Grisha Tales von ChiaraAyumi ================================================================================ Kapitel 4: Reisevorbereitungen (Jesper & Wylan) ----------------------------------------------- Jesper konnte nicht stillsitzen. Ungeduldig tigerte er von der einen Seite des Raumes zur anderen, wobei er die Möbel umrundete, die ihm im Weg standen. Das kleine Sofa mit dem Beistelltisch, das Klavier und den Schreibtisch an Wylan saß, dem er eigentlich dabei helfen sollte, mehrere Briefe aufzusetzen, doch er konnte seine Gedanken nicht vom Kreisen abhalten. „Du sollst mir helfen“, beschwerte sich der Kaufmannssohn, der nun selbst ein Geschäftsmann war und zwar ein deutlich besserer als sein Vater es jemals gewesen war. „Glaubst du, es ist wirklich eine gute Idee?“, fragte Jesper, während er sich auf die Lippe biss. „Es war deine Idee“, gab Wylan zurück, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren vor sich zu wand, um eine Sekunde später genervt aufzugeben. „Du musst nicht mitkommen. Du kannst hierbleiben“, sagte der Dunkelhaarige. „Wenn ich ehrlich bin, hatte ich viel zu viel zu trinken und ich hab es nur so aus dem Moment heraus gesagt....Ich glaube es ist besser, wenn ich hier bleibe. Lass uns die Sache vergessen.“ Wylan schüttelte seinen Lockenkopf und lachte. Wie sehr er nur dieses melodische Lachen und diese rotblonde Locken liebte. Er wollte sofort zu ihm herübergehen und ihm einen Kuss geben, bevor er seine Hände über diese zierlichen Körper wandern lassen würde... Doch gerade kämpfte er mit einem anderen Gedanken in seinem Kopf. Er hatte es nur so daher gesagt, als er meinte, dass er bereit war einen Lehrer in Rawka suchen würde. Er war es seiner Mutter schuldig, mehr über seine Grischakräfte zu erfahren. In dem Augenblick, als er es ausgesprochen hatte, hatte es sich richtig angefühlt, doch jetzt war er unsicher. Er wusste, dass er es Wylan versprochen hatte, als der ihm erlaubt hatte, an der Börse zu spekulieren. Jesper hatte es nur gesagt, weil er wusste, dass es Wylan hören wollte. Er hatte gedacht, dass die Sachen damit gegessen war. Gestern Abend war es aber über ihn gekommen. Die Faulheit, die mit dem Luxus einherging, hatte ihn träge gemacht. Plötzlich wollte er wieder Abenteuer erleben. Warum nicht nach Rawka fahren und sein Versprechen einlösen? Wylan hatte ihm sofort angeboten mitzukommen, damit er nicht alleine in ein fremdes Land musste. Als ob er ihn beschützen konnte. Jesper konnte nicht leugnen, dass es ihn glücklich gemacht hatte, wie bereitwillig Wylan ihn begleiten wollte, obwohl er gerade erst seine Mutter wieder hatte und er noch ein Neuling im Geschäft war. Doch all das würde er für ihn stehen lassen, damit sie gemeinsam nach Rawka gehen konnten. „Du hast es mir versprochen, erinnerst du dich? Und warum sollten wir nicht jetzt gehen? Wir bleiben ja nicht für immer weg. Und wir können Nina in Rawka treffen. Inej erwartete uns morgen im Hafen auf ihrem Schiff und ich glaube, wir wollen nicht das Phantom versetzen oder nicht?“ Jesper grummelte. Er ließ sich auf das Sofa fallen und streckte seine langen Beinen auf dem Beistelltisch aus. Wylan sah ihn abschätzig an und er nahm die Füße vom Tisch. Er wollte es nicht laut aussprechen, also tat Wylan es für ihn. „Du hast Angst und du schämst dich dafür. Das ist doch völlig okay. Jeder hat Angst. Du solltest dich nicht vor diesem wunderbaren Teil von dir selber fürchten.“ Jesper verschränkte die Arme. Er wollte nicht darüber reden. Er wusste selbst, dass es idiotisch war. Was sollte ihm schon passieren? Wenn er lernte mit seiner Macht umzugehen, würde es ihm besser gehen. Er würde endlich den Teil von sich kennenlernen, den er solange vor sich verschlossen hatte. Er würde sich ganz fühlen. Davor musste er keine Angst haben. Wylan kam zu ihm herüber und setzte sich neben ihn. Er fuhr mit seinen langen Fingern über seinen Arm und Jesper unterdrückte einen Schauer. Wie konnte dieser Junge, der bis vor ein paar Monaten noch grün hinter den Ohren gewesen war, so schnell lernen? „Lass das“, zischte Jesper, weil er bereits spürte, wie er bereit war nachzugeben und alles zu tun, was Wylan von ihm wollte. Und wollte er es nicht auch? „Ich werde schon auf dich aufpassen und dafür sorgen, dass Rawka dich nicht in die zweiten Armee eingegliedert. Ich brauche dich schließlich hier.“ „Weil das Krämerlein sonst seine Briefe nicht schreiben kann und ihm niemand sagt, was in all den wichtigen Dokumenten steht?“, zog Jesper ihn mit seiner Leseschwäche auf. „Dafür kann ich jemanden anderes einstellen. Du hast nicht gerade die schönste Schrift“, gab Wylan keck zurück, obwohl seine Wangen sich verräterisch rot färbten. „Und du gibst zu viele Widerworte. Wenn ich es mir so überlege, sollte ich dich entlassen und mir jemand anders suchen.“ „Ach“, Jesper zog die Augenbraue hoch. „Würdest du das? Würdest du mit ihm auch das Bett teilen und ihm all deine kleine Geheimnisse ins Ohr flüstern?“ Wylan errötete noch stärker. Er sah ihn aus seinen klaren, blauen Augen an und Jesper verlor sich in den Tiefen dieser Augen. Er beugte sich vor und zog Wylan an sich heran, um ihn leidenschaftlich zu küssen. „Weißt du, Jesper, ich liebe dich in all deinen Facetten“, flüsterte Wylan ihm ins Ohr, während er sich an seine Brust kuschelte. „Warum kannst du nicht auch sehen, was für ein wunderbarer Menschen du bist?“ Sein Herz raste wie ein wild gewordenes Pferd durch seine Brust, als Wylan ihm seine Liebe gestand. Wie sehr dankte er Ghezen dafür, dass sie all diesen Wahnsinn gemeinsam überlebt hatten und nun hier auf diesem Sofa einander in den Armen lagen. War es da so schräg, dass er fürchtete, diese Ruhe und Frieden wieder zu verlieren? Dass er genug vom Wahnsinn hatte? Aber er belog sich selbst, dass wusste er genau. Er konnte nicht stillsitzen und an einem Ort verweilen. Er war ein unruhiger Geist. Und was machte eine Reise mehr, wenn er Wylan an seiner Seite hatte? Er fühlte sich, als könnte er Bäume ausreißen und ganze Armeen mit seiner Macht niedermähen, solange er diesen Jungen neben sich hatte. Sein Herz explodierte fast vor Freude und Aufregung. Zwischen den Küssen murmelte er: „Okay, wir fahren morgen“ und erstickte Wylans freudigen Aufschrei mit einem weiteren Kuss. Morgen würden sie Seite an Seite in ein neues Abenteuer aufbrechen, doch bis dahin würde er Wylan in seinen Armen halten und den Frieden genießen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)