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Things That Should Not Be

Kunikida/Dazai
von

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Kapitel 1

Dazai war nicht zur Arbeit gekommen. Mal wieder. Nichts neues. Genau genommen hatte Kunikida kein Problem damit, wenn er ausnahmsweise seine Arbeiten erledigen konnte, ohne dass man ihn ständig unterbrach oder er mit einer ablenkenden Geräuschkulisse im Hintergrund konfrontiert wurde. Immer wenn dieser verrückte Selbstmordfanatiker da war, fand er Mittel und Wege Kunikidas Aufmerksamkeit zu erhaschen. Kindische Streiche oder dumme Witze, die so makaber und schlecht waren, dass nicht einmal ein Humorbehinderter darüber hätte lachen können. Ständig machte er Witze über Selbstmord und den Tod. Wortwitze, Flachwitze oder zweideutige Aussagen, die einfach nur seinen Puls zum Rasen brachten, aber nie seine Lachmuskeln weckten.
 

Immer wenn Kunikida am Telefon war und mit einem wichtigen Klienten sprach, bewarf Dazai ihn mit Papierknöllchen und kicherte unschuldig vor sich hin, tat so, als wüsste er nicht, warum sich Kunikida schrecklich aufregte, während am Boden die Beweislast sich bereits anhäufte und ihn als Täter verriet. Er war kindisch. Naiv. Nervig. Zeigte keinerlei Interesse an seinem Job in der Agentur und hinderte seine Kollegen in aller Regelmäßigkeit daran, ihren Pflichten nachzugehen. Und wenn er nicht gerade in seinem Buch vertieft war, Musik hörte, seine Kollegen ablenkte – tja, dann schlief er seelenruhig auf der Besuchercoach und ließ die Zeit verstreichen, wartete nur darauf, dass der Feierabend kam.
 

Sämtliche Formulare und Berichte stapelten sich auf seinem Tisch. Auch jetzt sah Kunikida mehrere Fallakten, die auf Dazais Tisch lagen, unordentlich gestapelt – wehe ihm, würde er auch nur ein Eselsohr finden!! – und kurz davor von der Tischplatte zu fallen. Und er wusste genau, dass er die Deadlines nicht einhalten würde und entweder Atsushi oder er selbst die Aufgaben übernehmen werden würden. Was blieb ihm auch anderes übrig? Dazais Faulheit und Desinteresse war ein Störfaktor im perfekten Arbeitsalltag der Agentur, dabei hatten sie bereits einen Sonderfall, der stets nur das tat, wonach es ihm beliebte. Ranpo Edogawa war eine Sache, aber dass Dazai Osamu eine solch trotzige Einstellung an den Tag legte, war Kunikida ein Dorn im Auge.
 

Seit nunmehr zwei Jahren arbeitete Dazai hier und das wäre wohl zu viel gesagt, denn immer wieder machte der Kerl Ärger und bei Feldmissionen schaffte er es immer wieder hohe Sachschäden anzurichten, dass man schon davon ausgehen musste, dass er dies mit Absicht tat, nur um Kunikida noch mehr Arbeit zu machen als nötig, während der Brünette faul auf dem Sofa lag und in schiefen Tönen düstere Lieder trällerte, die trotz seiner hellen und gutgelaunten Stimmlage, inhaltlich einfach nur zum Erschaudern waren.
 

Verärgert sah er auf. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits 10Uhr morgens war. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Dazai noch kam. Wenn er Lust auf schwänzen hatte, gab es nichts, dass Kunikida unternehmen konnte. Das hatte er immerhin schon akzeptiert. Wenn Dazai nicht so intelligent gewesen wäre und jeden Fall lösen konnte, hätte er sich schon längst bei Fukuzawa beschwert und darum gebeten, ihn zu kündigen. Denn ja. Er richtete Schaden an und war alles andere als ein Aushängeschild für einen fleißigen Angestellten, aber er war immer dann zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Er sah Zusammenhänge und kleinste Details, die anderen entgingen.
 

