Zum Inhalt der Seite

Stolen Dreams Ⅹ

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Kapitel

Dass Albanien nicht zu den wohlhabendsten Ländern Europas gehörte, war schon lange kein Geheimnis mehr. Tirana konnte vielleicht noch einigermaßen mit anderen Hauptstädten mithalten, aber am Stadtrand war davon nichts mehr zu sehen. Hier tummelten sich scharenweise Obdachlose, Straßenkinder und Händler, für die es immer schwieriger wurde, zahlende Kunden zu finden, herum.

Mitten in den Ruinen eines verwahrlosten Gebäudes, das weiß Gott vor wie vielen Jahren eingestürzt war, saß ein Junge, dessen gesamter Körper von Staub und Schweiß bedeckt war. Er wischte sich über die feuchte Stirn, schaute sich nach etwas um, das irgendeinen Wert besaß, aber konnte beim besten Willen nichts finden. Der Anführer seiner Gang hatte ihm aufgetragen, nach Kleidung zu suchen, die es hier angeblich geben sollte, doch der Junge hatte schon seit Sonnenaufgang gesucht und immer noch nichts gefunden.

Seufzend gab er auf und ließ sich auf dem staubigen Boden nieder. Zwar saß er im Schatten, aber die sommerliche Hitze erreichte ihn selbst hier. Was würde er jetzt nicht alles für eine Flasche mit kühlem frischem Wasser tun...
 

„Alron!“, rief jemand und kam auf den 13-Jährigen zu. „Hast du schon etwas?“

„Leider nicht.“

„Dann such weiter. Ledion hat gesagt, die Sachen müssten im Erdgeschoss sein.“

„Anstatt dich zu beschweren, könntest du mir ja helfen“, schlug Alron schnippisch vor, wofür er einen tadelnden Seitenhieb bekam.

„Mach endlich. Je schneller wir hier fertig sind, desto schneller können wir nach Hause.“

Alron seufzte, ehe er sich aufrichtete und wieder an die Arbeit machte. ''Nach Hause'' war der Keller eines Hauses, dessen Teile, die über der Erdoberfläche lagen, nicht mehr zu gebrauchen waren. Jemand, der es gewohnt war, ein Dach über den Kopf zu haben und in einem gemütlichen Bett zu schlafen, würde sich weigern, einen Keller zu betreten, in dem der Schimmel an den Wänden wuchs und gelegentlich eine Ratte vorbeikam, aber im Vergleich zu anderen Unterkünften war der Keller, den Ledion und seine Gang für sich beanspruchten, ein ziemlich guter Unterschlupf. Immerhin war man vor Regen und Kälte geschützt – meistens zumindest – und Schutz vor der erbarmungslosen Sonne gab es auch.
 

Was Ledion anging: Er war 21 Jahre alt und der Anführer einer Gang, die ausschließlich aus Straßenkindern bestand. Die Ordnung in jener Gang war recht einfach – die Jüngeren machten die Drecksarbeit, die keiner machen wollte, und dafür wurden sie von den Älteren beschützt, die ihnen als Gegenleistung nicht nur eine Unterkunft, Nahrung, Drogen, Kleidung und manchmal auch andere Güter brachten, sondern auch aufpassten, dass keiner der Kleinen an andere Gangs oder Menschenhändlern gerieten, welche die Kinder in ihre Bordelle bringen und dort so lange für sich arbeiten lassen wollten, bis die Minderjährigen starben oder ihrem Leid selbst ein Ende setzten.

„Ich glaube, hier ist etwas!“, rief Alron, als er einen Schrank entdeckte, der sich dank seines entstellten Erscheinungsbild kaum vom Rest der Umgebung abhob. Das rissige Holz wies an vielen Stellen Kerben und Kratzer auf, die Farbe splitterte ab und das linke Vorderbein fehlte. Alron hätte sich schon längst den Inhalt des Schrankes angesehen, wenn das blöde Ding nicht abgeschlossen wäre.

