Mein zweites Leben von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Bittere Wahrheit ------------------------ Als ich unsere Wohnung erreichte lief ich schnellen Schrittes ins Schlafzimmer und schmiss mich auf das Bett. Die Bilder wollten nicht vor meinem geistigen Auge verschwinden. Wie er, mein Ehemann, sie, seine bildschöne Sekretärin, auf seinem Schreibtisch vögelte. Die Beiden waren so in ihrem Spiel vertieft, dass sie mich gar nicht bemerkten. Nachdem ich fassungslos auf das Schauspiel vor mir blickte und ich endlich meinen Anblick von dieser widerlichen Situation lösen konnte schmiss ich die Tür ins Schloss. In dem Moment schrie sie in voller Ekstase seinen Namen. Ich hätte einfach nur kotzen können. Und was tat ich? Ich rannte den Flur entlang und in den nächst besten Kollegen meines ach so tollen Ehemannes. Hätte er mich nicht reflexartig festgehalten hätte mein Hintern Bekanntschaft mit dem Fußboden gemacht. Seine Hand um ein Handgelenk verursachte mir eine Gänsehaut. Seine schokobraunen Augen sahen mich mitfühlend an. Trotzdem jagte mir sein Blick einen angenehmen Schauer über meinen Rücken. Moment! Wieso mitfühlend? Das konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Ich wollte raus hier. Bevor mein Ehemann, oder sein Flittchen sein Büro verließen. Ich riss meine Hand aus der Hand des mir Unbekannten und rannte weiter den Flur entlang. Ich musste raus hier. Vielleicht könnte ich an der frischen Luft endlich wieder atmen. Endlich der Aufzug, jetzt müsste ich nur noch den Knopf drücken und … Scheiße, dass dauert mir zu lange. Immerhin könnte er jeden Moment unverhofft hinter mir auftauchen. Und das wäre das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Hastig sehe ich mich um. Das Treppenhaus wäre eine Option. Ich riss die Tür auf und stürmte die Treppen runter. Nach einer gefühlten Ewigkeit, sah ich endlich den Weg aus meiner Misere – die Tür. So schnell ich konnte öffnete ich diese und hastete in die kühle Winterluft. Ich rannte so schnell ich konnte. Das eben Gesehene konnte einfach nicht wahr sein. Meine Tränen wollten nicht versiegen. Mein Herz schmerzte. Meine Lunge brannte. Trotzdem wollte ich nach Hause und das so schnell wie möglich. Ich igelte mich auf dem Bett zusammen und hing meinen Gedanken nach. Mein Unterbewusstsein schallte mich eine Närrin. Immerhin hatte dieses mir schon vor Wochen, ach was, schon vor Jahren gesagt, dass die ganze Sache nicht gut für mich ausgehen würde. Mit zarten siebzehn Jahren lernte ich meinen Ehemann Noriaki kennen. Ich verliebte mich sofort in ihn. Als er mir drei Monate später einen Heiratsantrag machte, war mein Leben perfekt. Zwei Monate nach meinem achtzehnten Geburtstag hatten wir geheiratet. Von dem Zeitpunkt unseres Kennenlernens sah ich mein Leben durch eine rosarote Brille, die er mir heute, nach sechs Jahren Ehe, unsanft von der Nase riss. Obwohl ich es geahnt hatte, dass er mir nicht treu ist. Es ist aber etwas anderes einen Verdacht zu haben, als live und in Farbe den Beweis zu sehen. Heute wurde mir bewusst, dass ich spätestens mit meinem Ja-Wort mein Selbstvertrauen, meine Hoffnungen, meine Träume und mein Leben weggeworfen hatte. Ich schluckte die bittere Pille herunter, als mir bewusst wurde, dass mein gesamtes Leben in Schereben vor mir lag. Noch schlimmer war die Erkenntnis, dass ich das Luftschloss, dass er mir erbaut hatte, geliebt hatte. Dabei hatte ich aus den Augen verloren, wie er mich immer mehr von sich abhängig machte. Mich immer mehr von der Außenwelt isolierte. Das wurde mir heute mit einem Mal klar. Er gestand mir gerade noch so zu, dass ich die Schule beendete. Meinen Traum ein Studium als Ernährungswissenschaftlerin gab ich ihn zu liebe auf. Er meinte immer das er genug Geld verdienen würde und er nicht wollte, dass ich als seine Frau arbeiten gehen. Das habe ich bei seinem Stand nicht nötig. Jetzt wurde mir klar, dass ich nichts hatte. Keinen Studiums Abschluss. Keine Berufsausbildung. Keine Erfahrung in der Berufswelt, noch nicht einmal als Aushilfe in irgendeiner Branche. Dabei hatte ich so große Träume. Ich wollte nach der Schule ein Studium als Ernährungswissenschaftlerin beginnen. Vielleicht ein Auslandssemester in Frankreich, dem Land des Genusses, machen. Ich wollte heiraten, wenn ich den richtigen Mann an meiner Seite hatte. Ich wollte eine Familie gründen. Die Welt bereisen. Was hatte ich jetzt? Die obengenannten Punkte muss ich ja wohl nicht wiederholen. Hinzukommen: Mein Job war es, den Haushalt zu schmeißen und einen guten Eindruck auf Firmenfeiern zu machen. Schön lächeln und gut aussehen. In den teuersten und edelsten Roben, die mein Ehemann mir immer bereitlegte. Einen untreuen Ehemann. Seit Jahren spüre ich eine Unzufriedenheit in mir. Kein Selbstwertgefühl. Kein Selbstbewusstsein. Keine Freunde. Nie habe ich auf meine innere Stimme gehört, die mir gesagt hat, dass mein gesamtes Leben ein Fehler ist. Jedenfalls so wie ich es jetzt lebe. Wie konnte er mir das nur antun? Ich hatte alles für ihn aufgegeben. Wie dankte er es mir? Er vögelte in der Weltgeschichte umher. Zeitweise schlug er mich. Wieso habe ich nicht auf meine Familie gehört? Warum habe ich alle Einwände meiner Freunde einfach mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden abgetan? Wie konnte ich nur so naiv sein? In mir reifte der Wunsch nach einem unabhängigen Leben. Ohne meinen Ehemann. Aber konnte ich meiner Familie die Schande einer Scheidung auferlegen? Was würden sie denken? Immerhin hatten sie mich immer vor Noriaki gewarnt. Sie haben mir auf den Kopf zugesagt, dass diese Ehe ein Fehler ist. Wie würden meine Eltern reagieren, wenn ich nach sechs Jahren bei ihnen auftauchen und ihnen beichten würde, dass meine Ehe gescheitert ist? Ich hörte, die Stimme von Noriaki, als er die Wohnung betrat. Scheiße, ich hatte kein Abendessen vorbereitet. Auch das Aussaugen der Wohnung hatte ich in meinem Schmerz vergessen, genauso wenig hatte ich den Geschirrspüler ausgeräumt. Das Badezimmer hatte ich auch nicht geputzt. „Sag mal, was machst du den ganzen Tag? Die Wohnung sieht aus wie ein Schweinestall. Wo steckst du eigentlich, Mimi?“ Oh, oh seine Stimme klang gar nicht gut. War sein Flittchen nicht gut genug gewesen? Ich wusste jetzt schon, wer seine Unzufriedenheit abbekommen würde. Ich zuckte erschrocken zusammen, als die Schlafzimmertür mit einem Schwung aufgerissen wurde. „Wenn du faul im Bett liegst muss ich mich nicht wundern, warum die Wohnung aussieht, wie sie aussieht. Was hast du heute in der Firma gemacht? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich einen wichtigen geschäftlichen Termin habe und nicht gestört werden möchte.“ Unsicher sah ich ihn in seine Augen. „Ich … ich …i-“ „Ja, du hast was?“ „Mir geht es heute nicht gut.“ „Anscheint ging es dir so gut, dass du in der Firma aufgetaucht bist. Immerhin wurdest du dort von einigen meiner Kollegen gesehen. Die Zeit die du dort verplempert hast, hättest du auch sinnvoller nutzen können und die Wohnung aufzuräumen.“ Wütend baute er sich vor mir auf. Bei seinem Blick wurde mir bewusst, dass ich schnellst möglich aus dem Bett raus sollte. In einer schnellen Bewegung stand ich auf und versuchte mich an ihm vorbei zu drücken. Doch es war Zwecklos. „Wo willst du hin?“ „Ich will dich heute nicht mehr sehen, ich werde -“ In dem Moment wo seine Hand auf meiner Wange landete wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. „So etwas muss ich mir nicht von meiner Ehefrau anhören.“ Seine Hand umklammerte mein rechtes Handgelenk so fest, dass es weh tat. „Wieso hast du mit ihr geschlafen?“, rutschte es unbedacht aus mir heraus. Noriaki schupste mich unsanft auf das Bett. „Warum ich Sex mit anderen habe, möchtest du wissen?“ Er sah wie ich nickte und mir die Tränen in die Augen schossen. Ich wusste jetzt schon, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. „Du bist meine Frau, Mimi. Dein Job ist es den Haushalt zu führen. Mich bei öffentlichen Auftritten in ein guten Licht zu präsentieren und die Beine für mich breit zu machen, damit ich Nachkommen zeugen kann.“ Ich spürte, wie seine Hände grob meinen Körper erkundeten. In mir kroch die Angst hoch, als er brutal sein Bein zwischen meine Beine schob. Er flüsterte in mein Ohr: „Du hast weder den Haushalt gemacht, noch hast du mir ein Kind geschenkt. Wir sind sechs Jahre verheiratet und du bist nicht ein einziges Mal schwanger gewesen. Kannst du es mir verübeln, dass ich mir deshalb andere Frauen ins Bett hole?“ Frauen? Er sprach in der Mehrzahl. Der Alptraum, der sich mein Leben nannte steigerte sich von 'unerträglich' in 'ich will einfach nicht mehr leben'. „Wann bist du zu solch einem Arschloch geworden?“ „Vorsicht Mimi, du brauchst mich, damit du überleben kannst. Ohne mich bist du nichts. Vergesse das nicht. Falls du es wissen möchtest: Saori hat es mir richtig schamlos besorgt. Das nicht nur einmal. Ich habe sie heute dreimal besinnungslos gefickt. Daher hast du Glück, sonst wäre es nicht so schön für dich ausgegangen. Verstanden? Uns jetzt geh die Wohnung aufräumen.“ Mit einem Ruck löste er sich von mir. Hatte er mir eben durch die Blume gesagt, dass er sich gewaltsam das neben würde, was ihm als Ehemann zu stand? Das er sich an mir vergehen würde? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Wie weit bin ich gesunken, dass mein eigener Ehemann mir sagte, dass er mich vergewaltigen würde? Er wusste es noch nicht, aber diese Nacht wird die letzte Nacht sein, in der ich in seinem Bett schlafe. Morgen werde ich mir mein Leben zurückholen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde mir meine Träume verwirklichen. Ich werde mein Leben so leben, wie ich es will. Auch wenn dies hieß, dass ich mich von jetzt an alleine versorgen musste und ich keine Ahnung hatte, wie ich das schaffen sollte. Vielleicht könnte ich bei meiner Familie … oder bei meinen Freunden … Hatte ich eigentlich noch eine Familie oder Freunde? Egal wie, aber hier bei meinem Ehemann werde ich nicht mehr bleiben. Er hatte mich belogen, betrogen, mir meine Träume und Hoffnungen genommen, mich mehrfach geschlagen und mir angedroht sich an mir zu vergehen. Es reichte mir. Mit diesem Abend hat er das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich – Shimizu Mimi, geborene Tachikawa – werde ab morgen mein neues Leben, leben. Kapitel 1: So weit weg wie möglich ---------------------------------- Der Wecker klingelte, wie immer in den gesamten sechs Jahren meiner Ehe, um halb sechs Uhr. Müde streckte ich mich. Entsetzt musste ich feststellen, dass meine Wange immer noch von seiner Ohrfeige brannte. Mein Handgelenk tat auch immer noch weh. Ich war mir jetzt schon sicher, dass ich im Badezimmer einen Schreck bekommen würde. Die Bewegung auf der anderen Seite des Bettes ließ mich schnell den Wecker ausschalten. Mein Mann sollte jetzt nur nicht wach werden. Ich suchte mir frische Wäsche aus dem Kleiderschrank raus danach verschwand schnell ins Badezimmer. Der Blick auf mein Handgelenk ließ mich zusammenzucken. Sein Handabdruck war deutlich in einem violetten Ton zu sehen. Vorsichtig bewegte ich meine Hand in alle Richtungen. Erleichtert atmete ich aus. Anscheint war nichts verstaucht, oder gebrochen. Ich zog mir mein Nachtkleid über den Kopf, als ich es zu Boden fallen ließ sah ich einen riesengroßen blauen Fleck an der Innenseite meiner Oberschenkel. Verdammt, wann war er so brutal geworden? Schnell schlüpfte ich unter die Dusche. Das warme Wasser tat meinen geschundenen Körper gut. Langsam lies ich mich an den Fliesen runter gleiten. Meine Arme schlang ich beschützend um meine Beine. Meinen Kopf legte ich auf meine Knie. Das Wasser prasselte auf mich nieder, was ich gar nicht wahr nahm. Leise fing ich an zu weinen. Mein Schluchzen wurde immer lauter. Nur noch heute Vormittag Mimi. Heute Abend hast du ihn verlassen. Mit dieser Erkenntnis erhob ich mich. Trotzdem konnte ich ein Schrei der Verzweiflung nicht unterdrücken. Meine Faust schloss mit den Fliesen Bekanntschaft. Wer gewonnen hat, brauch ich wohl nicht zu schreiben. Das komische war, dass ich überhaupt keinen Schmerz verspürte. Okay Mimi, genug mit dem Selbstmitleid. Du musst schnellst möglich das Frühstück vorbereiten. In Windeseile trocknete ich mich ab, zog mich an und putze mir die Zähne. Die Zahnbürste stelle ich wieder in den Zahnputzbecher. Dabei sah ich mich flüchtig im Spiegel an. Scheiße, dass konnte jetzt nicht wahr sein. Diesen Bluterguss konnte ich noch nicht einmal überschminken. Dieser ging von meiner Augenbraue bis zum Kinn. Das Auge war leicht geschwollen. Tief durchatmen, es ist nur noch dieser eine Vormittag. Der Frühstückstisch war rechtzeitig gedeckt. Als mein verhasster Ehemann das Esszimmer betrat. Ich stellte gerade seine Kaffeetasse auf den Tisch, als ich spürte wie er sich hinter mich stellte. Seine Hände wanderten unsanft zu meiner Brust und seinen harten Ständer rieb er an meinem Hintern. Bitte nicht jetzt. Sonst kotz ich ihm in seinen heiß geliebten Kaffee. Das Klingeln seines Handys ließ ihn in seiner Berührung innehalten. Verstimmt nahm er das Telefonat an. Seine Stimme wurde immer lauter und ungehaltener. Irgendwann schrie er seinen Gesprächspartner an und legte wütend auf. „Ich muss in die Firma.“ Erleichtert atmete ich nach dieser Information auf. Das hieß, dass er mich in Ruhe lassen würde. „Wir werden heute Abend da weiter machen, wo wir jetzt unterbrochen wurden. Danach wirst du nicht mehr geradeaus laufen können.“ Grinste er mich schmierig an. Wo war seine Kaffeetasse? Ich war kurz davor meine vorherige Idee in die Tat umzusetzen. Noriaki ging in den Flur, dort stellte er sich vor den Spiegel flink band er sich seine weinrote Krawatte. Hatte ihm schon mal jemand gesagt, dass ihm diese Farbe überhaupt nicht stand? Egal, er musste damit herumlaufen. Ungeduldig wartete ich darauf, dass Noriaki die Wohnung verließ. Endlich fiel die Tür ins Schloss. Ich lauschte – nichts. Kein Geräusch, außer das Ticken der Wanduhr. Ich war endlich alleine. Erleichtert atmete ich aus. Ohne Vorwarnung liefen mir die Tränen heiß über meine Wangen. Mit dem heutigen Morgen wurde mir mehr als bewusst, dass er seine Drohung wahr machen würde. Schließlich war er schon zweimal kurz davor gewesen. In der Küche machte ich mir, wie immer, einen Tee. Neben bei räumte ich das Geschirr in die Spülmaschine. Kurz hielt ich inne. Verdammt noch mal, ich wollte meinen Ehemann verlassen daher sollte ich so schnell wie möglich meine sieben Sachen zusammensuchen und dann verschwinden. Je weiter weg ich war desto besser war es für mich. Was machte ich? Tee? Aufräumen? Scheiß drauf, sollte er doch den Mist wegräumen. Im Schlafzimmer holte ich mir eine kleine Reisetasche und stopfte wahllos Unterwäsche, ein paar Oberteile, Hosen und Röcke rein. Im Bad schnappte ich mir meinen Kulturbeutel. Dieser fand den Weg in meine Reisetasche. Ich blickte mich noch einmal in meinem zu Hause um. Gedankenversunken streifte ich mir meinen Ehering ab und legte diesen auf seinem Nachtschränkchen. Mit dieser Geste fühlte ich mich endlich wieder frei. Kurz schaute ich auf die Uhr. Jetzt musste ich mich beeilen, damit ich noch einen guten Vorsprung hatte, bevor er nach Hause kam. Gerade wollte ich mir meine Jacke überziehen, als ich hörte, wie ein Schlüssel in das Türschloss gesteckt wurde. Mir wurde schlecht. Ich saß auf gepackten Taschen in unserem Flur und war dabei mir meine Schuhe anzuziehen. Er würde sofort die Situation erkennen. Scheiße, was mache ich jetzt? So schnell es ging schnappte ich mir meine Reisetasche und wollte sie in die kleine Abstellkammer werfen. Mit einem Ruck wurde ich herumgerissen. Seine wutverzerrte Stimme drang in meine Ohren. Verstehen tat ich ihn aber nicht. Ich spürte nur noch einen harten Schlag ins Gesicht und taumelte gegen die Wand. Mein Kopf donnerte hart an die Flurwand. Kurz wurde mir schwarz vor Augen. Der Geschmack von Blei breitete sich in meinem Mund aus. Dieser Geschmack lies mich wieder in das Hier und Jetzt kommen. Als er mir seine Lippen hart auf meine drückte und mich mit seiner Zunge zwang den Mund zu öffnen schmeckte ich den Alkohol, den er getrunken hatte. Ich musste würgen. Wieso bin ich nicht einfach bewusstlos geblieben? Kurz ließ er von mir ab, nur um mich im nächsten Moment auf den Boden zu drücken und mich mit seinem Gewicht bewegungsunfähig zu machen. Die Panik er griff mich. Wollte ich das? Wollte ich einen brutalen Ehemann, der keinen Respekt vor mir hatte? Den es ein Spaß machte mich zu erniedrigen? Der mir meine Würde nahm? Der mir meine letzte Hoffnung nahm, dass es etwas Besseres als das für mich gab? Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte etwas anderes und das würde er mir nicht nehmen. Ich wollte ein neues Leben. So zu sagen mein zweites Leben. Ich wollte meine Träume verwirklichen. Ich wollte meine Freunde zurück. Ich wollte meine Familie zurück. Ich wollte glücklich sein. Ich wollte endlich die Mimi sein, die ich immer sein wollte. Damit dies wahr werden konnte musste ich kämpfen, sonst hätte er gewonnen. Und diese Genugtuung wollte ich ihm nicht gönnen. Mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass er mir alles genommen hatte, alles, bis auf meine Hoffnung. Und diese würde er nicht bekommen. Ich zwang mich tief durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Die Wohnungstür war gut drei Meter entfernt. Ich wäre sofort im Hausflur, dort konnte mir vielleicht ein Nachbar helfen. Als er mir die Hand auf den Mund drückte sah ich meine Chance gekommen. Ich holte noch einmal tief Luft, sammelte all meinen Mut zusammen und biss ihm in die Hand. Reflexartig zog ich mein Knie an und traf seine Kronjuwelen. Mit einem lauten Schmerzensschrei rollte er sich von mir runter, dabei nahm er die Embryohaltung ein. Die schönsten Flüche hörte ich aus seinem Mund. Es hörte sich wie Musik in meinen Ohren an. Ein wenig bedauerte ich, dass ich seinem Schmerzgesang nicht weiter zu hören konnte. Daher rappelte ich mich blitzschnell auf. Die Schmerzverzerrte Stimme, die langsam durch Wut abgelöst wurde nahm ich nur durch einen Schleier wahr. Diese jagte mir eine Heidenangst ein. Weg! Ich musste so schnell wie möglich weg! Fort von dieser Wohnung, diesem Mann, meinem verhassten Leben. Ich riss die Wohnungstür auf und stolperte in den Hausflur. Ich rannte so schnell mich meine Beine tragen konnten. Nach einiger Zeit hörte ich, wie er mir wütend in den Hausflur folgte. Verdammt, was sollte ich jetzt machen? Den Aufzug sollte ich meiden, das Treppenhaus … Genau, durch den Kellergang konnte ich nach draußen. Dieser führte in unseren Hinterhof und dort war ein kleiner Weg, der durch Rosenbüsche verdeckt wurde, der zum Supermarkt führte. Diesen Weg konnte man nur auf der Seite vom Supermarkt sehen. Ich hoffte inständig, dass Noriaki nichts von diesem Schleichweg wusste. Sonst … Nur nicht daran denken. Ich lief so schnell, als ob der Leibhaftige hinter mir her war. Langsam merkte ich, wie mein Kopf anfing zu schmerzen und ich begann Doppelbilder zu sehen. Ignorier den Hilfeschrei deines Körpers renn so schnell wie möglich weg von hier, mahnte mich mein Hirn. Ich war bei den Rosenbüschen angekommen, als mir schwarz vor Augen wurde. Bitte nicht jetzt, es sind doch nur noch ein paar Schritte bis zum Supermarkt. Dort werde ich sicher Hilfe finden. Nur noch ein paar Schritte. Komm schon Mimi, du schaffst es. Doch alles flehen half nichts. Von weitem hörte ich die Stimme meines Ehemannes. Ich bemerkte, wie jemand laut aufschrie und auf mich zu lief. Ich wurde in zwei starke Arme gezogen und mir wurde sanft über mein lädiertes Gesicht gestrichen. Etwas Warmes wurde auf meinen Körper gelegt. Ich sah, dass er etwas sagte, verstand dies aber nicht. Das Letzte was ich war nahm waren schokobraune Augen. Die mich schmerzerfüllt aber auch liebevoll ansahen. Dann wurde alles Schwarz um mich herum. Kapitel 2: Bekannte aus der Vergangenheit ----------------------------------------- Seine Augen sahen mich eiskalt an. Das Grinsen konnte schmieriger nicht sein. Seine Hände lagen auf meinem Körper und wanderten grob und fordernd über diesen. Ich konnte mich weder bewegen, da er meinen Körper mit seinem bewegungsunfähig gemacht hatte, noch konnte ich vernünftig atmen. Schreien konnte ich auch nicht. Seine eiskalte Hand lag auf meinen Mund. Gierig schob er seine freie Hand zwischen meine Beine. Jetzt würde er sich das nehmen, was ihm seiner Meinung nach jederzeit zustand. Mit dieser Aktion würde er mich auch noch meine Hoffnung und meinen Lebenswillen nehmen. Mir war so verdammt kalt. Dann geschah es, weg war mein mir verhasster Ehemann. Alles änderte sich. Ich spürte eine Wärme und fühlte mich beschützt und geborgen. Eine Hand strich mir sanft über meine Wange. Schokobraune Augen blickten mich liebevoll an. Trotzdem konnte man den Schmerz in seinen Augen sehen, den er durchlitt. Was zum Kuckuck ging hier vor sich? Träumte ich? Ich hörte, mir unbekannte, Stimmen wobei die eine Stimme ziemlich nah war. Diese war so angenehm, klang voller Wärme. Die Stimme berührte mein Inneres. Diese beruhigte mich enorm und gab mir die Kraft meine Augen zu öffnen. Ich war mir nicht sicher. War ich jetzt aus einem Alptraum erwacht? Oder Spielte mein Hirn mir einen Streich? Wurde mein Alptraum durch einen wunderschönen Traum abgelöst? Ich musste mal mit Morpheus ein ernstes Wörtchen reden. Wie kann er mir so einen Streich spielen? War das jetzt ein Wunschgedanke, oder die Realität? Sah ich wirklich in diese schokobrauen Augen, des fremden Mannes? Wieso hielt er meine Hände fest? Was hatte er vor? Panik ergriff mich. Ich lag in einem fremden Bett. Das Zimmer hatte ich noch nie gesehen. Dem Geruch nach könnte es ein Krankenhauszimmer sein. Krankenhaus? Das ist ein öffentlicher Ort. Hier wird mein Ehemann mich doch zuerst suchen. Ich musste weg hier. Schnell wollte ich aus dem Bett springen, als mir spei übel wurde. Der junge Mann drückte mich sanft, aber bestimmt in das weiche Kissen zurück. Von dem kleinen Schränkchen neben meinem Bett nahm er sich eine Nierenschale und reichte mir diese. Dankend nahm ich das Gefäß an und würgte. Zum Glück blieb es nur dabei. Jetzt wusste ich wenigstens, dass dies kein Traum war. „Ich muss dringend weg“, flüsterte ich panisch. Dabei stellte ich die Nierenschale wieder auf dem Nachtschrank ab und wollte aufstehen. „Du gehst nirgendwo hin.“ Bestimmend drückte er mich wieder in die weichen Kissen. „Ich muss.“ „Bleibst du endlich liegen? Mit deinem Gesundheitszustand ist nicht zu spaßen“, kam es verärgert von ihm. „Im Krankenhaus wird er mich zuerst suchen.“ „Du musst keine Angst haben. Hier wird dir niemand etwas antun.“ „Du hast keine Ahnung“, motzte ich den jungen Mann an. „Die habe ich wohl mehr, als mir lieb ist“, kam es traurig über seine Lippen. Dabei legte er mir sanft die Bettdecke über meinen Oberkörper. „Du bist ein Kollege von ihm-“ „Nein, das bin ich nicht. Jetzt beruhige dich.“ Zärtlich zog er mich in seine Arme und strich mir beruhigend über den Rücken. Während mir die Tränen haltlos über meine Wangen liefen und sein schwarzes Jackett durchnässten. Bei dem was mir passiert ist, müsste ich Panik habe. Ihn von mich stoßen. Das tat ich aber nicht. So verrückt es klingt, ich vertraute einem mir völlig fremden Mann. Nicht nur das, ich fühlte mich beschützt, geborgen und nach langer Zeit hatte ich das Gefühl, dass mein Leben endlich wieder in die Bahnen gelenkt werden konnte, wie ich es mir vor so langer Zeit einmal erträumt hatte. Stopp! Was passierte hier gerade? Wieso redeten wir uns vertraulich an? Soweit ich mich erinnern kann, habe ich diesen Mann noch nie gesehen. „Wer bist du dann?“ „Auf jeden Fall kein Kollege deines Mannes. Für diesen Abschaum würde ich nie arbeiten.“ Gerade wollte ich ihn etwas fragen, als sich ein zweiter Mann im Zimmer bemerkbar machte. „Mein Name ist Kido.“ Er machte eine kurze Pause, als wartete er auf eine Reaktion von mir. Verwundert sah ich den zweiten Mann im Raum an. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Ich kam nicht auf die Lösung. Mir brummte mein Schädel, daher hatte mein logisches Denken teilweise seinen Dienst eingestellt. Warum zum Geier musste ausgerechnet ich mit zwei Männern alleine in einem Raum sein? Warum verspürte ich auch bei diesem Mann keine Angst? Ich bin eindeutig verrückt, plemm plemm, durchgeknallt, bescheuert, meschugge. Ich sollte in meiner Situation keinen Mann an mich heranlassen. Was tat ich? Der eine Mann sitzt praktisch auf meiner Bettkante und beruhigte mich wie ein kleines Kind. Und er war mir ein völlig fremder Mensch. Trotzdem fühlte ich mich sicher. Der Andere schaut mich an, als wenn er auf die Erleuchtung seiner Ahnen wartete. Bei näher Betrachtung sah es so aus, als ob er auf die Erleuchtung meinerseits wartete. Hatte ich es schon erwähnt? Mein Schädel brummt. Es kam mir so vor, als wenn mindestens vier Presslufthammer eine Polka vom Nordpol bis zum Südpol tanzten. Und jeder einzelne Knochen in meinem Körper versuchte sich wie ein Puzzle zusammen zu setzten, nur leider wussten diese nicht wo sie hingehörten und dementsprechend tat mir mein gesamter Körper weh. Ich war nicht in der Lage, bestimmte Informationen zu verarbeiten. Geschweige denn aufzunehmen. Die Stimme des zweiten Mannes drang an mein Ohr: „Ich bin dein behandelnder Arzt. Du hast …“ Klasse! Ganz großes Kino! In meinem Kopf ratterte es. Wieso musste es ausgerechnet ein männlicher Arzt sein? Wurde ich nicht schon genug durch meinen Ehemann erniedrigt, musste mir jetzt auch noch ein Mann vor Augen halten wie Noriaki mit mir umgesprungen ist? Ich würde mich besser fühlen, wenn ich mich endlich mal übergeben konnte. Doch leider blieb mir diese Erleichterung verwehrt. Vielleicht auch besser so, so konnte es nicht noch peinlicher für mir werden. Halt! Genug Selbstmitleid. Mir ist etwas aufgefallen: Wieso duzte er mich? Kido? Arzt? Stöhnend legte ich meinen Kopf in das weiche Kissen. Der Arzt sah wohl, wie verwirrt ich ihn aussah. „Wir kennen uns Mimi. Wir sind für einige Zeit auf die gleiche Schule gegangen. Bevor ich mein Studium angefangen hatte“, erklärte er. Moment! Das konnte jetzt nicht sein, oder doch? Ist er der große Bücherwurm? Der Junge, der ständig mit einem Buch vor der Nase rumlief? Fragen schadet nicht, zur Not behaupte ich, dass diese Annahme mit meinen Kopfschmerzen zusammenhing. Vorsichtig fragte ich: „Joey?“ Kurz nickte er mir zu, trotzdem ließ Joey mir keine Zeit irgendwelche Fragen zu stellen. „Dein Mann hat dich ziemlich übel zugerichtet, Mimi. Du hast eine Gehirnerschütterung, diverse Hämatome im Gesicht, Handgelenk, Oberkörper, den Oberschenkeln und am Rücken. Dein Handgelenk ist verstaucht. Zwei deiner Rippen sind geprellt. Außerdem hast du eine Platzwunde an der rechten Augenbraue und deine Unterlippe ist ebenfalls aufgeplatzt.“ Ich merkte, wie der Mann neben mir sich versteifte. Seine Hand ballte er zu einer Faust. Er sah den Arzt ernst an. „Hat er sie-“ „Die medizinischen Befunde deuten nicht darauf ihn.“ Abwechselnd sah ich die Männer an. Ich fand nicht den Mut einen von Beiden in die Augen zu sehen, als ich antwortete: „Wollte er, er hat es aber nicht geschafft.“ „Wenigstens eine gute Nachricht. Ich weiß nicht, wie ich ihm das hätte erklären sollen“, warf der Mann mit den schokobraunen Augen ein. Irrte ich mich, oder wirkte er erleichtert? Vor allem, wem sollte er was erklären? So langsam fragte ich mich, was hier gespielt wurde. Ich sah wieder den Mann an, der neben mein Bett saß. „Wer sind Sie und was machen Sie hier?“ „Ich habe den Auftrag Informationen über deinen Ehemann herauszufinden, damit er für lange Zeit hinter Gitter kommt. Außerdem habe ich heute den Auftrag erhalten, dich vor deinem Ehemann in Sicherheit zu bringen. Ich war gerade auf den Weg zu dir, als du mir in die Arme gelaufen bist.“ Erstaunt blickte ich ihn an. „Ach und du glaubst wirklich, dass ich dir einfach die Tür aufgemacht hätte? Dich in die Wohnung gelassen hätte und dir einen Kaffee angeboten hätte?“ Er musste kurz auflachen. „Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Ich glaube aber, wenn ich dir gesagt hätte, für wen ich arbeite und er mich geschickt hat hättest du mich sofort in die Wohnung gelassen.“ „Himmel noch mal, dann sag endlich wer du bist und für wen du arbeitest. Warum machst du so ein Geheimnis daraus?“ „Er wollte dich in Sicherheit wissen, bevor das Verfahren gegen deinen Mann beginnt. Ich arbeite für die Anwaltskanzlei Tachikawa und Partner.“ Ich merkte, wie mir die restliche Farbe aus meinem Gesicht wich. Er arbeitete für die Kanzlei, die meinem Vater gehörte. Die Welt hörte sich auf zu drehen, nur um im nächsten Moment das doppelte an Geschwindigkeit zuzunehmen. „Du arbeitest für meinen Vater?“ Er nickte. „Nicht nur das. Irgendwie bin ich ein wenig enttäuscht, dass du mich nicht erkannt hast, Prinzessin. Wir sind zusammen mit Sora, Matt und Joey auf die gleiche Schule gegangen.“ Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. Sora war meine beste Freundin. Ihr konnte ich alles anvertrauen. Die schönsten Shoppingtouren machen und über die Männerwelt lästern. Sie wollte immer in der Modewelt Fuß fassen. Wie es ihr heute erging? Yamato, oder besser gesagt Matt, gehörte damals auch zu meinem Freundeskreis. Immerhin war er der Freund von Sora. Was er jetzt wohl machte? Ob er wirklich seinen Traum verwirklichen konnte und in der Musikbranche arbeitete? Dann gab es noch unseren Chaoten in der Runde. Seine Haare standen immer in alle Himmelsrichtungen ab. Die Uhrzeit hatte er nie gelernt richtig zu lesen. Er hatte immer ein lautes Mundwerk und der Fußball war irgendwie eine Symbiose mit seinem Fußgelenk eingegangen. Wie war sein Name? Ich grübelte und grübelte, mir wollte dieser nicht einfallen. Nach meiner Schulzeit hatte ich zu allen den Kontakt verloren. Ich wusste praktisch nichts mehr über meine damaligen Freunde. Ich wusste nicht einmal mehr wie sie aussahen. Frustriert atmete ich laut aus. Dabei massierte ich meine Schläfen. Wie hatte er mich genannt? Prinzessin? Dabei fiel mir wieder der Name von dem Chaoten ein. „Tai, Mimi sollte sich schonen. Höre auf sie zu überfordern. Sag einfach wie du heißt“, mischte ich Joey ein. Er nickte dem Arzt zu. Tai? Oh nein! Das darf nicht wahr sein. „Mein Name ist Taichi Yagami.“ Oh doch. Wieso muss er mir ausgerechnet am absoluten Tiefpunkt in meinem Leben über den Weg laufen? Kapitel 3: Selbstzweifel und Frust ---------------------------------- Sora und ich gingen zum Ausgang des Schulgebäudes. Wir mussten an dem Sportplatz vorbei gehen, auf dem gerade die Fußballmannschaft unserer Schule trainierte. Einer der Fußballer schoss den Ball Richtung Tor, doch der flog seitlich daran vorbei und landetet vor meinen Füßen. „Hey, könnt ihr nicht aufpassen. Ich hätte den Ball fast am Kopf abbekommen“, schimpfte ich schon los. Immerhin hatten Sora und ich uns gerade über einen süßen Jungen unterhalten. Wobei Sora meinte, ich solle die Finger von dem Kerl lassen. Sie faselte irgendetwas von ‚der hat eine dunkle Ausstrahlung‘. Das ich nicht lache. Seine Ausstrahlung ist alles andere als dunkel. „Prinzessin, könntest du mir bitte den Ball wiedergeben, damit wir weiterspielen können. Außerdem ist der Ball gar nicht in der Nähe deines hübschen Köpfchens gewesen.“ „Boah, wenn du deinen dämlichen Ball haben möchtest, komm den doch selber holen. Außerdem heiße ich Mimi, du Idiot.“ Er kam lässig auf uns zu geschlendert und hob den Ball auf. „Du verhältst dich aber wie eine verwöhnte Prinzessin, Prinzessin“, grinste er mich schief an. Ich merkte wie der Kerl mich auf die Palme brachte. Wütend schleuderte ich ihn entgegen: „Ich bin nicht verwöhnt, du Idiot. So blöd, dass ich einen Ball hinterher renne um den sich elf Leute streiten bin ich nicht, aber du.“ Er lachte kurz auf, „Erstens: ich heiße Taichi und nicht Idiot. Zweitens: es sind nicht elf Leute, sondern zweiundzwanzig. Immerhin kann eine Mannschaft nicht gegen sich selbst spielen. Drittens: ein bisschen Sport könnte dir auch guttun, Prinzessin.“ Ich zog scharf die Luft ein. „Du hast echt zu viele Bälle auf den Kopf bekommen, du Idiot. Du willst mir jetzt nicht sagen, dass ich zu dick bin, oder? Mein Bodyma-“ Er seufzte, „So habe ich es nicht gemeint. Ich meinte, dass jeder Mensch ein wenig Sport betreiben sollte, Prinzessin.“ „Da hast du gerade noch so die Kurve bekommen, Tai“, kam es von Sora. Sie musste wie immer lachen, wenn Taichi und ich uns auf unsere übliche Weise unterhielten. „Du nimmst ihn in Schutz Sora?