Seit Dazai in der Agentur war, stapelte sich zwar die Papierarbeit, doch hauptsächlich weil dieser die Fälle so schnell löste, dass er mit dem Schreiben der Berichte nicht mehr hinterherkam. Dazais Hintergrundwissen und sein übernatürlicher Intellekt waren ein wichtiger Bestandteil der Agentur. Ohne ihn wären viele Fälle bis heute ungelöst. Ohne ihn hätte es in vielen Fällen weitaus mehr Opfer gegeben. Er wägte stets ab, welcher Lösungsansatz für ein Problem die beste war und wenn dabei Autos, Gebäude oder Sachschäden entstanden, dann war dies für ein entschuldbares Opfer, sofern Menschenleben gerettet werden konnten. Auch wenn dies natürlich weitaus mehr Papierarbeit verursachte als nötig, so musste Kunikida zugeben, dass dies durchaus seinem Ideal entsprach.
 

Dazai war ein schrecklicher Faulpelz, ein Taugenichts, aber einer der wichtigsten Pfeiler ihrer Agentur. Er wurde gebraucht. Dass jemand, der so intelligent war, ständig von Selbstmord sprach und sich aus einer Laune heraus in den nächsten Kanal warf, nur um von schockierten Passanten oder verärgerten Kollegen wieder aus dem Wasser gezogen werden musste, passte so überhaupt nicht zusammen, also ging Kunikida davon aus, dass dies seine Art war, sich selbst in den Vordergrund zu stellen und Aufmerksamkeit zu erhaschen. Kunikida glaubte, dass Dazai einfach gerne im Mittelpunkt stand und sich wie ein kleiner Junge darüber freute, wenn er andere nerven konnte.
 

Es war durchaus normal, dass er einige Tage nicht zur Arbeit kam und schwänzte. Nichts neues. Nichts, worüber man sich Sorgen machen musste. Die Arbeit langweilte ihn und draußen konnte er sich zumindest vergnügen – was auch immer Dazai als Vergnügen betrachtete. Kunikida hatte keine Ahnung, was Dazai in seiner Freizeit trieb. Er war ein Mysterium. Nicht nur seine Bandagen verliehen ihm eine geheimnisvolle Aura – Kunikida glaubte, dass er diese nur anlegte, um mal wieder im Mittelpunkt zu stehen und Frauen aufzureißen, um so ihren Beschützerinstinkt zu wecken – sondern auch sein ganzes Wesen. Er sprach nie über sich selbst. Über andere. Dumme Witze.
 

Also wenn er mal wieder nicht erschien, war das kein Grund zur Sorge.
 

Doch. Es gab durchaus etwas, das ihn beschäftigte. Auch wenn Dazai schwänzte, reagierte er immer auf Textnachrichten, wenn nicht mit Worten, dann mit seiner Meinung nach lustigen Bildern. Zuletzt hatte er ihm einen Pinguin geschickt, der bei einem Versuch einen Fisch zu schnappen, der Nase lang hinfiel. Immer wieder schickte er ihm Videos, Gifs oder kleine Bilder. Manchmal machte er einfach nur Fotos. Kunikida ergriff sein Smartphone, berührte den Bildschirm, um sicherzugehen, dass er keine Nachricht verpasst hatte. Die meisten gespeicherten Fotos, die er auf seinem Smartphone hatte, waren von Dazai.
 

Dazai mit einem lächerlich großen und übertrieben bunten Sombrero und farbenfrohen Rasseln, ein aufgeklebter Bart und ein breites Grinsen, während er sich vor einem Restaurant positionierte, nur um Kunikida zu zeigen, dass er doch so viel Besseres zu tun hatte, als zu arbeiten. Ein Foto von Dazai wie er einige Enten im Park fütterte, daraufhin eine Videoaufnahme von ihm, wo er am Boden liegt und über den Dreck robbt. Vor ihm eine große Weinbergschnecke. Daraufhin wieder mal ein dummer Spruch: „Heute gehen Maki[1] und ich joggen! Bin schon ganz aus der Puste!“
 

