Die Farben Schneewittchens von DieLadi ================================================================================ Kapitel 1: Söhne ---------------- Rot wie Blut, weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz. So waren sie immer gewesen. Die Farben des ältesten Sohnes des Vampirkönigs. Seit Jahrhunderten, Jahrtausenden, seit Äonen. Und jeder Vampirkönig hatte nach der Geburt des ersten Sohnes diesen zum Nachfolger ernannt. Die Menschen kannten viele Geschichten über Vampire. Sie erzählten von Dracula Von Nosferatu. Pah. Alles Märchen. Die wahren Vampire und ihre Geschichten kannten sie nicht. Im Jahre 1992 wurde nun dem amtierenden König der erste Sohn geboren. Aber etwas stimmte nicht. Er war rot wie Blut. Seine Lippen schimmerten im schönsten kirschrot, nein, blutrot, dass man sich vorstellen kann. Er war weiß wie Schnee. Seine Haut schimmerte ebenfalls, im schönsten schneeweiß, dass man sich vorstellen kann. Sein Haar jedoch, und jeder Vampir hat schon direkt nach der Geburt einen dichten Schopf kurzer Locken, war erstens glatt und zweitens, und das war viel schlimmer, nicht schwarz. Sie hatten nicht die Farbe von Ebenholz. Eher die Farbe von dunklem Nussbaumholz. Die Königin brach bei seinem Anblick in Tränen aus. Sie liebte ihr Baby, wie jede Vampirin ihre Kinder nun mal liebt. Da sind sie nicht anders als Menschen. Aber ... sie wusste, das würde Ärger geben. Für sie und ihr wunderschönes Kind. Und daher schluchzte sie, voller Trauer, Angst und Verzweiflung. Der König ... nun, auch er liebte sein Kind. Aber er konnte nicht umhin, sich den Vampirgesetzen zu beugen. Und so trat er vor den Rat. Der Rat der Vampire wälzte die Gesetzbücher. Und fällte das Urteil. Das Kind sollte einen Namen bekommen, und aufgezogen werden, doch es dürfte nie Vampirkönig werden. Man musste auf einen weiteren Sohn hoffen, der die Farben Schneewittchens trug. Schneewittchen war ebenfalls eine Vampirin gewesen; sie hatte sich zu sehr mit der Welt der Menschen befasst, und daher waren die Vampirfarben nun unter dieser Bezeichnung in der Menschenwelt bekannt, die die Vampire der treffenden Einfachheit wegen übernommen hatten. Der Erstgeborene sollte, sobald er erwachsen sei, wählen dürfen, seinem Bruder, dem König, zu dienen, oder die Vampire zu verlassen. Und unter Einhaltung bestimmter Regeln in der Welt der Menschen zu leben. Also taufte man ihn nach Art der Vampire und nannte ihn Jakob Joiko. Das „Joiko“ stand für „Jener Obere, Innere Kraft Offenbarende“ und war ihm als Taufnahme von den Sternenlesern gegeben worden. Jakob wuchs heran, und ja, es gab tatsächlich knapp ein Jahr nach seiner Geburt einen Bruder, der die erwarteten Farben trug. Und Jakob stand sein Leben lang in seinem Schatten. Und als der Tag der Entscheidung kam, entschied er sich zu gehen. Es war ein bitterer Abschied. Die Mutter weinte salzige Tränen. Dem Vater war das Herz schwer. Nur der Bruder war nicht undankbar für seine Entscheidung; er hatte den älteren und doch ihm untergebenen Bruder immer als lebenden Vorwurf empfunden, auch wenn Jakob nie etwas dergleichen hatte verlauten lassen. Jakob zog in die Welt der Menschen. Er fand Freunde unter den Menschen. Er fand den einen Freund, der etwas besonderes für ihn war. Jakob hatte ein Händchen für Musik, und so gründeten sein neuer Freund und er eine Band. Jakob hatte ebenso ein Händchen für Malerei, und so beschloss er, zu tun, was ein Mensch unter diesen Umständen tun würde: er begann, Kunst zu studieren. Das Leben unter den Menschen, in der großen Stadt, machte ihm Freude. Er vermisste die Welt der Vampire nicht, er bedauerte nicht, dass ihm das Königtum verwehrt worden war. Er war glücklich. Nur eines störte dieses Glück. Er war im Grunde seiner Natur immer noch ein Vampir. Und auch wenn er sich an den meisten Tagen im Jahr von menschlichen Nahrungsmitteln ernährte, konnte er nicht umhin, etwa einmal alle vier Wochen, nämlich genau an Neumond, auf die Jagd zu gehen. Die Instinkte waren zu stark. Er brauchte ein Opfer, und er brauchte Blut. Nun gibt es für das Opfer eines Vampirs zwei Möglichkeiten. Entweder es wird selber zu einem Vampir, das geschieht dann, wenn der beißende ihm genug Blut in den Adern lässt. Da sich derjenige der Tatsache aber nicht bewusst ist, und somit den Bedürfnissen nicht nachkommt, stirbt er langsam und qualvoll. Oder aber der Vampir saugt es komplett aus und das Opfer stirbt sofort. Vampirismus oder Tod ... für den Durchschnittsmenschen beileibe keine erstrebenswerten Ziele. Und seit Jakob unter Menschen lebte, mochte er die Menschen. Er wollte ihnen so etwas nicht antun. Er hatte es daher bisher geschafft, sich an Tiere zu halten. Schafe, Kühe. Aber ... das würde bald nicht mehr funktionieren. Es war keine Lösung für die Dauer. Er brauchte Menschenblut. Ansonsten würde etwas geschehen, was Vampiren eigentlich normalerweise nur dann widerfuhr, wenn sie sich willentlich dafür entschieden: Er würde sterben. Jakob wollte keinen Menschen beißen. Also entschied er, der das Leben unter den Menschen gerade so sehr zu lieben begonnen hatte, sich dafür, in den Tod zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)