Traum, Albtraum oder Realität? von Vegetasan ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Irgendwann konnte ich es nicht mehr verhindern und machte meine Augen auf. Die Umgebung hatte erneut sich geändert. Ich lag nicht mehr in dem kalten Wald, es war warm und ich war in eine Decke gehüllt. Müde seufzte ich und kuschelte mich weiter in das Kissen. Das Bett war so einladend und ich so müde, ich wollte einfach nur noch weiter schlafen, ohne irgendwelche Albträume. Doch der Gedanke an die Albträume ließ mich nun gänzlich wach werden. Müde rieb ich mir die Augen und setzte mich langsam auf, wo war ich eigentlich? Ich hörte den Lärm aus dem Hafen, also war ich nicht auf Corvo Bianco und in Regis Gruft hatte ich auch kein Bett gesehen. Aber da würde man auch nicht den Lärm vom Hafen hören. Ich schaute mich im Zimmer um und blickte erstaunt auf den Blumenstrauß, der auf einer Kommode lag. Mein Blick huschte an die Wand, tatsächlich, dort war das Porträt von Syanna. Ich runzelte die Stirn, wie war ich denn hier gelandet? Wie kam ich ausgerechnet in das Bett von Dettlaff? Ich setzte mich an die Bettkante, meine Stiefel standen ordentlich am Fußende, doch meine Rüstung, mein Gürtel mit den Taschen und auch meine Schwerter entdeckte ich nirgends. Ich schlüpfte in meine Stiefel und ließ mein Blick noch einmal durchs Zimmer wandern. Ich ging zu dem Regal hinüber, dort waren einige Spielsachen aufgereiht. Puppen und kleine Figuren aus Holz. Alle liebevoll bemalt. Ich hatte gerade eine kleine Hundefigur zurückgestellt, als ich von unten etwas hörte. Dort war jemand. Ich versuchte, genauer hinzuhören. Dort unterhielten sich zwei Personen. Leise ging ich zur Treppe, um vielleicht zuhören, über was gesprochen wurde. „Dettlaff nein, wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht genau weiß, was passiert ist. Ich hatte auf einmal keine Kontrolle über meinen Körper“, drang die Stimme von Regis zu mir rauf. Ich schluckte, Regis war dort unten und Dettlaff. „Aber ich habe gesehen, wie du diesen Hexer umbringen wolltest, warum hast du mich im Lagerhaus aufgehalten!“, entgegnete Dettlaff. „Dettlaff bitte, versteh doch. Ich wollte ihn nicht töten. Etwas Fremdes hat meinen Körper kontrolliert. Geralt ist doch mein Freund!“, verteidigte sich der andere Vampir. „Du hättest in Nazair bleiben sollen, dich weiter regenerieren!“, konnte ich Dettlaff hören. Ich hatte die letzte Stufe erreicht, konnte die beiden aber nicht entdecken, sie mussten also hinter einem der Regale sein. Regis seufzte, „Und dich mit deinen Problemen hier alleine lassen?“ Langsam schritt ich näher. Ich hatte das Ende des Regals beinahe erreicht, ich war so darauf konzentriert, dass die beiden mich nicht sofort sehen würden, dass ich zunächst nicht bemerkte, dass ich gegen eine Vase stieß. Zu meinem Leidwesen fiel sie von ihrem Sockel und ich schaffte es nicht mehr rechtzeitig, nach ihr zu greifen. Sie zersprang in viele Scherben, als sie auf dem Boden aufschlug. Ich kniete mich hin, um die Scherben aufzusammeln, aber natürlich hatten die Vampire es bereits mitbekommen. Schneller als vermutet standen sie bei mir, „Tut mir leid, ich wollte nichts kaputt machen!“, entschuldigte ich mich schnell. „Du bist wach!“, Regis klang erleichtert, vorsichtig blickte ich zu ihm hoch. Seine Augen waren definitiv wieder normal, dann wanderte mein Blick zu Dettlaff, der mich mehr als misstrauisch anschaute. Ich entdeckte allerdings auch noch etwas anderes. Hinter den Vampiren lagen meine Sachen auf einem Tisch. Mein Blick huschte immer wieder zwischen ihnen und den Vampiren hin und her. „Warum bist du herunter gekommen?