Das Schlachthaus in der Minton Street von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 7: Chapter 2 - 4 ------------------------ Fragend blickte Victor ihn an. „Du sollst nach Hause kommen, ja?“ „Ja…“ Mit einem Seufzen beugte Eddie sich nach vorne und griff nach seiner Schultasche, zog sie zu sich heran und verstaute das kleine Büchlein zwischen einem Haufen von Zetteln und einem massiven Wälzer, den er sich, wie Victor vermutete, wahrscheinlich aus der Bücherei ausgeliehen hatte. „Sie hat sich gewundert, wo ich bleibe. So wie sie sich angehört hat war sie wahrscheinlich mal wieder der Meinung, dass ich schwer verletzt oder tot irgendwo rumliege…“ Er seufzte und zog den Reißverschluss zu. „Man, ich bin vierzehn Jahre alt, aber Mom behandelt mich manchmal immer noch als wäre ich fünf!“ „Immerhin interessiert es sie, was mit dir ist!“ Victor hatte nicht gereizt klingen wollen, aber die Worte kamen mit einer Schärfe heraus die er nicht beabsichtigt hatte und die ihn selber überraschte. Es war nicht so, dass er nicht verstehen konnte dass Eddie diese Überfürsorglichkeit nervte - seine eigene Mutter war früher genau so gewesen, und dieses Verhalten hatte ihn damals fast wahnsinnig gemacht! Dennoch, das andere Extrem - diese Gleichgültigkeit, die sein Vater ihm gegenüber die meiste Zeit über an den Tag legte, der regelmäßig seine Versprechen brach und bereits zwei Mal Victors Geburtstag vergessen hatte, was wirklich eine Kunst war wenn man bedachte dass er an Weihnachten Geburtstag hatte - war ebenfalls alles andere als angenehm. Bestürzt starrte Eddie ihn an, mit weit aufgerissenen Augen und schuldbewusstem Blick. „Ich… oh man, tut mir leid! Ich wollte nicht…“ Er brach ab, schien nach den richtigen Worten zu suchen. Nun fühlte Victor sich doppelt mies, für jemanden, der normalerweise allgemein recht wenige Emotionen an den Tag legte, konnte er reichlich überempfindlich sein. „Nein, Quatsch!“, murmelte er, mit starr auf den Boden fixiertem Blick. „Keine Ahnung, was das jetzt sollte… mich hat das früher genau so genervt wenn meine Mutter so überfürsorglich war.“ Nun musste er lachen, obwohl ihm gar nicht wirklich dazu zumuten war, und immerhin sorgte diese Handlung augenscheinlich dafür, dass Eddie sich ein wenig entspannte. Nacheiner kurzen Pause der Stille meinte der: „Jedenfalls soll ich nach Hause kommen, das Essen ist gleich fertig. Und ich soll dich fragen, ob du mitessen willst.“ Einen Augenblick schien er nachzudenken, bevor er sich korrigierte: „Also, ihr genauer Wortlaut war: Bring Victor mit, ich hab ihn schon ewig nicht gesehen, und wie ich den Jungen kenne hat der zuhause schon ewig nichts Vernünftiges mehr gegessen!“ Wieder musste Victor lachen, diesmal jedoch war es kein Akt der Überforderung. „Wow okay, klingt nicht so als hätte ich eine Wahl!“ „Die hat niemand, wenn meine Mutter was sagt!“ Eddie lachte ebenfalls, dann stand er auf und warf sich seine Schultasche über die Schulter. „Sie hat die letzten Tage eh ständig gefragt wie’s dir geht, ich glaube, sie ist bei dir genau so überfürsorglich wie bei mir!“ Sein Blick fiel auf seine Jacke und er verdreht die Augen, setzte seine Schultasche wieder ab und griff nach dem Kleidungsstück, nur, um dann mitten in der Bewegung zu erstarren und auf seinen Arm zu blocken. „…verdammt!“, murmelte er. „Wenn Mom eh schon nen halben Nervenzusammenbruch hatte kann ich ihr das ja noch weniger erklären…“ Resigniert sah er auf den zerrissenen Ärmel seiner Jacke, er wirkte wirklich ganz und gar hilflos. Ein wenig argwöhnisch blickte Victor ihn an. „Na ja, sie wird dich eh fragen wo du warst, weil du voll mit Staub und Spinnweben bist!“ „Ja, aber… wenn sie den Verband sieht will sie wissen was passiert ist, und du weißt doch, dass ich echt schlecht bin im Lügen!