Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [29.07.2011 – D23 – Angebote] ----------------------------- Ihre Laune verbesserte sich nach dieser Nacht zumindest etwas. Es war nur Sex, erinnerte sie sich. Sie hatte mit vielen anderen Männern vor Heidenstein geschlafen und sie konnte mit vielen weiteren schlafen. Es war schlecht gelaufen, dass sie mit ihm – jemand, den sie kannte, den sie respektierte – im Bett gelandet war, doch daran konnte sie nichts mehr tun. Sie musste damit leben und je eher sie dazu überging, normal mit ihm zu verkehren, desto eher könnte sie diesen Vorfall vergessen. So saß sie nun in einer gemieteten Garage am Rand der kleinen Stadt. Auch wenn niemand etwas gesagt hatte, so fiel der Van vor dem Hotel auf und sie bevorzugte es ihren normalen Wagen oder – wenn sie einmal dazu kam – ihr Motorrad zu fahren. Dieses fiel auch auf, ja, doch war es wenigstens nicht von endlos vielen Dellen überzogen. Selbst ihr Wagen hatte Türen, die sich problemlos öffnen ließen und roch nicht, als hätte man eine Sammlung Eier über den ganzen Sommer stehen lassen. Doch genau an diesen Problemen arbeitete sie gerade. Wo sie schon hier waren konnten sie die Zeit auch nutzen. Der Wagen hatte eine Generalüberholung ohnehin nötig. Es gab ihr zu tun, brachte sie auf andere Gedanken – oder hätte dies zumindest getan, hätte jemand Gewisses nicht drauf bestanden ihr zu helfen. Nichts desto trotz: Sie wollte sich ablenken, also lenkte sie sich ab. Ein paar Anrufe hatten gereicht, um neue Türen zu besorgen und Ersatzteile für die Heckstange. Sicher, sie hätte alles reparieren lassen können, doch wenn sie es selbst tat, kam es sie billiger. Im Moment war sie damit beschäftigt, die erste Tür aus ihren Scharnieren zu hebeln, nachdem sie sämtliche Sicherungen gelöst hatte. Heidenstein nahm die Tür an, brachte sie in die Ecke, während sie sich an die Sicherungen der zweiten Tür machte. Eine seltsame Stille herrschte und als sie aufsah, brauchte er einen Moment zu lang, um den Blick von ihr abzuwenden. Wie immer beim Arbeiten, hatte sie einen Blaumann über Tanktop und Jeans gezogen, während Heidenstein einfache, abgetragene Sachen trug. Erst jetzt schaffte er es, wenngleich wenig überzeugend, die Garagenecke zu fixieren. „Was?“, fragte sie gereizt. Aktuell reagierte sie zu empfindlich auf diese Dinge. Lange Blicke, Seufzen … Sie kam nicht umher all diese Gesten im neuen Kontext zu interpretieren. Vielleicht tat sie ihm damit Unrecht, doch sie konnte nicht anders. „Nichts“, erwiderte er. Sie brummte missmutig, machte sich wieder an die Arbeit. „Jetzt sag schon? Was ist?“ „Ich habe nur worüber nachgedacht.“ Oh, bitte nicht darüber. „Nicht das, was du denkst“, sagte er schnell. Aha. Sie hob eine Augenbraue, warf ihm einen kurzen Blick zu. „Ich hatte dich eigentlich worauf ansprechen wollen. Seit ein paar Wochen schon.“ Er seufzte. „Es ist nur denke ich nicht, der richtige Zeitpunkt.“ Wieso hatte sie bloß das Gefühl, dass ihre Antwort „Nein“ wäre? Wieder brummte sie. Jetzt kommunizierte sie wie Crash. Stille senkte sich über sie, während sie die zweite Tür abmontierte. Es war schnell getane Arbeit. Als sie ihm die Tür übergab und seinen Blick bemerkte, stöhnte sie genervt. „Was ist denn?“ Er seufzte, stellte die Tür weg und setzte sich auf die nun offene Ladefläche des Transporters. „Okay. Ich hatte über etwas nachgedacht, bevor Spider und diese ganze Sache passiert ist.“ „Okay“, erwiderte sie. Was sollte sie sonst sagen? Sie lehnte sich gegen die Seite der Öffnung, verschränkte die Arme. „Ich habe zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass ich mit dir hierherfahre, noch dass …“ Er räusperte sich nervös, schürzte die Lippen. „Okay.“ Dieses Mal legte sie Nachdruck in ihre Stimme, drehte ihren Kopf, um ihn anzusehen. Warum kam er nicht zum Punkt? Ein weiteres Räuspern. „Du weißt noch, wie wir darüber gesprochen haben, was du machen willst, wenn du aus der Söldnerei-Sache raus bist?“ „Du weißt noch, wie ich gesagt habe, dass ich nicht plane, in naher Zukunft damit aufzuhören?“ Er nickte. „Ja. Deswegen. Ich habe darüber nachgedacht und wollte dir ein Angebot machen.