“, wollte der dunkelhaarige Vampir wissen. Ich schluckte und setzte mich auf meine Fersen zurück. „Ich habe euch reden gehört“, gab ich zu. „Und da hast du beschlossen, dich anzuschleichen und zu lauschen?“, warf mir Dettlaff vor. Ich schüttelte den Kopf, „Nein, nicht wirklich. Ich wollte nur heraus finden wie und warum ich hier bin“, erwiderte ich. „Nicht, wo du bist?“, Regis war erstaunt. „Sie ist nicht das erste Mal hier“, knurrte Dettlaff. Bei dem Blick von Regis musste ich erneut schlucken. „Darüber sollten wir uns vielleicht später unterhalten“, schlug der ältere vor. Zögerlich nickte ich, aber ich konnte mich nur sehr schwer davon abhalten, meinen Blick immer wieder zu meinen Schwertern gleiten zu lassen. Aber selbst wenn ich sie hätte, es würde mir im Notfall nicht helfen. „Jetzt wo du wach bist, solltest du gehen, ich will nicht, dass der Hexer hier her kommt, weil er nach dir sucht!“, forderte Dettlaff auf einmal. „Dettlaff beruhig dich. Geralt weiß nicht, wo wir sind. Wir können ihr vertrauen“, sprach Regis auf seinen Blutsbruder ein. Schnell nickte ich, „Ich habe niemanden von hier erzählt“, bestätigte ich. „Siehst du. Sie hat Geralt sogar dafür gerügt, dass er die Bruxa getötet hat“, fügte Regis hinzu. Wieder nickte ich. „In Ordnung, aber kein Herumgeschnüffel!“, forderte Dettlaff. „Wir sollten uns vielleicht setzen“, versuchte Regis die Situation weiter zu entschärfen. Langsam stand ich von meiner knienden Position auf, wobei ich mich ein wenig an dem Regal festhalten musste. Ich blickte mich noch einmal in dem Laden um, „Wo ist Shady?“, fragte ich leise. „Auf dem Friedhof, er wollte uns nicht an dich heranlassen“, entgegnete Regis. Erschrocken sah ich ihn an. „Keine Sorge, Dettlaff hat ihn einschlafen lassen, ihm ist nichts weiter passiert“, fügte er noch schnell hinzu. „Ich muss zu ihm, er wird sich sicherlich sorgen machen und Geralt bestimmt auch“, entgegnete ich. Aber Regis schüttelte den Kopf, „Nein, solange wir nicht wissen, was genau passiert ist, möchte ich nicht, dass du dich in die Nähe von Geralt begibst. Er ist dort irgendwo im Wald“, lehnte der Vampir ab. „Aber ...“, wollte ich widersprechen. „Nein, kein aber. Dein Wolf kann auf sich alleine aufpassen. Aber ich kann später nach ihm sehen“, bot er an. Ich nickte und ließ mich von ihnen wieder nach oben führen, weil es unten in der Werkstatt nicht genug Sitzmöglichkeiten für uns alle gab. Dettlaff setzte sich ans Fußende des Bettes und Regis belegte den Stuhl, blieb mir also nur noch das Kopfende oder der Fußboden. Ich nahm das Kissen beiseite, schlüpfte aus meinen Stiefeln und zog mich ans letzte Ende des Bettes zurück, mit dem Rücken zur Wand. Auch wenn ich wusste, dass mir nichts passieren würde, fühlte ich mich noch nicht sonderlich wohl zwischen den Vampiren. Nicht nachdem was mit Regis passiert war. Unsicher blickte ich von einem zum anderen. „Was war das auf dem Friedhof?“, fragte ich nach einer Weile. Regis seufzte, „Ich weiß nicht genau. In dem Moment, wo Geralt mir den Rücken zu drehte, um dich etwas zu fragen, schien etwas Besitz über meinen Körper genommen zu haben. Ich hatte keine Kontrolle mehr und musste mit ansehen, wie mein Körper Geralt beinahe umbrachte.“ Er rieb sich durchs Gesicht. Ich zog meine Knie an und stützte mein Kinn darauf, es war alles andere als angenehm, das gesehen zu haben. „Was ist mit Geralt? Warum suchen wir nicht nach ihm, er ist verletzt und braucht vielleicht Hilfe?“, wollte ich wissen. Regis schüttelte den Kopf, „Als ich ihn endlich loslassen konnte, verschwand er im Wald und du lagst dort bewusstlos am Boden. Dettlaff hat uns gefunden und hier her gebracht“, erklärte er. „Weißt du, was es gewesen sein könnte? Ein Geist oder ein Zauber? Oder etwas völlig anderes?