Things That Should Not Be von Yuugii (Kunikida/Dazai) ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- „Hey, endlich seid ihr zurück! Habt ihr was mitgebracht–“, begann Ranpo, sofort verschlug es ihm die Sprache. Yosano zog fragend eine Augenbraue hoch, warf dann einen Blick zu Kunikida. Seine Kleidung war blutverschmiert und sein Blick finster. Atsushi trat ein und setzte sich schluchzend auf die Coach, die eigentlich für Kunden gedacht war. Kunikida starrte stur den Boden an, suchte nach den richtigen Worten. Gab es überhaupt richtige Worte? Das, was er gesehen hatte, ließ selbst ihn aus dem Gleichgewicht geraten. Als der Notarzt und die Helfer kamen, hatten sie viele Fragen gestellt und es war das erste Mal, dass er keine Antworten hatte. Er war vollkommen hilflos gewesen. Er wusste sich keinen Rat. „Ist jemand gestorben?“, scherzte Yosano und zeigte auf Kunikida. „Könnte man so sagen“, erwiderte Kunikida und setzte seine Brille ab, zog ein Brillenputztuch hervor und schrubbte das Glas akribisch. Auch als keine Flecken mehr zu sehen waren, konnte er nicht aufhören, mit dem weichen Faserstoff über das Glas zu streichen. Kyouka lief zu Atsushi, der immer noch schluchzte und nun den kleinen Brief aus seiner Hosentasche hervorzog, den er zuvor in Dazais Wohnung gefunden hatte. Mit zittrigen Händen öffnete er diesen, doch die dicken Tränen, die über seine Wangen kullerten, machten es ihm unmöglich, die Zeilen zu lesen. Sämtliche Aufmerksamkeit lag nun auf Kunikida, der nach den richtigen Worten suchte, laut hörbar einatmete und wieder ausatmete. „Dazai hat versucht sich umzubringen“, meinte er dann ruhig. Ein Fakt. „Ist doch nichts neues“, sagte Ranpo und zuckte mit den Schultern, „wo habt ihr ihn dieses Mal gefunden? Am Hafen? Im Kanal? Oh! Oder in dem kleinen See im Park?“, scherzte er amüsiert und griff nach einem Lutscher, packte diesen gierig aus. „In der Badewanne“, berichtete er und atmete noch einmal ein, machte eine ungewöhnlich lange Pause. „Er hat sich die Pulsadern durchtrennt und war schon eiskalt, als wir ihn fanden.“ Ranpo ließ seinen Lutscher fallen und riss schockiert die Augen auf. Sämtliche Gespräche im Raum endeten abrupt. Absolute Stille, die von Atsushis Schluchzen ab und an unterbrochen wurde. Dann das Quietschen einer Tür. Fukuzawa stand unter der Türschwelle und sein Gesichtsausdruck war so stoisch wie immer, widmete sich dann seinem Vizepräsidenten zu und kam dem Blonden einige Schritte näher. Dieser setzte nun die Brille auf. „Es war nicht eure Schuld. Vorhin hat jemand aus dem Krankenhaus angerufen. Er überlebt es. Wir dürfen ihn morgen besuchen“, sagte er und legte beruhigend eine Hand auf Kunikidas Schulter, welcher nur wortlos nickte. Kyouka zog Atsushi den Brief aus der Hand, unterbrach die erneut aufkommende Stille und las die Zeilen vor. Hey, Leute, leider habe ich es nicht geschafft, meine Kündigung rechtzeitig einzureichen, aber ihr möchte, dass ihr wisst, dass ihr jemand anderen finden müsst, der meinen Platz einnimmt und den übertrieben perfektionistischen Kunikida von der Arbeit abhält! Der kriegt noch ein Burnout und einen Buckel, wenn er immer so viel arbeitet! … Das ist es nicht, was ich sagen wollte. Ich möchte mich von euch verabschieden. Denkt nicht, dass ich diesen Schritt wegen euch gegangen bin. Ihr hättest es nicht verhindern können und ich möchte auch nicht, dass man mich rettet oder gar um mich trauert. Ich habe immer diese tiefe, alles verschlingende Leere in meiner Seele gefühlt, die mit meiner Fähigkeit in direkter Verbindung steht. Dunkelheit, die mich selbst verschlingt. No Longer Human macht es mir unmöglich aufrichtige Gefühle zu empfinden. In den meisten Fällen ist eine Fähigkeit ein Geschenk. Es macht einen Menschen besonders, hebt ihn von anderen Menschen ab und gibt ihm einen Sinn im Leben. Eine Fähigkeit ist wie ein helles Licht, ein strahlender Kristall, der uns stets antreibt und unseren Willen zum Leben aufrecht erhält. Doch meine Fähigkeit ist die ultimative Anti-Fähigkeit – nur eine Berührung reicht aus, um dieses Licht auszulöschen. Diese tiefe Dunkelheit in