Zum Inhalt der Seite

Die letzte Chance

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

27. Ich habe sie getötet!

Po hatte nicht die geringste Ahnung, wohin er nun gehen sollte. Er folgte einfach seinem Instinkt und hoffte, dass es sich nicht irrte. Hastig sah er sich um und stoppte.

„Hey, wieso renn ich ihm eigentlich hinterher?“, murmelte er vor sich hin. „Lass ihn doch einfach gehen.“

Er gab sich selber eine Ohrfeige. „Nein. Das ist nicht richtig. Ja. Es ist richtig. Nein…“

„Panda.“

„AHH!“ Po wirbelte herum und erstarrte.

„Oh… ähm…“ Als er die Wahrsagerin erblickte, wicht die Anspannung sofort wieder aus seinen Armen.

„Du bist verwirrt, nicht wahr?“, fragte sie.

„Warum… Hast du ihn gesehen?“

Die Ziege seufzte und deutete mit ihrem Gehstock in eine bestimmte Richtung.

Po nickte und winkte mit der Tatze. „Danke…“

„Panda.“

Po hielt inne. „Was ist?“

„Sei gewarnt“, sagte sie. „Lass dich nicht provozieren. Sein Geist ist voller falscher und gebrochener Erinnerungen. Breche ihn nicht endgültig. Zeig ihm das Licht im Leben.“

Po stand ratlos da und kratzte sich am Kopf. „Okayyy. Was soll ich tun?“

„Tu einfach nicht das, was er getan hatte.“

„Hat was getan?“

„Geh und du wirst es sehen.“

Po wollte noch etwas fragen, doch die Ziege ging weiter ihres Weges.
 

In Shens Kopf loderte ein zerstörerisches Feuer. Der Pfau stand still auf der Lichtung und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Plötzlich vernahm er Schritte, die sich in seine Richtung bewegten. Mit langsamen Lidschlägen schloss und öffnete er seine Augen.

„Warum gibst du nicht auf, Panda?“

Der Lord hob seinen Flügel und der Panda hielt an.

„Ich möchte klare Verhältnisse“, sagte Po mit fester Stimme.

Er konnte Shens Gesicht nicht sehen, da der weiße Pfau ihm den Rücken zugewandt hatte, doch auf den Schnabelwinkeln zog sich ein Lächeln.

„Darüber habe ich auch gerade nachgedacht.“

Mit diesen Worten drehte sich der Lord zu ihm langsam um. Po stand nur ein paar Meter weg, sein Blick aufgerichtet zu ihm, da der Pfau auf einem Hügel stand. Der Lord faltete seine nachgewachsenen Fingerfedern zusammen und sah den Panda mit unheilvoller Ruhe an.

„Du wolltest wissen, was in der Nacht passiert ist, nicht wahr?“

„Welche Nacht?“ Dann fiel es Po wieder ein. „Oh, diese Nacht.“

Der Lord verengte die Augen. „In der Tat.“

Er sah zum Himmel auf. „Es war dunkel. Und kalt. Aber das Feuer der brennenden Häuser jagte sie sehr schnell davon.“

„Wen? Die Pandas?“

Shen stieß einen genervten Seufzer aus. „Die Kälte.“

„Oh, okay.“

„Ja, ja“, murmelte der Lord und schritt langsam über das Gras. „Ich erinnere mich. Da saß ein kleiner Panda vor einem Haus.“

Pos Augen weiteten sich. Erinnerte er sich wirklich an ihm?

„So ein kleiner, süßer Panda, den ich in meinem Leben nicht brauchen konnte.“ Shen lachte heiser. „Ich befahl meinen Soldaten dich hinweg zunehmen – für immer.“

Vor Pos Augen tauchten Schatten auf. Er sah es noch vor sich, wie die Wölfe ihn ansprangen. Doch plötzlich…

Shen hielt inne und schnaubte. „Solch ein dummer, fetter Panda, der sich meinen Befehlen widersetzte.“

„Lauf mit unserem Sohn weg!“, rief der große Panda.

Der Pfau entfächerte seinen Pfauenschweif. „Tötet sie alle!“

„Ich musste diesem Unverschämten eine Lektion erteilen. Er kämpfte wie ein totaler Anfänger.“ Shen schnaubte verächtlich, doch seine Stimme blieb gelassen. „Oh, ja, er fiel in eines der brennenden Häuser. Was für ein schrecklicher Tod.“ Ein kaltes Lächeln formte den Schnabel des Pfaus bis seine Augen zu Po zurückwanderten. „Und du, kleiner Panda. Es ist mir ein Rätsel, wie du überleben konntest. Ein nettes kleines Wunder, welches mein Untergang wurde.“

Er schwang seine dunkelgraue Robe. Po wich zurück. Aber Shen griff ihn nicht an, sondern fuhr fort: „Deine Mutter war so eine naive Kreatur und rannte davon.“

„Warte mal ne Sekunde“, unterbrach ihn Po. „Woher weißt du, dass sie meine Mutter war?“

Shen hob die Nase und grinste. „Ich sah es in deinen Augen. Dieselben Augen, die mich ansahen, bevor ich sie getötet habe.“

Der Lord amüsierte sich über Pos geschocktes Gesicht.