“, fragte ich hilflos. Regis schüttelte wieder den Kopf, „Nein, ich habe noch nie von so einem Fall gehört, aber ich bin noch lange nicht im Vollbesitz meiner Kräfte, es könnte also sehr wohl ein Zauber gewesen sein. Ich habe in meiner Krypta einige Bücher, in denen ich vielleicht etwas dazu finden könnte“, erwiderte er. „Könntest du ... könntest du dann auch nach Shady sehen? Und ihm vielleicht etwas zu fressen hinlegen? Er liebt karamellisiertes Kaninchen. In meiner Gürteltasche ist ein Säckchen mit Münzen“, bat ich ihn. Der Vampir nickte, „Ja das mache ich, wenn er es zulässt, bringe ich ihn mit her, um die Pferde mache ich mir keine Gedanken, Plötze ist es gewohnt, einige Zeitlang auf Geralt zu warten“, bejahte er. „Ich hoffe, ich finde euch beide bei meiner Rückkehr hier wieder an“, forderte er noch, ehe er seine Tasche richtete und dann aus dem Fenster nebelte. Dettlaff und ich saßen eine ganze Weile schweigend so da, immer mal wieder blickte ich zu ihm, doch er gab keinerlei Regung von sich. „Danke Dettlaff“, brach ich irgendwann die Stille. Überrascht sah er mich an. „Danke das du mich hergebracht hast, als ich hilflos war und das du versucht hast, Shady zu beruhigen“, erörterte ich genauer. „Es schien Regis wichtig zu sein“, murmelte er nur. „Trotzdem danke“, wiederholte ich. Er nickte nur kurz, ohne mich anzusehen, und wir verfielen wieder in Stille. „Ich möchte dir ungern zur Last fallen, aber könnte ich dich um etwas bitten Dettlaff?“, fragte ich ihn nach einer weiteren Weile. Stirnrunzelnd sah er mich an. Ich wurde ein wenig rot, „Hättest du vielleicht einen kleinen Happen zu essen für mich und etwas zu trinken?“, fragte ich ihn dann doch. Er nickte, „Äh ja, Regis hat vorhin etwas besorgt, als du noch geschlafen hast. Er hat vermutet, dass du vielleicht hungrig werden könntest“, nickte er und stand eilig auf. Sein Mantel rauschte hinter ihm her, als er die Treppe hinunter ging. Es verging nicht viel Zeit und ich hörte, wie er unten etwas werkelte. Ich wagte es nicht, das Bett zu verlassen und mir die Dinge in den Regalen weiter anzuschauen, schließlich waren seine Worte vorhin eindeutig. Er mochte es nicht, wenn jemand an seine Sachen ging. Unten wurde es still und dann hörte ich, wie er die Treppe wieder hinauf kam. Er hatte einen Holzteller und eine Flasche in der Hand. Er hielt mir beides hin, ehe er sich auf den Stuhl setzte. Mit einem leisen, „Danke“, nahm ich es entgegen. Auf dem Teller waren einige Stücke Brot und etwas Käse, in der Flasche wässriger Wein. Ich bemühte mich, beim essen keine Krümel im Bett zu verteilen und nicht mit dem Getränk zu kleckern. Schließlich wusste ich nicht, ob Dettlaff in dem Bett schlief oder ob es noch von dem Vorbesitzer des Ladens hier stand. Nachdem ich meinen Hunger gestillt hatte, stellte ich den Teller auf den Boden und setzte mich wieder bequem hin. Die Stille war leicht bedrückend, aber ich wusste einfach nicht, wie ich sie brechen sollte, dabei wollte ich doch gestern erst noch so dringend mit ihm reden, jetzt aber fielen mir keine Worte ein. „Ich möchte dich von nichts abhalten, wenn du etwas anderes zu tun hast, musst du nicht die ganze Zeit hier mit mir sitzen“, schlug nach einiger Zeit vor. Dettlaff sah zu mir rüber und schüttelte den Kopf, „So etwas seht ihr Menschen doch als unhöflich an, oder nicht?“, widersprach er. Ich zuckte mit den Schultern, „Ich bin dein unfreiwilliger Gast, den du nur wegen Regis duldest. Du musst keine Rücksicht auf so etwas nehmen. Aber vielleicht könnte ich dir bei irgendetwas helfen?“, entgegnete ich. Er blickte mich jedoch nur skeptisch an, ehe sein Blick auf das Porträt von Syanna fiel. Ich folgte seinem Blick, „Sie ist wirklich hübsch“, murmelte ich. Na ja zumindest äußerlich, innerlich hatten sie einen mehr als hässlichen Charakter. Er seufzte und stand dann auf, verwirrt blickte ich ihm hinterher, als er die Treppe hinunter ging. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Scheinbar hatte er die unterste Stufe erreicht, als seine Schritte stoppten, „Wenn du mir helfen möchtest, musst du schon mit runter kommen“, könnte ich ihn hören. Oh, damit hatte ich nicht gerechnet. Schnell sprang ich aus dem Bett und zog meine Schuhe an. „Bin gleich unten!“, rief ich ihm hinter her. Ich nahm auch gleich den Holzteller und die Flasche mit hinunter, als ich ihm dann folgte. Ich stellte die Gegenstände auf eine der Kisten und ging dann durch den Laden. Dettlaff hatte sich bereits an eine der Werkbänke gesetzt und hielt einen Pinsel in der Hand. „Kannst du mit einem Hobel umgehen?“, fragte er mich, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen. „Ähm, wenn du willst, dass ich deine Arbeit ruiniere, dann ja“, gab ich zu. Ich habe in der Schule zwar welche benutzt gehabt, aber bei dem Versuch ein Frühstücksbrett zu machen, na ja sagen wir so, es kippelte immer, ich habe es nie geschafft, gleichmäßig mit dem Werkzeug das Holz abzutragen. Er schüttelte den Kopf, „Dann mit einer Nadel?“, fragte er weiter. „Ja, das kriege ich hin, solange es nicht zu kompliziert oder aufwendig werden soll“, stimmte ich zu. Er seufzte erneut, „Gut, dort liegt ein Bär, dessen Arm abgerissen ist“, murmelte er und zeigte vage in die Richtung eines Regals. Ich ging dorthin und suchte nach dem Tierchen, mit nur einem Arm. Nach einigen Momenten hatte ich es gefunden. Er war schon ziemlich abgenutzt und die Strohfüllung quoll heraus, auch die Augen fehlten bereits. Nadel und Garn fand ich bei Dettlaff auf der Werkbank, doch ich setzte mich nicht direkt neben ihn, sondern auf den Boden, etwas weiter weg. Ich wollte ihn nicht bedrängen, obwohl ein Hocker neben ihm stand. Ich setzte mich in den Schneidersitz und fädelte das Garn durch das Öhr. Ich legte den Teddy so hin, dass ich ihn halbwegs mit meinen Beinen festhalten konnte, dann begann ich, den Arm erst einmal mit groben Stichen an seine richtige Position anzuheften. Danach konnte ich die Füllung wieder hineinstopfen und eine saubere Naht setzen. Erst als ich fertig war, bemerkte ich, das Dettlaff direkt vor mir stand und auf mich herunter blickte. „Einen Nacken so in der Gegenwart eines Vampirs zu entblößen“, grinste er zahnig. Meine Augen wurden bei seinen Worten immer größer und ich schluckte. „Keine Angst, ich habe schon gegessen“, grinste er noch breiter, als er meine Reaktion beobachtete. Ich brauchte einige Momente, bis ich verstand, dass er scherzte. Mir blieb der Mund offen stehen, so etwas hatte ich nun überhaupt nicht erwartet. Er hatte sich mittlerweile abgewandt und die kleine Figur, die er bemalt hatte, weggestellt. „Wie kamst du auf die Idee, deinen Geruch am Türrahmen zu hinterlassen?“, fragte er mich auf einmal, blieb mir aber mit dem Rücken zugewandt. Ich legte den Teddy zur Seite, ehe ich antwortete. „Ich habe mal davon gelesen, also das ihr so eure Behausungen markiert und das Besucher aus Respekt dies ebenfalls tun. Ich dachte, es könnte nicht schaden, auch wenn es eine Fehlinformation sein sollte, so würdest du wissen, dass ich da war“, erklärte ich mein Verhalten. Allerdings ließ er mich nicht wissen, ob mein Wissen korrekt war. „Warum?“, fragte er einfach nur. „Damit du weißt, dass ich keine bösen Absichten hege. Ich möchte dir helfen, genau wie Regis“, erwiderte ich. „Deswegen habe ich den Brief her gebracht“, fügte ich noch hinzu. „Du weißt also wirklich von Rhena? Woher?“, er knurrte beinahe, als er sich umdrehte. Ich schüttelte den Kopf, „Das kann ich nicht sagen“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Woher! Hast du etwas mit ihren Entführern zu tun?