mir ist so groß, dass sie selbst die Lichter um mich herum auslöscht. Dieses fehlende Licht in mir macht es mir unmöglich, das zu sehen, was ihr seht. Zu fühlen, was ihr fühlt. Ich habe ein schändliches Leben geführt. Was menschlich leben heißt, weiß ich nicht. Ich habe es versucht, alles gegeben und nach einem Sinn gesucht. Ich danke euch, für die Zeit, die ich mit euch verbringen durfte, doch nichts vermag diese Leere zu füllen. Der Morgen ist immer grau. Immer gleich. Immer leer. Alles vergeht. „Dieser verdammte Taugenichts“, murrte Kunikida und rieb sich das Nasenbein. ——————————— Als er Dazai in dem großen Krankenhausbett liegen sah, verstummten all seine Gedanken. Dazai schlief tief und fest, auch als er näher kam und seine Hand sanft berührte, wachte er nicht auf. Kunikida blieb neben ihm stehen und legte fürsorglich, beinahe beruhigend, eine Hand auf seine Schulter. Atsushi drückte Dazais Hand fester. Einer der behandelnden Ärzte kam näher. „Ist Ihnen denn vorher nichts aufgefallen?“, fragte er und bemühte sich um ein mitfühlendes Lächeln. „Er hat immer über Selbstmord Witze gemacht. Wir konnten ja nicht ahnen, dass er es wirklich irgendwann durchziehen würde“, erklärte Kunikida ruhig, versuchte nicht die Fassung zu verlieren. Die ganze Nacht lang hatte er kein Auge zugemacht. Dazais Selbstmordversuch hatte ihn derartig aus der Balance geworfen, dass er selbst jetzt noch nicht völlig begreifen konnte, was geschehen war und wie es überhaupt so weit kommen konnte. War denn irgendetwas anders gewesen? Hatte Dazai irgendetwas gesagt oder getan, dass ihn hätte alarmieren müssen? Obwohl er genau wusste, dass Dazai ein launischer und listiger Mann war, der nur Schwachsinn im Kopf hatte und nie durchschaut werden konnte, suchte er die Schuld bei sich selbst. Kunikida zweifelte an sich selbst. Er war Detektiv und zudem Dazais zugewiesener Partner – er hätte etwas merken müssen. Viel zu spät war ihm etwas aufgefallen. „Die meisten Menschen, die sich selbst verletzen, nehmen ihre Erkrankung nicht ernst und vertuschen diese“, meinte der Arzt dann nur und warf einen Blick auf die Infusion, die zur Hälfte durchgelaufen war. Atsushi sah den Mann ungläubig an. „Man darf so etwas niemals auf die leichte Schulter nehmen“, fügte er dann noch hinzu und zog Dazais linken Arm unter Decke hervor. Atsushi verdrehte sich der Magen. Die Bandagen waren rötlich verfärbt. Vorsichtig wickelte der Doktor den Verband ab. Für Kunikida war es das erste Mal, dass er Dazai ohne Verband sah. Die große, klaffende Wunde hatte man zugenäht. Behutsam drehte der Mann Dazais Arm hin und her und wies auf die geschundene Haut hin. „Die meisten Schnitte sind relativ neu und nicht richtig behandelt worden“, sagte er dann und legte einen neuen, sauberen Verband an. „Ich hatte keine Ahnung“, entgegnete Kunikida. Sein Herz raste. „Die Narben an den Armen stammen von Selbstverletzung, aber woher kommen die anderen Narben?“, fragte der Arzt dann und warf Kunikida und Atsushi einen durchdringenden und vorwurfsvollen Blick zu. Atsushi und Kunikida sahen sich gegenseitig an, dann auf Dazai, der seelenruhig in dem Bett lag und offenbar nichts mitbekam. Das Beruhigungsmittel ließ ihn tief und fest schlafen, trotzdem wurde Kunikida das Gefühl nicht los, dass er einfach nur müde aussah, als hätte er seit Jahren nicht mehr richtig geschlafen. Die dunklen Augenringe wirkten so natürlich auf seinem Teint, als wären sie schon immer dort gewesen. „Ich kann Dazai-san nicht guten Gewissens entlassen, wenn ich mir nicht sicher sein kann, dass er in ein sicheres Umfeld zurückkehrt. Verletzungen dieser Art zeugen von jahrelanger schwerer körperlicher Misshandlung. Wer übernimmt die Vormundschaft für ihn und trifft Entscheidungen, solange er dazu nicht fähig ist?“ „Dazai hat–“, begann er und unterbrach sich selbst, ehe er diesen Gedanken abschüttelte und möglichst überzeugend weitersprach, „keine Familie mehr. Wir sind zwar Kollegen, aber wir alle sind wie eine Familie.“ „Dann möchte ich mit seinem Chef sprechen. Wir werden ihn zunächst einmal zur Beobachtung hierlassen. Der starke Blutverlust wird auch noch Tage später bemerkbar sein.