Things That Should Not Be von Yuugii (Kunikida/Dazai) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Ranpo stürmte unangemeldet in Dazais Krankenzimmer, ließ die Tür laut aufknallen, sodass der Brünette augenblicklich zusammenzuckte und seinem unerwünschten Besuch einen bösen Blick zuwarf. Kunikida entschuldigte sich mehrmals für Ranpos Betragen, doch dieser ignorierte nicht nur Dazais verwirrten Blick, sondern machte auch keinerlei Anstalten Besserung zu geloben. Zügig stampfte Ranpo vor Dazais Krankenbett und sah ihn eindringlich an. Dazai lächelte. Wie immer. Dieses ekelhaft falsche Lächeln, das Ranpo von Anfang an durchschaute. Kunikida blieb direkt neben seinem Kollegen stehen und warf Dazai einen besorgten Blick zu. Wann war er aufgewacht? Wie ging es ihm? Noch ehe er seinen Mund öffnen konnte, um etwas zu sagen, streckte Ranpo seine Hand aus und riss dem Brünetten einige Haare aus. Sofort klagte der Brünette. „Was soll das?! Das tut weh!“, meckerte Dazai und hielt sich seinen Kopf genau da, wo Ranpo rücksichtslos eine ganze Haarsträhne ausgerissen hatte. „Yeah, sorry, ich wollte eigentlich nur ein paar Haare und nicht einen Büschel. Keine Sorge, du bist noch jung. Die wachsen nach“, meinte er und verstaute die ausgerissene Haarsträhne in seiner Hosentasche, grinste dabei breit. „Wie kann Ranpo-kun einem Patienten im Krankenhaus auch noch absichtlich Schmerz zufügen? Das Leben ist so ungerecht~“, wimmerte Dazai und ahmte einen sterbenden Schwan nach. Kunikida warf Ranpo einen finsteren Blick zu. Ranpo verdächtigt Dazai, schoss es ihm durch den Kopf, doch anstelle seine Gedanken laut auszusprechen, nahm er Dazais Hand in seine und drückte sie sanft. Dazai beendete abrupt sein Schauspiel, errötete leicht und sah Kunikida mit großen, verwunderten Augen an. „Du verlierst auch echt keine Zeit, was?“, grinste Dazai dann und klang dabei wie immer spielerisch provokant. Kunikida sagte nichts, zog Dazais Arm noch etwas näher zu sich und streichelte seinen Unterarm behutsam. Dazai zeigte keinerlei Reaktion. Die Wunde war so tief gewesen. Dieser tiefe, klaffende Spalt auf diesem dünnen, zerbrechlichen Arm hatte sich in Kunikidas geistiges Auge gebrannt und er konnte nicht anders, als trotz des weißen, weichen Baumwollstoffes, in dem sein Arm bandagiert war, anzustarren. Er sah nicht den Stoff. Nicht die Fasern. Sondern lediglich Dazais vernarbten Arm und die tiefe Wunde. „Tu das nie wieder“, hauchte Kunikida und sah nicht auf. Dass Ranpo den Raum verließ, bekam er gar nicht mehr mit. „Sorry, aber ich war noch nie gut darin, Versprechen zu halten. Mal davon abgesehen, dass ich gar nicht gewillt bin, dir dieses Versprechen zu geben“, meinte Dazai nur und zog seinen Arm weg, drehte den Kopf zur Seite, um so den Blicken seines Partners nicht weiter ausgesetzt zu sein. „Warum sprichst du nicht mit mir? Ich kann dir doch helfen“, erklärte Kunikida, doch Dazai schüttelte einfach nur den Kopf. „Kunikida-kun, lass das. Ich möchte nicht darüber reden. Nicht jetzt. Nicht später. Niemals.“ „Aber ich will dir helfen!“, schimpfte Kunikida lauter. Dazais Beweggründe waren unergründlich. Er war ein Geheimnis, das niemand zu lüften vermochte. „Und ich sagte dir, ich brauche deine Hilfe nicht! Ich will sie auch gar nicht! Du kannst mir nicht helfen. Niemand kann das!“ Dazais Hände ballten sich zu Fäusten, seine Handknöchel wurden weiß. Kunikida bemerkte, dass Dazai ausgezehrt war. Zu dünn, viel zu dünn! Wieso habe ich das nicht gesehen?! Seine Wangen waren leicht eingefallen und seine Augen waren gerötet, während die dunklen Augenringe von Übermüdung und Erschöpfung zeugten. Kunikida schluckte hart und senkte erneut den Blick. Wortlos stand er Dazai gegenüber. Dieser sah ihn nicht an, vermied jeglichen Blickkontakt. „Es tut mir leid“, hauchte Kunikida dann, versuchte es erneut. Dazai blinzelte verwirrt. „Ich hätte dir gegenüber sanfter sein und deine Probleme ernst nehmen müssen. Kein Wunder, dass du mir nicht vertraust. Ich habe dir ja nicht unbedingt Grund gegeben, dich mir anzuvertrauen. Aber ich werde mich ändern und verspreche dir, dass ich meine Wut zukünftig nicht mehr an dir auslassen werde“, erklärte Kunikida mit gefasster Tonlage. Dazai sah ihn nun an. „Kunikida-kun erlaubt mir tatsächlich, die Arbeit zu schwänzen?“, kam es begeistert von Dazai, der nun in die Hände klatschte und ihn mit großen, leuchtenden Augen ansah. Kunikida glaubte, dass die ganze Umgebung sich veränderte, die Atmosphäre quietschrosa wurde und Blümchen von der Decke segelten, während kleine Sternchen in der Luft zu schweben schienen und aufblitzten. Er schüttelte diesen Gedanken ab. „Das habe ich nicht gesagt“, begann er. Dazai warf sich theatralisch in sein Kissen und jammerte wie eine Diva über die Ungerechtigkeit des Lebens, meinte, dass er lieber tot wäre, als Papierkram zu erledigen. Dieses unreife Verhalten zauberte dem blonden Ermittler ein kleines, amüsiertes Lächeln ins Gesicht, doch dann fasste er sich. „Wir brauchen dich. Nicht deine Fähigkeit. Nicht deinen unglaublichen Verstand. Sondern dich. Dich als Person. Ohne dich wäre die Agentur einfach nicht mehr dieselbe und ich würde deine schrecklichen Lieder vermissen. Niemand hält mich so gut von der Arbeit ab, wie du. Du bist unersetzlich“, meinte er dann und setzte sich an die Bettkante. Dazai errötete erneut, senkte den Blick. „Du bist schrecklich kindisch, frech, machst nie das, was man dir sagt und tust alles, um deinen Kollegen – insbesondere mir – auf die Nerven zu gehen und unsere Ermittlungen zu behindern. Du schläfst auf der Arbeit, faulenzt und isst regelmäßig meine mitgebrachten Sachen, die ich mir in den Kühlschrank lege. Deine makabren Witze über Selbstmord verderben einem den Appetit und deine Geheimniskrämerei macht mich wahnsinnig, so auch deine spitzzüngigen Bemerkungen und dein ewiger Sarkasmus“, ratterte Kunikida herunter. Dazai blies die Backen wie ein Kind auf und quittierte Kunikidas Aussage mit einem stumpfen: „Pah!“, dann verschränkte er die Arme und wandte den Blick ab. Kunikida legte seine Hand auf Dazais Haarschopf. Dieser verkrampfte sofort und riss erschrocken, beinahe ängstlich, wie Kunikida fand, die Augen auf. Hatte Dazai Angst? Hatte diese plötzliche Berührung ihn aus dem Konzept geworfen? Dazai hielt den Atem an. „Aber du bist mein Partner, erhellst unseren Alltagstrott und munterst uns mit deinem Charme auf. Auch wenn dein Lächeln nur aufgesetzt ist, erinnerst du jeden von uns daran, dass wir den Kopf hochhalten müssen und nicht einfach aufgeben müssen. Wir müssen unser Lächeln bewahren. Du bist mein Partner, Dazai. Du bist mir wichtig. Ganz egal, wie viele Dummheiten du machst, ich haue dich wieder raus. Und wenn du mal wieder in den Kanal springst, springe ich dir hinterher, nur um dich daran zu erinnern, dass ich dich nicht einfach gehen lasse. Du gehörst zu unserer Familie. Hast du das verstanden?