“, er hatte mich am Kragen gepackt und mich daran hochgezogen. Ich versuchte, seinen Griff zu lösen. „Dettlaff!“ Krächzte ich. „Woher weißt du von ihr?“, wiederholte er seine Frage. Ich zappelte in seinem Griff, konnte mich aber nicht befreien. ~Dettlaff bitte! Ich kann es dir nicht sagen. Ich habe nichts mit den Entführern zu tun, das schwöre ich!~ versuchte ich es auf anderem Wege. Sein Griff verfestigte sich kurz, ehe er mich wieder auf den Boden stellte. „Diese Fähigkeit, woher hast du sie?“, forderte er dann. Ich schnappte kurz hustend nach Luft und richtete meine Kleidung, „Das wüsste ich auch gerne“, murmelte ich. „Menschen sollten so nicht mit uns kommunizieren können“, warf er ein. Vorsichtshalber trat ich von ihm zurück. „Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass ich es kann. Erst durch Shady habe ich es erfahren, dass ich mich so verständigen kann“, erklärte ich ihm. Unruhig strich er sich durch seine Haare, als er sich jedoch in meine Richtung bewegte, wich ich weiter zurück. Das mit dem Brief war vielleicht doch nicht so eine gute Idee gewesen, es hatte scheinbar das Misstrauen nur noch mehr verstärkt. Mein Blick huschte zu meinen Schwertern am anderen Ende des Raumes, auch wenn sie mir nichts nützen würden, hätte ich sie gerne bei mir. Dettlaff schritt hin und her, schien über irgendetwas nach zu denken. Ich ließ meinen Blick kaum von ihm ab, ich fühlte mich gerade, als wäre ich mit einem Raubtier in einen Käfig gesperrt. Ich war mir unsicher, was ich jetzt machen sollte. Ihn versuchen zu beruhigen? Ihm völlig aus dem Weg zu gehen? Versuchen normal zu handeln? Dettlaff ballt die Fäuste, während er weiter hin und her tigerte. Ich zuckte zusammen, als er plötzlich die Farben und Pinsel von der Werkbank wischte und sich schwer auf dem Holz abstützte. „Warum solltest ausgerechnet du, mir helfen wollen?“, fragte er. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie sehr ihm die Situation zu schaffen machte. „Weil niemand zu solchen Taten gezwungen werden sollte. Dettlaff, die Morde müssen nicht sein, wir finden einen anderen Weg“; versuchte ich ihn zu beruhigen. „Und wie!?“, das Holz ächzte unter seinem Faustschlag, „Ich habe bereits alles abgesucht, es gibt keine Hinweise auf ihre Entführer“, fuhr er etwas leiser fort. „Ich werde dir helfen, ich kann mit allen möglichen Lebewesen reden und Regis hat seine Raben, zusammen werden wir sicherlich etwas finden“, wollte ich ihn aufmuntern. Er schüttelte jedoch nur den Kopf und ließ ihn dann resigniert hängen. Langsam und unsicher trat ich näher, „Dettlaff ich möchte dir wirklich helfen. Kann ich irgendetwas jetzt für dich tun? Brauchst du etwas? Wasser, Tee, Wein, Bier? ... Oder Blut?“, ich wurde immer leiser bei meinen Vorschlägen, aber bevor ich meine Hand auf seine Schulter legen konnte, wirbelte er herum und packte meine Hand. Erschrocken schrie ich auf, er starrte mich mit seinem vampirischen Gesicht an. „Nicht!“, knurrte er und ließ meine Hand wieder los. Hektisch wich ich zurück, „Tut mir leid“, murmelte ich. „Vielleicht sollte ich dich erst einmal in Ruhe lassen. Soll ich wieder nach oben gehen?“, schlug ich leise vor. Er antworte jedoch nicht, sondern ließ sich nur auf den Hocker fallen, sein Gesicht verwandelte sich zurück. „Nein, du kannst bleiben“, seufzte er nach einigen Augenblicken. „Stimmt es, was Regis über Becca erzählt hat? Das du ihren Tod verhindern wolltest?“ Fragte er dann. „Becca?