„Zu Seite“, wies Alrons Begleitung ihn an, woraufhin der Junge sich zügig zurückzog und von sicherer Entfernung aus beobachtete, wie der andere Junge den Schrank aufzubrechen versuchte.
 

Eine gezückte Metallstange, die früher mal das Bein eines Tisches gewesen war, und ein lautes Knacken später landete die eine Tür des Schranks auf dem Boden und wirbelte genug Staub auf, um eine ganze Gruppe von Kindern zum Husten zu bringen. Alron kniff die Augen zu und zog sich den Saum seines fleckigen T-Shirts über Mund und Nase.

„Und?“, fragte er, während sich der Staub langsam legte. „Was ist drin?“

Als Antwort wurde ihm eine Wasserflasche gereicht, die Alron gierig an sich riss. Während er eifrig trank, sah er zu dem Schrank, der bis zum Rand mit Kleidung und Handtüchern gefüllt war. Ledion würde sich freuen – so viel stand jetzt schon fest.

Nachdem Alron seinen Durst gestillt und seiner Begleitung die Wasserflasche zurückgegeben hatte, packte er gemeinsam mit dem anderen Jungen so viel, wie seine dünnen Arme tragen konnten, und rannte zurück zum Keller, wo Ledion zwar zufrieden lächelte, aber zu besorgt war, um sich wirklich freuen zu können.
 

„Wir hatten vorhin eine Auseinandersetzung mit ein paar Kerlen von Luans Gang“, erzählte er, während er vorsichtig das Blut von dem Gesicht eines jungen Mädchens wische. „Es wird verheilen, aber bis dahin wird sie nicht arbeiten können.“

So ziemlich jedes Mädchen in Ledions Gang arbeitete als Prostituierte. Natürlich war das kein Job, dem gerne nachgegangen wurde, aber diese Mädchen hatten keine andere Wahl. Entweder taten sie es unter dem Schutz von Ledion, der als Gegenleistung einen Teil ihrer Einnahmen verlangte, oder sie taten es alleine, ungeschützt und in der Gefahr, vergewaltigt zu werden oder an einen Menschenhändler zu geraten.

Während Alron beim Versorgen der Wunden half, schickte Ledion ein paar andere Jungs los, um die restlichen Sachen aus dem Schrank zu holen. Wie sich herausstellte, waren die Klamotten ausschließlich für Frauen gemacht, aber das dämpfte die Freude nur wenig. Alron war das Ganze sowieso egal; alles, für das er sich interessierte, war die Belohnung, die er von Ledion bekam: Ein in Papier gerolltes, fingerlanges Ding, von dem man das eine Ende anzündete und sich das andere zwischen die Lippen steckte.
 

Alron wusste nicht, dass das, was er da rauchte, Marihuana war. Er wusste nicht, dass er langsam, aber sicher sein Gehirn und den Rest seines Körpers ruinierte. Er wusste nicht, dass er mit jedem Joint seine Abhängigkeit vertiefte und bald auch andere Drogen ausprobieren würde. Was er aber wusste, war, dass dieses Kraut den einzigen Grund darstellte, warum er sich nicht schon längst die Kugel gegeben hatte.

Marihuana ließ ihn vergessen, wie beschissen sein Leben war. Dass er der Sohn einer mittlerweile toten Prostituierten und eines unbekannten Mannes war. Dass er sowohl seinen Bruder als auch seine Schwester verloren hatte. Dass er weder lesen noch schreiben konnte. Dass er niemals einen richtigen Job und ein richtiges Leben haben könnte. Dass er niemals wie die wohlhabenden Menschen aus dem Fernsehen sein könnte. Dass er schon bei seiner Geburt dazu verdammt gewesen war, wie seine minderjährige Mutter zu enden. Dass er seinen zwanzigsten Geburtstag wahrscheinlich nicht erleben würde. Dass er einmal für einen 500-Lek-Schein in das Auto eines Fremden gestiegen war, der Sachen mit ihm gemacht hatte, die ihn jedes Mal, wenn er sich an sie erinnerte, heftig zum Weinen brachten. All diese Dinge existierten nicht mehr, wenn Alron rauchte.
 