„Sie dachte wirklich, dass ich sie verschonen würde. Sie bettelte um Gnade. Eine Kreatur, die mein Leben bedrohen wollte. Wie naiv kann man nur sein?“

Po ging einen Schritt zurück. Shen kam näher. Über Pos Lippen kam kein einziges Wort.

„Oh, kleiner Panda“, sagte Shen mit sanfter Stimme. „So viel Traurigkeit in deinen Augen? Hast du Angst?“

Er streckte seinen Flügel aus und ergriff den Arm des Pandas. Seine Fingerfedern gruben sich in das Fell mit einer Kraft, die gehörig weh tat. Po schrie auf. Plötzlich stachen die Klauen des Lords in seinem Arm. Shen lächelte boshaft.

„Blut kann so eine schöne Farbe im Schnee sein“, hauchte Shen, „wie das Rot in meinen schneeweißen Federn.“

Er lachte leise. Der Panda sah ihn immer noch sprachlos an.

Auf einmal ließ Shen von ihm ab, trat ein paar Schritte zurück und erhob seine Flügel in einer anmutigen Weise.

„Ja, ich habe sie getötet!“, schrie er. Seine Augen dabei weit offen. Beinahe geisteskrank. „Ich habe sie mit Vergnügen umgebracht!“

Er kicherte heiser. Doch sofort wurde er wieder ruhig und sah den Panda mit knallhartem Ausdruck an.

„Und ich bereue nichts!“

Po wusste nicht, was er sagen sollte, doch Shen wusste es.

„Und jetzt… töte mich.“ Er breitete seine Flügel aus, als erwarte er, dass ein Pfeil seine Brust durchbohren würde. „Hier stehe ich! Der Mörder deiner Mutter!“

Po rührte sich nicht. Im Mondlicht erschien der weiße Pfau wie ein Engel, nein, ein Todesengel, der seine Sünden offenbarte. Der Lord hob die Flügel noch höher.

„Brauchst du etwas Hilfe dabei?“

Etwas Langes und Scharfes blinkte im Schein des Mondes auf.

„Ich habe mir erlaubt, das hier zu entwenden.“

Er warf das Messer auf den Boden, wo es mit klingendem Geräusch niederfiel.

„Ich bin in deiner Hand.“

Po starrte auf das Messer, das vor ihm im Gras lag.

„Worauf wartest du noch?“ Shen wurde langsam ungeduldig. „Vollende dein Schicksal, Drachenkrieger. Lass uns unseren Krieg bereinigen.“

Langsam hob Po das Messer auf, doch er beweget sich immer noch nicht von der Stelle.

Shen Augen begannen zucken. Plötzlich sprang er den Panda an. Po fiel nach hinten, stand aber sofort wieder auf. Bevor Shen ihn erneut attackieren konnte, lehnte Po sich nach vorne und drückte den Pfau auf den Rücken und fixierte ihn auf den Boden. Shen keuchte, doch er lächelte mit einem giftigen Lachen auf den dunklen Schnabellippen.

„Willst du jetzt das tun, was du die ganze Zeit tun wolltest?“

Po zuckte zusammen. Das Messer hielt er immer noch in der rechten Tatze. Shen fokussierte es und nickte ihm zu.

„Tu es. Es ist nicht schwer.“

Damit packte er die Tatze des Pandas und führte das Messer über seinen Brustkorb.

„Nur ein Stoß um deinen Schmerz zu befriedigen. Ja, es wird deinen Schmerz heilen. Besser als Wissen.“

Der Pfau senkte die Klinge und hielt sie direkt über sein Herz.

„Es ist so einfach.“

Shen entspannte seinen Körper, aber er hielt den Augenkontakt.

„So einfach.“ Er lachte heiser. „Wie ich es mit deiner Mutter getan habe.“

Der Lord schloss die Augen. Er war bereit sein Schicksal zu erfüllen, wie er es nannte.

Mehrere Sekunden lang passierte gar nichts. Shen wagte es die Augenlider ein paar Millimeter zu öffnen.

In diesem Moment stieß der Panda das Messer vor. Shen kniff die Augen zusammen. Er hörte wie das Messer etwas rammte, doch er fühlte keinen Schmerz. Wieder öffnete er die Augen. Po hatte das Messer neben ihm in den Boden gebohrt.