“ Fassungslos sah ich meine beste Freundin an. Sie druckste ein wenig rum, bevor sie antwortete: „Ich möchte euch nur nicht im Krankenhaus besuchen. Ihr seht nämlich beide aus, als wolltet ihr euch eure Köpfe einschlagen.“ Erstaunt sahen Taichi und ich Sora an. „Wie kommst du auf den Blödsinn? Wir unterhalten uns doch ganz normal miteinander“, kam es gleichzeitig von ihn und mir. „Normal ist etwas anderes. Wir sollten gehen, Mimi. Shimizu steht am Tor und wartet auf dich.“ Ich sah zum besagten Schultor und bemerkte sofort die Schmetterlinge, die in meinem Bauch einen Wiener Walzer tanzten. Seine braungrünen Augen zogen mich immer in ihren Bann. Die schwarzen Haare waren meistens streng nach hinten gekämmt. Selbst in seiner Schuluniform konnte man seinen durchtrainierten Körper erahnen. Mit seinen fast 1.80 Meter war er für japanische Verhältnisse groß. Wie konnte ein Kerl nur so unverschämt gut aussehen? „Du solltest die Finger von dem Typ lassen, Mimi. Er hat nicht gerade einen guten Ruf“, kam es besorgt von Taichi. Na hör mal, mich erst blöd anquatschen. Dann einen auf großen Bruder machen? Der spinnt wohl. Ich sah ihn mir genauer an. Seinen Blick konnte ich nicht so richtig deuten, aber irgendwie sah er besorgt aus. Seine gesamten Muskeln waren angespannt. Die Hände hatte er zu den Fäusten geballt. Warum machte er sich Sorgen um mich? Irgendwie war mir meine Beobachtung zu viel. „Was geht es dich an“, zickte ich ihn an. Ich drehte ihm den Rücken zu und ging Richtung Schultor. „Komme dich bloß nicht bei mir ausheulen, wenn du merkst, was für ein Arsch Shimizu ist“, rief er mir aufgebracht hinterher. Ich drehte mich wieder zu ihm um. Wütend schaute ich ihn in die Augen. Am Liebesten würde ich meine gute Erziehung vergessen und dem nervenden Typen eine scheuern. „Also ob ich das je machen würde. Du bist und bleibst ein Idiot.“ „Sag ich ja, du bist eine verwöhnte Prinzessin, die ihr Leben durch eine rosarote Brille sieht. Ich wette mit dir, dass ich irgendwann zu dir sagen kann: ‚Das habe ich dir gesagt, dass der Typ ein Wichser ist‘.“ „Leck mich!“ Mit diesen Worten drehte ich mich von Taichi weg. „Geht nicht, da du mit dem größten Arschloch des Universums zusammen bist. Sonst gerne.“ Ich schnappte nach Luft. „Scheißkerl!“ „Verwöhnte Zicke!“ --- Seit dem Tag sind wir uns aus dem Weg gegangen. Nach dieser Erinnerung sank ich in mein Kissen zurück und zog mir die Bettdecke bis zum Hals. Mal wieder konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. „Na los, sag es einfach.“ Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Verständnislos sah Taichi mich an. „Was soll ich sagen?“ Seine Hand strich vorsichtig über meine Wange. Mit den Daumen entfernte er meine Tränen. Was ein aussichtsloses Unterfangen war. „Das du wusstest, dass-“ „Warum sollte ich das sagen? Du bist fertig mit der Welt. Da werde ich dir keine Vorwürfe machen. Außerdem hast du erkannt, dass ich recht hatte.“ Okay, diese Spitze musste ich wohl einstecken. Diese war aber nicht so schlimm, wie der Satz - ‚Ich habe es dir ja gesagt‘. „Ich hätte damals auf dich hören sollen. Nicht nur auf dich, sondern auf alle. Jetzt habe ich nichts mehr“, schniefte ich in das Kissen. „Es ist nie zu spät neu anzufangen, Prinzessin.“ Seine Stimme hörte sich sanft an. „Ich glaube nicht, dass du alles verloren hast-“ Jetzt setzte ich mich doch wieder auf. „Wie kommst du darauf? Ich habe heute meinen Ehemann verlassen. Einen Beruf habe ich nie gelernt. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass meine Familie oder meine damaligen Freunde noch etwas mit mir zu tun haben wollen“, rief ich ihm verzweifelt entgegen. „Ich habe es noch nicht einmal geschafft, meine Sachen mitzunehmen. Das heißt, dass ich nur noch die Klamotten habe, die ich am Leib getragen habe.“ Er sah mir in die Augen. Sein Blick war traurig, als er mir antwortete: „Weißt du was ich glaube? Das der Vollpfosten ganze Arbeit geleistet hat. Wo ist dein Selbstvertrauen hin? Wie kannst du glauben, dass du deiner Familie oder deinen Freunden egal bist? Glaubst du wirklich, dass du deinen Eltern nichts bedeutest? Bist du nicht der Meinung, dass sie sich Sorgen um dich machen?“ „Sechs Jahre! Sechs verdammte Jahre habe ich mich von allen abgewandt. Warum sollte mich auch nur einer von euch, geschweige denn meine Eltern, mit offenen Armen empfangen? Ich bin ein Nichts!“ Ich sah, wie Taichi die Luft scharf einzog. Früher war das ein Zeichen, dass er kurz davor war die Beherrschung zu verlieren. Wie sah das Heute aus? Ich stelle mich auf seine üblichen Beleidigungen ein. Deshalb traute ich meinen Ohren nicht, als er sprach: „Mimi, dein Vater - beziehungsweise einer seiner Anwälte und sein Team - sind dabei deinen Ehemann hinter Gitter zu bringen. Er wollte, dass du nicht mehr in seiner Nähe bist.“ Seine Stimme klang aufgebracht. Taichi holte tief Luft, bevor er weitersprach: „Dein Vater wollte dich in Sicherheit wissen. Das müsste dir doch zeigen, dass er sich Sorgen um dich macht. Das er seine Tochter liebt. Was deine Freunde betrifft, alle haben sich an seine Ansage gehalten, damit dir nichts passiert. Trotzdem haben sie dich nicht vergessen. Das du ein Nichts bist möchte ich nie wieder hören. Sonst erlebst du mich richtig sauer. Unsere Gespräche aus unserer Jugend sind harmlos dagegen.“ Er machte eine kurze Pause. Wahrscheinlich wollte er schauen, wie ich auf seine Ansage reagiere. Früher wäre ein blöder Spruch gekommen. Früher! Nach dem heutigen Tag traute ich mich nicht ihn weiter zu wiedersprechen. Ich schaute ihn wahrscheinlich wie ein verschrecktes Reh an, das im Kegel eines Autoscheinwerfers stand. Taichi betrachtet mein Gesicht. Ergeben seufzte er auf. „Mimi, so etwas würde ich dir nie antun und auch keiner anderen Frau. Du bist ein wunderbarer Mensch, der seinen – in seinen Augen richtigen - Weg gegangen ist. Jetzt hast du erkannt, dass es ein Fehler war. Fehler gehören zum Leben dazu.“ Mit großen Augen sah ich Taichi an. So habe ich ihn noch nie sprechen gehört. Er ist richtig erwachsen geworden. Ich betrachtete ihn mir genauer an. Sein Wuschelkopf war einem frechen Kurzhaarschnitt gewichen. Einige Strähnen fielen ihm locker ins Gesicht. Sein Gesicht zierte einen leichten gepflegten Drei-Tage-Bart. Statt seinen lässigen Klamotten trug er einen schwarzen Business-Anzug. Die weinrote Krawatte die er trug passte super zu ihm. Zu ihm passte diese Farbe, im Gegensatz du meinem Ehemann. Trotz des Anzuges sah man seine athletische Figur. „Du musst nur den Mut haben diese wieder grade zu biegen, Mimi.“ Mit diesem Satz riss Taichi mich aus meinen Gedanken. „Es wird sicher kein leichter Weg werden, aber am Ende wird es sich gelohnt haben. Du musst es nur wollen.“ Seid wann ist er unter die Philosophen gegangen? Mir reichte sein Geschwafel. Das verschreckte Reh hatte sich von dem Scheinwerferlicht abgewandt. „Sag mal hast du mich nicht verstanden, du Idiot? Ich habe nichts mehr. Keine Wohnung, kein Geld, keinen Beruf. Ich habe noch nicht einmal Klamotten zum Anziehen. Also spar dir deine altklugen Ratschläge. Wie soll ich mich darum kümmern, dass ich wieder Kontakt zu meinen Eltern und Freude bekomme, wenn ich noch nicht einmal weiß, wie ich den Tag überstehen soll?“ Meine Stimme wurde immer lauter, bis ich ihn zum Schluss angeschrien hatte. „Wie wäre es, wenn du um Hilfe bittest? Keiner hat gesagt, dass du alleine bist.“ Man merkte ihm an, dass er versuchte sich zu beherrschen. Trotzdem konnte ich die Wut in seiner Stimme hören. Seine Augen sprachen aber eine andere Sprache. Irgendwie blickten diese verletzt oder traurig? Ich wollte meinen Kummer noch weiter von der Seele brüllen, als sich unverhofft die Tür öffnete. Unwillkürlich zuckte ich zusammen und versuchte mich hinter Taichi, der immer noch auf meiner Bettkante saß, zu verstecken. Schließlich konnte es mein Ehemann sein. Doch was machte dieser Vollidiot? Er musste unbedingt von meinem Bett aufspringen. Was er dann tat Verwunderte mich. Er stellte sich schützend vor mich. So wie er stand ließ er keinen Blick auf mein Gesicht zu. Seine Körperhaltung war sofort auf Konfrontation eingestellt. Das sah ich an seinen angespannten Muskeln und das er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Würde er mich im Notfall wirklich verteidigen? Wenn ja – Wieso? Kapitel 4: Meine neue Bleibe ---------------------------- Musste ich sein Handeln jetzt verstehen? Naja, impulsiv war er schon immer. Oder hatte sein Verhalten etwas mit seinem Job bei meinem Vater zu tun? Falls das stimmen sollte, als was arbeitet er bei meinem Vater? Ich konnte ihn mir nicht in einem Büro über Akten sitzend vorstellen. Soweit ich mich erinnern konnte, wollte er immer einen sportlichen Beruf ausüben. Taichis Köperhaltung entspannte sich deutlich. Kurz schaute er mich über seine Schulter hinweg an und gab dann die Sicht auf mich frei. Ich hielt den Atem an, als ich zur Tür sah. Um Himmelswillen, konnte der Tag nicht noch schlimmer werden? Was sollte ich jetzt machen? Wieso musste ich mich ihm schneller stellen, als mir lieb war? Als er den Raum betrat spürte ich seine enorme Macht und Autorität. Ich versuchte irgendeine Gefühlsregung in seinem Gesicht zu erhaschen. Nichts – seine Mimik war ausdruckslos. Im Kontrast dazu war seine angespannte Körperhaltung. Wo war das Loch im Boden, damit ich darin versinken konnte? Er sah mich an und sein strenger Blick wich einem liebevollen, fast leiden Blick. Taichi verbeugte sich leicht vor ihm und trat einen weiteren Schritt von meinem Bett weg. Leise fragte er meinen Vater ob er den Raum verlassen sollte. Dieser verneinte seine Frage. Daraufhin ging er an das Fenster und sah in den Krankenhauspark. Mein Vater zog sich einen Stuhl an mein Bett. Oh, oh, jetzt würde das große Donnerwetter kommen. Mir wurde schlecht. Ob von der Gehirnerschütterung, oder vor Nervosität konnte ich nicht sagen. Ich sackte in meinem Bett weiter zusammen. Resigniert warf ich meinem Kopf auf das Kissen. „Na los, mache mir Vorwürfe. Sag mir, dass du mir schon immer gesagt hast, dass er nicht der Richtige für mich ist. Dass die Ehe mit ihm ein Fehler ist. Dass er der Falsche für mich ist. Das du mir schon immer gesagt hast, dass das nicht gut gehen kann.“ Ach du Schreck! Hatte ich das alles wirklich laut gesagt? Ich bin so doof. Ich hatte wirklich einen an der Waffel. Vielleicht sollte ich Joey mal fragen, was für einen Drogencocktail an Medikamenten er mir verabreichen ließ. Ich sprach mit meinem Vater verdammt noch mal. „Ich wollte dir eigentlich sagen, dass ich mich freue, dich endlich mal wieder zu Gesicht zu bekommen. Auch wenn die Umstände besser sein könnten.“ Mein Vater sah mir in die Augen. Sein Blick war frei von Vorwürfen oder Anschuldigungen. Das Einzige was ich sehen konnte war der Schmerz den er fühlte. So hatte er mich früher immer angeschaut, wenn ich mich verletzt hatte. Er wollte mich umarmen, als er aber meine Reserviertheit merkte streichelte er mir beruhigen über meinen Handrücken. „Mimi höre mir bitte zu. Es wird bald ein Polizist hier auftauchen und dich nach deinen Verletzungen fragen. Bitte sei nicht zu stolz und verschweige dir Wahrheit. Sage was wirklich passiert ist.“ Er versuchte über meine lädierte Wange zu streicheln. Erschrocken zuckte ich zusammen. Sofort nahm mein Vater seine Hand von mir. „Was hat er dir nur angetan?“, murmelte er vor sich her. Verschämt drehte ich meinen Kopf weg. „Er ist nicht so weit gegangen, wie du denkst“, flüsterte ich. „Er ist viel zu weit gegangen, Mimi“, rief er aufgebracht. Ich merkte, wie er die Luft scharf einzog. „Ich hoffe, wir sind uns beide darüber einig, dass du nicht mehr zu deinem Ehemann zurück gehst.“ „Ich sehe so aus, weil er mitbekommen hat, dass ich ihn verlassen habe, Papa. Mich bekommen keine zehn Pferde mehr in diese Wohnung, oder auch nur in seine Nähe.“ „Das freut mich zu hören. Trotzdem kannst du nicht nach Hause zurück.“ Ich fühlte mich im freien Fall. Da war sie, meine Bestätigung, dass mein eigener Vater nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Meine Freunde, wenn sie es noch die meinigen waren, würden genauso regieren. „Ich kann verstehen, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest“, flüsterte ich so leise, dass mein Vater meine Worte eigentlich nicht hören konnte. Eigentlich! „So ein Quatsch möchte ich nie wieder hören, Mimi.“ „Warum-“ „Mimi, bei deiner Mutter und mir wird Hiroaki dich als erstes suchen. Daher möchte ich nicht, dass du bei uns wohnst. Das wäre zu gefährlich für dich. Außerdem kann ich es Tai nicht zumuten, bei uns im Haus zu wohnen.“ Und schon wieder Taichi! Was zum Geier geht hier vor sich? „Was hat er damit zu tun?“ Ich sah, wie mein Vater den Blickkontakt zu Taichi aufnahm. Dieser nickte ihm zu. „Ich bin der Sicherheitschef in der Kanzlei deines Vaters. Seit heute Nachmittag ist es meine Aufgabe für deine Sicherheit zu sorgen. Das heißt, dass wir die nächste Zeit zusammenwohnen werden. Damit es mir leichter fällt dich zu schützen.“ Moment! Halt! Stopp! Ich habe mich verhört, oder? Ich sollte was? Die Beiden wollten mich verschaukeln! Ich habe mich von meinem Ehemann getrennt und nicht von dem Yakuza Boss höchstpersönlich. Warum sollte ich einen persönlichen Bodyguard brauchen? Und falls ich einen brauchen sollte, warum musste es ausgerechnet Taichi sein? Wegen ihm musste ich so manche harten Schläge von meinem Ehemann einstecken. Nur weil ich es gewagt habe seinen Namen auszusprechen. Noriaki war immer der Meinung, dass ich mal etwas mit ihm hatte. Auf diesen abwegigen Gedanken kam er, weil Taichi und ich immer eine sehr spezielle Form der Unterhaltung pflegten. Deswegen hatte ich mir angewöhnt gar nicht mehr über ihn zu sprechen, oder an ihn zu denken. Ich wollte ihn einfach vergessen, damit mein Leben einigermaßen ertragbar war. Das er jetzt wieder in mein Leben getreten ist und an mich glaubt schmeichelt meiner geschundenen Seele. Er war höchstwahrscheinlich mit meinem Vater der Retter in der weißen Rüstung für mich. Aber musste ich deswegen gleich mit ihm zusammenziehen? Ich bleibe dabei: Die Beiden haben einen Knall. „Du spinnst wohl! Warum sollte ich das machen?“ „Vielleicht, weil du einen Platz zum Schlafen benötigst? Oder etwas zu Essen? Damit du so weit wie möglich weg bist von dem Mistkerl, der dir das alles angetan hat. Das sind nur ein paar Gründe, soll ich weiter machen, Prinzessin?“ Taichi sah mir eindringlich in die Augen. „Mimi, ich habe mich für Tai entschieden, weil du ihn kennst und vertraust“, redete mein Vater auf mich ein. „Vertrauen? Ich kann mir noch nicht einmal selbst vertrauen. Wie sollte ich das bei einem anderen Menschen können? Ich war in Tais Augen immer das verwöhnte Prinzesschen. Immer wenn wir aufeinandergetroffen sind haben wir uns gestritten.“ „Ich diskutiere nicht mit dir. Den Fehler, den ich vor so vielen Jahren gemacht habe, werde ich jetzt nicht wiederholen.“ Die Stimme von meinem Vater klang aufgebracht. Erschrocken sah ich meinen Vater an. „Welcher Fehler war das? Ich habe mich freiwillig für das Leben entschieden, dass ich bis jetzt geführt habe.“ „Und das war mein Fehler“, kam es leise von ihm. „Dieses Mal wirst du auf mich hören. Tai ist für deine Sicherheit zuständig. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, dass ihr zusammenwohnt.“ „Du bist immer eine sehr gute Freundin von mir. Ich werde dich nicht im Stich lassen. Nicht noch ein mal.“ Irrte ich mich, oder machten sich beide Männer Vorwürfe? „Was sollte Norikai so gefährlich machen?“ Diese Frage war naiv von mir, aber ich wollte Antworten. Ich verstand das Handeln der Männer nicht. Für mich war das viel zu übertrieben. Mein Vater sah mir traurig in die Augen, als er sprach: „Was weißt du über das Berufsleben von ihm?“ Oje, musste diese Frage kommen? Mit meiner Antwort werde ich den Beiden beweisen, wie blauäugig ich durch mein bisheriges Leben gegangen bin. „Ähm … Ich … Eigentlich … Nichts. Ich weiß nur, dass er Geschäftsmann ist.“ „Das habe ich mir gedacht. Hast du dich nie gefragt, wie er in so jungen Jahren eine eigene Firma aus dem Nichts erschaffen konnte?“ „Ich sollte mir nie Gedanken darüber machen. Falls ich gefragt habe, kam immer die Antwort ‚Darüber musst du dir nicht deinen Kopf zerbrechen.‘“ Mein Vater seufzte, „In seiner Jugend hat er sich auf die falschen Menschen eingelassen. Zurzeit läuft es nicht gut in seiner Firma. Kurz gesagt er steht vor der Pleite. Daher bekommt er Druck von seinen Geldgebern. Du sollst ihm helfen, seine Schulden zu tilgen. Mehr werde ich nicht sagen. Je weniger du von den Geschäften deines Ehemannes weißt, desto besser ist es für dich.“ Ich merkte, wie das Blut in mir absackte. Alles drehte sich um mich herum, mir wurde speiübel und endlich kam es. Die Erleichterung. Ich merkte noch wie einer der Beiden mir in einer raschen Handbewegung die Nierenschale vor den Mund hielt. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie die saure Flüssigkeit meinen Mund verließ. Zwar fühlte ich mich jetzt erleichtert, trotzdem würde ich am liebsten im Erdboden versinken. Oh man, ich habe vor meinen Vater und Taichi gekotzt. Hoffentlich habe ich keinen erwischt. Ultra peinlich. Eine warme Hand strich mir beruhigend über den Rücken. Ich wusste sofort zu wem diese gehörte, da er der Einzige war, den ich zurzeit so nah an mich heranließ. „Es tut mir so leid, dass ich für dich nicht da war, als du mich gebraucht hattest. Jetzt werde ich immer auf dich aufpassen. Nicht weil es mein Job ist, sondern weil du eine Freundin bist. Ich verspreche dir, dass er nicht mehr in deine Nähe kommt. Dein Vater, sein Anwalt und ich werden daran arbeiten, dass er dir nie wieder etwas antun kann. Die anderen und vor allem ich werden dich in allem unterstützen, dass du wieder in dein Leben zurückfinden kannst. Du solltest dich ausruhen, die ganze Aufregung war zu viel für dich.“ Ich spürte, wie Taichi mich in eine innige Umarmung zog und mir einen kleinen freundschaftlichen Kuss auf meinen Haarschopf drückte. Diese Geste löste so viel in mir aus: Hoffnung, Zuversicht, Sicherheit, Geborgenheit, Vertrauen, den Mut neu anzufangen und eine Wärme durchzog mein Körper. Diese irritierte mich ein wenig. Meine innere Stimme sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte. Immerhin hatte ich dies schon getan, bevor ich mich an seinen Namen erinnern konnte. Zaghaft legte ich meine Arme um seinen Oberkörper. Diese Nähe zum ihm tat mir so gut. Diesmal seufzte ich ergeben auf, wenn es der Wunsch der beiden Männer war, dann sollte es so sein. Immerhin hatte ich so ein Dach über den Kopf und etwas zu essen. Ich sollte jetzt nicht zu stolz sein und die Hilfe, die mir angeboten wurde ausschlagen. In mir wuchs die Hoffnung, dass ich endlich das Leben, leben konnte, dass ich mir gewünscht hatte. Kapitel 5: Der Anker in meinem Leben ------------------------------------ Ich betrachtete mich im Spiegel. An meiner rechten Gesichtshälfte sah man nur noch minimal, dass mein noch Ehemann mich geschlagen hatte. Nur eine kleine Narbe an meiner Augenbraue erinnerte mich an den schwärzesten Tag meines Lebens. Der gleichzeitig meinen Start in mein zweites Leben gewesen war. Sachte strich ich mir über meine Narbe. Diese prangte wie ein Mahnmal in meinem Gesicht. Das Ding wird mich wohl oder übel immer an meinen noch Ehemann erinnern und an das, was er mir angetan hatte. Joey meinte, dass die Narbe nur noch blasser werden, aber nicht mehr weggehen würde. Die ganzen anderen Blessuren sind auch am Abklingen, oder schon ganz verschwunden. Was den Ärzten ein wenig Sorgen bereitete war mein Handgelenk. Es schwoll bei Belastung immer an und tat immer noch tierisch weh. Vielleicht muss ich einfach nur Geduld haben. Immerhin ist der Vorfall erst eine Woche her. Seufzend verließ ich das Badezimmer und ging an das Fenster von meinem Krankenzimmer. Ich horchte in meinen Körper, irgendwie war heute etwas anders. Aber was? Als ich den Grund bemerkte musste ich lächeln. Heute war der erste Tag, an dem ich beim Aufwachen keine Kopfschmerzen mehr spürte. War das ein tolles Gefühl. So gut wie keine Schmerzen zu verspüren. Kurz gesagt, mein Körper war dabei die Misshandlungen zu vergessen. Mein Lächeln verschwand. In meiner Seele sah es anders aus. Ich schlief kaum eine Nacht durch. Falls ich doch mal in die Tiefschlafphase gefunden hatte, wachte ich kurze Zeit später schweiß gebadet wieder auf. In meinen Träumen sah ich immer diese eiskalten Augen, die gierig meine Figur musterten. Ich fühlte seine groben rauen Hände auf meinen Körper. Schmeckte seine von Alkohol getränkten Küsse, spürte jeden einzelnen Schlag, den er mir verpasst hatte. Ich bemerkte seinen harten Ständer, der immer brutal gegen meine Mitte drückte. Ich könnte jedes Mal kotzen bei diesen Erinnerungen. Immer wieder fragte ich mich, wie ich so naiv durch mein Leben gehen konnte. Eigentlich konnte ich gar keine Tränen mehr weinen, trotzdem liefen sie mir heiß über meine Wangen. Vor allem, wenn ich erzählen musste, was er mir angetan hatte, oder wenn ich nachts alleine war. Seitdem ich im Krankenhaus bin, habe ich weder etwas von meinem Ehemann gehört, oder gesehen. Was wahrscheinlich daran liegt, dass Taichi und mein Vater den Ärzten in dem Pflegepersonal erzählt hatten, dass er keinen Kontakt zu mir aufbauen durfte. Der andere Grund war, dass Noriaki meine Handynummer nicht hatte. Taichi und mein Vater haben mir mein altes Handy abgenommen und mir gesagt, dass ich den Vertrag kündigen sollte. Dies habe ich natürlich gemacht. Kurze Zeit später kam Taichi mit einem neuen Handy und überreichte es mir. Es waren alle wichtigen Handynummern eingespeichert. Nachdem mir das Mobiltelefon überreicht wurde und ich alleine in meinem Zimmer war betrachtete ich das bronzefarbene Smartphone. Wieder ein Schritt in mein neues Leben. Als Hintergrundbild war eine kleine Fee abgebildet. Sie war rosa und hatte grüne Flügel. Ihr Kopf erinnerte mich an eine Rose. Die Ärmel sahen aus, wie eine Blüte und die Hände waren die Kelche. Ich musste lächeln, als Kind liebte ich Feen. Damals dachte ich, dass diese Wesen mich immer beschützen würden. Nun ja, beschützt hatten die Feen mich nicht. Dafür hatte ich heute einen superheißen Typ, der auf mich aufpassen soll. Moment! Was dachte ich da gerade? Falsche Gedanken! Schnell an etwas anderes denken. Ähm, welche Nummer waren abgespeichert? Ich öffnete das Telefonbuch, dabei hätte ich das Ding fast fallen lassen. Es waren nicht nur die Nummern von meinem Vater, meiner Mutter und Taichi eingespeichert. Ich konnte auch die Namen von Sora, Yamato und Joey lesen. An Soras Nachnamen erkannte ich, dass sie mit Yamato verheiratet war. Jedenfalls trugen beide den gleichen Nachnamen. Oh man, wieder erkannte ich, dass ich viel vom Leben meiner Freunde verpasst hatte. Aber was wollte mir mein Vater und Taichi damit sagen? Sollte ich mich bei Sora und Yamato melden? Würden sie mir überhaupt zuhören? Wollten die Beiden mich überhaupt noch sehen? Schnell schob ich den Gedanken zur Seite, als ich hörte, wie sich die Zimmertür öffnete. Ich brachte mich nicht umzudrehen, um zu wissen wer das Zimmer betreten hatte. Ich hatte es am Öffnen der Tür gehört. Außerdem hat mir mein Körper verraten, dass es Taichi war. Immer wenn er in meiner Nähe war spürte ich es. Mein Körper verriet es mir immer. Die erste Zeit war ich irritiert, dass ich plötzlich eine Wärme in mir spürte und ich unruhig wurde. Die Unruhe verschwand immer, wenn er in meiner Nähe war. Bis ich erkannt hatte, wer der Grund für dies Gefühlsregung war. Zwar konnte ich mir nicht erklären, was mein Körper mir damit sagen wollte, aber ich fing an, diese Reaktion auf ihn zu genießen. Er hatte immer ein Talent, mich aus meinen düsteren Gedanken zu holen. Er schaffte es, dass ich wenigstens für ein paar Stunden ohne Alpträume schlafen konnte. Er hörte mir immer geduldig zu, wenn ich über mein noch Ehe sprach. Ohne, dass er es wusste half er mir meine Vergangenheit zu verarbeiten. Wie sehr ihn das Gesagte beschäftigte sah ich jedes Mal an seinen wunderschönen schokobrauen Augen. Diese wirkten dann immer schwarz und sein Blick war eiskalt. Ich wusste mit der Zeit, dass dieser Blick nicht mir galt. Auch die Scheidung war ein Thema. Diese hatte ich mit der Hilfe meines Vaters in die Wege leiten lassen. Falls mein Vater mit seinen Begründungen durchkommt bin ich schneller geschieden, als ich ‚Mimi Tachikawa‘ sagen konnte. Er behaarte nämlich auf eine Härtefall Scheidung. Wir alle waren guter Hoffnung, dass dies auch klappen würde. Gemeinsam gingen Taichi und ich oft im Krankenhauspark spazieren. Dort unterhielten wir uns über unsere Jugend. Was den ein oder andern Lacher verursachte. Manchmal war es auch ein entrüstendes knuffen in die Seite des jeweils anderen. Oft fielen die Wörter ‚Idiot‘ und ‚Prinzessin‘. Kurz gesagt, war Taichi der Anker in meinem Leben. Als er das grüne Licht von Joey bekommen hatte, hat er mir einen Laptop mitgebracht. Ich wollte mich erkundigen, wie es mit einem Studium als Ernährungswissenschaftlerin aussah. Oje, dass wird verdammt schwer ein Studienplatz zu ergattern. Gleichzeitig versuchte ich einen Job zu finden, der meinen nichtvorhandenen Fähigkeiten entsprach. Auch hier sprach mir Taichi immer Mut zu. Er meinte, wenn ich nichts Passendes finden würde, dann würde er einen Freund fragen, der eine kleine Kampfsportschule hatte, ob ich dort am Empfang arbeiten könnte. Job hin, Job her, vielleicht sollte ich mal überlegen, ob ich einen Selbstverteidigungskurs machen sollte. Immerhin konnte Taichi nicht immer in meiner Nähe sein. Auch wenn ich immer noch nicht verstanden hatte, wieso mein Vater und er so auf meine Sicherheit bedacht sind. „Hallo Mimi, wie geht es dir heute?“ Mit dieser Frage riss mich Taichi aus meinen Gedanken. Ohne mich umzudrehen antworte ihm. Da ich eine Person die mir sehr vertraut vorkam im Krankenhauspark sah. Ich bemerkte, wie meine Hände nass wurden und sich mein Herzschlag rasant erhöhte. Die mir so verhassten Bilder sah ich wieder vor meinem geistigen Auge. Mir wurde schlecht. So schnell ich konnte rannte ich ins Badezimmer. Was machte diese Schnepfe hier? „Dir sind schon klar, dass deine Aussage in krassen Gegensatz zu deinem Handeln stehen, Prinzessin?“ Verständnislos stand er im Rahmen des Badezimmers und sah zu wie ich mich übergab. Mal wieder wollte ich im Erdboden verschwinden. Ich putze mir schnell die Zähne um den pelzigen Geschmack aus meinem Mund zu bekommen. „Ich … Sie …“ Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Kurz sammelte ich mich, bevor ich ihm mein Verhalten erklärte: „Saori ist hier“, kam es leise über meine Lippen. Ich sah, wie es in ihm arbeite. Er versuchte die Information zu verarbeiten. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er das Puzzle zusammengesetzt hatte. „Du meinst seine Sekretärin?“ „Ja! Nein! Ich meine das Flittchen, dass sich schamlos auf seinen Schreibtisch von ihm vögeln ließ. Die Beiden hielten es noch nicht einmal für notwendig, die Tür abzuschließen.“ „Deswegen bist du damals so Kopflos in mich reingelaufen?“ „Ich bin in dich reingerannt, weil du mitten im Weg gestanden warst. Außerdem hatte ich dich erst gesehen, als du meine Hand festgehalten hattest, damit ich nicht hinfalle.“ Er kam auf mich zu und strich mir sanft über die Wange. „Mache dir keine Sorgen. Ich gehe dir Lage checken und du packst deine Sachen zusammen. Ab heute wohnen wir zusammen.“ „Heißt das, dass ich heute entlassen werde?“ Irgendwie löste diese Nachricht ein komisches Gefühl in mir aus. Ich freute mich, keine Frage, aber ich hatte auch Angst. Immerhin wohnte ich wieder mit einem Mann zusammen. Alleine! Ich war wirklich verrückt geworden. Ich hatte durch den Aufprall gegen die Wand deinen Dachschaden bekommen. „Genau das soll es heißen. Ich bin gleich zurück. Tue mir einen Gefallen und lasse außer den Ärzten und dem Pflegepersonal keinen in dein Zimmer. Die einzige Ausnahme ist dein Vater.“ Taichi zog in einer geschickten Handbewegung sein Handy aus der Jackett Innentasche und wählte eine Nummer. Danach drehte er mir den Rücken zu und verließ schnellen Schrittes das Zimmer. Ich hörte nur noch den Namen meines Vaters, als er auch schon die Tür schloss. Tief atmete ich einmal durch. Wieder gingen meine Gedanken zu meiner derzeitigen Wohnsituation. Wieso fingen diese Gedanken wieder von vorne an? Ich vertraute Taichi, er war ein ganz anderer Mensch als dieses Arschloch von noch Ehemann. Außerdem hat er mir versprochen nie diese Grenze zu überschreiten wie es der andere Arsch getan hatte. Ich holte die kleine Reisetasche aus meinem Kleiderschrank. In der kleinen Seitentasche suchte ich nach einem Gegenstand, der mir schon immer sehr viel bedeutet hatte. Leider konnte ich diesen in den letzten Jahren nicht tragen. Dies würde sich ab heute ändern. Ich lächelte, als ich die Kette gefunden hatte. Viel hatte ich nicht einzupacken. Alle meine Sachen die ich jetzt hier hatte, hatten Taichi und mein Vater aus der Wohnung geholt. Den Wohnungsschlüssel habe ich nie wiedergesehen. Traurig war deswegen nicht gewesen. Eher war das Gegenteil der Fall – ich fühlte mich wieder ein Stücken freier. Die Klamotten wollte ich gerade in die Reisetasche tun, als mir ein rosa Rock, ein weißes Top und eine blaue Jacke auffielen. Diese Sachen kannte ich gar nicht. Wie kamen die hierher? An der Jacke war ein kleiner Brief auf dem Umschlag stand mein Name. Um diesen zu lesen setzte ich mich auf das Bett. Schon nach den ersten Zeilen traten mir die Tränen in die Augen. Wieder einmal mehr war ich erstaunt, dass auch sie mich nicht vergessen hatte. Vorsichtig strich ich der den weichen Stoff es Rockes. Sie hatte instinktiv meinen Geschmack getroffen. Ich zog mir die neuen Sachen an und machte mir ein dünnes Haarband in die Haare. Kleine Creolen steckte ich mir in die Ohrläppchen und band mir meine feine Kette um. Der Anhänger war der Anfangsbuchstabe meines Namens. Diesen Halsschmuck hatte ich schon ewig nicht mehr getragen. Mit dem Anlegen des Schmuckstücks fühlte ich mich vollkommen. Im Spiel betrachtete ich mich. Nur doch der Verband um ein Handgelenk und die kleine Narbe an der Augenbraue erinnerten an die körperliche Gewalt, die mir angetan wurde. Gerade wollte ich nach meinem Handy greifen, als ich die Tür öffnete. Da ich schon gespürt hatte, wer in mein Zimmer trat erschrak ich auch nicht. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um. Ich sah, wie ihm die Gesichtszüge englitten, als er mich sah. Kapitel 6: Taichis Offenbarung ------------------------------ Taichi räusperte sich kurz. „Der Besuch von seiner Sekretärin hat nichts mit deinem Krankenhausaufenthalt zu tun. Es scheint purer Zufall zu sein, zumal ihre Schwester hier eingewiesen wurde“, erklärte er schnell. Seine Stimme hatte den üblichen geschäftlichen Tonfall. Kurz holte er Luft. „Wie ich sehe hast du Soras Geschenk gefunden. Du siehst wunderschön aus.“ Diesmal war seine Stimmlage wärmer so sprach er immer als Freund mit mir. „Ich hätte nie gedacht, dass sie mich noch kennt.“ Meine Stimme klang mal wieder reumütig. Taichi musterte mich. Mal wieder seufzte er auf, bevor er sprach: „Sora hat dich nie vergessen. Sie hat immer gehofft, dass ihr wieder Freunde werden könnt. Außerdem kann sie es kaum erwarten, dich wieder zu sehen.“ „Habt ihr noch Kontakt?“ Eigentlich war das eine blöde Frage. Wie sollten sonst die Sachen und Soras Brief in meiner Reisetasche gekommen sein? Ein Lächeln zierte sein Gesicht. Verdammt, sah er scharf aus. Die kleinen Grübchen an seinen Mundwinkeln ließen ihn wie ein Teenager aussehen. Ähm … was war das schon wieder? Schnell an etwas anderes denken. „Kann man so sagen. Sora und Matt sind praktisch meine Nachbarn. Wir wohnen in der gleichen Gegend. Sie hat mir auch die Sachen für dich mitgegeben, als ich ihr von deinem Krankenhausaufenthalt erzählt habe.“ Geschockt sah ich ihn an. Wütend stemmte ich meine Hände auf meine Hüften. „Du hast bitte was? Musst du jedem auf die Nase binden, wie blöd ich war?“ Ich war kurz davor, wie ein kleines wütendes Kind mit dem Fuß aufzustampfen. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, dabei kam er einen kleinen Schritt auf mich zu und beugte sich zu meinem Gesicht, damit er mir in die Augen sehen konnte. „Du bist eine Kratzbürste. Kannst du dir nicht denken, dass ich das nicht erzählen brauchte, da die beiden das auch so schon wussten.“ Wow, dass hatte gesessen. An seinem Blick sah ich, dass er diese Bemerkung nicht ernst meinte, trotzdem tat diese verdammt weh. Taichi hatte immer noch ein Talent, seine Beleidigungen so zu verpacken, dass er mich mit meinen eigenen Worten schlug. „Depp!“ „Zicke!“ „Vollpfosten!“ „Biest!“ „Flachpfeife!“ „Giftspritze!