“ Der Arzt prüfte noch einmal den Verband und ließ die beiden zurück. Atsushi biss sich auf die Unterlippe. Unmöglich. Wie konnte er all die Zeit nichts bemerkt haben? „Ich dachte immer, dass er sich mit den Verbänden interessanter machen wollte“, murmelte Kunikida und beugte sich vorsichtig über Dazai hinweg, strich ihm einige verirrte Haarsträhnen zur Seite und streichelte sanft über dessen Wange. „Wir haben so einiges zu klären, sobald du wieder aufwachst, Partner.“ Kunikida, Atsushi und Kyouka saßen seit zwei Stunden vor dem Besprechungsraum. Immer wieder seufzten sie synchron. Krankenpfleger, Ärzte und Patienten huschten an ihnen vorbei und der Flur war erfüllt von Stimmen. Die kalten Neonlichter machten ihn müde. Atsushi zwang sich dazu, wach zu bleiben, doch irgendwann überkam ihn der Sekundenschlaf, sodass er mit dem Kopf zuerst auf den kalten Linoleumboden landete. Kunikida schnalzte empört mit der Zunge, während Kyouka aufsprang und ihn zurück auf den Platz half. Fukuzawa und der Arzt waren immer noch da drin. „Was besprechen die da drin?“, wunderte sich Atsushi laut, mehr um über sein Missgeschick hinwegzutäuschen und von seiner Tollpatschigkeit abzulenken. Kyouka schüttelte unwissend den Kopf. „Die denken doch nicht etwa, dass wir ihm wehgetan haben... oder?“, kam es unsicher von Atsushi, der nun Kunikida flehend ansah und irgendetwas von ihm hören wollte. „Du hast den Arzt selbst gehört“, knurrte Kunikida und verschränkte die Arme. Plötzlich öffnete sich die Tür und Fukuzwa trat hinaus, verneigte sich noch einmal vor dem Arzt, ehe er sich in Bewegung setzte und den Ausgang ansteuerte. Atsushi lief ihm unbeholfen hinterher und stellte zig Fragen, doch der Präsident blieb stur, verlor kein einziges Wort. Als sie auf dem Rückweg waren, versuchte es Atsushi erneut. „Fukuzawa-san! Bitte sagen Sie uns, was los ist“, flehte er und lehnte sich nach vorne, um dem Grauhaarigen näher zu kommen, da er hinter diesem saß. Kyouka, die neben Atsushi saß, tat es ihm gleich. Neugierig durchbohrten sie mit Blicken ihren Boss, der nur irgendwann seufzte. „Er wollte wissen, wer Dazai-san diese Verletzungen zugefügt hat. Ich habe ihm alles gesagt, was ich wusste. Ich wage zu bezweifeln, dass er uns freiwillig verraten wird, was ihm widerfahren ist, also werde ich Ranpo darum bitten, zu ermitteln. Es betrübt mich maßlos, dass selbst mir nicht aufgefallen ist, wie schlecht es um ihn steht. Ich hätte es merken müssen“, sagte er im grimmigen Ton, als wollte er sich selbst bestrafen. „Wenn sich jemand Vorwürfe machen muss, dann ich“, warf Kunikida ein. Sämtliche Blicke lagen auf ihn. „Ich bin sein Partner. Ich dachte, ich hätte ihn durchschaut und habe seine kindischen Scherze nicht ernst genommen. Ich war wirklich der Überzeugung, dass er uns nur etwas vormacht.“ Kunikida biss sich auf die Unterlippe. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, als suchte er nach Halt. „Hätte ich genauer hingeschaut, dann hätte ich es bemerkt. Ich hätte fragen müssen! Aber obwohl ich eine Ahnung hatte, habe ich nur an mich gedacht und mich darüber gefreut, endlich in Ruhe arbeiten zu können. Ich hätte es verhindern können–“ Kyouka unterbrach ihn. „Dazai-san hat geschrieben, dass keiner von uns das hätte verhindern können. Es war nicht deine Schuld. Außerdem bringt es nichts, darüber nachzudenken, welche Fehler man gemacht hat. Unsere oberste Priorität ist es nun, sicher zu gehen, dass Dazai-san gesund wird und er merkt, wie wichtig er uns ist“, sagte sie und nickte sich selbst zu. Ihre Hand ballte sie zur Faust und ihre Augen leuchteten vor Tatendrang und Entschlossenheit. „Sie werden ihn bereits übermorgen entlassen. Er wird sich sicher unwohl fühlen, also sollten wir auf jeden Fall nicht zu auffällig sein und ihn nicht zu sehr bemuttern“, meinte Fukuzawa. Atsushi nickte zustimmend. „Damit bist insbesondere du gemeint, Atsushi-kun“, fügte er noch hinzu und warf einen warnenden Blick in die Richtung des Silberhaarigen, welcher einen empörten Laut von sich gab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)