„Was tust du da?!“, brüllte der Pfau mehr drohend als verwirrt.

Po antwortete nicht. Er stand auf und ging langsam davon. Schnell erhob sich Shen. Er zog das Messer aus der Erde raus und warf es auf den Panda. Plötzlich drehte Po sich um, hob die Tatzen und das Messer flog durch die Luft und blieb in einem Baum stecken.

Sprachlos starret Shen darauf. Seine Augen wanderten zurück zu Po, der in angespannter Position dastand.

„Du hast einen großen Fehler gemacht“, begann Po mit dunkler Stimme. „Doch das warst du gewesen. Und ich bin Po. Und ich bin nicht wie du.“

Shen zitterte. „Willst du denn nicht den Tod deiner Eltern rächen? Sie schreien förmlich danach!“

„So wie deine Eltern?“

Shen erstarrte.

„Dadurch bekomme ich meine Eltern auch nicht mehr zurück“, fuhr Po fort. „Genauso wenig wie du deine.“

Shen schnappte nach Luft. Diese Worte bohrten sich extrem tief in seine Seele.

Po hob seine leeren Tatzen. „Dein Leben ist nicht in meinen Händen. Es liegt in deinen Händen.“

Damit drehte er sich wieder um und schickte sich an zu gehen. Shen sah ihm nach. Der Pfau schluckte mehrere Male. Plötzlich schwang er sich in die Luft, landete direkt vor dem Panda und schnitt ihm den Weg ab.

„Hol sofort das Messer wieder runter!“

„Nein, Shen. Das ist etwas, was ich bestimmt nie tun werde.“

Der Pfau stand da wie verloren. Er verstand die Welt nicht mehr.

„Das macht alles keinen Sinn!“

Sein Schnabel bebte.

Po verengte die Augen. „Du bist hier der Einzige, der keinen Sinn macht. Wir wollen dir helfen. Doch du willst es nicht. Warum bist du so versessen darauf zu sterben? Du könntest es besser machen.“

„Das ist unmöglich!“, schrie der Pfau. „Mein Weg ist getan! Meine Zukunft ist vorherbestimmt! Du musst mich besiegen!“

Po starrte in seine Augen. „Dass man dich damals verbannt hatte lag nicht an mir, oder an meiner Familie. Dass die Kanone auf dich drauf gefallen war, war nicht wegen mir. Du hast meine Familie vernichtet, du hast deine Eltern unglücklich gemacht. Ich habe sie nie getötet. Es war nicht wegen mir. Ich habe dich nie alleine besiegt. Du bist derjenige, der das getan hat.“

Tief in Wut rang Shen nach Luft und ballte die Fäuste.

Ebenso Po, der verärgert den Blick senkte. „Geh wohin du willst. Ich werde dich nicht aufhalten. Tu was du für richtig hältst.“

Damit zog der Panda davon und drehte Shen den Rücken zu.

„Warum lässt du mich gehen?“

Po hielt an und seufzte. „Es liegt nicht in meiner Macht dich zu beschützen. Du bist ein Teil meines Lebens. Vielleicht sogar das letzte Teil, was ich von meinen Eltern haben werde. Aber vielleicht ist es das Beste mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich weiß, woher ich gekommen bin, und ich muss wissen, wo ich hingehen werde. Auch wenn mein Leben keinen guten Anfang gehabt hatte.“

„Wie kannst du nur mit dieser Schmach durchs Leben gehen?!“

„Das ist die Art zu leben. Es kommt nicht darauf an, woher man kommt. Viel wichtiger ist es, wohin man geht. Das Ende eines jeden Lebens zählt mehr. Es ist das letzte Zeichen was die Welt von einem sieht und ihr in Erinnerung bleiben wird.“

Damit ging Po weg und verließ den Lord, der still und schweigend dastand. Er beobachtete den Panda solange bis dieser verschwunden war. Shens Gesicht war wie Stein. Die Worte hallten durch seinen Sinn und hämmerten auf seine Seele ein.

Plötzlich fiel er zurück.

Nein, es war nicht seine Schuld! Es war die Schuld des Pandas!

Shen presste die Schabellippen zusammen und hielt sich den Kopf. So viele Stimmen stürmten auf ihn ein. Er konnte es nicht ertragen. Er bedeckte sein Gesicht. Alles wurde so schwer und schmerzte seiner Lunge.

Das Universum war gegen ihn. Er konnte keine klare Linie finden.

Die Zukunft, die Vergangenheit, die Gegenwart… alles war so verwirrend.

Er kniete sich hin und dann, nach langer Zeit, nach so langer Zeit, begann er zu weinen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück