Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [22.08.2011 – A01 – Technomagie] -------------------------------- Murphy hatte sich offenbar einen Spaß daraus gemacht, einen kleinen Plastikträger mit gleich sechs Dosen Energydrink mitzunehmen, als er hergekommen war. Zwei der Dosen waren jedoch schon leer und verbeult, hingen aber dennoch im Träger drin. Wieder trug er seine übliche Gestalt. „Hey“, gähnte er, als er in Heidensteins Büro in der Straßenklinik kam. Pakhet musterte ihn. Er war eindeutig übermüdet, konnte das sogar mit seiner Magie nicht gänzlich verbergen. Er hatte Ringe unter den Augen und wirkte ungewöhnlich blass. Dann aber blieb ihr Blick an dem Mädchen hinter ihr hängen. Nie im Leben hätte sie vermutet, dass sie auch nur entfernt mit Crash verwandt war. Wenngleich ihre Gesichtszüge vermuten ließen, dass sie Afrikaner in der engeren Verwandschaft hatte, so wirkte ihre Haut doch hell und hatte dazu den blassen Ton von jemanden, der selten aus dem Haus kam. Da sie zumindest eine leichte, natürlich Bräunung hatte, wirkte es beinahe etwas unnatürlich. Ihre Augenfarbe ließ sich nicht bestimmen. Sie trug violette Kontaktlinsen. Zumindest glaubte Pakhet, dass es Kontaktlinsen waren. Es konnte auch Magie sein. Das auffälligste an ihr war allerdings ihr Haar. Es war in dünne Zöpfe geflochten, die eng an der Kopfhaut anlagen und Muster malten. Anders, als man es normal gewohnt war, waren diese Muster jedoch bunt gemischt. Streifen, Sterne, ein Herzchen. Es hatte fraglos einige Geduld erfordert, diese Frisur so zu schaffen. Doch die Muster waren nicht das auffälligste. Auch waren Alices Haare in allen Regenbogenfarben gefärbt. Einzelne der dünnen Zöpfe waren gebleicht, waren blau, rot, türkis, grün und neongelb gefärbt, pink und violett. Damit nicht genug. Zusätzlich hatte sie die Zöpfe mit verschiedenen Extensions ergänzt, die teilweise für Farbverläufe sorgten. Es sah wirklich aus, als würde sie einen Regenbogen auf dem Kopf tragen. Das Nasenpiercing, die zerrissene Kleidung, die eine Mischung aus Jeansstoff, Camouflage und Neonfarben war, inklusive einem Netzoberteil, machten den Punklook perfekt. Es war schwer, nicht zu starren. Erst nach einigen Sekunden fing sich Pakhet und sah zu Heidenstein, dessen Blick ebenso auf dem Mädchen klebte, ehe er einen Blick mit ihr tauschte. Das Mädchen marschierte auf sie zu. Sie streckte ihr eine Hand mit dunkel lackierten Nägeln und überzogen mit einer Netzstulpe entgegen. „Du musst Pakhet sein. Ich bin Alice.“ Überrascht nahm Pakhet die Hand des Mädchens, das von nahen kleiner wirkte, als ihre Ausstrahlung es vermuten ließ. Sie wirkte geradezu petit. „Ja, ich bin Pakhet.“ Sie drückte die Hand des Mädchens, das einen erstaunlich festen Griff hatte. „Freut mich, dich endlich einmal kennen zu lernen.“ Alice lächelte nur selbstsicher, ja, beinahe etwas überheblich. „Murphy sagte, dass du einen Job für mich hast.“ Pakhet sah zu Murphy, der sich in der Ecke des Zimmers hingesetzt hatte und sich gerade seine dritte Dose Energydrink öffnete. Er sah zu ihr, nickte aufmuntern und goss dann die zuckrige Flüssigkeit seine Kehle hinab. „Ja, habe ich“, antwortete Pakhet schließlich. „Bezahlst du mich?