Als der Junge wieder aufwachte, lag er auf einer der gammligen Matratzen, die im Keller als Schlafplatz dienten. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er hierher gekommen war, aber allem Anschein nach hatte er sich in seinem Rausch dort niedergelassen und war eingeschlafen.

„Alron!“, rief Ledions Stimme aus dem Nebenraum. „Komm mal her!“

Angesprochener erhob sich von der Matratze, aus der einige Federn herausragten, und trottete zu Ledion, der gerade mit einem fremden Jungen redete. Dass neue Mitglieder eines Tages im Keller standen, war keine Besonderheit, aber Alron konnte schon auf dem ersten Blick erkennen, dass dieser Junge anders war.

Das Auffälligste an ihm war sein Aussehen. Normale Straßenkinder sahen aus, als würden sie auf einer Müllhalde leben, was nicht selten auch der Fall war. Sie hatten fettige Haare, die wie ein Stück schimmliger Teppich an ihrem Kopf hafteten, schmutzige Kleidung voller Risse, zahlreiche Narben, gelbe Zähne, die wie die Beißer eines Nagetieres aussahen, und meistens rochen sie nach Abfall. Mit anderen Worten: Ihr Äußeres spiegelte die Qualität ihres Lebens wider.
 

Dieser Junge hingegen war das genaue Gegenteil. Er hatte eine ordentliche Frisur und seine gepflegten schwarzen Haaren besaßen einen gesunden Glanz. Seine Zähne waren fast so weiß wie Papier und sein Gesicht erweckte nicht den Eindruck, die Zielscheibe fremder Fäuste zu sein. Alles in einem sah er so makellos wie die Menschen im Fernsehen aus, was Alron irritierte. Was machte ein Junge wie dieser hier?

„Hallo“, begrüßte der Unbekannte ihn. „Ich bin Tarek.“

Tarek hatte ein hübsches Gesicht und ein noch hübscheres Lächeln. Obwohl er seinem Aussehen und seiner Stimme nach zu urteilen eindeutig ein Junge war, hatte er irgendetwas Feminines an sich. Sein Gesichtsausdruck wirkte niedlich und auch ein bisschen frech.

„H-hi“, stotterte Alron nervös. Er kam sich vor, als wäre er einer Prinzessin begegnet. „Ich heiße Alron.“

Die beiden lernten einander kennen und kamen sich näher, aber je mehr Alron über Tarek herausfand, desto mehr wuchs seine Verwunderung, denn Tarek konnte nicht nur lesen und schreiben, sondern auch eine andere Sprache sprechen, die er ''Englisch'' nannte.
 

Einerseits fand Alron es cool, mit so einem außergewöhnlichen Jungen befreundet zu sein, aber andererseits machte es ihn auch ein wenig traurig, dass jemand, der so viel Potenzial hatte, auf der Straße gelandet war. In der ersten Woche, die Tarek in Ledions Gang verbrachte, wurde er nicht nur von Alron, sondern auch von den anderen Kindern unzählige Male gefragt, warum er so sauber und gesund war und warum er so viel wusste und ob er sogar schon einmal zur Schule gegangen war, aber seine Vergangenheit war etwas, über das Tarek nie sprach. Ein einziges Wort zu diesem Thema reicht vollkommen aus, um ihn verstummen zu lassen.

Die Aufnahme eines so nützlichen Mitglieds war ein Grund zu Freude, aber leider hielt die Euphorie nicht lange an. Es gab Stress mit Luans Gang und eines der Mädchen starb an den Folgen einer heftigen Auseinandersetzung.

„Alron, ich weiß, dass dir das nicht gefallen wird, aber es muss sein“, sagte Ledion eines Tages, als das Geld und die Güter noch knapper ausfielen, als sie ohnehin schon waren. „In der Nähe des Stadtzentrums gibt es eine Straße, die halbwegs sicher sein müsste. Könntest du--?“
 

„Nein! Alles nur das nicht!“, schrie Alron panisch, als er erkannte, dass Ledion von ihm wollte, dass er seinen Körper verkaufte. Eigentlich war das eine reine Mädchensache, aber es gab auch Kunden, die für Jungs zahlten und je jünger und zierlicher diese Jungs waren, desto besser standen die Chancen.