“ Dazai sagte kein Wort, stieß jetzt den Atem aus und schlug Kunikidas Hand weg. „Hör auf. Ich will das nicht hören.“ „Warum? Weil du dich gern im Selbstmitleid suhlst und dich so sehr daran gewöhnt hast, wie schlecht und schrecklich alles ist, dass du dir gar nicht mehr vorstellen kannst, dass es Menschen gibt, die dich wirklich mögen?“ In Dazais Augen blitzte etwas auf. Kunikida hatte einen wunden Punkt getroffen. „Was weißt du schon von mir? Hm? Nichts. Du spielst dich als Samariter auf, heuchelst mir etwas vor, doch wenn ich dich brauche, bist du nicht da und lässt mich im Stich! Wie oft habe ich gesagt, dass es mir schlecht geht? Nie hast du mir geglaubt, sondern noch darauf herumgeritten und mein Leid runtergemacht! Hast du nicht selbst gesagt, dass ich mich nicht so anstellen solle?“ Kunikida wollte etwas erwidern. „Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass es mir wirklich schlecht gehen könnte? Natürlich nicht. Die Wahrheit ist, dass es weder dich noch sonst irgendwen interessiert. Du willst gar nicht wissen, was mich so sehr quält, denn wenn du es wüsstest–“, Dazai unterbrach sich selbst, riss schockiert die Augen auf, während seine Hände die Bettdecke umklammerten und er nach den richtigen Worten suchte, geradezu herauszögerte, was er sagen wollte, ehe er weitersprach: „Denn, wenn du es wüsstest... wenn, du es wüsstest... dann würdest du...“, murmelte er und wiederholte diese Worte wie in Trance. „Dazai?“, kam es besorgt vom Blonden. „Was würde ich dann?“, fragte es schlussendlich und wartete ab. „Du würdest mich hassen. Dann würdest du verstehen, warum ich nicht weiter leben darf... warum ich nicht weitermachen kann. Wenn du es wüsstest... wenn du wüsstest, was ich getan habe, du würdest mich verabscheuen.“ „Unsinn“, meinte Kunikida. „Du würdest mich hassen!“, keifte Dazai und in seinem Blick lag Verzweiflung, Angst, Wut. „Das kannst du nicht beurteilen“, entgegnete Kunikida. „Doch, du wirst mich hassen. Du darfst es niemals erfahren.“ „Wer gibt dir das Recht, so über mich urteilen? Wieso bist du dir so sicher, dass ich dich nur hassen kann?“ Kunikida setzte sich um und griff nach Dazais Händen, streichelte sanft dessen Handrücken und schenkte ihm einen warmen und festen Blick. Dazai schüttelte den Kopf und flüsterte etwas, das Kunikida nicht wahrnehmen konnte. Er konnte lediglich mutmaßen. „Dein Ideal“, murmelte Dazai, sah immer noch nicht auf und biss sich gequält auf seine Unterlippe. „Was ist mit meinem Ideal?“, hakte Kunikida nach, zog fragend eine Augenbraue hoch und wartete geduldig auf eine Antwort. „Ich habe es gelesen. Was du geschrieben hast, all deine Vorsätze, dein Glauben, deine unerschütterlichen Überzeugungen. Du strebst nach Perfektion, dem wahren Ideal... aber ich bin unvollkommen, minderwertig und bin all das, was du hasst. Deshalb weiß ich ganz genau, dass du mich hassen wirst und ich hasse mich selbst dafür. Ich habe ein schändliches Leben geführt“, nuschelte er und starrte emotionslos auf die Decke. Kunikida seufzte nur und zog Dazai wortlos in seine Arme. „Idiot. Ich strebe nach einem Ideal, aber das heißt nicht, dass ich die Wirklichkeit, wie sie ist, nicht akzeptieren kann. Ein Ideal ist ein Leitfaden, eine Utopie – etwas, von dem man überzeugt ist, dass es das beste wäre, aber letztendlich ist sie illusionär. Es ist einfach, die Welt in schwarz und weiß aufzuteilen, aber die Wahrheit ist, dass es eben Grauzonen gibt. Es gibt keine klaren Linien zwischen gut und böse. Diese Grenzen verschmelzen oftmals.