“, fragte Alice und musterte sie. Zugegebenermaßen hatte Pakhet nicht damit gerechnet. Doch sie bemühte sich, sich nichts von ihrer Überraschung anmerken zu lassen. Alice kannte sie nicht und da sie – Pakhet – auch Jack und wen auch immer Smith mit sich bringen würde, bezahlen würde, war es wohl nur gerecht. „Ja, sicher.“ „Stundenbasis oder Informationsbasis?“ Alice verschränkte die Arme. Von ihrer Körperhaltung her, wäre es schwer zu sehen gewesen, dass sie gute zwei Köpfe kleiner war als Pakhet. Murphy zeigte zwei Finger und sah Pakhet eindringlich an. Er nickte. Starrte. Zeigte die zwei Finger. Starrte weiter. Pakhet wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Alice zu. „Informationsbasis.“ „Okay“, sagte Alice und nickte. „Wir können über mein Honorar dann im Detail später reden.“ Sie schenkte ihr ein zuckriges Lächeln, nahm den Arzthocker, der neben Heidensteins Schreibtisch stand und ließ sich mit verschränkten Armen darauf fallen, rollte etwas zur Wand, schlug ihre Beine übereinander. Heidenstein musterte sie, räusperte sich, sprach dann: „Was ist es genau, was du kannst, Alice?“ Alice lächelte. Sie sah zu ihm. Nein. An ihm vorbei. Ihre Augen waren, wie Pakhet nach einem Moment klar wurde, auf den Rechner hinter Heidenstein fixiert. Pakhet und Heidenstein sahen sich zum Rechner, beziehungsweise dem Bildschirm um, auf dem sich ein gerade ein Fenster öffnete. Es war ein Texteditor in dem nun Text erschien. In schneller Abfolge erschien ein Buchstabe nach dem anderen. Selbst die beste Sekretärin hätte diese Geschwindigkeit nicht schlagen können. „Ich habe die ein oder andere Begabung“, stand dort, gefolgt von einem zwinkernden Smiley. Ein weiteres Fenster öffnete sich, ein Browser. Zahlen erschienen in der Adresszeile. Dann startete sich ein Download. „Hey!“, rief Heidenstein aus und drehte sich zu ihr um. „Das ist mein Arbeitsrechner.“ „Entspann dich“, flüsterte Alice mit einem überlegenden Lächeln auf ihren Lippen. Sie nickte in Richtung des Rechners. Dort öffnete sich ein Installationprogramm, gefolgt von einem neuen Browser, in dessen Adresszeile erneut zahlen erschienen – eine IP – und eine Seite aufriefen, die Pakhet bereits einmal gesehen hatte: Die Webseite des Menschenhandels. Die Ansicht des Browsers veränderte sich rapide. Der Quellcode wurde aufgerufen. Die Anzeige scrollte durch den Code. Einzelne Sachen wurden markiert, neue Ansichten öffneten sich. Pakhet hatte wenig Ahnung von Computern. Sie verstand nicht gänzlich, was gerade vor sich ging. Es sah in etwa aus, wie Science-Fiction-Filme in den 80ern es dargestellt hatten, wenn sich eine AI auf einem Rechner ausbreitete und die Kontrolle über diesen übernahm. Am Ende öffnete sich wieder der normale Browser, gefolgt von einer Webseite, in dem eine Karte erschien und ein Anzeiger mitten in Panama. Dann tat der Rechner nichts mehr. Blieb auf dieser Seite. „Da ist ihr Server“, sagte Alice. „Zumindest der Hauptserver. Sie haben Backups.“ Als Pakhet sich zu ihr umdrehte, lächelte sie. „Und wenn ihr jemanden davon erzählt, was ihr gerade gesehen habt, wird Crash euch umbringen“, fügte Alice hinzu. Noch immer lächelte sie süßlich. Was zur Hölle war dieses Mädchen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)