Die Farben Schneewittchens von DieLadi ================================================================================ Kapitel 2: Mitbewohner ---------------------- Felix machte sich Sorgen. Sein bester Freund, Mitbewohner und Bandkollege Jakob zog sich immer mehr zurück. Irgendetwas schien vorgefallen zu sein, das Felix nicht verstand. Sie hatten immer über alles reden können, seit sie sich kannten, also in etwa seit einem Jahr. Hatten Freude, Glück und Kummer geteilt. Aber seit einigen Wochen war das anders. Jakob redete fast gar nicht mehr, blieb die meiste Zeit in seinem Zimmer und hörte Musik. Oder er spielte Gitarre und summte leise dazu, traurige, melancholische Melodien. Felix seufzte. Er stand in der Küche und buk Pfannkuchen, Jakobs Leibspeise. Felix' Pfannkuchen waren allerdings auch unübertroffen, das konnte der gesamte Freundeskreis bestätigen. André, ihr dritter Mitbewohner, kam schnuppernd um die Ecke. „Mhhh, reichen die auch für mich?“ Ein empörter Blick aus Felix' Augen traf ihn. Als ob Felix jemals nicht genug für sie alle gekocht hätte. Auch Frodo, der nach der Trennung von seiner Freundin, die freundschaftlich und ruhig über die Bühne gegangen war, wieder in sein altes Zimmer hier in der WG gezogen war, kam ebenfalls fröhlich pfeifend in die Küche, setzte sich schwungvoll auf einen Stuhl an den Küchentisch und schaute Felix zu, wie er einen Pfannkuchen mit elegantem Schwunge wendete. „Mensch, Felix, dit kannste richtig gut!“ Felix grinste. Ja, kochen war halt einfach sein Ding. Doch im nächsten Moment war sein Gesicht wieder sorgenvoll. Und während André den Tisch deckte und Felix die Pfannkuchen auf den Stapel bereits fertiggestellter auf einem Teller in der Mitte des Tisches gleiten ließ, fragte er die anderen beiden: „Sagt mal, habt ihr eine Ahnung, was mit Jakob los ist?“ Frodo zuckte mit den Schultern. „Nö, du, aber ich hab ihn in den paar Tagen, seit ich wieder hier wohne, auch kaum zu Gesicht bekommen.“ André wusste auch nichts. Aber er nahm das ganze lockerer. Er war ein guter Freund, keine Frage, aber solche Gefühlsdinge nahm er nicht so ernst. Er war einfach ein robuster Typ. „Ach, wer weiß, was unsere Diva wieder hat. Wir sollten ihn einfach in Ruhe lassen, irgendwann bekriegt er sich schon wieder.“ Felix drehte sich zur Pfanne um, wo gerade der letzte Pfannkuchen brutzelte und zischte. „So“, sagte er, als er auch den auf dem Stapel platzierte, „fangt schon mal an, ich hole inzwischen Jakob.“ Er ging über den Flur zu Jakobs Zimmer und klopfte. „Jakob? Kommst du? Das Essen ist fertig!“ „Ich habe keinen Hunger“, kam es von drinnen. „Jakob Joiko, du kommst jetzt sofort in die Küche und isst etwas! Du hast seit Tagen nicht mehr vernünftig gegessen! Los!“ Keine Antwort. „Jakob, nun komm schon. Es gibt auch Pfannkuchen.“ Einen Moment herrschte Schweigen, dann hörte man von drinnen: „Pfannkuchen...?“ „Ja doch. Mit Apfelmus und Zimtzucker. Und nun komm.“ Einen Augenblick war wieder Stille, dann hörte man die Sprossen der Leiter an Jakobs Hochbett knarren und Füße über die Dielen tappen. Jakob öffnete die Tür. Er sah müde aus. Felix sog zischend die Luft ein, sagte aber nichts. Er wollte Jakob nicht gleich wieder vergraulen. Also ging er zurück in die Küche, während Jakob hinter ihm her trottete. „Da ist ja unsere Diva“, rief André feixend, als die beiden die Küche betraten. Jakob warf ihm einen finsteren Blick zu, und Felix zischte: „André, lass gut sein!“ Frodo nickte Jakob zu und sagte nur: „Hallo, Kumpel!“ Und dann verspeiste er mit Appetit den nächsten Happen. Auch Jakob aß. Langsam, aber durchaus mit Genuss. Ihm ging dabei vieles durch den Kopf. Es würde schade sein, das alles aufzugeben. Die Freunde. Die Musik. Fröhliche Abende beim Zocken. Mate trinken. Felix' gutes Essen. Oh Mann, diese Pfannkuchen ... Aber es half alles nichts, er hatte keine Wahl. Er würde sterben. Ein Vampir stirbt, wenn er drei Neumonde hintereinander nicht auf die Jagd geht und kein Blut trinkt, weder Menschen- noch Tierblut. Dann sinkt er nach dem dritten Neumond zu Boden und zerfällt zu Staub. Jakob wollte das nicht, aber er wollte noch viel weniger jemals wieder einem Menschen Schaden zufügen. Und Tierblut würde auf Dauer auch zu seinem Tod führen, es würde nur viel länger dauern und qualvoll enden. Und wozu sollte man das eigene Leid unnötig verlängern? Was ihn dabei am traurigsten machte, war das Wissen, dass Felix unglücklich sein würde. Er würde ihn zutiefst verletzen. Er hätte so gerne mit Felix über all das geredet, aber das ging nicht, mal abgesehen davon, dass ihm ohnehin vermutlich niemand, nicht einmal Felix, auch nur ein Wort geglaubt hätte. Während er noch so seinen Gedanken nachhing, ging die Schelle an der Wohnungstür. Die Männer sahen sich fragen an, dann stand Frodo auf und ging zur Tür. Einen Augenblick später betrat er wieder die Küche und hielt in der Hand einen dicken, schweren Umschlag. „Das lag auf dem Boden vor unserer Tür!“ Jakob sah, was Frodo da in den Händen hielt und ihm stockte der Atem. Er erkannte die seltsamen Schriftzeichen darauf sofort: Es waren die uralten Zeichen der Vampire. „Das ... das ist für mich ...“, stotterte er. Frodo zuckte mit den Schultern. Jakob sprang von seinem Stuhl, schnappte sich den Umschlag, rannte in sein Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Hosted by Animexx e.V. 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