“ „Ziemlich doofe Eigenschaft für jemanden, der sich gerne Geschichten ausdenkt, oder?“ „Das ist nicht das Gleiche!“ Unglücklich strich Eddie über seinen Verband, die Wunde schmerzte noch immer ein wenig, doch nicht so stark dass er es nicht ignorieren konnte. Das Aussehen war schlimmer. Derweil erhob Victor sich von seinem Bett, nahm das Anatomiebuch in die Hand und legte es auf seinen Schreibtisch, dann wandte er sich seinem Kleiderschrank zu, wobei er sagte: „Ich hab bestimmt noch irgendwelche alten Hemden oder so von meinem Vater, die dir passen könnten. Keine Ahnung, kannst ja sagen dass du dich im Kunstunterricht eingesaut hast oder so…“ Er öffnete die Schranktür und blickte ins Innere. „Wobei es Dan und Jay und Neil ja auch echt nicht schaden würde, wenn sie mal wieder Anschiss bekommen würden wenn sie so eine Scheiße bauen!“ „Ja, aber du weißt doch, dass es das am Ende nur schlimmer macht!“, murmelte Eddie. Und so ungern er das auch tat, dem musste Victor zustimmen. Er hasste den Gedanken daran, dass diese drei Deppen anscheinend tun und lassen konnten was sie wollten, ohne jemals mehr Konsequenzen zu erhalten als eine leichte Ermahnung ihrer Eltern. Die, so machte es jedenfalls den Eindruck, allerdings immer irgendwie der Meinung waren dass ihre armen Kinder die eigentlichen Opfer bei der jeweiligen Auseinandersetzung gewesen waren. Als Neil Victor vor einigen Jahren den Arm gebrochen hatte, um sich dafür zu rächen dass Victor es gewagt hatte, ihm zu widersprechen, hatte er später behauptet, dass er sich lediglich verteidigt hatte, und seine Eltern hatten ihm geglaubt. So lief es im Grunde jedes Mal ab, ebenso wie bei Jay, dessen Mutter Polizistin, und Dan, dessen Vater der Direktor der Highschool war. Es war ein wenig wie in einer schlechten Teenie-Serie, die brutalen Typen, die aufgrund ihrer einflussreichen Eltern tun und lassen konnten was auch immer sie wollten. Es war frustrierend, und es war ungerecht. Dennoch konnte Victor Eddies Wunsch, seiner Mutter die Sache mit der Verletzung zu verheimlichen, nachvollziehen. Er wusste, wie Eddies Mutter bei so etwas reagierte, und so sehr er die Frau auch mochte, in diesen Belangen handelte sie reichlich impulsiv und letztlich kontraproduktiv. Sein Blick fiel auf ein blau-schwarz kariertes Hemd in der hinteren rechten Ecke des Schrankes, er griff danach und hielt es Eddie hin. „Da, ich glaub, das könnte dir passen.“ Eddie nahm das Hemd entgegen, betrachtete es kurz, und nickte dann. „Super, danke. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich den ganzen Staub auf meiner Hose erkläre…“ „Wir können ja sagen, dass wir was auf dem Dachboden gesucht haben“, schlug Victor vor, worauf Eddie ein kurzes Lachen ausstieß und fragte: „Was denn, ist euer Dachboden nicht so sauber wie der Rest des Hauses?“ „Na ja, doch…“ Victor zuckte mit den Schultern. „Ich nehme aber mal an, das weiß deine Mutter nicht. Falls doch, fänd ich das irgendwie gruselig…“ „Okay, gutes Argument.“ Eddie nickte, dann machte er sich daran, sich das Hemd über sein Shirt zu ziehen, und Victor drehte sich noch einmal zu seinem Schreibtisch und griff nach seinem darauf liegenden Hausschlüssel. Kurz überlegte er, ob er seinem Vater Bescheid sagen sollte bevor er ging, dann jedoch schob er diesen Gedanken beiseite. Es würde ihn ohnehin nicht interessieren, allerhöchstens würde er sich darüber beschweren dass Victor ihn bei der Arbeit störte. „Fertig?“, fragte er, nachdem Eddie sich Hemd und Jacke angezogen und die Schultasche wieder aufgesetzt hatte. Der nickte. „Jap. Wir können gerne los, ich hab langsam wirklich Hunger!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)