Blut_Linie von DieLadi ================================================================================ Kapitel 7: Weiter machen ------------------------ Sie liefen beide nebeneinander her und hingen ihren Gedanken nach. Urplötzlich blieb Jakob stehen, packte seinen Bruder am Oberarm und riss ihn zu sich herum. „Daniel!“, sagte er, selber erschrocken von dem Gedanken, der ihm eben durch den Kopf geblitzt war und durchgeschüttelt von der Hoffnung, die heftig in ihm aufkeimte. „Als ich damals ... da haben die Eltern mir doch einen Schneewittchenapfel geschickt! Den Apfel mit dem Schlafgift! Den hab ich kurz vor Neumond gegessen ... warum macht ihr das nicht mit Larissa genau so?“ Daniel sah ihn voller Zorn an. „Glaubst du ernsthaft, das hätten wir noch nicht probiert? Glaubst du ernsthaft, dass wir nicht alles versucht hätten?“ „Was ... was soll das heißen?“, stotterte Jakob. „Das heißt, dass Larissa einen solche Apfel bekommen hat. Schon drei mal. Jesdesmal hat sie genau drei Tage geschlafen. Und dann ist sie wieder aufgewacht! Verstehst du? Von alleine aufgewacht!“ Jakob war fassungslos. Das dürfte doch eigentlich nicht passieren. „Aber ... wenn sie wieder aufwacht, ganz von allein ... ich meine, dann ...“ „Genau. Dann bleibt nur der eine Weg übrig. Wir brauchen Steve, und zwar schnell.“ „Und ihr habt keine Ahnung, warum der Vampirschlaf bei ihr nicht funktioniert?“ „Nein.“ Daniel drehte sich um und lief weiter. „Komm“, sagte er. Und Jakob folgte ihm. Er grübelte. Irgendeinen Grund muss es doch dafür geben. „Wir haben den Grafen gebeten, nach dem Grund zu forschen. Er kann das immerhin auch, aber er ist ein jahrhundertealter Stammvater, und Larissa erst seit wenigen Monaten überhaupt ein unerfahrener Jungvampir. Also wo liegt da die Verbindung? Aber er hat noch nichts herausgefunden.“ „Verdammt“, brummte Jakob. Im Moment schien sich aber auch alles gegen sie zu verschwören. „Glaub mir“, sagte Daniel leise. „Niemand wünschte sich mehr als ich, dass das alles anders wäre.“ Jakob schaute seinen Bruder an. „Ich wünschte mir“, fuhr der fort, „dass ich es machen könnte wie du. Ein Mensch werden. Mit Marti zusammen hier in Berlin leben. Ganz von vorn anfangen. Lieben, wen mein Herz ausgewählt hat. Ohne die Last und Bürde der Thronfolge.“ Er seufzte. „Aber ... Kann ich denn den Vater enttäuschen? Kann ich das Reich, unser Volk im Stich lassen? Also muss ich den Weg gehen, den das Schicksal mir bestimmt hat und muss tun, was getan werden muss. Ganz gleich, ob mein Herz daran zerbricht. Ich muss stark sein, kämpfen, weitermachen. Und dabei hab ich das alles so satt.“ Jakob schluckte. Da hatte er seine Bruder beschimpft und angeschrien, und völlig außer Acht gelassen, wie sehr der unter der ganzen verzwickten Lage litt. Die Entscheidung zwischen Pflicht und Liebe. Er selber hatte Felix und würde ihn bald heiraten. Nun ja, jedenfalls hoffte er das. Aber Daniel? Niemand sollte sich zwischen Pflicht und Liebe entscheiden müssen. Das war nicht fair. Nicht gerecht. „Und wenn du“, sagte er leise, „dich gegen die Pflicht entscheidest?“ Daniel blieb stehen und schaute ihn an. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Das kann ich nicht. Selbst wenn ich mich dazu durchringen könnte, könnte ich mir nie wieder selber in die Augen sehen. Würde meine Selbstachtung verlieren in dem Wissen, alle im Stich gelassen zu haben. Und wie sollte Marti mich dann lieben?“ Wieder setzte er sich in Bewegung und Jakob folgte ihm. „Unser Geschlecht ist seit Jahrhunderten auf dem Königsthron. Und du kennst doch die alte Prophezeiung: 'Wenn einst ein junges Blut auf grauen Flügeln schwebt. Und eine neue Königslinie in sich selber trägt. Dann kann der alte König sich zur Ruh' begeben und auch die Söhne sein in Ruhe und in Liebe leben.' Und ein junges Blut mit einer neuen Königslinie ist nicht in Sicht, oder?“ Daniel streckte Jakob seinen linken Unterarm hin, wo sich das Zeichen befand. Ein Zeichen, das jedes Mitglied einer Königsfamilie der Vampire hatte: Ein Mal in Form einer kleine Krone. Es war kein Tattoo oder dergleichen, nein, das trugen sie von Geburt an, und es zeichnete nur die Mitgleiter der unmittelbaren Königslinie aus. Jakob nickte, und schaute auf sein eigenes Mal. Es war kräftig und ausgeprägt wie immer. Er seufzte. Sein Bruder hatte wirklich ein bitteres Los gezogen, daran war nicht zu zweifeln. Eine halbe Stunde später standen die beiden jungen Männer vor dem Eingang des Krankenhauses. An der Rezeption erfragten sie, wo sie Steven Schuto finden würden. Man wies ihnen den Weg und sie machten sich auf die Sucher nach Zimmer Zehn, Station Sieben. Als sie vor der Station standen, wollte Daniel die Tür öffnen, um einzutreten. Jakob jedoch hielt ihn zurück. „Daniel ... du willst das wirklich durchziehen?“ Daniel schluckte. „Ich ...“ setzte er an, doch dann wusste er nicht weiter. „Du willst sie wirklich alle anlügen?“, fragte Jakob erneut. „Ich muss“, stöhnte Daniel. Jakob nickte unglücklich. Dann stieß er die Tür auf und sie traten ein. Die Freunde saßen und standen auf dem Flur. Felix eilte, kaum dass er Jakob sah, auf ihn zu und zog ihn in seine Arme. Marti umarmte Daniel. „Wir müssen hier warten“, sagte Felix. „Die Ärzte sind gerade bei Steve. Man sagte uns, dass wir im Augenblick nicht zu ihm können. Aber gleich dürfen wir. Nicht alle. Aber immer einer oder vielleicht zwei.“ Jakob nickte. Dann sah er seinen Bruder an. Dessen Augen waren geschlossen und er hatte seine Arme um Marti geschlungen. Er öffnete die Augen, sah Jakob an und flüsterte in seine Richtung: „Ich muss es tun!“ In diesem Augenblick schmiegte sich Marti noch fester an ihn. Daniel seufzte und sagte: „Aber ... ich kann es nicht. Ich bringe es einfach nicht fertig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)