“ Hakte ich nach. Mit dem Namen konnte ich nichts anfangen. „Die Bruxa, die der Hexer auf dem Weingut getötet hat“, erklärte Dettlaff. Schnell nickte ich, „Ja, man hätte sicherlich mit ihr reden können. Schließlich wollte sie nur deine Hand zurückholen. Ich hätte sie ja mit gebracht, aber Geralt hat sie bei sich“, entschuldigte ich mich. Stirnrunzelnd sah er mich an und ich zuckte mit den Schultern, „Ich kenne eure Bräuche nicht, wäre es unangebracht gewesen?“, wollte ich dann wissen. „Wenn sie nicht zur Regeneration nötig sind, werden überzählige Körperteile normalerweise verbrannt“, klärte mich der Vampir auf. „Regis wollte einen winzigen Teil für einen Absud, den er herstellen wollte, er hoffte, dass sie dich damit finden können. Als das auf dem Friedhof passierte, kamen er und Geralt gerade vom Sammeln der letzten Zutat zurück“, erzählte ich. „Das meintest du, in dem Brief, dass die beiden eine Weile beschäftigt sein werden?“, erkundigte er sich. Ich nickte, „Ich hatte auf dich gewartet, am Turniergelände ...“, ich beendete den Satz nicht, hoffte er würde auch so verstehen, was ich wissen wollte. „Ich wusste zuerst nicht, was ich machen sollte, als ich bemerkte, das jemand hier gewesen ist, dann der Brief ...“, fing er an, „ich habe lange überlegt und als ich dann unterwegs war, spürte ich etwas. Etwas sehr Mächtiges. Ich bin dem gefolgt und kam beim Friedhof an.“ Erstaunt sah ich ihn an, er hatte tatsächlich zu dem Treffen kommen wollen, aber dann registrierte ich, was er gesagt hatte. „Wann bist du am Friedhof angekommen?“, hakte ich nach. „Als Regis den Hexer angriff“, gab er zu. „Kannst du mir sagen, was passiert ist, als ich zusammenbrach? Ich meine irgendwas muss doch noch geschehen sein, so das Regis mich nicht nach Geralt suchen lassen möchte?“, fragte ich ihn. Es schien, als wollte er gerade antworten wollen, als sein Blick zur Treppe ging. Von meiner Position aus konnte ich sie nicht sehen, daher lauschte ich. Nach einigen Momenten konnte ich Schritte hören. „Ah, ich habe schon befürchtet, ich müsste euch trotz meiner früheren Worte suchen gehen“, es war Regis, der zurückgekommen ist. Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch, als er das Chaos neben der Werkbank am Boden erblickte. Dann musterte er erst Dettlaff und dann mich intensiv. Ihm war sicherlich auch aufgefallen, dass ich weiter als nötig von Dettlaff entfernt stand. „Ist hier alle in Ordnung? Oder war etwas vorgefallen?“, wollte der ältere Vampir wissen. „Alles gut!“, antwortete ich schnell, vielleicht ein wenig zu schnell. „Ich habe Dettlaff gerade gefragt, ob er wüsste, warum du nicht möchtest, das ich nach Geralt suche“, fügte ich daher noch an. „Nun, das liegt daran, wie sage ich es am besten? Ich befürchte, er könnte aktuell nicht ganz er selbst sein“, gestand er ein. Ich runzelte die Stirn, „Was soll das heißen?“, hakte ich nach. „Als du zusammen gebrochen bist, ist dieses Etwas von Regis auf Geralt übergesprungen. Ich konnte nichts dagegen machen“, erklärte Dettlaff. „Aber ... aber, dann müssen wir erst recht nach ihm suchen! Ihr beide seid womöglich die Einzigen, die ihn aufhalten könntet, sollte es wie bei Regis sein!“, fuhr ich auf. Regis schüttelte den Kopf, „Eve, wir wissen nicht, was es ist. Was wäre, wenn es zurück auf mich oder auf Dettlaff übergeht?“, warf Regis dazwischen. Ich grummelte vor mich hin, „Nun, irgendwie konnte es, was auch immer es war sprechen, es ist also vermutlich ein Wesen, kein Zauber. Wenn es ein Wesen ist und jemanden in Besitz nehmen kann, ist es ein Geist oder Dämon oder so was. Und gegen die kann man was tun“, überlegte ich laut. Erstaunt sahen mich die Vampire an. „Dass heilige Symbole euch Schaden, ist purer Aberglaube, oder? Ich brauche nur ein Kreuz, das Glaubensbekenntnis und auch das Vater unser kriege ich noch zusammen. Ihr müsstet ihn also nur aufspüren und festhalten, dann könnten wir Geralt exorzieren!