das auf dem Boden lag. Jetzt sah er es auch. Es lag genau zwischen ihren beiden Betten. Klein und leicht zu übersehen. Bei dem Anblick erinnerte er sich an den kurzen Schmerz an seinem rechten Fuß. Das musste das Ding sein, über das er eben noch gestolpert war.   Ginny hielt es in beiden Händen und drückte es an ihre Brust. Erleichtert atmete sie aus. Während sie langsam zurück zu ihrem Bett ging, schaute Charlie sie prüfend an. Dieses Ding … er hatte es nur flüchtig gesehen. Er hatte es nicht genau erkennen können, aber irgendwie kam es ihm bekannt vor.   „Ginny, was hast du da?“   Als sie ihm den Stein auf der offenen Handfläche hinhielt lächelte sie leicht. „Er muss mir in der Nacht aus dem Beutel gefallen sein“, sagte sie ruhig. Ihre braunen Augen musterten das Objekt und betrachteten es beinahe liebevoll. „Es ist ein Schutzstein.“   Charlie beäugte den blauen Stein mit hochgezogenen Augenbrauen. Er wusste genau, er hatte solch einen Stein schon einmal gesehen.   „Allerdings“, entgegnete er. Seine Stimme war überrascht und beeindruckt zugleich. „Und zwar der mächtigste Schutzstein, den es auf dieser Welt gibt.“   Langsam hob sie ihren Blick, sah ihn aus unschuldigen braunen Augen an.   „Ginny, wie zum Teufel bist du an den Mondstein gekommen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)