“ Mit jeder Beleidigung sind wir einen kleinen Schritt auf den anderen zugegangen und blickten uns wütend in die Augen. Mittlerweile berührten sich unsere Nasenspitzen. Seine schokobrauen Augen stierten mich geradezu an. Diese Augen werden wohl mein Untergang bei diesem Schlagabtausch sein. Als ich ihn so nah bei mir spürte verpuffte meine Wut auf ihn. „Idiot!“ „Prinzessin!“ Wir sahen uns noch immer kampfbereit in die Augen, als wir beide zeitgleich anfingen zu lachen. Taichi trat wieder einen Schritt zurück und blickte auf mein Dekolleté. Sanft strich er über meine Kette. Hatte er kleine Tränen in den Augen? Jedenfalls glitzerten seine Augen verräterisch. „Ich hätte nicht gedacht, dass du sie noch hast“, kam es leise von ihm. Als er sprach streifte er leicht mit seinem Mund mein Ohr. Sofort bekam ich eine Gänsehaut, mein Herzschlag beschleunigte sich und mein Magen zog sich schmerzlich zusammen. Himmel noch mal, was stellte dieser Mann nur mit mir an? „Ich hatte die Kette ganz unten in meinem Schmuckkästchen versteckt, damit er sie nicht findet. Das war das schönste Geburtstagsgeschenk, was ich je bekommen habe.“ Taichi sah mich verwundert an. Er schluckte kurz bevor er sprach: „Als ich dir die Kette geschenkt hatte, hatte ich gedacht, dass aus uns etwas werden könnte. Kurze Zeit später war alles anders.“ Ruckartig drehte er sich von mir weg. Stimmt, nach meinem siebzehnten Geburtstag hatte sich alles geändert. Heute weiß ich, dass ich in der Zeit den größten Arsch aller Zeiten kennen gelernt hatte. Taichis Worte drangen in mein Bewusstsein. „Wie meinst du das, Tai?“ „So wie ich es gesagt habe“, fauchte er mich an. Himmel noch mal, hat er Gefühlsschwankungen. Plötzlich fiel mir etwas auf. Wir hatten immer nur über mich gesprochen. Nach wie vor wusste ich nichts über sein Leben, außer seinen Beruf. Wie peinlich, war ich egoistisch. Zeit dies zu ändern. Ich ging wieder auf ihn zu. Unauffällig betrachtete ich seine Hände. Kein Verlobungs-, oder Ehering. Was noch lange nicht hieß, dass er keine Frau an seiner Seite hatte. „Gibt es eigentlich eine Frau in deinem Leben? Wenn ja, was sagt sie dazu, dass ich bei dir einziehen werde?“ Taichi sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. Trotzdem huschte ein schiefes Lächeln über sein Gesicht. „Was würdest du sagen, wenn es sogar zwei Frauen in meinem Leben geben würde? Es könnten sogar drei werden.“ Autsch, mit dieser Antwort habe ich nicht gerechnet. Wieso tat diese so verdammt weh? Ich hätte nicht gedacht, dass er auch so ein Arsch von Fremdgänger ist. Mein Mund klappte auf und zu. „Das machst du nicht wirklich!“, rief ich entsetzt aus. „Was meinst du?“ Verständnislos sah er mich an. Seine Augen schienen sich in meine zu bohren. „Du betrügst deine Freundin?“ „Das kann ich nicht.“ „Es gibt zwei Frauen in deinem Leben.“ Wie dämlich sind mache Männer eigentlich? Er hatte nicht gemerkt, dass er sich verplappert hatte. „Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.“ Ich fasse es nicht! Jetzt will er mich für blöd verkaufen? „Ja klar und im Himmel ist Jahrmarkt. Du-“ „Nur weil du schlechte Erfahrungen gemacht hast, heißt das noch lange nicht, dass jeder Mann fremdgeht. Es gibt für mich nur die Eine, wenn ich in einer Beziehung bin …“ Entschlossen sah er mir in die Augen „… und Yuna. Sie gehört zu mir, ich liebe sie und das wird sich nie ändern.“ Als er den Satz beendet hatte tigerte er im Zimmer auf und ab, bis er letztendlich vor dem Fenster stehen blieb und mir den Rücken zu gewandt hatte. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Liebe? Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wieso muss der Kerl in Rätseln sprechen? Warum klang seine Stimme entschlossen, fordernd und gleichzeitig, verletzt, traurig und so sanft? Meine Tränen schluckte ich erfolgreich herunter. Langsam ging ich auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter. Dabei spürte ich, wie sein ganzer Körper angespannt war. „Ich verstehe das nicht-“ Taichi legte seine Hand kurz auf meine, danach schob er diese von seiner Schulter. Er drehte sich um und ging Richtung Tisch. Ich spürte, dass er damit bewusst Abstand zwischen uns haben wollte. Seine Hände legte er auf die Stuhllehne. Dabei bemerkte ich, wie seine Fingerknöchel weiß wurden. „Ich spreche von Yuna - meiner zweijährigen Tochter - und die zweite Frau, die immer in meinem Leben sein wird ist meine Schwester Hikari.“ Ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Sicher, er hatte mit seine Aussage Recht, dass nicht jeder Mann so ein Arsch ist wie meiner. Trotzdem störte mich etwas bei dem, was er gerade gesagt hatte. Es war ein Wort, dass mein Hirn noch nicht verstehen wollte. Was hatte er gesagt? Tochter? Tochter! Er ist Vater? Das glaube ich jetzt nicht! Ich fühlte wie der Boden unter meinen Füßen weggerissen wurde und ich in fiel und fiel. Ein Auffangnetz wie bei den Hochseilartisten gab es nicht. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf den harten Aufprall zu warten. Den Halt den er mir die letzte Woche gegeben hatte, war mit einem Wort verschwunden. Tochter! Immer wieder hallte dieses Wort in meinen Gedanken nach. Jetzt verstand ich auch die Aussage von meinem Vater, dass er es Taichi nicht zumuten konnte, bei ihm im Haus zu wohnen. Immerhin brauchte seine Tochter ihren Vater. Schnell drehte ich mich von ihm weg und rannte ins Badezimmer um meinen Kulturbeutel zu holen. „Mimi, du verstehst das schon wieder falsch.“ Wütend drehte ich mich zu ihm um. Dabei pfefferte ich die Zahnbürste in die kleine Tasche. Danach folgten die Zahnpasta und meine Schminke. „Was soll ich daran falsch verstehen? Du bist Vater – ergo muss es auch eine Mutter geben. Was sagt die Mutter deiner Tochter, dass ich bei dir einziehen soll?“ Zum Schluss schmiss ich noch die Bürste hinein und versuchte das verflixte Ding zu schließen. Nach drei Versuchen hatte ich es endlich geschafft. Tochter! Das Letzte was ich wollte, war eine intakte Familie zu zerstören. Schnell senkte er seinen Blick auf den Boden, bevor er sprach: „Sie kann gar nichts dazu sagen, weil sie nicht mehr da ist.“ Irrte ich mich, oder klang seine Stimme brüchig? Seine Schultern hingen nach vorn. Irgendwie wirkte er kleiner, in sich zusammengesackt. Er sah wie ein gebrochener Mann aus. Es muss eindeutig etwas schwerwiegendes vorgefallen sein. Sollte ich ihn fragen, was passiert ist? Ich rang mit mir selbst. Doch Taichi nahm mir die Entscheidung ab. „Mehr will ich dir zurzeit nicht erzählen. Nur so viel: Kari ist eine Art Mutterersatz für meinen kleinen Schatz.“ Okay! Er blockte ab, dann halt nicht. Das sich seine Schwester um seine Tochter kümmerte ließ mich aufhorchen, aber da er mir die Grenzen aufgezeigt hatte fragte ich nicht weiter nach. Was hatte er nur durchmachen müssen? Wo war die Mutter seiner Tochter? Fragen die ich bestimmt noch nachgehen werde. Zu gebender Zeit versteht sich. Yuna! Ein schöner Name. Dieser bedeutet Mond, oder Nacht. Die Bewegung von Taichi riss mich aus meinen Gedanken. Ich bemerkte, wie sich seine Körperhaltung plötzlich wieder änderte. Er straffte seine Schultern und setzte seine ernste Miene wieder auf. Sein Blick war kühl und fokussiert. Als er sprach hatte ich die Bestätigung für meine Vermutung. Er war wieder mein Leibwächter. „Hast du deine Sachen fertig gepackt? Ich würde dich nämlich gerne nach Hause fahren.“ Nach Hause? Eigentlich war es sein zu Hause, in dem er mit seiner Tochter lebte. Ich kam mir wie ein Eindringling vor. Irgendwie verstand ich das Alles nicht. Wieso sollte ich bei ihm leben, wenn ich in Gefahr bin? Das hieß doch im Umkehrschluss, dass er nicht nur sich, sondern auch sein Kind in Gefahr brachte, wenn ich bei den Beiden leben sollte. Das war zu hoch für mich. Gemeinsam gingen wir den langen Krankenhausflur entlang zum Ausgang. Taichi hatte meine Tasche lässig über seine Schulter geschmissen und ging dicht neben mir. Für Außenstehende musste es so aussehen, als wären wir ein Paar. Doch an seinem Gang und seinen Blick merkte ich, dass er die Umgebung musterte. Sein Blick ging rotuniert durch die Gänge, aufmerksam beobachtete er die Menschen. Kurz hatten wir noch einmal mit Joey gesprochen. Dieser meinte, dass ich wegen meinem Handgelenk noch mehrmals zur Kontrolluntersuchung ins Krankenhaus kommen sollte. Falls irgendwelche Komplikationen auftreten sollten, sollten wir ihn umgehend anrufen. Taichi führte mich zu einem schwarzem SUV. Er öffnete den Kofferraum und legte meine Tasche rein. Im Inneren konnte ich das Gestell eines Kinderwagens sehen. Außerdem lag dort noch eine Tasche, auf der ein kleines Bilderbuch, das so aussah, als ob es jeden Tag vorgelesen wurde, lag. Spätestens jetzt hätte ich mir denken können, dass er ein Kind hat. Nachdem er den Kofferraum geschlossen hatte ging er zur Beifahrertür und öffnete diese. Schnell nahm er einen kleinen Stoff-Dino von dem Sitz und legte diesen auf den Kindersitz auf der Rückbank. Ich musste schmunzeln. Ein Stoff-Dino? Ich dachte, er hat ein Mädchen. Taichi musste meinen Blick wohl gesehen haben. „Yuna liebt Dinos, auch wenn sie ein Mädchen ist. Zu Hause hat sie aber auch eine regenbogenfarbene Eule mit einem goldenen Horn. Steig jetzt ein. Wir müssen los.“ „Ich habe doch gar nichts gesagt. Ich finde das Ding einfach nur niedlich.“ Als ich dies sagte ließ ich mich auf den Sitz nieder. „Das Ding heißt ‚Dada‘. Eigentlich heißt alles ‚Dada‘, wenn Yuna etwas haben möchte“, lachte er. Während der Fahrt sprachen wir fast kein Wort. Ich war in Gedanken versunken und Taichi konzentrierte sich darauf den Wagen geschickt durch den dichten Straßenverkehr von Tokio zu lenken. Kapitel 7: Sie ist wieder in meinem Leben ----------------------------------------- Ich stieg in den Wagen und startete den Motor. Kurz blickte ich zu Mimi herüber. Sie wirkt so zerbrechlich und unsicher. Gleichzeitig aber unglaublich stark und selbstbewusst. Als ich sie das erste Mal nach so vielen Jahren wiedergesehen habe lief sie volle Kanne in mich rein. Ihr Blick war verstört, leidend, fassungslos und mutlos. Ich hatte das Gefühl, dass ihr an diesem Tag bewusstwurde, was alles in ihrem Leben schieflief. Es tat mir in der Seele weh, in ihr verweintes Gesicht zu blicken. Ich spürte einen Stich in meinen Herzen, als ich bemerkte, dass sie mich nicht erkannt hatte. Gut, es waren sechs Jahre vergangen, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Trotzdem habe ich sie sofort erkannt. Ihre haselnussbraunen Augen hätte ich überall wiedererkannt. Mimi war schon immer eine schöne Frau gewesen, aber ich hätte nie damit gerechnet, dass sie noch schöner werden konnte. Wie ich mich doch getäuscht hatte. Ich konnte es nicht verstehen, wie sie sich diesem Scheißkerl zu wenden, sich in ihn verlieben und auch noch heiraten konnte. Jetzt mussten wir alle das Beste aus der Situation machen. Als ihr Vater auf mich zu kam und mich gefragt hat, ob ich auf sein geliebtes Töchterchen aufpassen könnte dachte ich im ersten Moment, er will mich verarschen. Immerhin waren wir in unserer Teenagerzeit wie Hund und Katze. Trotzdem gab es eine Zeit, in der ich mehr von ihr wollte. Dies wurde mir erst klar, als es zu spät war. Ihr Vater redete so lange auf mich ein, dass ich mich bereit erklärte mir seine Bewegründe anzuhören. Je mehr er mir erzählte desto sicher wurde ich, dass ich ihm und vor allem Mimi helfen werde. Mir stellten sich die Haare zu Berge, als ich die Akte von ihrem ach so tollen Ehemann in den Händen hielt. Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Firmengeldern war die eine Sache. Das er Geschäfte mir zwielichtigen Gestalten machte eine andere. Wir konnten ermitteln, dass er sich auf einen Drogenboss und Bordellbetreiber eingelassen hatte. Da seine Firma kurz vor dem Ruin steht haben ihr Vater und ich die Befürchtung, dass Mimi ihm helfen sollte seine Schulden in diesem Milieu abzuarbeiten. Als wir das heraus gefunden hatten war uns beiden sofort klar, dass Mimi so weit weg wie möglich von diesem Wichser muss. Unser Verdacht verhärtete sich, als ich Mimi grün und blau geschlagen, blutend und in zerrissenen Sachen vor dem Supermarkt gefunden hatte. Mir stockte der Atem, als ich sie auf mich zulaufen sah. Dabei bemerkte ich, wie sie immer mehr Schlangenlinien lief. Sah die Panik in ihren Augen. Ich rannte auf sie zu. Kaum hatte ich sie erreicht, brach sie zusammen. Ich zog sie in meine Arme und legte meinen Mantel schützend und wärmend auf ihren lädierten Körper. Als ich sie so sah, bin ich vom Schlimmsten ausgegangen. Ich dachte echt das ich zu spät kam. Naja, in gewisser Weise bin ich zu spät gekommen. Ich weiß nicht, ob ich mir das jemals verzeihen kann. Am liebsten hätte ich den Saftsack sofort zur Verantwortung gezogen, ihn windelweich geprügelt. Wie kann man einer Frau so etwas antun? Ich entschied mich dagegen, weil sie meine Hilfe dringender brauchte. Ich hob sie in meine Arme und brachte sie zu meinem Auto, damit ich sie ins Krankenhaus fahren konnte. Während der Fahrt rief ich Joey und ihren Vater an. Das ich ihren ganzen Frust im Krankenhaus abbekommen habe prahlte an mir ab. Immerhin kannte ich die Wutausbrüche noch von früher. Ich hatte diese, nenne wir es Unterhaltungen, immer genossen. Ihr Rumgezicke war das Highlight des Tages für mich. Ihre Augen funkelten immer so bezaubernd auf, wenn sie wütend war. Ich muss zugeben, dass ich sie damals absichtlich geärgert hatte, nur um diesen Blick von ihr zu bekommen. Als ich bemerkte, dass sie überhaupt kein Selbstvertrauen mehr hatte und alles und jeden in Frage stellte stieg die blanke Wut in mir auf. Dieser Penner sollte aufpassen, dass er mir nicht alleine begegnet, denn dann konnte ich für nichts mehr garantieren. Es wäre mir eine Genugtuung, meinen Fuß mit einem gezielten Tritt in seinen Bauch, oder noch ein Stück weiter unten, zu rammen. Nicht nur einmal versteht sich. Ich habe mich für ein Stück weiter unten entschieden. So, dass er seine Eier und seinen Schwanz nicht mehr benutzen kann. Das wäre bei meiner Ausbildung ein leichtes für mich. Bloß nicht daran denken, was mein Lehrer dazu sagt, wenn er diese Gedankengänge kennen würde. Ich glaube, ich wäre meinen Gürtel schneller los als ich denken kann. Und dass kann ich ihr nicht antun, dass hätte sie nicht gewollte. Sie hätte mir gehörig die Leviten gelesen, dass ich mir wie ein kleiner Junge vorkommen wäre. Verdammt, ich vermisse sie. An was anderes denken und zwar ganz schnell! Im Krankenhaus merkte ich, dass Mimi sich unwohl fühlte. Ständig zupfte sich an ihrer Bettdecke herum und versuchte so ihren Körper zu verstecken. Ich ging davon aus, dass es daran lag, dass sie mit Joey und mir alleine im Zimmer war. Natürlich fühlte ich mich gekränkt, aber verdenken konnte ich es ihr nicht, bei dem was sie durchmachen musste. Ich wäre fast ausgerastet, als Joey Mimis Verletzungen aufgezählt hatte. Heiliger Buddha, was musste sie alles einstecken. Trotzdem hatte sie es geschafft sich gegen ihn zu wehren. Joey meinte, dass dies bei den ganzen Verletzungen gar nicht möglich gewesen wäre, so weit zu laufen. Ich gehe stark davon aus, dass sie die Treppen genommen und nicht den Fahrstuhl genutzt hat. Mit geprellten Rippen! Zwar war es da Beste, was sie in der Situation machen konnte, aber gleichzeitig auch das Dämlichste. Die Rippen hätten bei der starken und ruckartigen Bewegung schnell brechen können. Auf jeden Fall bewundere ich sie, was für ein Mut sie aufgebracht hat. Also ist doch noch irgendwo ganz tief in ihr die alte Mimi. Sie weiß es nur noch nicht. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie mich nach einer Frau in meinem Leben gefragt hatte. Hätte sie mir vor eineinhalb Jahren diese Frage gestellt hätte ich ihr mit Freuden erzählt, dass Kyoko, Yuna und ich eine Familie sind. Heute besteht meine Familie aus meiner Tochter und mir. Yunas Tante ist praktisch ihre Mutter. Denke endlich an etwas anderes! Wäre ich nur eine halbe Stunde früher bei Mimi gewesen, hätte ich ihr diese Misshandlung wahrscheinlich ersparen können. Leider konnte ich nicht eher bei ihr sein, weil ich erst auf meine Schwester warten musste, damit sie auf Yuna aufpassen konnte. Da alles so kurzfristig kam, sonst hätte ich das besser planen können. Ich bin nun mal auf die Hilfe anderer angewiesen, wenn es um die Betreuung meiner Tochter geht. Ich kann es auch nicht ändern, dass ich alleinerziehen bin. Das Schicksal wollte es so. Meine Kleine ist alles was mir von Kyoko geblieben ist. Sie hat mir die Hoffnung gegeben weiter zu machen, als Kyoko nicht mehr da war. Sie hat mir den Halt geben, als ich diesen dringend brauchte. Sie hat mir geholfen, wieder in mein Leben zurück zu finden. Was am meisten schmerzt, mich gleichzeitig auch mit Stolz erfüllt, ist die Tatsache, dass Yuna eine Miniausgabe ihrer Mutter ist. Immer wenn ich ihr in die Augen sehe, sehe ich die Augen von Kyoko. Yuna kann genauso eine süße Schnute ziehen, wie ihre Mutter. Nur die Sturmfrisur und auch ihr Temperament hat sie von mir geerbt. Ich musste mich schnell ablenken. Sonst würde ich wieder in meinem Schmerz vergehen. Wieder blickte ich zu Mimi. Ich hatte es geschafft, ein zweites Leben zu beginnen, daher bin ich überzeugt, dass sie das auch schaffen kann. Weit ab von den Scheißkerl, der sie um so viele Jahre ihres Lebens betrogen hat. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, sie dabei zu unterstützen wo ich nur kann. Den Job in der Kampfsportschule, die nicht nur die Kampfsportarten, sondern auch die Kampfkunst trainiert, hat sie so oder so sicher. Mimi weiß es nicht, aber ich bin stiller Teilhaber dieser Einrichtung. Eigentlich gehörte sie Kyoko, aber sie hat mir diese hinterlassen. Ihr Bruder betreibt die Kampfsportschule heute. Ich habe ihm freie Hand gelassen, da ich in dieser Sache überhaupt keine Ahnung habe, außer dass ich dort regelmäßig trainieren gehe. Das Studium würde sie auch schaffen, wenn sie es wirklich möchte. Sie braucht halt nur Unterstützung. Sie muss zu ihrer alten Stärke zurückfinden und dann wird sie alles in den Schatten stellen. Davon bin ich überzeugt. Das einzige was mir ein bisschen Magenschmerzen bereitet ist Yuna. Wie würde mein Mädchen auf Mimi reagieren? Wie würde Mimi auf Yuna reagieren? „Bringst du deine Tochter nicht in Gefahr, wenn ich bei euch lebe? Immerhin sagst du, wie auch mein Vater, dass ich vor dem Arsch nicht in Sicherheit bin. Er weiß, wie du heißt und wir uns kennen.“ Mimis leise Stimme hatte meine Gedanken unterbrochen. Woher wusste sie, dass ich gerade an meinen kleinen Schatz dachte? Kurz schaute ich zu ihr rüber, bevor ich mich wieder auf den Straßenverkehr konzentrierte. Sie sah nachdenklich aus dem Fenster. Meine Hand legte ich kurz auf ihr Knie, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Erschrocken zuckte sie zusammen. Schnell zog ich meine Hand zurück. Innerlich stöhnte ich auf. Ich war so ein Idiot, wie recht Mimi mit dieser Aussage hatte wurde mir nach dieser Aktion klar. „Entschuldigung!“ „Schon gut. Ich hatte nur nicht damit gerechnet. Was ist jetzt mit deiner Tochter?“ „Da musst du dir keine Sorgen machen. Er kann zwar eine Verbindung zwischen uns herstellen, aber nicht zwischen meiner Tochter und mir. Selbst wenn er es könnte, würde er es sicher nicht wagen meiner Tochter nahezukommen.“ „Wie meinst du das?“ „Ich habe einen sehr guten Ruf in der Kampfkunstszene. Ich bin mir sicher, dass er schmierige Typen aus der Szene kennt und die werden mich kennen und sich nicht an meine Tochter oder mich wagen. Ich bin Träger des schwarzen Gürtels. Genau gesagt, zweiter Dan.“ Ein Lachen musste ich mir verkneifen, da ich in ihrem Gesicht sah, dass sie keine Ahnung hatte, von welcher Sportart ich rede. Nicht nur Fußball war in meiner Jugend meine sportliche Leidenschaft. Na gut, wollen wir sie mal erlösen: „Aikido, Mimi. Ich betreibe aktiv Aikido Ich bin Träger des schwarzen Gürtels. Dieser entspricht dem zweiten Meistergrad und ich bereite mich auf den Dritten vor. Außerdem glaube ich nicht, dass der Schwachmat sich mit der Familie Miyasaki anlegt. Sagt dir der Name etwas?“ Ein kurzer Seitenblick auf Mimi zeigte mir, dass es in ihr arbeitet, sie aber keine Verbindung zu diesem Namen aufbauen konnte. „Yunas Mutter war Kyoko Miyasaki. Ihr gehörte die Kampfsportschule, von der ich dir erzählt habe. Sie betrieb auch Aikido und war ebenfalls Trägerin des schwarzen Gürtels. Ihre Kampfsportschule stellt die Karate Meister der letzten vier Jahre. Ich bin mit allen Karate-Meistern sehr gut befreundet, man könnte sagen, dass wir wie eine Familie sind. Außerdem war Kyoko die Tochter von dem Polizeipräsidenten von Tokio. Ich glaube nicht, dass der Mistkerl so blöd ist sich mit mir, der Familie Miyasaki und der gesamten Tokioer Polizei anzulegen. Außerdem trägt Yuna nicht meinen früheren Nachnamen.“ Verdammt tat es immer noch weh in der Vergangenheitsform zu sprechen. Ich sah ihren nachdenklichen Blick. Daher entschloss ich mich auf einen Parkplatz zu fahren. Schließlich wollte ich keinen Unfall bauen. Als ich den Motor abstellte schnallte ich mich ab und drehte mich Mimi zu. Ich suchte ihren Blick und fand diesen auch. Neugierig schauten mich ihre haselnussbraunen Augen an. Kapitel 8: Kyoko ---------------- Ich weiß nicht, wie sie auf mein Leben reagieren wird. Für das ich mich keine Sekunde schäme, die ich mit Kyoko verbracht hatte. Oje, das wird jetzt hart, nicht nur für Mimi. Immerhin ist Mimi ja schon bei der Erwähnung von Yuna ausgerastet. Andersherum, hat sie kein Recht, dazu. Immerhin ist sie diesen Schritt auch gegangen und zwar vor mir. Hoffentlich halte ich die nächsten Minuten durch, ohne wieder den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Ich sah wieder in die haselnussbrauen Augen. Diese sahen mich neugierig und gleichzeitig nachdenklich an. So wie sie blickt, hat sie eine Ahnung, dass das was sie jetzt zu hören bekommt ihr eventuell nicht gefallen wird. Tja, Augen zu und durch, es tut mir jetzt schon leid, ihr weh zu tun. Aber Kyoko gehörte zu meinem Leben und wird es immer. Vielleicht merkt Mimi auch, dass es Menschen gibt, die sich wirklich aufrichtig lieben. Verdammt, wo soll ich anfangen? Noch einmal tief durchatmen. „Kyoko und ich waren vier Jahre ein Paar. Zwei davon waren wir glücklich verheiratet. Wir hatten beide einen Doppelnamen. Ich heiße mit vollständigen Namen Taichi Yagami Miyasaki. Kyoko hieß mit vollständigen Namen Kyoko Miyasaki Yagami, aber unser Familienname war Miyasaki. Daher trägt Yuna ihren Nachnamen.“ Oh, oh ihr Blick verriet mir, dass sie mal wieder etwas falsch verstanden hatte. Dachte ich zumindest, aber ihre Frage warf mich aus der Bahn. „Wieso hast du im Krankenhaus nicht deinen vollständigen Namen gesagt?“ Innerlich stöhnte ich auf. Diese Frage musste kommen. „Du hattest eine Kopfverletzung. Zu der Zeit konnte Joey noch nicht sagen, wie schwerwiegend diese ist. Er hat mich gebeten dich zu schonen. Daher habe ich Miyasaki wegelassen.“ „Okay, dass verstehe ich. Warum redest du in der Vergangenheitsform?“ Mit dieser Frage riss sie unbewusst frisch verheilte Wunden wieder auf. Trotzdem spürte ich, dass ich ihr eine Erklärung schuldig war. Eigentlich wollte ich nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen, da ich dies schon getan hatte, musste ich jetzt auch durch eben diese gehen. Kurz sah ich zu dem Schutzengel, der am Rückspiegel hing. Ein Geschenk von Kyoko, als wir uns dieses Auto gekauft hatten. Ich fasste mir an meine Krawatte. Darunter spürte ich unsere Eheringe, die ich an einer Kette um meinen Hals trug. Ich hatte das Gefühl, dass Kyoko so immer bei mir war. Ich musste schlucken, bevor ich sprach: „Kyoko ist nicht mehr da. Sie kam bei einem Zugunglück sechs Monate nach Yunas Geburt ums Leben.“ Mimi sah mich betroffen an. Sie sah so aus, als wollte sie etwas sagen, fand aber anscheint nicht die richtigen Worte. Ich war auch nicht in der Lage etwas zu erwidern. Meine Gedanken drehten sich mal wieder im Kreis. Tja, nicht nur ihr Leben war hart. Auch bei mir hatte das Schicksal volle Breitseite zugeschlagen. Ich vermisse meine Frau immer noch. Es vergeht nicht einen Tag, an den ich nicht an sie denke. Mein Herz schmerzte immer noch wie verrückt und an manchen Tagen hatte ich das Gefühl, meinen Verstand zu verlieren. Vor allem, wenn ich daran dachte, dass Yuna eigentlich mit Kyoko zusammen in dem Zug hätte sein sollen. Ich danke dem Schicksal dafür, dass es nicht so war. Sonst hätte ich sie auch noch verloren und daran möchte ich gar nicht denken. Das Zugunglück wurde durch technisches Versagen verursacht. Die Versicherungen nervten mich mit irgendwelchen Sachen, die ich bis heute nicht verstanden hatte. Zu der Zeit hatte ich mir Hilfe bei Keisuke geholt. Er hatte mir geholfen und in gewisser Weise hat er Kyoko Gerechtigkeit zukommen lassen. Seine Frau Satoe hatte sich auch einige Zeit um Yuna gekümmert, als ich nicht dazu in der Lage war und Hikari und Sora keine Zeit hatten. So entstand eine enge Freundschaft zu Mimis Eltern. Kyoko, Yuna … Wieso musste das Leben so grausam sein und eine intakte Familie zerstören? Die Luft im Auto war mit einem Mal unerträglich. Ich musste raus aus dem Auto. Schnell riss ich die Fahrertür auf und stürmte raus. Die kühle Luft tat gut, auch wenn sie in meiner Lunge brannte. Ich blickte über die Stadt. Verzweifelt versuchte ich wieder zur Ruhe zu kommen. Unbewusst nahm ich mir meine Kette ab und hielt sie schützend in meiner geschlossenen Hand. Wieder liefen die Bilder von Kyoko vor meinem geistigen Auge wie ein Film ab. Wie wir uns kennen gelernt hatten. Jedes Lächeln, dass sie mir geschenkt hatte. Wie wir ein Paar wurden. Wie wir uns küssten und liebten und ab und zu mal stritten. Wie sie wie ein kleiner Flummi auf und ab hüpfte, wenn sie sich über irgendetwas gefreut hatte. Wie wir zusammen trainierten. Von ihr habe ich so manches gelernt. Sie war es auch, die mich immer wieder antrieb, die nächste Stufe des Aikido zu erreichen. Was hatte sie Feuer im Hintern, wenn es um ihren Lieblingssport ging. Ihr habe ich auch meinen Meistergrad zu verdanken. Sie war so eine tolle Sparringspartnerin. Unsere Verlobung. Sie hat so scharf in ihrem dunkelroten, knielangen Kleid ausgesehen. Klar, dass sie diesen heißen Fummel nicht mehr lange anhatte, als wir endlich alleine waren. Ihr Blick, als sie mir sagte, dass sie schwanger war. Wir wollten immer Kinder haben, trotzdem kam Yuna unerwartet. Eigentlich wollte Kyoko noch ihre zweite Dan Prüfung ablegen und danach wollten wir uns in die Familienplanung stürzen. Zum Glück ist es anders gekommen, sonst hätte ich heute nichts mehr, was Kyoko und mich jemals verbunden hat. Was hatte sie mit mir rumgeschimpft. Mir gegen den Kopf geknallt ich wäre ein Lustmolch. Als ob ich unseren Schatz alleine gezeugt hätte. Nachdem sie sich beruhigt hatte, fiel sie mir mit einem Mal um den Hals und hatte vor Freude geweint. Unserer Hochzeit. An diesem Tag hatten wir beide mit der Sonne um die Wette gestrahlt. Sie war die schönste Braut, meine Braut. Beim Eröffnungstanz mussten wir beide feststellen, dass wir zwar beide Meister in Aikido waren, aber vom Tanzen hatten wir keinen blassen Schimmer. Daher war unser erster Tanz als Ehepaar ein Stehblues. Uns war dies scheißegal. Es war der schönste Tanz in meinem Leben, weil ich diesen mit ihr getanzt habe. Ihre glänzenden Augen, als sie Yuna das erste Mal in ihren Armen hielt. Unser Schatz kam in einer klaren Vollmondnacht zur Welt, daher ist Kyoko auf den Namen Yuna gekommen. Ihr Name wird Yuna immer mit ihrer Mutter verbinden, da sie diesen von ihr bekommen hatte. Es wird eine der wenigen Verbindung von Mutter und Tochter sein. Es ist ein unsagbarer Schmerz, dass Yuna ihre Mutter nicht kennen lernen kann. Nie ihre liebevolle Stimme hören kann. Nie erleben kann, was für ein großes Herz ihre Mutter hatte. Nie wieder von ihr in den Arm genommen werden kann. Genauso schlimm ist es für mich, dass Kyoko nie erleben darf, was bis jetzt aus unserer Kleinen geworden ist. Was für ein tolles Mädchen sie ist. Dass sie unser Wunder nicht aufwachsen sehen kann. Dass es ihr verwehrt wurde zu sehen, wie Yuna laufen und sprechen lernte beziehungsweise lernt. Unser allerletzter Kuss und die allerletzten Worte: ‚Pass gut auf unseren Schatz und dich auf. Ich liebe dich. Ich liebe euch‘. Ihr kalter lebloser Körper, ihre leeren starren Augen. Als ich sie nach dem Zugunglück identifizieren musste. Wie mir ihre persönlichen Sachen, einen Monat nach dem Unglück, gegeben wurden. Bis heute hatte ich es nicht geschafft ihre Handtasche, die die Helfer außerhalb des Zuges gefunden hatten, zu öffnen. Diese war immer Kyokos Heiligtum, wehe ich wagte es, ohne ihre Erlaubnis ein Taschentuch herauszunehmen, oder einen Kaugummi. Dann hatte ich schneller eine Kopfnuss, als das ich ‚Schatz‘ sagen konnte. Kyoko selbst hatte sich den Kopf an der Scheibe des Zuges angeschlagen, als dieser entgleiste. Die Ärzte meinten, dass sie einen Schädelbasisbruch hatte und sofort … Als einer der Pfleger ihr den Ehering abstreifen wollte habe ich ihn davon abgehalten. Ich war es der ihr diesen, unseren, Ring an ihren Finger gesteckt hatte. Nur ich hatte das Recht dazu ihr diesen wieder abzunehmen. Wenn es nach mir gegangen wäre, würde mein Engel diesen Ring immer noch tragen, aber das durfte nicht sein. Scheiß Gesetze! Eiskalt lief es mir den Rücken runter, als ich die letzte Erinnerung hatte. Plötzlich fühlte ich eine kleine Hand auf meiner Schulter. Im ersten Moment dachte ich, es sei Kyoko. Aber diese Berührung war anders. Vorsichtig, fast zurückhaltend. Ich nahm einen zarten Duft von Rosen wahr. Diesen Duft kannte ich nur von einer Frau. Ich spürte, wie Mimi langsam um mich herum ging. Mein Gesicht wollte ich verbergen und drehte daher meinen Kopf von ihr weg. Zärtlich legte sich ihre warme Hand auf meine Wange und drehte meinen Kopf wieder in ihre Richtung. So konnte ich die Tränen nicht mehr verbergen, die sich in meinen Augen gesammelt hatten. Sie sagte kein Wort, stattdessen umarmte sie mich. Sie zog mich immer fester in ihre Arme, so dass ich keine Chance mehr hatte und meinen Tränen freien Lauf ließ. Langsam legte ich meine Arme um ihren zierlichen Körper und zog sie auch in eine innige Umarmung. Verdammt, tat diese Geste gut. Diese war wie Balsam für meine Seele und meinem gebrochenen Herz. Diese vertrieb die Kälte, die ich verspürte. „Hätte ich das gewusst … Es tut mir schrecklich leid.“ „Nein, mir tut es leid, Mimi. Ich soll dich beschützen.“ Schnell ließ ich meine Arme sinken, dabei steckte ich die Kette in meine Hosentasche, danach ging ich auf Abstand. „Geh schon mal zum Auto, ich komme gleich nach“, wies ich Mimi an. „Ich brauche noch einen kleinen Moment, dann können wir weiterfahren.