Er hatte immer irgendetwas, was er mitteilen musste. Immer ein Lächeln. Ganz egal, wie dumm es erschien, er teilte es mit Kunikida und seinen Kollegen. Die WhatsApp Gruppe hatte keine neuen Nachrichten. Auch seine persönlichen Nachrichten nicht. Und dass Dazai sich überhaupt nicht meldete, nicht einmal den Hauch eines Lebenszeichen von sich gab, das war durchaus ein Grund zu Sorge. Nicht, weil er in Schwierigkeiten stecken konnte, sondern weil dies bedeutete, dass er anderen Schwierigkeiten machte und einmal mehr würde Fukuzawa in Verlegenheit geraten, sich für das Fehlverhalten seines Angestellten entschuldigen zu müssen.
 

Yosano und Ranpo saßen nebeneinander und amüsierten sich köstlich über einen Stand-Up Comedian, dessen Dialekt Kunikida einfach nur als störend und unästhetisch empfand. Kenji, Kyouka und die Tanizaki Geschwister hatten ein Spielbrett ausgebreitet. Plötzlich zuckte Kunikidas Auge. Keiner nahm die Arbeit ernst! Atsushi war ebenfalls dabei im Internet zu surfen, anstatt die Fallakten abzuarbeiten. Atsushi, der direkt neben ihm saß, bekam seinen Frust als erster zu spüren.
 

„Was gedenkst du da zu tun, HM?!“, fragte er und legte bedrohlich seine Hand auf die schmale Schulter des Jungen,der verängstigt zusammen zuckte und hoch sah, nur um in ein verdunkeltes Gesicht zu sehen und vom gefährlichen Aufblitzen der Brille des Mannes kurzzeitig geblendet zu werden. Eiskalter Schweiß lief ihm über die Stirn und er schluckte hart. Kunikida warf einen Blick auf die geöffnete Website. Nachrichten.
 

„Ich habe mir Sorgen um Dazai-san gemacht... ich dachte, dass ich vielleicht in den Nachrichten etwas über ihn finde“, wimmerte der Silberhaarige und erntete lediglich ein verärgertes Schnaufen.
 

„Du weißt, wie er drauf ist. Macht immer nur Quatsch! Ich bin mir sicher, dass er in der Schule auch zu denen gehörte, die immer gefehlt haben und von Polizisten wegen Dauerschwänzen ermahnt wurde“, erklärte der Blonde, schob sich seine Brille hoch.
 

„Vielleicht. Aber es ist nicht seine Art, sich überhaupt nicht zu melden“, kam es kleinlaut.
 

„Nun, ich habe den Großteil der Fallakten abgearbeitet und die restlichen haben erst am Ende des Monats ihre Deadline“, erklärte Kunikida und seufzte resigniert.
 

„Ich schätze, wir können genauso gut mal nach ihm sehen und ihn dann zur Arbeit schleifen. Zur Not fessele ich ihn an seinen Schreibtisch, damit er sich mal nützlich macht“, nickte er sich selbst bestätigend zu. Atsushi grinste zwar und gab ihm Recht, war sich aber ziemlich sicher, dass dieser Plan nach hinten losgehen würde. Dazai würde eher sterben, bevor er Büroarbeit erledigte, das hatte er selbst mehr als einmal mit Stolz behauptet. Nicht, dass Atsushi dieses Prahlen seines Mentors auf irgendeine Art und Weise guthieß.
 

Kunikida rieb sich die Hände und mit Atsushi ging er los, um Dazai in seinem Apartment zu besuchen. Dazai lebte nicht im Wohnkomplex der Agentur. Kunikida hielt für einen Moment inne. Er kannte Dazais Adresse und war auch nicht gerade selten vorbei gekommen, um ihn aus seinem Bett zu reißen und von draußen gegen die Tür zu hämmern, aber er war noch nie in Dazais Wohnung gewesen. Wie lebte er? Wie war seine Wohnung eingerichtet? Das Viertel in dem Dazai lebte war sehr ruhig. Lediglich nachts kamen Bewohner heraus und mehr als einmal hatte die Polizei hier zu tun, aber mehr wusste Kunikida nicht. Er hatte sich auch nie Gedanken gemacht, warum Dazai in so einer Gegend freiwillig lebte, wo der gesamte Bezirk nicht gerade zum Spazierengehen einlud.
 