„Alron“, sagte Ledion streng. „Das war keine Bitte, sondern ein Befehl. Wir brauchen das Geld.“

Angesprochener wimmerte verzweifelt. Wenn er den Worten seines Anführers keine Folge leistete, würde man ihn früher oder später aus der Gang schmeißen.

„Hey... du bist nicht alleine dort. Die Mädchen gehen mit und Shkodran und Kushtrim werden auf euch aufpassen.“

Alron schluckte nervös, ehe er zögernd nickte. Er wusste, dass es Ledion keinen Spaß machte, ihm diese Aufgabe zu erteilen, aber Prostitution war der schnellste und einfachste Weg, an Geld zu kommen. Außerdem--

„Darf ich mitkommen?“

Alron und alle anderen Anwesenden drehten sich augenblicklich zu Tarek um, der trotz der Gaffer recht gelassen blieb.
 

„Natürlich darfst du“, antwortete Ledion, der ebenfalls für einen Moment verwundert war, dass jemand wie Tarek den unbeliebtesten Job übernehmen wollte. „Aber... willst du das auch?“

„Sonst hätte ich ja nicht gefragt, oder?“

„Gut. Tu, was du nicht lassen kannst.“

Damit war die Diskussion beendet. Während die Mädchen sich schnell fertig machten, in ihre freizügigen Klamotten schlüpften und hastig ihre Haare und ihr Gesicht auf Vordermann brachten, ging Alron zu Tarek.

„Das ist echt nett von dir Tarek, aber... du musst das nicht für mich machen.“

„Schon gut. Ich mache es eigentlich nur, weil ich mal an die frische Luft will und dem Zentrum einen kleinen Besuch abstatten wollte.“

„Tarek, du scheinst das falsch verstanden zu haben. Das wird kein Spaziergang, sondern... du weißt schon was. Wir kriegen Geld dafür, dass irgendwelche Männer...“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Es ist so unbeschreiblich... ekelerregend.“
 

Tarek klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Er war jetzt schon fast drei Wochen ein Teil von Ledions Gang und sein Äußeres hatte sich verändert, aber trotzdem war er immer noch Welten davon entfernt, wie Alron auszusehen. Wahrscheinlich bunkerte er Shampoo und andere Sachen in dem Rucksack, den er mitgebracht hatte und wie seinen Augapfel hütete.

„Tarek.“ Ledion war zu den beiden Jungs gekommen. „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber... hast du es schon mal getan? Mit 'nem Kerl, meine ich.“

„Nicht einmal mit einem Mädchen.“

Ledion und Alron warfen sich vielsagende Blicke zu. Tarek hatte ganz offensichtlich keine Ahnung, in was er sich da hineingeritt--

„Ich kann mir denken, was du jetzt sagen willst“, sagte Tarek. „Bevor ich das Geld nicht habe, soll ich nicht ins Auto steigen, und wenn's geht, dann nur mit Kondom.“

„Um die Kondome musst du dir keine Sorgen machen, schließlich kannst du nicht schwanger werden.“

„Das macht mich aber nicht immun gegen Geschlechtskrankheiten.“
 

Alron musste sich ein Grinsen verkneifen. Tarek war nicht nur schlau, er war auch noch schlauer als Ledion, was diesem überhaupt nicht zu gefallen schien.

„Wie ich sehe, bist du bestens informiert. Dann kann ich ja ruhig etwas mehr von dir erwarten.“

Mit diesen Worten wandte er sich ab. Tarek und Alron marschierten gemeinsam mit den Mädchen und den beiden Beschützern zu der Straße, von der Ledion gesprochen hatte, und warteten auf die ersten Kunden.

Alron sah verunsichert zu Tarek, der mit seinem attraktiven Gesicht, der schwarzen Mähne, den sanften braunen Augen und dem kleinen zierlichen Körper sicherlich nicht lange warten musste. Er fiel zwischen den anderen Jugendlichen auf wie ein bunter Hund und würde die Freier anlocken wie eine Sonnenblume es mit Bienen tat.