“ Noch einmal atmete ich tief die frische Luft ein und schaute zum Himmel. Irgendwo dort oben war mein Engel. Ich schloss noch einmal meine Augen um mich zu sammeln. Danach ging ich zum Auto zurück. Kaum hatte ich mich gesetzt riss mich das Klingeln meines Handys aus meinen trüben Gedanken. Ich werde diesem Anrufer danken, denn gerade ging mir alles an die Nieren. Da mein Handy mit dem Bordcomputer verbunden war konnte ich Hikaris Namen auf dem Display vom Armaturenbrett lesen. Mein Blick fiel auf die Uhr. Verdammt, wir waren schon eine halbe Stunde zu spät. Jetzt konnte ich bestimmt wieder einen Umweg fahren und Yuna bei meinen Eltern abholen. Dort würde das ganze Geschwafel wieder von vorne anfangen, dass meine Kleine endlich eine Mutter brauchte. Wie stellen die Beiden sich das vor? Sollte ich mir eine Frau backen? Wie sollte ich eine Frau finden, wenn mein Herz noch nicht bereit ist Kyoko für immer gehen zu lassen? Außerdem geht es nicht nur um mich. Was nützte mir eine Traumfrau, wenn sie nicht mit meiner Tochter zurechtkommen würde? Oder Yuna diese überhaupt nicht leiden konnte? Richtig – gar nichts. Als ich das Gespräch mit Hikari beendet hatte atmete ich erleichtert aus. Sie hatte Yuna zu ihrem Patenonkel gebracht. Er freute sich immer meine Kleine bei sich zu haben. Ich startete den Motor und fuhr zu Yamato und Sora um meine Tochter bei ihnen abzuholen. Auf die Reaktionen der Beiden bin ich schon gespannt, wenn sie Mimi wiedersehen. Kapitel 9: Vergleiche --------------------- Das Schweigen, welches sich nach dem Gespräch zwischen Taichi und seiner Schwester, zwischen uns ausgebreitet hatte drückte auf mein Gemüt. Ich sah immer noch die Trauer und den Schmerz in seinem Gesicht. Was auch kein Wunder ist, bei dem was er durchmachen musste. Das er seine Frau immer noch liebt zeigte mir sein ganzes Verhalten. Auf der einen Seite freue ich mich für ihn, dass er das Glück hatte jemanden zu finden den er aufrichtig geliebt hat und er aufrichtig geliebt wurde. Andersherum muss es für ihn die Hölle auf Erden nach dem Unglück gewesen sein. Jedenfalls tut es verdammt weh, ihn so zu sehen. Von dem was er mir erzählt hatte muss sie die Liebe seines Lebens gewesen sein. Kyoko durfte sie selbst sein, etwas was ich verlernt habe. Sie durfte arbeiten, hatte sogar eine eigene Kampfsportschule. Sie hatte so viel in ihrem kurzen Leben erreichen können. Die beiden haben sich immer gegenseitig unterstützt und sich nie als Paar aus den Augen verloren. Sie haben sich gegenseitig respektiert, vertraut und geliebt. Wichtige Entscheidungen wurden als Paar getroffen. Wie sah es in meiner Ehe aus? Haben Noriaki und ich uns jemals so geliebt, wie Taichi und seine Frau? Meine Antwort ist ganz klar: Nein! Und diese Erkenntnis ist ein wahrer Faustschlag in mein Gesicht, die mehr weh tat, als die ganzen Schläge, die ich von ihm einstecken musste. Er hatte mir so viel genommen und was habe ich zurückbekommen? Im Grunde gar nichts. Ich habe sogar meine Träume aufgegeben. Ach Scheiße, sei endlich ehrlich zu dir Mimi: Ich habe meine Freunde im Stich gelassen, meiner Familie den Rücken gekehrt. Praktisch habe ich den Menschen, die mir wichtig waren in den Arsch getreten. Letztendlich habe ich mich selbst aufgegeben. Alles nur, weil er es so wollte. Ich war so naiv, blöd, blauäugig, bequem, verpeilt. Taichi hatte Recht, ich habe mein Leben durch eine rosarote Brille gesehen. Die einzige Entscheidung die ich getroffen hatte, die unsere Ehe beeinflusst hatte war die, als er mich das erste Mal geschlagen hatte. In der Nacht hatte ich mich bewusst gegen Kinder mit ihm entschieden. Ich wollte nicht, dass meine Kinder das gleiche durch machen mussten wie ich. Am nächsten Morgen bin ich zu meiner Frauenärztin und hatte mir sofort die Pille verschreiben lassen. Diese hatte ich jeden Morgen mit meiner ersten Tasse Tee heimlich genommen, wenn er das Haus verlassen hatte. Ich frage mich, ob ich jemals das Glück haben werde, dass ich so aufrichtig von einem Mann geliebt werde, wie Taichi seine Kyoko. Ob ich jemals eine Beziehung führen werde, in der es keine Geheimnisse gab? Ob ich jemals das vollkommene Glück haben werde und mein Kind in den Armen halten kann? Eine weibliche Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Wann hatte er jemanden angerufen? „Hey Tai!“ „Hallo Sora! Wie geht es Yuna?“ „Gut, Matt spielt gerade mit ihr.“ Im Hintergrund waren schiefe Töne eines Klaviers zu hören. „Ich glaube, sie treibt ihren Patenonkel gerade in den Wahnsinn. So wie sie sein Klavier bearbeitet“, lachte Taichi. Ach du heiliger Buddha, Yunas Patenonkel ist Yamato? Gleichzeitig schlug ich mir meine Hand vor die Stirn. Was mir einen komischen Seitenblick von Taichi einbrachte. Die Beiden waren schon immer Freunde gewesen. Klar, dass er der Patenonkel von Yuna ist. Das hieß wohl für mich, dass ich heute nicht nur Taichis Tochter kennen lernen, sondern auch Sora und Yamato wiedersehen werde. „Ach, du weißt, dass er ihr nicht böse sein kann.“ „Das schon, aber seine feinen Musikerohren tun ihn bestimmt weh. So wie Yuna auf die Tasten haut. Mimi wurde heute aus dem Krankenhaus entlassen, deshalb sind wir auch ein wenig spät dran.“ „Das freut mich, dann können wir sie endlich mal wiedersehen. Mach dir keinen Kopf, du weißt, wir passen gerne auf die Kleine auf. Wann seid ihr ungefähr hier?“ „Dafür bin ich euch immer dankbar. Wir sind in gut fünf Minuten bei euch.“ Taichi sah kurz zu mir rüber. Er musterte mich besorgt. Anscheint erging ihm gerade nicht, wie nervös ich mit einem Mal wurde. „Bis gleich, Sora.“ Nachdem Sora sich auch verabschiedet hatte legte er auf. „Was ist mit dir los, Mimi?“ Das waren die ersten Worte, die er mit mir gesprochen hatte, nachdem er wieder ins Auto gestiegen war. „Es ist nichts“, log ich automatisch. Dieser Satz hatte bei Noriaki immer ausgereicht um mich in Ruhe zu lassen. „Mimi, ich weiß, wann du lügst. Dein Blick, der immer an mir vorbei geht, wenn du es tuts, verrät dich.“ Nicht aber bei ihn. Himmel noch mal, war er scharfsinnig. Lag wohl an seinem Beruf. „Ich bin nur aufgeregt. Seit der letzten Woche steht mein Leben auf den Kopf. Jetzt muss ich mich nach und nach den Fehlern stellen, die ich mit achtzehn Jahren begann habe. Verdammt ich sehe gleich meine ehemals beste Freundin wieder. Anstatt mich wüst zu beschimpfen hat sie mir einen Brief geschrieben, bei dem mir die Tränen in die Augen geschossen sind. Sie hat sich die Mühe gemacht und mir dieses Outfit zusammengestellt. Und ich lerne gleich deine Tochter kennen. Sie kennt mich überhaupt nicht und trotzdem soll ich bei euch wohnen.“ „Ich dachte, dass ich dir deine Unsicherheit ein wenig nehmen kann, in dem ich die Beiden gefragt habe, ob ich ihre Nummern in dein Handy einspeichern kann. Mimi, Sora und Matt werden dir das Leben nicht erschweren. Sie sind immer noch deine Freunde. Was Yuna betrifft, sie ist ein neugieriges und wissbegieriges kleines Mädchen. Fremden ist sie etwas zurückhaltender, aber das ändert sich schnell, wenn sie diese Person öfters sieht. Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin auch da.“ „Wenn du meinst.“ Nervös war ich aber immer noch. Naja, eigentlich war ich nicht nervös, sondern es nagte mein schlechtes Gewissen an mir. Ich hatte noch gar nicht zu ende gedacht, da stellte Taichi auch schon den Motor ab. Kurz sah ich mich um. War ja klar, dass die Beiden in dieser Gegend wohnten. Wir waren in Shoto, dem Beverly Hills von Tokio, nicht weit weg von Shibuya entfernt. Hier fand man immer seine Ruhe und wenn man es Krachen lassen wollte war man in kürzester Zeit in Shibuya. Taichi stieg aus dem Auto. Kurz blickte ich ihm nach und sah etwas auf seinem Sitz aufblitzen. Ich musste schlucken, als ich eine Kette mit zwei Ringen in meinen Händen hielt. Jetzt wurde mir klar, was er krampfhaft in seinen Händen hielt, als ich ihn zur Beruhigung in meine Arme gezogen habe. Kyoko musste eine zierliche Frau gewesen sein. Ihr Ring passte perfekt in den von Taichi. Schnell steckte ich die Kette in meine Handtasche, immerhin wollte ich nicht, dass er diese verlor. Ich hatte gerade meine Tasche geschlossen, als Taichi mir wie ein Gentleman die Tür öffnete und mir die Hand reichte, damit er mir das Aussteigen erleichtern konnte. „Wir werden nicht lange bleiben können, da Yuna bald ins Bett muss. Da ich nicht weiß, wie viel Zeit wir heute Abend noch zum Sprechen haben möchte ich gleich ein paar Sachen klar stellen. Du sollst wissen, dass du alles machen kannst, was du möchtest. Wenn du Sora besuchen möchtest kannst du das tun. Willst du dir im Park die Beine vertreten, kannst du dies tun und das war nur Beispiele. Die einzigen Bedingungen die ich dir stelle sind die, dass du mir immer bescheid gibst, was du vorhast, wo du bist und wie lange du wegbleiben möchtest. Desweitern trägst du immer dein Handy bei dir und lässt auch die Standortortung aktiv, selbst wenn du nur zum Briefkasten gehst. Ich möchte dich nicht kontrollieren, ich möchte, dass du ein normales Leben führen kannst, in dem ich meiner Arbeit nachgehen kann, ohne unnötig in deine Privatsphäre einzugreifen. Ist das in Ordnung für dich?“ Wir gingen während dem Gespräch weiter auf ein Wohnhaus zu. Taichi sagten dem Portier welche Familie wir besuchen wollten und dieser nickte uns zu. Aufmerksam hatte ich ihn zugehört. Gut so ganz schmeckte mir die ganze Sache nicht, aber ich gab ihm zu verstehen, dass ich einverstanden war. Wir gingen einen langen Gang entlang. Ich wollte ihn gerade noch etwas fragen, als sich plötzlich eine Tür öffnete und ein kleines Mädchen kam auf uns zu gerannt. „Papa! Papa!“ Kurz bevor das Mädchen Taichi erreichte stolperte sie und fiel auf ihre vier Buchstaben. Er ging in die Hocke und breitete seine Arme aus. Sie quietschte kurz auf und krabbelte die letzten Meter auf ihren Vater zu. Als Yuna ihn erreicht hatte nahm Taichi seine Tochter in die Arme und stand auf. Er gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange und sie patschte mit ihren kleinen Händen in seinem Gesicht herum. So als wollte sie sich vergewissern, ob es auch wirklich ihr Vater war. „Papa“, gluckste sie wieder vor Freude und drückte ihr Gesicht, mit geschlossenen Augen, an seine Schulter. Ihre kleinen Hände krallten sich in seinem schwarzen Jackett. „Ja Yuna, ich habe dich auch lieb.“ Zärtlich strich er ihr über ihre Haare. Diese Stimmlage, so sanft hatte ich ihn noch nie sprechen gehört. Sie jagte mir einen angenehmen Schauer über meinen Rücken. Ich betrachtete Vater und Tochter. Im Gesicht konnte ich fast keine Ähnlichkeit zwischen den Beiden feststellen, außer die Form der Nase. Was auch sofort erkennen ließ, dass Taichi ihr Vater war waren ihre braunen Haare. Yuna trug zwar zwei winzige Zöpfe, trotzdem konnte man erkennen, dass ihre Haare praktisch ein Eigenleben führten. Jedenfalls sprachen die Strähnen die ihr locker ins runde Gesicht fielen dafür. Ich merkte, wie ich lächeln musste, als ich das Bild der beiden in mir aufsog. Von diesem Anblick war ich so gefesselt, dass ich nichts um mich herum wahrnahm. Mit einem Mal fühlte ich mich beobachtet. Kurz drehte ich mich um, konnte aber niemanden sehen. Wer sollte mich hier nach mir suchen? Mein Blick fiel wieder auf Taichi und seine Tochter. Jetzt war mir klar, wer mich beobachtet hatte. Mich sahen große braungrüne Augen an. Ich zuckte bei diesem intensiven Blick zusammen, da ich das Gefühl hatte, dass mir das kleine Mädchen bis in meine Seele schauen konnte. „Da Papa.“ Yuna patschte wieder aufgeregt Taichi im Gesicht herum, dabei zeigte sie auf mich. „Aua Yuna, das hat weh getan.“ Sanft hielt er die kleine Hand seiner Tochter wieder fest, als sie wieder in sein Gesicht patschen wollte. „Papa, da!“ Die kleine zappelte so stark auf seinen Armen herum, dass er sie auf dem Boden absetzte. „Yuna, das ist eine Freundin von mir. Sie heißt Mimi.“ Ich ging in die Hocke, damit Yuna mich besser sehen konnte. Sie legte ihren Kopf schief und sah mich einfach an. Unwillkürlich musste ich an Taichi denken, da er mich früher auch mit dem gleichen Blick so gemustert hatte. Sofort wusste ich, dass sie mir mit diesem Blick mein Herz gestohlen hatte. „Hallo Yuna.“ Das kleine Mädchen zuckte zusammen, als ich sie angesprochen hatte. Sie sah zu ihrem Vater, der ihr kurz zu nickte, dann sah sie wieder zu mir. Drehte sich von mir weg und lief auf die Wohnungstür von Sora und Yamato zu. Ergeben seufzte ich auf und stand wieder auf. War ja klar, das Yuna nichts mit mir zu tun haben wollte. Wenigsten eine… Nanu, was war das? Kapitel 10: Unglaubliche Reaktionen ----------------------------------- Taichi sah an mir herunter und musste lächeln. Ich betrachtete mir sein Gesicht genauer. Seine Augen funkelten und seine Gesichtszüge waren ganz entspannt. Ich sah in seinem Blick Liebe, Glück, Freude und Stolz gleichzeitig. Das mich diesen Blick durcheinander brachte überraschte mich nicht, da ich diesen noch nie bei ihm gesehen hatte. Ich folgte seinem Blick, meine Augen weiteten sich erstaunt, trotzdem musste auch ich lächeln. Yuna stand vor mir, dabei umarmte sich meinen Oberschenkel. Kurz schmiegte sie ihr Gesicht an mein Bein, danach blickte sie auf. Ihre großen Kulleraugen musterten mich ausgiebig. Oh Mann, wieso musste dieses kleine süße Ding so schauen wie ihr Vater? Wie kann man mit nur zwei Jahren so ein Charm Bolzen sein? Eindeutig! Ich bin diesem zierlichen Wesen auf dem Leim gegangen. Ich kam mir vor, wie ein Insekt, was einer Spinne ins Netz geflogen ist und ich habe es gerne getan, wenn nicht sogar mit Absicht. Ich habe verloren. Kann man diesem Mädchen überhaupt böse sein, wenn sie etwas angestellt hatte? Meine Hoffnung war das Yuna nicht merkte, dass ich ihr jetzt schon verfallen war. Sonst würde sie mir wahrscheinlich auf der Nase rumtanzen. Okay, mache dir nichts vor Mimi. Das dieser Fall eintreten wird ist sehr hoch. Yuna kennt mich nicht und ich würde mir auch nichts von Fremden sagen lassen. Ich merkte, wie Yuna ihren Griff um mein Bein lockerte. Daher ging ich in die Hocke. „Ich heiße Mimi und du?“ Das kleine Mädchen legte ihren Kopf schief. Mich blickten ratlose Kinderaugen an. Mh, vielleicht habe ich meine Frage falsch gestellt. „Mein Name ist Mimi. Wie ist dein Name?“ Yuna schaute zu ihrem Vater. Taichi nickte ihr aufmunternd zu. Sie quietschte kurz auf und sah mich an. „Una.“ Sie hielt mir ein Tuch das aussah wie ein kleine Maus vor die Augen. „Piff.“ Ich nahm das Ding in meine Hand. „Das ist eine süße Maus. Ist das deine?“ Mein Satz war noch gar nicht zu Ende gesprochen, da riss mir Yuna das Tuch wieder aus der Hand. „Piff mein.“ Ich musste Lachen. Yuna war eindeutig seine Tochter. Mein Lachen verstummte sofort, als ich eine männliche Stimme hörte, die nicht zu Taichi gehörte. „Wollt ihr nicht endlich reinkommen?“ Diese kam mir zwar bekannt vor, aber ich konnte die Stimme nicht zuordnen. Ich merkte, wie mein Puls in die Höhe schoss und mein Herz viel zu schnell schlug. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch, der auf dem Trocken lag. Meine Hände wurden schweißnass und es gelang mir nicht, mein Zittern zu unterdrücken. Deswegen suchte ich automatisch Schutz bei meinem ultra heißen Bodyguard, in dem ich mich an ihn drückte. Schnell merkte ich an seiner Körperhaltung, dass mir keine Gefahr drohte. Taichi stand völlig entspannt neben mir und schaute auf die große Gestalt, die im Rahmen der Wohnungstür stand. Trotzdem strich er mir beruhigend über den Rücken. Als Yuna die Stimme hörte drehte sie sich von mir weg und lief auf die Wohnungstür zu. „Papa da.“ „Das habe ich gesehen, Süße.“ „Matt, gehe schon mal rein und nehme Yuna bitte mit. Lass sie auch nicht mehr in den Hausflur laufen. Mimi und ich kommen gleich nach.“ Ich zuckte bei seinen Worten zusammen. Der Mann war Yamato? Verdamm noch mal, wieso habe ich Angst vor dem besten Freund von Taichi? Immerhin kenne ich ihn auch ewig, er gehörte zu meinem engsten Freundeskreis. „Wird gemacht. Der Schlüssel steckt von außen. Kommt einfach rein, wenn ihr soweit seid.“ „Machen wir.“ Ich hörte, wie eine Tür ins Schloss fiel. „Mimi?“ Ich spürte, wie er mich in eine innige Umarmung zog. Seine eine Hand strich beruhigend über meinen Rücken, während die andere meinen Kopf zärtlich seine Schulter drückte. Seine Hand ließ er an meinem Hinterkopf liegen. Gemeinsam sanken wir auf die Knie, da ich keine Kraft mehr hatte stehen zu bleiben. Weil ich nicht reagierte, versuchte Taichi es erneut. „Mimi? Hörst du mich?“ Ich war so in meinem Schmerz gefangen, dass ich nur seine Stimme wahrnahm, aber nicht die Kraft hatte ihm zu antworten. „Hey Prinzessin!“ Bei dieser Anrede zuckte ich zusammen, dabei drückte ich mich ein wenig von ihm weg und sah Taichi in die Augen. Erleichtert atmete er aus. „Beruhige dich, Prinzessin. Es ist alle in Ordnung. Das war Matt. Er würde dir nie etwas antun. Außerdem weißt du, dass ich auf die aufpasse.“ „Das weiß ich. Ich habe mir nur erschrocken, weil ich seine Stimme nicht erkannt habe“, kam es leise von mir. Seine ganze Körperhaltung änderte sich. Seine Muskeln wahren angespannt und ich sah, dass er seine Zähne zusammenpresste. Irgendetwas beschäftigte ihn. „Ich weiß, dass du durch die Hölle gegangen bist und du nicht gerne über ihn sprichst, aber ich frage dich trotzdem: War das wirklich alles, was du mir erzählt hast, oder verschweigst du etwas, aus welchen Gründen auch immer, was er dir angetan hat?“ Als er mich das fragte, wischte er mir sanft die Tränen von meiner Wange und steckte eine verirrte Haarsträhne hinter mein Ohr. Bei den Heiligen, tut diese Geste gut. Ich suchte seinen Blick, bevor ich ihm antwortete: „Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt.“ „Mimi! Ich- “ „Schau mir in meine Augen Tai. Vorhin hast du gesagt, dass du es merkst, wenn ich lüge. Was siehst du jetzt?“, fragte ich schon fast provokant. Ausgiebig sah er in meine Augen. Sein Blick bohrte sich fast in meinen. „Ich sehe die Wahrheit. Außerdem freue ich mich, das du mir gegenüber deine freche Zunge wieder gefunden hast.