“ Er drückte Dazai näher an sich. Dieser zeigte keinerlei Reaktion. „Ein Verbrechen ist ein Verbrechen, aber manchmal... auch wenn ich es ungern ausspreche, weil es so absurd ist, ist es dem Ideal und dem Recht zuträglich, wenn gewisse Verbrechen ungesühnt bleiben. Manche Verbrecher tun mit ihren Taten etwas Gutes, in dem sie andere ausschalten, die weitaus mehr Probleme machen würden.“ Er streichelte Dazai zaghaft über den Rücken. Dazai war wie ein verletztes Tier in seinen Armen. Er hatte nie gelernt zu vertrauen oder sich fallen zu lassen, selbst jetzt, wo er ihn schützend in seinen Armen hielt, verspannte er sich und schien nur darauf zu warten, dass Kunikida ihn erneut im Stich ließ und sich abwandte. Kunikida glaubte zum ersten Mal, Dazai ein wenig besser verstehen zu können. Dazai litt unter Verlustängsten. Er befürchtete stets, verraten und missbraucht zu werden. Er wollte sich keine Blöße geben und suchte daher immer nach Abstand. „Ich mag ein Idealist sein, aber kein kindischer Träumer. Ich bin mir im Klaren, dass du in deiner Vergangenheit Verbrechen begannen hast, doch das ist vorbei. Ich arbeite jetzt mit dir zusammen. Wir sind Partner in der Gegenwart und ich beurteile dich danach, was du leistest und was du erreichst. Wer auch immer du in der Vergangenheit warst – du bist jetzt jemand anderes. Du hilfst bei unseren Ermittlungen und hast viele Fälle im Alleingang gelöst. Du hast vielen Menschen geholfen und wirst auch weiterhin vielen Menschen das Leben retten“, erklärte Kunikida und streichelte über Dazais Kopf. Dazai erwiderte die Umarmung nicht, sondern lauschte einfach nur seinen Worten. „Du hast sicher schon mal vom Trolley-Problem[4] gehört“, warf Kunikida ein. Dazai nickte. „Ein moralisches Gedanken Experiment“, fügte er hinzu. „Wenn du die Wahl hättest, zwischen einer Person und einer Gruppe Personen – wie würdest du entscheiden, wenn du allein die Hebel in der Hand hättest?“ Dazai seufzte. „Ich würde... eine Person für das Allgemeinwohl opfern. Das wäre die rationalste Entscheidung mit den geringsten Opfern“, erklärte er ohne Gefühlsregung. „Nur wenige Menschen sind in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen. Eine solche Distanz zu den Opfern zu bewahren, ist–“ Dazai unterbrach ihn jäh und drückte sich nun von Kunikida weg. „Unmenschlich. Absolut unmenschlich. Jemand, der solche Entscheidungen treffen kann, ist ein Monster. Ich... bin ein Monster.