„Tarek, kann ich dich mal was fragen?“

„Nur zu.“

„Wie alt bist du?“

„Was würdest du denn schätzen?“

„Ähm... zwölf?“
 

Tarek lachte sein schönes Lachen, das von einem Engel hätte stammen können.

„Ich bin 16, aber mach dir keine Sorgen – du bist bei Weitem nicht der Erste, der mich jünger einschätzt.“

Alron versuchte ebenfalls zu lachen, aber es gelang ihm nicht. Es war einfach so unfair. Tarek sah super aus, besaß mehr Wissen als alle Mitglieder aus der Gang zusammen und schien einen unsichtbaren Schutzschild zu haben, der ihn vor dem Schmutz der Straße bewahrte. Dieser Junge war ein Gott.

Die Zeit verging, doch die Freier schienen sich nur für die Mädchen zu interessieren. Gerade als Alron vorschlagen wollte, gemeinsam mit Tarek nach Hause zurückzukehren, hielt ein schnieker Wagen am Straßenrand und ließ sein Fenster herunterfahren, woraufhin ein dunkelhaariger Mann mit einer dicken Warze zwischen den Augenbrauen zum Vorschein kam. Zögernd und mit vor Unbehagen zitternden Knien ging Alron auf das Auto zu, aber dessen Fahrer hatte anscheinend kein Interesse an ihm.

„Nein, der andere“, sagte er mit seiner rauen Stimme und deutete auf Tarek.
 

Natürlich meinte er Tarek. Wie konnte er auch nicht Tarek meinen, wenn die einzige Alternative ein Junge namens Alron war, den das Leben als Straßenkind schon unzählige Male durchgekaut, heruntergeschluckt und wieder ausgekotzt hatte?

Tarek zeigte immer noch keinerlei Anzeichen von Angst. Er ging auf den Mann zu und redete kurz mit ihm, ehe er einige Geldscheine in die Hand gedrückt bekam und ins Auto stieg.

Alron schluckte nervös und beobachtete, wie der Wagen an der nächsten Ecke verschwand. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, dass dies das letzte Mal gewesen war, dass er den unbeschwerten Tarek gesehen hatte, denn das, was später zurückkam, würde nichts weiter als eine leblose Hülle von dem Jungen sein. Das konnte Alron aus eigener Erfahrung bestätigen.

Es dauerte nicht lange, bis auch der 13-Jährige zu einem Auto gepfiffen wurde, das man allerdings kaum noch ''Auto'' nennen konnte. ''Fahrender Schrotthaufen'' wäre passender.

Augen zu und durch. In spätestens einer Stunde wird es vorbei sein.
 

Mit diesem Gedanken lag Alron richtig. Eine knappe Stunde später kam er zu der Stelle zurück, an der die anderen auf ihn warteten, aber kaum hatte er sie erreicht, fiel er vor ihnen auf die Knie und brach in Tränen aus.

Es war so widerlich gewesen. Er wollte es nie wieder machen.

„Hey, reiß dich zusammen“, sagte Shkodran fordernd, obwohl man auch Mitleid aus seiner Stimme hören konnte. „Nur noch ein paar Stunden und dann ist es geschafft, okay?“

„Nein“, wimmerte Alron schluchzend. „Bitte. Ich halte das nicht aus.“

Shkodran und Kushtrim sahen sich gegenseitig an, ehe Letzterer einsah, dass es keinen Sinn hatte, den immer noch weinenden Alron hochhob und sich zum Gehen abwandte. Kushtrim rief währenddessen die Mädchen zusammen, damit sie gemeinsam nach Hause gehen konnten. Sie hatten sich gerade erst in Bewegung gesetzt, als ihnen plötzlich Tarek entgegenkam, der nicht nur voller guter Laune ein Lied summte, sondern auch mit einer goldenen Kette herumspielte, der er um den Hals trug.
 