“ Sie schloss die Augen. Was sollte sie dazu sagen? Worauf wollte er überhaupt hinaus? Sie ahnte worauf, doch ganz konnte sie es nicht glauben. Was wusste er denn über sie? Das durfte nicht sein Ernst sein! Als sie nichts erwiderte, räusperte er sich noch einmal. „Jetzt, wo ich wieder etwas Betrieb im Krankenhaus habe – und etwas Equipment – brauche ich etwas Security. Wir hatten in der Vergangenheit Diebstähle und ich muss damit rechnen, dass es auch in Zukunft welche gibt. Du weißt. Es ist nicht die beste Gegend und auch wenn ich mir sicher bin, dass viele die Arbeit respektieren werden …“ Was für ein Idealist! „Na ja, auch damit. Ich brauche Security und ich kann nicht immer Victors Leute anheuern.“ „Also willst du mich fragen, ob ich als Security für dich, also Joachim Anderson arbeite“, schloss sie. Er nickte stumm, sah sie an. Als sie schwieg ergänzte er: „Ich hatte überlegt, dich als CSO einzustellen.“ Chief Security Officer. Ernsthaft? Sie konnte es nicht glauben. „Ernsthaft?“ Sie sprach den Gedanken aus. Er schwieg. „Du kennst mich kaum“, erwiderte sie. „Du weißt nicht, ob ich irgendeine Art von formeller Ausbildung erhalten habe. Du weißt nicht, was ich in meinem Leben vorher gemacht habe. Und dann willst du mir so viel Verantwortung geben?“ „Ja.“ Er sah sie an. Was für ein Idiot! „Woher weißt du, dass ich dich nicht hintergehe?“ Er wandte den Blick nicht ab, schürzte wieder die Lippen. „Ich vertraue dir.“ Fuck. Warum war er so ein Idiot? Warum musste er so einen albernen Kram von sich geben? Es war absolut lächerlich! „Du kennst mich nicht“, beharrte sie. „Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du eine aufrichtige Person bist.“ „Du weißt nicht, wer ich wirklich bin“, antwortete sie. Es stimmte. Sie war Pakhet, aber von ihrer Vergangenheit, von Joanne Snyder wusste er nichts. „Vielleicht habe ich dich die ganze Zeit angelogen.“ „Wenn du das getan hättest, würdest du es nicht so sagen.“ Ein mattes Lächeln umspielte seine Lippen. Er sah sie an. „Du musst nicht zustimmen, aber ich dachte …“ Er räusperte sich wieder, fuhr sich mit der Zunge kurz über die Lippe. „Ich dachte, ich biete dir eine Option.“ Idiot. Verfickter Idiot! Sie unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. Was sollte sie darauf sagen? Was konnte sie darauf sagen? Was wollte sie sagen? Wollte sie eine Option? Wollte sie mit ihrem Job aufhören? Sie müsste ihre alte Identität nicht wieder annehmen. Sie müsste ihre Vergangenheit nicht konfrontieren. Solange sie von den USA fernblieb, konnte sie ein anderes Leben haben. Vielleicht. Doch wollte sie es? Sie war sich nicht sicher. Sie wusste es wirklich nicht. Natürlich gab es einen Teil von ihr, der überlegt hatte, einmal einen anderen Job zu machen. Es wäre nicht einmal unsinnig einen Zweitjob als Security zu haben. Immerhin war sie aktuell, zumindest auf dem Papier, auch als Security Spezialistin tätig. „Söldnerarbeit“ machte sich auf Steuerabrechnungen schlecht. Nicht, dass sie besonders viele Steuerabbrechnungen schrieb. Doch es ging ums Prinzip: Wann auch immer sie ihre Arbeit ausweisen musste, war sie offiziell als Security-Spezialistin tätig. Eine fortführende Tätigkeit als CSO wäre nicht unrealistisch – rein von ihrem falschen Lebenslauf aus betrachtet. Sie seufzte. „Wäre es nicht sinnvoller für dich, mich als Sicherheitsberaterin einzustellen?“, murmelte sie, ohne ganz zu wissen, warum sie es überhaupt aussprach. „Das kann ich von mir aus auch machen“, erwiderte er. „Wenn dir das lieber ist.“ Er verfiel in eine kurze Pause. „Ist dir das lieber?“ Eigentlich sollte sie wütender sein, dass er sich in diese Dinge einmischte. Wieso war sie es nicht? Wieder seufzte sie. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie dann. „Vielleicht.“ Sie sah ihn an. „Ich denke darüber nach, okay?“ Er lächelte. „Okay. Danke.“ Pakhet grummelte. Sie hasste es. Warum war er so freundlich? „Keine Erwähnung wert.