“ Dann wandte er den Blick ab. „Ich bin als Mensch disqualifiziert. Nur ich kann den Hebel umlegen. Nur wenn ich verschwinde, können andere gerettet werden. Also muss ich–“ Dazais Blick war geistesabwesend. Mit seiner rechten Hand umfasste er seinen linken Unterarm und drückte die Wunde, verletzte sich erneut selbst. Kunikida überlegte nicht lang. Der Hall der Ohrfeige weckte Dazai aus seinem tranceähnlichen Zustand. Verwirrt blinzelte der Brünette, rieb seine heiße Wange und warf seinem Kollegen einen perplexen Blick zu. „Ich lasse nicht zu, dass du so über meinen Partner sprichst. Glaubst du wirklich, dass dein Tod irgendetwas bezweckt? Der Tod ist endgültig. Kyouka und Atsushi sind am Leben, weil du sie gerettet hast. Sie leben und können lachen und das nur weil du lebst! Atsushi wäre ohne dich und dein spendables Verhalten mit meinem Geld vermutlich verhungert oder hätte die Kontrolle über seine Fähigkeit komplett verloren. Oder schlimmer noch: die Port Mafia hätte ihn geschnappt, man hätte ihn versklavt und ihm wer weiß was angetan!“ Dazai senkte den Blick. „Und was ist mit Kyouka? Wenn du nicht gewesen wärst, wäre sie immer noch eine Marionette der Finsternis. Sie hat eine strahlende Zukunft vor sich. All das wäre nicht möglich gewesen, wärst du nicht hier. Vielleicht rettest du mit deinem Verschwinden ein paar einzelnen das Leben oder wischt dem ein oder anderen Yakuza eins aus, aber nur wenn du lebst, kannst du Entscheidungen treffen“, knurrte Kunikida und verschränkte die Arme. „Das sagst du doch nur, weil du niemanden vor deinen Augen sterben lassen willst“, murmelte Dazai verärgert. Es gefiel ihm nicht. Die Richtung, in die dieses Gespräch verlief, gefiel ihm überhaupt nicht. Kunikida, der mit netten und aufheiternden Worten jonglierte und dabei keine Miene verzog. Dieser Gegensatz machte ihn krank. Dabei durchschaute er den Blonden und so sehr er auch versuchte, seine wahren Gefühle zu verbergen, so konnte der Brünette in ihm lesen wie in einem offenen Buch. War sich Kunikida überhaupt bewusst, wie leicht er zu durchschauen war? Nach außen hin sprach er immer von seinem Ideal. Sein Ideal. Pah. Dass Dazai nicht lachte. Dieses achso schöne und noble Wort, das dort auf seinem edlen Notizbuch prangerte – die Striche des Kanji in perfekter Manier gezogen – war am Ende doch nichts weiter als Wort und Dazai hatte ihn durchschaut. Allein dieser Gedanke ließ ihn leise auflachen. Dieses Ideal! Hach, in keinster Weise bezog es sich auf Kunikida. Nein, jegliche Notizen bezogen sich stets auf andere. Das ideale Verhalten, das eine ideale Welt schaffte und allen zugute kam. Du schreibst es nieder, dein Ideal, in schönen, bezaubernden Worten, um dich selbst zu überzeugen, doch in Wahrheit weißt du selbst am besten, wie sinnlos es ist, diesem Leitfaden zu folgen. Ideal und Realität sind in keinster Weise vereinbar, denn wenn es so wäre, dann würde dieses Buch in deiner Tasche gar nicht existieren. Du weißt, wie sinnlos es ist, dagegen anzukämpfen, aber du kannst es dir nicht eingestehen. Willst nicht akzeptieren, dass Menschen, die dir wichtig sind, einfach vor deinen Augen sterben. Nichts von all dem sprach Dazai aus, aber er wusste, dass sie beide jemanden verloren hatten, den sie sehr geliebt hatten. Wenn es eines gab, dass dieses Buch verriet, dann war es, wie unglaublich schwach und zerbrechlich Kunikida war und dass er mit Verlust und Tod nicht umgehen konnte. „Unterschätze mein Ideal nicht, Dazai“, kam es beinahe tonlos von Kunikida. Dazai lachte auf. Sein Blick war finster und die Raumtemperatur schien auf einmal gesunken zu sein. Dem blonden Detektiv lief es eiskalt dem Rücken runter. „Du weißt genauso wie ich, dass dein Ideal absolut nicht mit der Realität vereinbar ist“, kam es dann von Dazai, der dieses eiskalte Lächeln auf seinen Lippen trug, während jegliches Licht aus seinen Augen gewichen war. Kunikida erwiderte seinen Blick, ließ sich keinerlei Furcht ansehen. „Und dennoch werde ich weiterhin danach streben und dafür kämpfen, meine Ziele zu erreichen und die Welt ein Stück besser zu machen“, sagte er mit fester Stimme und unerschütterlicher Entschlossenheit in seinem Blick. Dann packte er Dazai grob an seinem Krankenhaushemd und zog ihn näher. „Und ich gebe nicht auf, also wirst du es auch nicht!