Atsushi schluckte mehrmals und sah sich aufgeregt um. Er war noch nie in Dazais Wohnung gewesen. Er wusste nicht einmal, wo dieser lebte und mit jedem Schritt, dem sie ihrem Ziel näher kamen, wurde er neugieriger und rappeliger. Die großen Wohnkomplexe waren teilweise heruntergekommen, der Putz von außen blätterte ab und die Straßen hatten teilweise so große Löcher, dass man mit dem ganzen Fuß darin versinken konnte. Gut, dass sie nicht mit dem Auto gekommen waren.
 


 

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Manchmal fühlte es sich so, als würde die ganze Welt in dichtem, dunklem Nebel gehüllt und alles vor seinen Augen verschwamm, während er das Gefühl hatte, dass seine gesamte Kraft aus seinen Fingerspitzen entfloh. Seine Augen waren geöffnet, doch nichts war zu sehen. War es das? Es hatte ihn keinerlei Überwindung gekostet, mit dem Messer seinen Unterarm zu durchtrennen. Mit seinen Bandagen hatte er sich in die Badewanne gelegt und spürte mit jeder verstreichenden Sekunde, wie mehr und mehr seines Blutes das Wasser füllte und das bis eben klare und wohlig duftende Badewasser sich in ein tiefes Rot verfärbte. Der Duft von Rosen lag in der Luft. Er mochte Rosen. Sie blühten zu jeder Jahreszeit. Viermal im Jahr. Bedeutete das, dass er viermal sterben musste, ehe er endlich verwittern und für immer verschwinden konnte?
 

Er schloss seine Augen für einen Augenblick, sog den Duft noch einmal ein und ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. Das Wasser war eiskalt Seine Finger waren taub. Er mochte es, während eines warmen Bades ein Liedchen anzustimmen, doch durch das mittlerweile eiskalte Wasser waren seine Lippen bereits blau geworden. Das Zittern seiner Lippen machte es ihm unmöglich zu singen. Ein Blinzeln. Sein Körper bewegte sich nicht mehr. Immer noch dieses Lächeln, das er unter allen Umständen zu bewahren versuchte. Er wollte nicht, dass irgendjemand sah, wie tief die Trauer und seine Verzweiflung gingen. Sollte man ihn irgendwann finden, dann mit einem zufriedenen Lächeln. Dunkelheit überkam ihn.
 

Der Gedanke geliebt zu werden, bereitete ihm Unbehagen. Niemand würde ihn vermissen und wenn er starb, würde er niemals wieder den Schmerz der Liebe empfinden müssen. Niemals wieder müsste er mitansehen müssen, wie vergänglich diese Liebe war. Immer wenn er glaubte, jemanden gefunden zu haben, den er für immer bei sich wissen wollte, war es doch die Realität, die ihm sagte, dass dieses Glück niemals ewig währen würde. Glück war für Menschen bestimmt. Aber er war kein Mensch. Nie gewesen. Und wenn, dann hatte er dieses Recht wissentlich abgegeben, indem er freiwillig einen Pfad eingeschlagen hatte, von dem er genau wusste, dass er Leid und Verderben brachte. Er fürchtete so sehr, dass man ihm sein Glück entreißen konnte, sofern er es beim Namen nannte und sich zu sehr daran klammerte.
 

Er war einfach nicht für das Leben in einer Gesellschaft gemacht. Er war es nicht wert, ein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Die Moral, die die Währung dieser Gesellschaft darstellte und somit der Maßstab von Wort und Tat darstellte, war ihm nicht zu begreifen. Das Gefühl zu fühlen, etwas wirklich und aufrichtig genießen zu können, war ihm nie gegeben. Weder Wut noch Freude hatten eine Bedeutung für ihn und verschmolzen zu einem einzigen, riesigen Amalgam der Verständnislosigkeit. Alles ging vorbei. Alles war vergänglich. Nur eines gab es, was immer blieb. Schmerz. Selbsthass. Das Wissen dessen, nichts zu wissen und niemals verstehen zu können.
 

