Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [20.08.2011 – M13 – Ersthaftigkeit] ----------------------------------- Am nächsten Tag fand sich Pakhet tatsächlich wieder in einem Eiscafé zusammen mit Murphy – nur mit Murphy dieses Mal. Wieder hatte er einen großen Becher bestellt, dieses Mal einen Nuss-Krokant-Becher und schaufelte das Eis genüsslich in sich hinein. Wieso brachte es sie zum Lächeln? Sie wurde aus dem Jungen nicht ganz klug. Er konnte nerven, war manchmal sehr unsensibel und schien gleichzeitig vieles zu verstehen, ohne dass man es ihm sagte. Dennoch konnte sie ihm nicht lange böse sein. Vor allem, da er wirklich noch ein Kind war – egal welche Gestalt er annahm. Er war gut darin, jemand anderen zu imitieren, doch am Ende konnte er seine jugendliche Natur nicht verleugnen. Trotz aller Abgebrühtheit war da etwas Unschuldiges  … „Wieso isst du nicht eigentlich auch Eis?“, fragte er. „Weil Süßes nichts für mich ist“, erwiderte sie schlicht. „Nicht jeder hat den Luxus, das Fett magisch verschwinden zu lassen.“ „Als ob an dir auch nur ein Gramm Fett wäre“, murmelte er und warf ihr einen Seitenblick zu. Sie lächelte, zuckte mit den Schultern und nippte an ihrem Eiskaffee. „Davon abgesehen mag ich Süßes nicht.“ „Wie kann man Süßes nicht mögen?“ Wieder einmal spielte der Junge, der – wie praktisch immer, wenn sie sich trafen – die Gestalt des hellhäutigen, schwarzhaarigen Jungen von siebzehn oder achtzehn angenommen hatte, empört. „Ich mag es halt nicht.“ Die Worte unterstrich sie mit einem weiterem Schulterzucken. „Wahrscheinlich ist das der Grund, warum du immer so griesgrämig bist“, meinte er. „Du isst einfach nicht genug Schokolade.“ Sie hob eine Augenbraue. „Und Schokolade macht glücklich?“ „Ja. Ich habe gehört, da gibt es Studien oder so, die das belegt haben!“ Er grinste sie an. Pakhet schüttelte den Kopf, lachte leise und trank noch Schluck ihres Eiskaffees. Es war ein angenehmer Tag. Es war halbwegs warm, die Sonne schien und der Wind vom Meer wehte seicht. Noch immer waren einige Touristen in der Stadt unterwegs. Langsam merkte sie auch, dass ihre Unruhe nachgelassen hatte. Sie war ruhiger geworden, tat sich sogar leichter damit, mit Heidenstein zu reden. „Und, was macht Crashs neuer Gig im Moment?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln. „Och, es läuft eigentlich wunderbar. ‚Er ist halt der geborene Stürmer‘, sagen sie. Ich meine, mal ehrlich, wenn er läuft, will ihn niemand mehr aufhalten.“ „Ich frage mich ja, ob es nicht etwas geschummelt ist. Immerhin ist er Gestaltwandler.“ Murphy zuckte mit den Schultern und begann seinen Becher auszukratzen. „Na ja, du hast magische Kräfte, ich habe magische Kräfte. Schummeln wir auch? Wenn er gewinnt, geht es um Geld und Ansehen. Wenn du gewinnst, sterben Leute.“ „Ich bemühe mich nicht zu töten.“ „Ja, aber dennoch sterben immer wieder Leute.“ Ihn schien es weder zu stören, noch zu schockieren. War es so normal für Straßenkinder in der Stadt? Den Gedanken an die Straßenkinder hasste sie noch immer. So wenig es zu ihrer normalen Persona passte, so bereiteten ihr solche Bilder weiterhin Bauchschmerzen. Kinder sollten eigentlich ein Zuhause haben. Eine Zuflucht. Doch was sollte sie tun? Sie hatte keinen Einfluss und Geld, das sie gab, würde am Ende bei den falschen Leuten landen. „Weißt du“, begann Murphy, als ein Klingeln aus ihrer Jackentasche ihn unterbrach. „Sorry.“ Sie griff nach ihrem Handy, fischte es aus der Tasche hervor und schaute auf den Bildschirm, halb damit rechnend, dass es Heidenstein war. Jedoch war es nicht Heidensteins Name, der auf dem Touchbildschirm erschien. Es war Michaels. Das konnte nichts Gutes heißen. Sie stand auf, ging dran und bemühte sich, einige Meter Abstand zu Murphy zu gewinnen. Sie wollte nicht, dass er mithörte und so lehnte sie sich ein Haus vom Eissalon entfernt, gegen die Wand. „Was kann ich für dich tun, Michael?