“ Dazai blinzelte und starrte seinen Kollegen teilnahmslos an. „Du hast mein Notizbuch gelesen, nicht wahr? Dann weißt du auch, was ich über dich geschrieben habe!“ „Stimmt, ich bin auf deiner To-do-Liste~“, kam es breit grinsend von Dazai, der dann mit seinen Lippen einen Kussmund formte, schmatzende Kussgeräusche von sich gab und für diese Geste direkt eine Kopfnuss erntete. Jammernd warf er sich ins Kissen, klagte einmal mehr über die Grausamkeit dieser Welt und wie gemein Kunikida war, einen Mann auf seinem Sterbebett auch noch zu verhauen. Kunikida räusperte sich. Immer diese Zweideutigkeiten von diesem Kerl! Das machte er doch mit Absicht. „Ich gebe nicht auf, ehe du ein ehrliches und hart arbeitendes Mitglied unserer Detektei bist. Ich werde nicht ruhen, ehe dieser Tag kommt, also kann ich dich nicht sterben lassen. Wenn du stirbst, würde dieses Ding hier“, Kunikida holte sein Notizbuch heraus und zeigte auf das schön geschwungene Kanji auf dem Buchdeckel, „absolut wertlos werden! Du wirst nicht sterben, solange ich hier bin. Wir sind Partner! Du wirst mich nicht mehr los!“ Dazai drückte sich ins Kissen und seufzte laut hörbar, erwiderte nichts. „Ich sage nicht, dass ich dich verstehe. Heilige Scheiße! Das werde ich wahrscheinlich niemals! Aber ich werde es weiterhin versuchen und auch wenn ich nicht begreife, was dich so sehr quält, dass du nicht drüber reden kannst, so werde ich dennoch nach dir suchen und dich nicht einfach in deiner Badewanne liegen lassen“, erklärte Kunikida und legte eine Hand auf Dazais Wange. Dieser zuckte kurz zusammen, ließ sich aber sonst nichts ansehen. „Wir müssen nicht darüber reden, aber ich will, dass du verstehst, dass ich da bin und dass ich dir niemals verzeihen werde, wenn du mich einfach zurück lässt. Ich akzeptiere das nicht! Hörst du?!“ „Schon gut, schon gut! Du und deine ewigen Predigten, du hättest Priester werden sollen“, meckerte Dazai und warf dem Blonden einen beleidigten Blick zu. Kunikida kramte etwas aus einer der Tüten, die er für Ranpo trug und überreichte Dazai ein kleines Bonbon mit dem Bild einer Kirsche. „Hier“, meinte er nur und griff nach Dazais Hand, drückte ihm die Süßigkeit in die Handfläche und schloss seine Hand in seiner eigenen, ehe er tief einatmete. „Du wirst morgen schon entlassen. Versprich mir, dass du keinen Unsinn mehr machst.“ „Ich sagte doch, ich werde dir dieses Versprechen nicht geben“, flüsterte Dazai monoton. „Wenn du brav bist, lade ich dich zum Abendessen ein.“ „Oh~ Kunikida-kun lässt wirklich nichts anbrennen!“, kicherte Dazai und zog seinen Kollegen auf. Kunikida grummelte und war so verärgert, dass sein Haarzopf zu einem spitzen Dreizack mutierte. „Warum muss bei dir immer alles so falsch klingen?! Das hört sich ja so an, als wollte ich dich verführen!“ „WAS? Ich dachte, darum geht es hier?! Etwa nicht? Kunikida-kun findet mich nicht attraktiv? Und ich habe mich so sehr auf ein Date mit dir gefreut~!