“, schlug ich vor. Die beiden sahen mich völlig entgeistert an, „Schaut nicht so. Ich bin zwar keine Priesterin, aber in gewissen Maßen bin ich doch gläubig und einige Gebete kenne ich noch. Wir könnten das hinkriegen“, schmollte ich ein wenig. Dettlaff sah mich immer noch an, als könnte er nicht glauben, was ich da gerade von mir gegeben habe, und Regis schüttelte nur den Kopf. „So einfach ist es nicht, Eve. Wir benötigen mehr Informationen, bevor wir überlegen können, was zu machen ist“, mahnte Regis. „Aber wo sollen wir die herbekommen? Geralt würde auch nicht einfach nur rum sitzen“, erwiderte ich bockig. „Das werden wir auch nicht tun“, lächelte Regis milde. „Wir sollten erst einmal schauen, was wir bereits wissen und dann weiter sehen“, schlug er vor. Ich atmete tief durch, Regis hatte ja recht, es würde nichts bringen, einfach drauf los zulaufen. Aber andererseits war Geralt verletzt und brauchte vielleicht Hilfe. Er hatte vermutlich nicht einmal sein Silberschwert dabei, wenn er direkt in den Wald geflüchtet ist. „In Ordnung“, stimmte ich letztendlich trotzdem zu. „Gut, du erwähntest den Palast und das er anders aussehe. Und das es einen blutigen Mord gegeben hat. Vielleicht sollten wir dort anfangen. In der Bibliothek finden wir sicherlich Abbildungen des Palastes, wenn es eine Vision aus der Vergangenheit war, dann hätten wir eine grobe Jahreszahl und können dann in die Chronik der Stadt schauen, ob wir dort weitere Hinweise finden“, unterbreitete Regis. „Du vergisst den Vogel, außerdem hat dieses Wesen etwas gesagt, Anise. Es war jedoch das Einzige, was ich verstanden habe“, entgegnete ich. Regis nickte, „Wir könnten auch in Erfahrung bringen, ob Fringilla hier noch ansässig ist, vielleicht könnte sie helfen, wenn sie erfährt, das Geralt betroffen ist.“ „Nein! Nein, das ist keine gute Idee. Wir sollten die Zauberinnen erst einmal außen vor lassen“, lehnte ich direkt ab. „Nun, wie du meinst, aber ich denke, die Bibliothek ist vorerst unsere beste Option“, seufzte Regis. Widerwillig stimmte ich zu. „Wirst du uns begleiten Dettlaff?“, wandte sich Regis an seinen Freund. Dieser schaute erst zu mir und dann zu ihm und schüttelte den Kopf, „Nein, ich werde etwas anderem nachgehen“, verneinte er und stand von seinem Platz auf. „Dann treffen wir uns später wieder hier?“, schlug er vor und Dettlaff nickte, bevor er sich in Nebel verwandelte und unter dem Türschlitz verschwand. „Und hier war wirklich alles in Ordnung?“, wandte sich Regis dann nach einigen Momenten an mich. Ich nickte, „Ja, es ist nichts passiert. Dettlaff ist aktuell emotional ziemlich aufgeladen, ich verstehe das und niemanden ist etwas passiert“, wiegelte ich ab und ignorierte die fragenden Blicke. Schnell sammelte ich meine Sachen und zog meine Rüstung über. Ich würde mit zwei Schwertern am Gürtel zwar noch mehr auffallen, aber solange da irgendwo eine unbekannte Kreatur ihr Unwesen trieb, wollte ich lieber auf nummer sichergehen. Da würde ich mein magisches Schwert sicherlich nicht irgendwo zurücklassen. Außerdem konnte es immer noch sein, dass es andere gab, die hinter dem Schwert her waren, so wie der Magier im Buckelsumpf. Das Risiko wollte ich nicht eingehen und das Schwert aus den Augen verlieren. Vielleicht konnte das Schwert auch Geralt heilen, falls wir ihn treffen sollten. So wie es das mit meiner Verletzung getan hatte. Ich folgte Regis aus dem Laden und verschloss ihn wieder, den Schlüssel steckte ich dieses Mal aber ein. „Hattest du Shady sehen können, als du auf dem Friedhof warst?