“ Ihre Stimme klang kühl, sagte deutlich, was sie von diesem Anruf hielt. „Hallo, Jojo“, erwiderte Michael bester Laune. „Was kann ich für dich tun?“, wiederholte sie. Ein Seufzen. „Ach, immer so misstrauisch. Meine Liebe. Ich habe hier nur gerade einen Job reinbekommen, der dich interessieren könnte.“ Irgendetwas stimmte an der Sache nicht. Das wusste sie. Sicher, Michael hatte ihr in der Vergangenheit öfter direkt Jobs zugespielt, doch in den letzten ein, zwei Jahren hatte er es meistens über Smith geregelt. „Was für ein Job?“ „Wie gesagt, etwas für dich: Verschwundenes Mädchen. Wahrscheinlich entführt. Ein Video mit ihr ist auf einer Webseite aufgetaucht.“ Sie ahnte, was kam. „Was für eine Webseite?“ „Nun, sagen wir es so: Eine Marktplattform.“ Sie hatte eigentlich Porno-Webseite gedacht, doch sie wusste, was gemeint war. Sklavenmarkt. Fuck. „Und wieso glaubst du, ist das etwas für mich?“ „Sie ist sechzehn.“ Michael machte eine kurze Pause. „Hast du es nicht normal mit den Jugendlichen und all dem? Beschützerinstinkte oder so.“ Sie brummte. Alles, was sie hatte, war eine Regel, dass sie keine Jobs annahm, Kinder oder Jugendliche zu entführen oder zu töten. „Und deswegen rufst du mich an?“ „Ja.“ Das Grinsen war deutlich aus Michaels Stimme herauszuhören. „Ich habe einfach an dich gedacht.“ Fuck. Sie mochte das Ganze nicht. „Bezahlung?“ „36 000“, antwortete Michael. Das war keine schlechte Summe, gerade für die Art des Falls. Vor allem, da diese Fälle fast immer Mädchen oder Jungen aus armen Familien betrafen. Jedenfalls hier, jedenfalls, wenn sie zu ihnen getragen wurden. Leute, um die sich die öffentlichen Behörden nicht kümmerten. „Wer ist der Auftraggeber?“ „Ihr Arbeitgeber“, meinte Michael. „Also was ist. Willst du den Job? Ich schicke dir alles, was du wissen musst.“ Fuck. Sie hasste es wirklich. Irgendetwas war hier faul und sie wusste nicht genau was. Doch wenn sie es nicht tat, würde den Job jemand anderes machen. Also konnte auch sie  … „Okay.“ „Wunderbar“, meinte er. „Ich schicke dir die Unterlagen nachher rüber.“ „Okay“, murmelte sie und legte auf. Sie runzelte die Stirn. Was könnte an diesem Fall nicht stimmen, dass Michael ihn ihr zuspielte? Was war daran faul? Warum hatte er ihn ihr überhaupt zugespielt? Eigentlich ahnte sie es: Er wollte einen Punkt machen, da er mit ihren Entscheidungen nicht einverstanden war. Doch was war genau sein Punkt? Sie schüttelte den Kopf, ging zu Murphy zurück, der mittlerweile seinen Becher saubergeleckt hatte, dem aber der ernste Blick auf ihrem Gesicht nicht entging. Er runzelte ebenfalls die Stirn, sah sie an. „Alles in Ordnung, Pakhet?“ „Ja, alles bestens, Kid.“ Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken an Michael zu vertreiben. „Nein, es ist nicht alles bestens“, stellte er fest. „Was ist los?“ „Ich habe gerade nur einen neuen Job reinbekommen“, antwortete sie. „Unschöne Sache.“ „Inwiefern?“ Natürlich wollte er alles wissen. Sollte sie es ihm erzählen? „Entführtes Mädchen, ist offenbar im Menschenhandel gelandet.“ „Oh.“ Etwas auf Murphys Gesicht veränderte sich. Er starrte auf den leeren Eisbecher, nun selbst ernster, als sie ihn bisher gesehen hatte. Für einen Moment ließ er den Löffel von seinen Fingern baumeln – offenbar in Gedanken versunken –, ehe er zu ihr sah. „Hättest du was dagegen, wenn ich dir dabei helfe?“ „Was?“ Überrascht hob sie eine Augenbraue. „Ich will dir helfen“, sagte er. „Wirklich.“ „Warum?“, fragte sie. Eigentlich hätte sie „Nein“ sagen sollen. Sie konnte den Jungen nicht bei einem solchen Job mitnehmen. „Weil Nachforschungen etwas sind, das mir liegt“, antwortete er. „Weil ich Leute dazu bringen kann, mit mir zu reden. Glaub mir, Pakhet. Das ist etwas, wo ich die helfen kann.“ „Du hast einen richtigen Job, Kid.“ Er fixierte sie – sein Blick entschlossen. „Bitte, Pakhet.“ Sie sollte wirklich „Nein“ sagen. Trotzdem zögerte sie. „Okay. Unter einer Bedingung. Wenn es gefährlich wird, bringst du dich in Sicherheit.“ Murphy nickte. „Deal.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)