Er hatte genug von diesen Gefühlen, die ihn so sehr quälten. Genug davon, immer in Angst leben zu müssen und eine Rolle spielen zu müssen. Er war es müde geworden. Dieses Leben. Schließlich hatte er es niemals wirklich genossen. Er blinzelte und warf einen letzten Blick auf die große, klaffende Wunde an seinem Unterarm, dann schloss er die Augen. Immer noch ein Lächeln auf seinen Lippen.
 


 

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„Bist du dir sicher, dass wir einfach reingehen sollen? Er antwortet nicht, vielleicht ist er gar nicht zu Hause“, kam es unsicher von Atsushi, der nervös an seinen Hosenträgern herumfummelte.
 

„Pah!“, zischte Kunikida, klopfte noch mehrere Male an der Tür. Keine Reaktion. Dann riss ihm der Geduldsfaden und er trat die Tür ein. Die Lichter waren aus. Mit Atsushi ging er in die Wohnung und sie sahen sich suchend um. Im Schlafzimmer war ein ungemachtes Bett, die Decke lag halb auf dem Boden und so auch getragene Wäsche, die, wie Kunikida vermutete, dringend gewaschen werden musste. Auf dem Bett blinkte Dazais Smartphone. Verwundert zog er eine Augenbraue hoch, nahm dieses in die Hand. Keine einzige Nachricht war gelesen worden. Hatte sei nichtsnutziger Partner etwa sein Smartphone vergessen und war wieder mal im Kanal schwimmen gegangen? Er seufzte genervt.
 

„Im Wohnzimmer war er auch nicht“, kam es von Atsushi, dann legte er Kunikida einen kleinen Brief vor, „aber das hier habe ich gefunden“, meinte er verunsichert.
 

„Hast du im Bad nachgesehen? Vielleicht versteckt er sich nur vor uns, um nicht arbeiten gehen zu müssen. Du weißt ja, wie unreif er sein kann. Er würde sich vermutlich auch im Kleiderschrank vor uns verstecken, nur um keine Büroarbeit erledigen zu müssen“, sagte er und öffnete im selben Augenblick besagten Kleiderschrank, ließ seinen Blick missmutig hin und herschweifen. Kein Dazai im Schrank. Das stimmte ihn nicht sonderlich zufrieden. Seufzend verließen sie das Zimmer.
 

„Schau auch in den Schränken in der Küche nach“, meinte er monoton und öffnete den Kühlschrank, welcher komplett leer war. Dazai war zumindest nicht hier drin. Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall. Vielleicht sollte er sicherheitshalber auch in der Kühltruhe nachsehen oder im Ofen. Der Kerl war für wirklich jede Überraschung gut.
 

Atsushi hielt immer noch den kleinen Brief in seiner Hand und versuchte die Badezimmertür zu öffnen. Er drehte den Türknauf nach oben. Abgeschlossen.
 

„Kunikida-san! Ich glaube, ich hab Dazai-san gefunden!“, rief er ihm zu und versuchte noch einmal die Tür zu öffnen.
 

„DAZAII!“, brüllte Kunikida und stand urplötzlich neben dem Silberhaarigen, welcher sich erschrak und einige Schritte zur Seite taumelte, nur um dann grob weggeschoben zu werden, da sich der Blonde dazwischen drängelte und an der Tür rüttelte.
 

Der Zorn war ihm anzusehen. Atsushi lächelte leicht. Zumindest war Dazai nicht allein draußen oder gar wieder in irgendeinen Fluss unterwegs. Warum nur musste er auch nur so schwer zu verstehen sein? Eigentlich wusste er nichts über Dazai. Er war in der Port Mafia. Genauso wie Kyouka hatte er eine dunkle, blutverschmierte Vergangenheit und sich dazu entschlossen, im Licht zu leben und auf der Seite zu kämpfen, die Leben rettete. Immerhin hatte er einem hilflosen Waisen ein neues Leben ermöglicht und allein das war für Atsushi Grund genug, zu glauben, dass er ein wunderbarer Mann war. Die Vergangenheit war vergangen. Nicht mehr wichtig.
 