„Tarek“, sagte Shkodran. „Wo... wo hast du diesen Schmuck her?“

„Mein Freier hat ihn mir geschenkt“, flötete Angesprochener heiter. „Ziemlich cool, ne?“

„Dir ist klar, dass du das Ledion überreichen wirst, oder?“

„Natürlich. Ich bin nur scheiße froh, dass ich seine Erwartungen erfüllen konnte.“

Alron konnte seinen Ohren nicht trauen. Selbst Prostitution hatte Tareks Schild nicht einmal einen Kratzer zugefügt. Im Gegenteil – sie hat ihn noch stärker gemacht.

„Hör auf, so auffällig damit herumzuwedeln, und komm“, wies Kushtrim Tarek an. „Wir gehen nach Hause.“

Im Keller konnte niemand – selbst Ledion – glauben, was Tarek an einem einzigen Abend für einen enormen Gewinn gemacht hatte. Der Junge gab zu, dass er nicht wusste, ob die Kette aus echtem Gold bestand, aber Ledion versicherte ihm, dass das kein Problem war. Für diese Kette würde er ohne Zweifel eine Menge Geld bekommen.

Obwohl Alron eine Szene abgezogen und nicht besonders viel verdient hatte, belohnte Ledion ihn mit nicht nur einem, sondern gleich drei Joints, die Alrons Tränen beim Trocknen halfen. Auch Tarek bekam Marihuana angeboten – aber er lehnte es ab.
 

„Nein danke“, sagte er in aller Seelenruhe, während die anderen Kinder ihn anstarrten, als hätte er vor ihren Augen Geld verbrannt. „Ich glaube, ich brauche etwas Stärkeres.“

Ledion lachte bloß und führte Tarek zu seiner Ecke, wo er ihm etwas zeigte, von dem Alron nicht viel mitbekam. Er bemerkte bloß, dass es um eine kleine Tüte mit hellem Pulver ging und Tarek eine knappe Viertelstunde später auf der anderen Straßenseite hing und sich die Seele aus dem Leib reiherte.

„Hey, alles okay?“, fragte Alron, der es trotz seines Rausches geschafft hatte, zu Tarek zu gehen.

„Mir ging's schon besser“, gab der Junge zu und spie ein bisschen Flüssigkeit aus. „Alron, kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“

„Was auch immer du mir jetzt sagst, ich werde es gleich sowieso vergessen haben.“

„Gut, dann hör mir zu: Der Typ, er hat mir die Kette nicht geschenkt.“

„Welcher Typ?“, fragte Alron, dessen Kurzzeitgedächtnis unter dem Marihuana sehr zu leiden hatte.

„Ich habe sie ihm geklaut. Direkt nachdem ich ihm eine leere Bierflasche übergezogen und ins Land der Träume geschickt habe. Ich lasse mich doch nicht von so einem Schwein entjungfern.“

Alron hatte keinen blassen Schimmer, um was es ging, aber er verstand, dass Tarek mal wieder unter Beweis gestellt hatte, dass er etwas Besonderes war, was Alrons These nur bestätigte.

Tarek war ein Gott.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2018-04-09T11:40:01+00:00 09.04.2018 13:40
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.
Nach dem ich jetzt bei allen Teilen auf dem laufenden bin.

LG
Onlyknow3
Von:  May_Be
2018-03-26T08:49:54+00:00 26.03.2018 10:49
Hi :)

Zuerst wollte ich nur ein wenig reinlesen, weil die Geschichte so interessant klang, aber ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen und war voll gefesselt.
Du hast einen tollen Schreibstil und erzählst diese traurige Geschichte auf eine klare und gefühlsvolle Weise, ohne dabei ins "Schwafeln" zu geraten :D

Liebe Grüße
Von:  Arya-Gendry
2018-03-24T19:15:28+00:00 24.03.2018 20:15
Hi
Und wieder eine neue Story, aber das freut mich.
Bin schon gespannt wie es weiter gehen wird.
LG.
Von:  Mado-chan
2018-03-24T15:20:09+00:00 24.03.2018 16:20
na das wird noch mächtig ärger geben o.o


Zurück