“ Okay, ich merkte die Doppeldeutigkeit überging sie aber geflissentlich. Erstens traute ich mich nicht, dieses Thema anzuschneiden. Zweitens wusste ich, dass er seine Frau immer noch liebt. Daher konnte er diese Richtung nicht meinen. Drittens hatte ich von Männern gestrichen die Nase voll. Taichi war der einzige Mann, den ich in meiner Nähe ertragen konnte, ohne einen Ausraster zu bekommen. Völlig verwirrt schaute ich auf die Hand, die mir gereicht wurde um mir beim Aufstehen zu helfen. Wann hatte er sich bewegt? Ich war so in meinen Gedanken gefangen, dass ich es gar nicht bemerkt habe. Er sah mir ernst in die Augen. „Ich habe dich gefragt, ob du bereit bist.“ Dankend nahm ich seine Hand an. Ich nickte, als er mir aufhalf. Taichi gab mir noch nicht einmal die Möglichkeit meine schweißnassen Hände an meinen Rock zu trocken, da wir schneller im Flur von Sora und Yamato standen als ich denken konnte. Taichi zog sich die Schuhe aus und ging völlig sicher den langen Gang entlang. Er öffnete eine Tür und wurde durch den kleinen freudigen Aufschrei von seiner Tochter begrüßt. Ich hatte den Eindruck, dass er sich in der Wohnung seines besten Freundes so bewegte, als wäre es seine eigne. Unschlüssig stand ich im Flur. Dabei schaute ich mich nachdenklich um. Sollte ich ihm einfach so folgen? Kurz überlegte ich was ich machen sollte. Wieso war auch keiner im Flur und begrüßte mich? Naja, die erste Begegnung, nach sechs Jahren, mit Yamato hatte ich vermasselt. Wieso musste ich auch eine Panikattacke bekommen? Yamato war der letzte Mensch, den ich für mein verkorkstes Leben verantwortlich machen konnte. Schüchtern und total verunsichert folgte ich Taichi. Als ich hörte, wie sich eine Tür hinter mir öffnete und wieder schloss schrie ich erschrocken auf. Meine Hände hielt ich mir schützend auf meine Brust um mein wild schlagendes Herz zu beruhigen. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie Taichi an meiner Seite war und mich sofort in seine Arme zog. Leise flüsterte er mir beruhigende Worte in mein Ohr. Als ich den Namen von Sora hörte schaute ich auf. Sora blickte mich völlig geschockt an. Sie hatte wohl nicht mit meiner heftigen Reaktion gerechnet. Langsam kam sie auf mich zu. Ihr Blick ging von mir zu Taichi. „Ich habe echt gedacht, dass du übertreibst, dass hast du aber nicht.“ Ich spürte, wie er den Kopf schüttelte. Er merkte, wie ich mich entspannte und lockerte seine Umarmung. Dabei fiel mir auf, dass er sein Jackett ausgezogen und die Ärmel seines Hemdes bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte. Das linke Handgelenk zierte eine schlichte Armbanduhr. Ich musste schmunzeln. Ob er gelernt hatte die Uhrzeit zu lesen? Das erste Mal sah ich seine austrainierten Unterarme und diese lagen entspannt auf meinem Bauch. Ich musste schlucken, wenn die Unterarme schon so heiß aussahen, wie verhielt es sich dann mit seinem restlichen Körper? Immerhin war er sehr sportlich und hatte irgendeinen Meistergrad, in einer Sportart von der ich nichts verstand. Seine Stimme holte mich aus meinen Gedanken. „Ich wünschte, ich hätte übertrieben. Du siehst ja, wie sie reagiert. Zurzeit lässt sie fast keine Menschen in ihre Nähe.“ Sie nickte ihm zu. „Hey Liebes! Ich freue mich dich wiederzusehen.“ Kurz zuckte ich zusammen, als Sora mich mit ‚Liebes‘ ansprach. So hatte sie mich immer in unser Teenagerzeit genannt. Wollte sie mir damit irgendetwas signalisieren? Als ich sah, dass Sora mir eine Hand reichte, riss ich mich aus Taichis Umarmung und fiel Sora um den Hals. Sofort zog sie mich in eine Umarmung und ich ließ den Schmerz der letzten Jahre raus. Ich weiß nicht, wie lange wir beide in dem Flur standen uns umarmten und ich weinte. „Ich möchte euer Wiedersehen nur ungern stören, aber wir müssen nach Hause. Ihr könnte euch doch treffen und über alles sprechen.“ Taichis Stimme drang an mein Ohr. Ich löste mich von Sora und schaute zu Taichi. Was ich sah ließ mein Herz ein wenig höherschlagen. Er hatte Yuna auf seinen Arm. Sie hatte sich ganz dicht an ihren Vater gekuschelt. Ihr Kopf lag auf seiner breiten Brust und ihre kleinen Hände griffen in das Oberhemd. Sie kämpfte stark damit, dass ihr ihre Äuglein nicht zufielen. Schützend hielt er ihren Kopf. Sein Blick strahlte Wärme, Zufriedenheit, Glück und Liebe aus, als er auf seine Tochter sah. Taichi löste Yuna und wollte sie Yamato geben - der mit ihm zusammen in den Flur getreten war - damit er sich die Schuhe anziehen konnte. Mit der Reaktion von seiner Tochter hatte er anscheint nicht gerechnet. Als sie merkte, dass ihr Vater sie an ihren Patenonkel reichen wollte riss sich ihre Ärmchen von seinen Armen und streckte sie mir entgegen. „Una da.“ Ich sah die pure Verwunderung bei Yamato und Taichi. Auch Sora konnte sich ein ungläubiges „Das glaube ich jetzt nicht.“, nicht verkneifen. Ich sah den fragenden Blick, den Taichi mir zuwarf. Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe und nahm ihm dann das kleine Mädchen ab. Yuna schmiegte sich sofort an meinen Oberkörper und schloss ihre Augen. Kapitel 11: Meine neue Bleibe Teil 2 ------------------------------------ Als wir im Fahrstuhl standen sah Taichi liebevoll auf seine schlafende Tochter in meinem Arm herab. Zärtlich strich er ihr über ihre braunen Haare. „Wieso seid ihr so erstaunt gewesen, dass sie auf meinen Arm wollte?“ Mir waren immerhin die Reaktionen der Drei nicht entgangen. „Yuna braucht eigentlich eine Weile, um eine Beziehung zu Fremden aufzubauen. Sie ist in der Hinsicht fast ein wenig schüchtern. Daher waren wir ein wenig überrascht, dass sie auf deinen Arm wollte.“ Taichi strich seiner Tochter sanft über die Nase, da sie Kleine sich nicht reagierte musste er lächeln. „Da sie jetzt schläft wie ein Murmeltier gehe ich davon aus, dass sie dich leiden kann.“ Skeptisch sah ich ihn an. „Wie kommst du darauf, dass sie mich mag und schläft?“ „Würde sie dich nicht mögen, hätte ich sie auf dem Arm.“ Der Fahrstuhl hielt an und wir stiegen aus. Gemeinsam gingen wir Richtung Ausgang. Taichi musste plötzlich lachen. „Yuna hat die Augen zu, daher spricht viel dafür, dass sie schläft. Außerdem hat sie nicht reagiert, als ich ihr über die Nase gestreichelt habe. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass sie schläft wie ein Murmeltier.‘“ Okay, diesen Argumenten konnte ich nichts entgegensetzen, schließlich kannte er sein Kind am besten. Ich wollte auf sein Auto zu gehen, als er mich sanft am Arm festhielt. „Wir gehen zu Fuß. Falls es dir nicht aufgefallen ist, dass Auto steht auf meinem Stellplatz. Wir müssen nur drei Hauseingänge weitergehen, dann sind wir da. Deine Tasche hole ich, wenn Yuna im Bett liegt. Soll ich sie dir abnehmen?“ Ich blickte auf das schlafende Mädchen in meinen Armen. Ihre rechte kleine Hand krallte sich leicht in meine Jacke. Mit der linken hielt sie ihr Tuch, das wie eine Maus aussah, fest. Ihr Kopf lag an meiner Schulter. Sie schien friedlich zu schlafen und meine Nähe zu genießen. Daher verneinte ich seine Frage. Außerdem beruhigte mich die Ausgeglichenheit, die von Yuna ausging und dieser kindliche Duft ungemein. Unsicher folgte ich Taichi, als er in ein Wohnhaus ging. Er nickte den Portier freundlich zu. Gemeinsam verließen wir in den Fahrstuhl. Taichi ging auf die letzte Wohnungstür auf der rechten Seite zu und holte sein Schlüsselbund aus der Hosentasche. Ich musste Yuna ein wenig anders halten als bisher, da sie mittlerweile doch ein wenig schwer auf meinen Armen wurde. Durch meine Bewegung wurde sie leider wieder wach. Müde rieb sie über ihre Äuglein. Danach blickten mich große Kulleraugen an. Langsam schien sie richtig wach zu werden, da sie ihr Gesicht verzog, als wenn sie gleich weinen würde. „Wo Papa?“ „Dein Papa ist vor uns, Yuna.“ Ich drehte mich in die Richtung, damit sie ihren Vater sehen konnte. Sie schniefte kurz, bevor sie wieder fröhlich auf quietschte, als sie ihren Vater sah. Sofort streckte sie ihre Arme in seine Richtung aus. Taichi nahm sie kurz auf den Arm und gab ihr einen Kuss. „Wir sind zu Hause Engelchen.“ Als Yuna seine Worte hörte fing sie wieder an zu zappeln. Deshalb setzte Taichi sie wieder auf den Boden. So schnell wie ihre kleinen Beine sie tragen konnte lief sie auf eine Zimmertür zu. Schon von weiten sah ich das es die Tür zu ihrem Zimmer war. Mit bunten Holzbuchstaben war ihr Name an dieser zu lesen. Taichi schob mich sanft in den Flur, als er mein Zögern, die Wohnung zu betreten, bemerkte. Jetzt stand ich im Flur, der in hellen Farben gehalten wurde. Auf dem Schuhschrank erblickte ich sofort zwei Fotos. Eins war wohl kurz nach der Geburt von Yuna entstanden. Jedenfalls war er dort mit einem Baby und einer wunderschönen schwarzhaarigen Frau zu sehen. Sie hielt stolz ein Baby im Arm und Taichi hatte liebevoll seinen einen Arm um ihre Schultern gelegt und den anderen sanft auf das Köpfchen von dem Baby. Sein Blick war voller Stolz und Liebe. Bei dem anderen Bild musste ich schlucken. Es war ein Hochzeitsbild. Diese Aufnahme musste wohl kurz nach dem Ja-Wort einer westlichen Zeremonie erstellt worden sein. Jedenfalls küsste sich das Brautpaar. Da ich Taichi erkannte wusste ich auch wer die Frau war, auch wenn ich nur ihr Profil sah erkannte ich die Frau von dem ersten Bild. Neben Taichi standen Yamato und ein junger Mann, den ich nicht kannte. Neben Kyoko war Sora zu sehen und eine junge Frau, die Taichi sehr ähnlichsah. Daher ging ich davon aus, dass es seine Schwester war. Alle wirkten so glücklich und zufrieden. Dieses Bild strahlte eine Leichtigkeit aus und alle schienen mit der Sonne um die Wette zu strahlen. Kyoko überstrahlte aber alle mit ihrer Eleganz. Ihre schwarzen Haare trug sie zu einer eleganten Flechtfrisur die in einem strengen Dutt am unteren Kopf endete. Kleine Glitzer-Curlies zierten die Frisur und am Dutt Ansatz war ein langer Schleier befestigt. Ihr Kleid war im Vintage Stil gehalten. Der fließende Stoff umschmeichelte ihre Wahnsinns Figur. Man konnte zwar erkennen, dass sie sehr sportlich war, aber ihre Weiblichkeit hatte sie super in Szene gesetzt. Taichi passte optisch perfekt zu ihr und war ein wahrer Augenschmaus. Von weiten hörte ich wie Taichi mit seiner Tochter diskutierte, dass sie endlich ins Bett gehen sollte. Ein Lächeln zierte mein Gesicht, als ich der Diskussion, wenn man es so nennen konnte, verfolgte. Unsicher stand ich immer noch im Flur herum. Kurz überlegte ich, einfach du den Beiden zu gehen. Als ich ein entnervtes „Das darf doch nicht wahr sein!“ von Taichi hörte. Es folgte ein trotziges „Ja!“ von seiner Tochter. Kurze Zeit später lief er an mir vorbei und ging in das angrenzende Zimmer. Als er mit einer kleinen Flasche wiederkam und wieder in Yunas Zimmer verschwand ging ich davon aus, dass es sich um die Küche handeln musste. Wie auf Kommando knurrte mein Magen. Dies war ein Geräusch, an dass ich mich erst wieder gewöhnen musste. In meiner Ehe habe ich mich immer gezwungen irgendetwas zu essen. Ich ging in die Küche und blickte mich um. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht damit. Seine Küche war sehr modern eingerichtet und blitzblank. Kein Krümel war auf der dunklen Holzarbeitsplatte zu sehen. Benutzte er die Küche überhaupt? Wie zum Kuckuck passte das zu dem Chaoten, den ich von früher kannte? Egal, ich weiß, dass wir beide noch kein Abendessen hatten. Daher schaute ich mich kurz in der Küche um. Der Kühlschrank war gut gefüllt und bot alles für einen Algensalat. Ich nahm die eingelegten Algen heraus und ließ sie im Sieb abtropfen. Schnell schnitt ich die Gurke, die Chilischote und das Hühnchen Fleisch in kleine Stücke. Vorher kochte ich die Nudeln. Nachdem ich das Hühnchen Fleisch gebraten hatte mischte ich alle Zutaten zusammen und richtete das Essen auf zwei Tellern an. Zum Schluss röstete ich noch den Sesam und streute diesem zum Schluss über das Essen. Zwar hatte ich viel Zeit verloren, da ich alles suchen musste, was ich benötigte, daher hat es länger gedauert, als ich es von mir gewohnt war. Trotzdem war ich, nachdem ich das Essen probiert hatte, mit mir zufrieden. Die Küche war in Null Komma Nix wieder aufgeräumt. Nebenbei öffnete ich das Küchenfester, damit der Kochdunst besser verflog. Ich suchte nach den Gläsern, als Taichis Stimme vernahm: „Falls du Gläser suchst, die sind neben den Vorratsschrank.“ Da ich seine Anwesenheit gespürt hatte erschrak ich nicht. „Danke dir. Du kannst dich schon mal hinsetzen. Ich bin gleich fertig.“ „Nix da, ich werde dir helfen, wenn du dir die Mühe machst und uns ein Abendessen zauberst.“ Er hatte noch gar nicht ausgesprochen, da hatte er schon das Besteck aus der Schublade geholt. In einer routinierten Handbewegung griff er an mir vorbei und holte zwei Gläser heraus. Danach griff er nach einer Wasserflasche und einer Saftflasche und stellte diese auf den Tisch. Entgeistert schaute ich ihm dabei zu, wie er den Tisch deckte. Dies war eine Handlung, die ich von Noriaki nicht kannte. „Was hast du eigentlich gekocht? Das riecht fantastisch.“ Eine Hand, die vor meinen Augen wedelte, riss mich aus meinen Gedanken. „Ist alles in Ordnung?“ „Ja klar. Was hast du gesagt?“ „Warum du mich wie den ersten Menschen auf diesen Planeten ansiehst und was du gekocht hast. Der leckere Duft hat mich in die Küche geführt.“ „Ähm, ich bin es nicht gewöhnt, dass ein Mann mir in der Küche hilft, auch nicht bei den Tischdecken. Das war etwas, was er nie getan hat.“ „Was für ein Macho. Du solltest dich daran gewöhnen, dass ich auch etwas im Haushalt mache.“ Er zwinkerte mir aufmuntert zu. „Sagst du mir jetzt endlich, was du gekocht hast?“ „Nichts Besonderes, da ich nur wenig Zeit hatte. Es ist nur ein Algensalat mit Hühnchen Fleisch.“ „Das nennst du nichts Besonderes? Du hast unbewusst mein Lieblingsessen zubereitet. Lass uns essen, ich habe tierischen Hunger.“ Kurz sah ich ihn verwundert an. Sein Lieblingsessen? Ach du Schreck, da kann ich ja nur verlieren. Trotzdem musste ich lächeln, als er die beiden fertigen Teller auf den Tisch stellte und sich freudig setzte. Immer noch darüber verwundert, dass er mir half, setzte ich mich Kopfschüttelnd an den Tisch. „Schläft Yuna jetzt?“ Taichi hatte sich den ersten Bissen in den Mund geschoben. Zufrieden seufzte er auf und schloss kurz die Augen. „Ja, ich habe es endlich geschafft, dass sie im Bett bleibt.“ Er grinste mich schief an. „Das schmeckt übrigens sensationell, Mimi.“ Verlegen schaute ich zur Seite. Diese Geste kannte ich auch nicht. Nie wurde ich für mein Essen gelobt. Daher merkte ich wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Danke schön.“ Mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich mich in einer fremden Wohnung so bewegt hatte, wie in meiner eigenen. Ich bin so ein Depp. Das passt ihm bestimmt nicht. Daher wollte ich gleich etwas klarstellen: „Ich war bis jetzt nur in der Küche und im Flur.“ Ich bemerkte zwar, das Taichi meine Schüchternheit wahrnahm, war aber froh, dass er diese überging. „Du kannst dich in der Wohnung frei bewegen. Außer das Zimmer neben Yunas, das ist für dich tabu, da es sich um mein Schlafzimmer handelt.“ Erleichtert, dass er mir nicht böse war, atmete ich aus. Das ich nicht in sein Schlafzimmer sollte konnte ich verstehen. Dies war schließlich der intimste Ort einer Wohnung. Nachdem wir aufgesessen und die Küche gemeinsam aufgeräumt hatten zeigte mir Taichi mein Zimmer. Es handelte sich um das Gästezimmer. Auch wenn dieses Zimmer modern eingerichtet war und es an nichts fehlte wirkte der Raum so, als ob dieser lange nicht genutzt worden war. Taichi fragte mich, ob ich kurz auf Yuna aufpassen könnte, da er meine Tasche holen wollte. Ich nickte ihm zu. Danach sah ich mich in meinen vorläufigen neuen zu Hause um. Der Raum war groß und in hellen Holzmöbeln eingerichtet. Auf dem kleinen Schreibtisch stand ein Laptop. Gegenüber von dem Bett war an der Wand ein kleiner Fernseher angebracht. Außerdem standen noch ein großer Schrank, ein Regal und ein Zweisitzer aus Leder im Raum. Bilder, Pflanzen und der kuschlige Teppich ließen das Zimmer gemütlich wirken. Dieses Zimmer sollte also vorerst meins werden. Ich ging an das Fenster und zog die Jalousie hoch, damit ich rausschauen konnte. Der Blick aus dem Fenster ließ mich zur Ruhe kommen. Meine Gedanken die sich seit Tagen im Kreis drehten kamen langsam zum Stillstand. Auch wenn diese vier Wände mir vollkommen fremd waren fühlte ich mich wohl. Langsam bemerkte ich wie die Müdigkeit von mir Besitz ergriff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)