“, fragte ich ihn, um die aufkommende Stille zu durchbrechen. Regis richtete den Riemen seiner Tasche. „Ja, ja hab ich. Aber wie erwartet war er nicht sehr erfreut, mich zu sehen. Er machte einige Scheinangriffe und knurrte ziemlich wild, ehe er sich zurückzog. Ich habe ihm das Kaninchen hingelegt, vielleicht versteht er, dass es für ihn ist. Ich habe auch versucht, ihm zu erklären, dass du in Sicherheit bist und ich ihn zu dir bringen könnte“, er seufzte. „Die Pferde habe ich nur von weitem gehört. Allerdings habe ich deinen Sattel und die andere Ausrüstung in die Krypta gelegt, nicht dass sich noch jemand daran vergreift, sollte derjenige sich auf den Friedhof verirren“, erzählte er. Ich seufzte, „Danke Regis.“ Er nickte und in weiterer Stille ließ ich mich von ihm durch die Gassen der Stadt führen. Natürlich wusste Regis, wo sich hier eine Bibliothek versteckte. Er führte mich zum großen Platz im Herzen der Stadt und dort zu einer unscheinbaren Tür. Sofort schlug uns der Geruch nach Staub und altem Pergament entgegen, als wir eintraten. Eine streng aussehende Dame musterte uns, aber sie schien Regis zu erkennen und begrüßte ihn freundlich. Statt dem Gespräch zu lauschen, schaute ich mich ein wenig um. Hinter dem schmalen Flur, der den Eingangsbereich bildete, erstreckte sich ein riesiger Saal, in dem viele, sehr viele fast deckenhohe Regale standen. Alle gefüllt mit Büchern und Schriftrollen. Das mussten tausende von Schriften sein. Wie sollten wir den hier das richtige finden? „Komm Eve, ich weiß wo wir anfangen können“, riss mich der Vampir aus meinem staunen. Er führte mich an das andere Ende des Saales und griff bereits nach einem Buch. „In diesem Abschnitt geht es um die frühe Geschichte der Besiedelung des Gebietes, daher sollten wir hier auch sehr wahrscheinlich Abbildungen des Palastes finden können“, erklärte er. Ich nahm mir also auch ein Buch und setzte mich an einen der wenigen Tische hier. Seite um Seite, Stunde um Stunde blätterten wir durch die Bücher. Ich war kurz vorm Aufgeben, als Regis scheinbar etwas fand. „Hier, sieh mal, kommt das dem nahe?“, wollte er wissen. Ich schaute zu ihm, in dem glauben, es wäre wieder eine Niete. Ich starrte auf das Bild in dem Buch, „Regis, das ist es! So sah der Palast aus!“, freute ich mich. Er blätterte auf die nächste Seite und überflog die Zeilen. „Was steht dort?“, wollte ich wissen. „Wenn dieses Wesen im Zusammenhang mit deiner Vision steht, könnten wir ein ziemlich großes Problem haben. Dann ist es nämlich sehr, sehr alt und dementsprechen mächtig. So sah der Palast damals aus, als die ersten Menschen diese Welt betraten.“ Ich schluckte, „Scheiße“, konnte ich nur hervorwürgen. Daran hatte ich gar nicht gedacht, dass dieses Pärchen nicht unbedingt Menschen sein mussten. Es könnten auch Elfen oder Vampire gewesen sein. „Wir wissen zumindest nun, in welchem Zeitabschnitt wir suchen müssen. Vielleicht haben wir Glück und die Chroniken reichen soweit zurück. Möchtest du die Chroniken durch gehen, oder nach dem Falken suchen?“, fragte er mich dann. Ich zuckte mit den Schultern. „Gut dann schlage ich vor, du suchst nach dem Falken. Ein Gewöhnlicher wird es wahrscheinlich nicht gewesen sein, du fängst am besten bei magischen Kreaturen und zaubern an. Die Bücher über Magie findest du dort durch die Tür“, meinte Regis und zeigte auf einen kleinen Durchgang. Mit seinen Augen suchte er bereits die Regale wieder ab. Auf was hatte ich mir hier bloß eingelassen? Seufzend ging ich zum Durchgang, dorthinter befand sich eine schmale Wendeltreppe, die nach unten führte. Ich folgte ihr in den Keller und wäre am liebsten sofort wieder umgekehrt. Der Raum war fast genauso groß wie der oben und nur wenige Blicke reichten aus, um zu sehen, dass die Bücher hier weder sortiert waren, noch alle in der Gemeinsprache verfasst waren. Da hätte ich dann doch lieber einige Jahrbücher durchgesehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)