“ Dazai warf sich theatralisch ins Kissen und weinte bittere Tränen, von denen sich Kunikida sicher war, dass sie genauso falsch waren wie sein aufgesetztes Lächeln und trotzdem war ihm diese ganze Situation peinlich und unangenehm. „GUT, dann ist es eben ein Date! Wenn es dich glücklich macht!“, keifte er dann und im selben Augenblick saß Dazai wieder kerzengerade vor ihm, seine Augen leuchteten wieder und er wirkte entschlossener denn je, was Kunikida ebenso verwirrte, wie auch besorgte. Wie konnte jemand so schnell in seiner Persönlichkeit wechseln? Dazai zu verstehen war einfach unmöglich. „Ich will ins Shikitei[5]~ ♥“ Kunikida ließ den Kopf hängen. „Natürlich willst du in das teuerste Restaurant Yokohamas. Was habe ich nur erwartet? Wäre ja zu viel verlangt, so etwas wie Zurückhaltung von dir zu erwarten“, schimpfte Kunikida. „Ist das also ein Ja~? ♥“ Dazai klimperte mit seinen Wimpern und mimte den unschuldigen Jungen. „Von mir aus! Dann eben ins Shikitei! Aber nur unter einer Bedingung!“ Dazai sah ihn missmutig an. „Wenn es dir schlecht geht, wirst du es mir sagen! Ich will dich nicht noch einmal halbtot aus der Badewanne ziehen“, meinte er dann und Dazai seufzte. „Gut, ich werde es versuchen. Dafür kriege ich aber das teuerste Menü und ich will einen Platz am Fenster, mit Ausblick auf Yokohama und das Riesenrad“, forderte er ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Kunikida sah ihn wütend an, sein linkes Auge zuckte gefährlich. „Abgemacht“, zischte er dann und hielt Dazai seine Hand hin, wartete darauf, dass dieser einschlug. Breit grinsend reichte er ihm die Hand, doch bevor er einschlug, zog er sie noch einmal zurück und sagte mit fester Stimme: „Und das beste Dessert auf der Karte“, sagte er dann und wartete darauf, dass Kunikida nun einschlug, doch dieser packte ihn stattdessen am Kragen und schüttelte ihn durch. „Du verdammter Schmarotzer! Hast du denn keine Scham?! Auch nur den leisesten Funken Anstand?! Sehe ich aus, als würde ich Geld scheißen?!“, fluchte er und Dazai wimmerte lauthals. „Aber das erste Date muss doch besonders sein“, verteidigte sich Dazai. Kunikida wurde knallrot und ließ Dazai los, dieser fiel wie ein nasser Sack zurück ins Kissen. Dazai war sich nicht ganz sicher, glaubte aber, dass Dampf aus den Ohren seines Partners kam. Dieser erhob sich nun vom Bett und stampfte wortlos zur Tür, legte seine Hand auf die Klinke und räusperte sich. „Wehe, du kommst zu spät!“, brüllte er, verließ das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. „Du hast aber lange gebraucht“, hörte er eine bekannte Stimme. Neben ihn stand Ranpo. „Hast du uns belauscht?“, wollte der Blonde wissen. „Ich bitte dich, man hört euch beide auch noch aus einem Kilometer Entfernung. Aber Glückwunsch zu deinem Date“, spöttelte Ranpo. „Im Übrigen schuldest du mir ein Kirschbonbon“, sagte er eher beiläufig. „Aber ich habe die Süßigkeiten bezahlt?!“ Ranpo erwiderte nichts, rümpfte die Nase und gab dann nur ein: „So kann ich nicht arbeiten!“ zum besten. Kunikida verdrehte die Augen und versprach Ersatz zu beschaffen, fluchte gedanklich über seine kindischen Kollegen, die er um nichts auf der Welt eintauschen wollte. Hosted by Animexx e.V. 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