„Dazai! Ich schwöre, wenn du nicht sofort die Tür aufmachst, komme ich rein und drehe dir den Hals höchstpersönlich um! Deine kindischen Spielchen kannst du dir sonst wo hin stecken! Nicht mit mir!“, keifte der Blonde und zählte bis zehn. Doch die Tür öffnete sich nicht. Dazai wäre auch nicht Dazai würde er nicht unglaublich stur sein und mit jedem erdenklichen Mittel Arbeit vermeiden. Kunikida brach die Tür ein und schnaufte wie ein wilder Stier. Das Licht war aus. Der Vorhang zugezogen. Für einen Moment glaubte er, sich vertan zu haben. War Dazai vielleicht gar nicht hier? Aber wer schloss sein Badezimmer ab, wenn er sich nicht in diesem befand? Nun, es war durchaus denkbar, dass Dazai ihnen mal wieder einen Streich spielte oder gar nun zum Äußersten ging, um bloß nicht arbeiten zu müssen.
 

Atsushi schaltete das Licht ein. Der Vorhang zur Badewanne war zugezogen. Kunikida war sich sicher, dass er sich in der Badewanne versteckte und nur darauf wartete, dass seine Kollegen endlich das Handtuch warfen und aufgaben. Aber nicht mit ihm. Nicht mit Kunikida Doppo. Wer Arbeit hatte musste arbeiten, so stand es auch in seinem Ideal und sein Versprechen, stets zu tun, was getan werden musste, würde er niemals brechen. Atsushi kam nun näher und blieb fragend neben Kunikida stehen, welcher sich nun räusperte. Dann riss er den Badezimmervorhang auf.
 

Atsushi starrte auf das Bild vor sich. Selbst Kunikida verschlug es den Atem.
 

„Scheiße...“, hauchte er und legte eine Hand auf Dazais Halsschlagader, um sicher zu gehen, dass er noch lebte. Atsushi weinte und war vor Schreck erstarrt. Unmöglich. Das war nur ein Traum. Niemals würde Dazai sein eigenes Leben auf diese Weise beenden wollten. Er schwärmte doch immer davon, dass er sich einen Doppelselbstmord wünschte und witzelte ständig über neue Methoden – aber nichts davon meinte er ernst. Das waren doch nur makabre Scherze! Nichts weiter. Dümmliche, makabre Scherze, die grotesker nicht hätten sein können.
 

„Steh nicht so untätig herum, sondern hilf mir, ihn rauszuholen!“, mahnte Kunikida und Atsushi nickte hastig. Gemeinsam zogen sie Dazai aus dem Wasser.
 

„Er ist eiskalt... er muss seit mindestens 24 Stunden hier gelegen haben...“, schlussfolgerte er und sah nun die große, klaffende Wunde an Dazais Unterarm.
 

„Verdammter Idiot“, sagte er und zwang sich dazu, nun nicht aus der Fassung zu geraten.
 

„Atushi, hol die Decke und Handtücher. Ich rufe einen Notarzt“, meinte er und wählte die Nummer auf seinem Handy.
 

Keine zehn Minuten später befand sich Dazai im Krankenwagen, der ihn ins nächstgelegene Krankenhaus brachte. Da sie keine direkten Verwandten waren und bei den Behandlungen ohnehin nur stören würden, hatte man sie nicht mitfahren lassen. Wortlos liefen sie zur Agentur zurück. Den ganzen Weg lang sagte keiner etwas. Tiefes Schweigen hüllte sie ein. Zwischendurch schluchzte Atsushi. Kunikida fühlte sich schuldig. Die Schuld verzerrte ihn und zermürbte seinen Verstand.



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