“ Heidensteins Lächeln wurde kurz zu einem Grinsen. Er verstand was sie sagen wollte, fand ihre Art offenbar amüsant. Dann schürzte er wieder die Lippen, holte kurz sein Handy heraus. Wahrscheinlich wollte er sich etwas geben, auf das er seine Aufmerksamkeit fixieren konnte, um sie nicht weiter anzustarren. Stille. Peinliche, leicht gedrückte Stille senkte sich über sie. Pakhet stieß sich von dem Wagen ab, stampfte zu den noch in Schutzfolie verpackten Türen, hob die erste an, um sie zum Wagen zu bringen und einzuhängen. Was würde sie überhaupt mit dem Van machen, der als Chaosmobil eingesetzt worden war? Wollten Spider, Mik und Agent ihn haben? Sie glaubte nicht, dass Agent noch einmal mit den anderen beiden arbeiten würde. Darüber konnte sie sich später Gedanken machen, schloss sie, wenn sie in Kapstadt zurück und sie beide, auch Heidenstein, sicher vor der Muti-Hexe waren. Sie legte die Tür neben Heidenstein ab, woraufhin er das Handy wegsteckte, sich neben sie stellte. Er schien helfen zu wollen, wirkte aber unsicher. „Was kann ich tun?“ „Du könntest die Sicherheitsschrauben anziehen, wenn die Tür in den Angeln hängt“, erwiderte sie. Immerhin hatte er zwei geschickte Hände – anders als sie. „Klar.“ Er ging zum Werkzeugkoffer, den sie aus ihrem Auto hatten, holte etwas heraus. Sie hievte die Tür an, schaffte es, nachdem er sie annahm und leitete, die Tür in die Scharniere zu hängen, woraufhin er begann, die Schrauben anzuziehen. Damit fertig öffnete und schloss er die Tür, nickte zufrieden. Dasselbe wiederholte sie, ohne große Worte, mit der zweiten Tür. Dankbarerweise waren moderne Wagen auf eine Art gebaut, dass solche Reparaturen leicht zu bewältigen waren. Als sie fertig waren, holte Heidenstein tief Luft. Wieder schlenderte er in die Ecke zurück, in der seine Wasserflasche stand, wandte sich mit dieser in der Hand um und musterte Pakhet. Wieder räusperte er sich. „Was?“, fragte sie und setzte ihre eigene Flasche ab. „Ich hatte dich eigentlich, zusammen mit dem Jobangebot, noch was anderes fragen wollen“, murmelte er. Dieses Mal wich er ihrem Blick aus. „Ja?“ „Ja.“ Er schürzte die Lippen. „Es ist nur eine dumme Idee, weißt du?“ „Erzähl.“ Wollte sie es wirklich hören? Wahrscheinlich nicht. Dennoch wartete sie, die Arme wieder verschränkt, wenn auch noch immer mit der Flasche in ihrer Rechten. Er musterte sie. „Ich möchte noch einmal betonen, dass ich dich das vorher hatte fragen wollen. Also bevor wir …“ „Ich verstehe schon“, sagte sie hart. Nein, sie wollte, was jetzt kam, wirklich nicht hören. Heidenstein holte tief Luft, sah sie an. „Du warst in der letzten Zeit oft da. Also im Krankenhaus. Ich meine, vor der ganzen Aktion mit der Ölbohrinsel hast du häufiger bei mir geschlafen, als …“ „Was willst du sagen?“ Eigentlich wusste sie genau was. Natürlich hatte er Recht mit seiner Feststellung: Sie hatte zu viel Zeit bei ihm verbracht. Viel zu viel. „Ich wollte dich fragen, ob du nicht dauerhaft einziehen willst“, erwiderte er. Dabei sprach er schnell, als würde er sich bereits für die unausweichliche Reaktion gefasst machen. „Als WG“, fügte er schnell hinzu. „Rein platonische WG.“ Sie starrte ihn an. Sie hatte gewusst, dass das kommen würde, doch nun, da er es ausgesprochen hatte, fehlten ihr dennoch die Worte. Verdammter Idiot! „Das kann nicht dein Ernst sein?“, brachte sie schließlich hervor. „Ich fürchte schon, ja“, antwortete er. „Ich fürchte, es ist mein Ernst.“ Er versuchte ein Lächeln, das nicht ganz gelangt. „Ich bin halt so ein Idiot.“ War das ernst gemeint oder wollte er einnehmend wirken? Sie sah ihn an. „Du hast ein beschissenes Timing“, stellte sie fest. Wieder fehlte die Wut – doch Frustration blieb dennoch. Heidenstein lachte leise. „Ich weiß.“ Für einen Moment überlegte sie, etwas zu sagen, wandte sich dann aber ab. Sie ging zum Wagen, begann die Schutzfolie von den neuen Türen zu ziehen, während sie darüber grübelte. Eigentlich sollte es keine Frage zum Überlegen sein. Sie lebte aktuell zentral, in einer sicheren Gegend. Sie hatte ein schönes, wenngleich sehr leeres Haus. Ja, es war gemietet, doch was störte es sie? Er lebte dagegen in einer improvisierten Wohnung über einem Krankenhaus in den Flats. Es sollte keine Frage sein. Warum dachte sie jetzt darüber nach? Sie ärgerte sich über sich selbst. Kein Wunder, dass sie Idioten magisch anzuziehen schien. Sie war selbst einer. „Ich kann dir keine Antwort geben“, antwortete sie schließlich. Überrascht sah er sie an. „Das heißt, du denkst darüber nach?“ Offenbar. Sie seufzte. „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)