looking for inner peace von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 9: question time ------------------------ Kapitel 9 – question time – Uruha, wogegen wehrst du dich so verzweifelt? – Natürlich blieb es, wie Uruha bereits geahnt hatte, nicht nur beim Zocken. Als Ruki am Samstag mit drei Flaschen Wein bei ihm aufgetaucht war, hatte sich Uruha gedanklich bereits auf einen sehr langen Abend eingestellt. In den letzten beiden Tagen war es ihm einigermaßen gut gelungen, sich von seiner emotional instabilen Verfassung abzulenken. Seine Wohnung hatte den intensivsten Hausputz seit Jahren erlebt – nicht, dass er sonst ein unordentlicher Mensch war, das auf keinen Fall – und nun war es selbst mit einer Lupe nur schwer möglich irgendwo ein Staubkrümel zu finden. Die Zimmer glänzten um die Wette, was Ruki bei seinem Eintreten vor wenigen Stunden dazu veranlasst hatte, Uruhas vier Wände als Museum zu titulieren. Nachdem einigen weiteren Kommentare bezüglich des Ordnungsstandes der Wohnung waren sie schließlich recht schnell dazu übergegangen, Rukis neuste Spielerrungenschaft zu testen. Überraschenderweise verbrachten sie sogar mehr Zeit mit Pizza und Konsole, als Uruha im Vorfeld vermutet hätte. Doch mit jeder verstreichenden Minute glaubte er die Ungeduld und Neugierde immer stärker als dunkle Wolke um den kleinen Sänger wabern zu sehen. Es war regelrecht erdrückend, wie stark Rukis Aura auf ihn wirkte. „So…!“ Erschrocken fuhr Uruha zusammen, als eine Hand mit einem klatschenden Geräusch seinen Oberschenkel traf. Anscheinend war jetzt der Augenblick gekommen, in dem Ruki endlich seinen Hunger nach Neuigkeiten stillen wollte. Und dem kam es kein Entkommen. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, stellte Uruha das bereits zum dritten Mal gefüllte Weinglas auf den Couchtisch vor ihm ab. Ein Wunder, dass nichts auf seiner Hose gelandet war, bei dem spontanen Übergriff. Ein Seufzen verließ seine Lippen, als er sich langsam zu dem Sänger umdrehte, der neben ihm auf dem Sofa saß und ihn breit angrinste. Wenigstens hatte er ein paar Stunden Schonfrist gehabt, bis die eigentliche Fragestunde oder vielmehr der Durchlöcherung von seiner Gedanken begann. Das konnte ja heiter werden. Doch so leicht wollte er es ihm nicht machen. Langsam lehnte er sich zurück und blickte Ruki fragend an. „Was denn? Soll ich dir noch etwas bringen? Kaffee? Tee?“ Der Kleinere schnaubte, dabei wanderte seine linke Augenbraue bedenklich weit nach oben. „Komm schon, Uruha. Jetzt lass dich nicht erst bitten. Ich weiß, dass du weißt, was ich wissen will.“ Uruha konnte sich nur schwer ein Schmunzeln verkneifen. Was für ein Satz. Manchmal war es ganz gut, dass sein Freund alles andere als zurückhaltend war. Aber was sollte er ihm sagen? Sein Kopf war noch genauso wirr wie am Tag ihrer Probe und seither hatte sich Uruha jeden weiteren Gedanken an Aoi und seine damit einhergehenden Gefühle verboten. Die meiste Zeit hatte das sogar funktioniert. Um noch etwas Zeit zu schinden, griff er erneut nach seinem Weinglas und trank einen großen Schluck, ehe er es zurückstellte. „Nun gut, was willst du wissen?“ Rukis genervt wirkendes Augenrollen war alles andere als unauffällig. „Ganz einfach: Was ist los mit dir? Sorry, wenn ich das jetzt so sage, aber du bist komisch in letzter Zeit.“ Musste ihm der Kleinere gleich als Erstes an den Kopf werfen, dass er sich nicht normal verhielt? „Jetzt schau nicht so beleidigt. Ich habe ein paar Tage gewartet, aber du rückst ja nicht von allein mit der Sprache raus, deshalb muss ich fragen.“ So konnte man natürlich auch mit der Tür ins Haus fallen. Ihm war nur allzu sehr bewusst, dass er nicht ewig schweigen konnte und wenn er Rukis Gesicht so musterte, in dem sich eine Mischung aus Besorgnis und Neugierde widerspiegelte, war sowieso jeder Versuch Ausflüchte zu finden sinnlos. Der Sänger würde solange nachhaken, bis ihm die Antwort logisch und befriedigend erschien, deshalb war lügen definitiv keine Alternative. „Ach Ruki, was soll ich sagen? Ich weiß es nicht.“ „Das habe ich jetzt schon oft genug aus deinem Mund gehört, langsam wird’s langweilig. Versuch‘s noch mal. Ich gebe dir einen Tipp, falls du es selbst bisher nicht gemerkt hast: Es könnte mit Aoi zu tun haben, würde ich mal ganz kühn behaupten.“ Der ironische Unterton war nicht zu überhören, dennoch zauberte er Uruha ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht. Wieder einmal dankte er Ruki im Stillen für seine Art. „Hmmm … derart offensichtlich?“ Vielsagend wurde er gemustert. Die Frage hätte er sich auch selbst beantworten können, so fuhr er leise fort: „Na ja, ich fühl mich momentan einfach nicht wie ich selbst. Als stünde ich neben mir.“ Rukis „Das hab‘ ich gemerkt“ – Einwurf bekam er nur am Rande mit. Viel mehr konzentrierte er sich auf die Worte, die sich ganz langsam in seinem Kopf zusammenfanden. Bisher hatte er seine Gefühle nur einmal offenbart und das noch dazu Aoi gegenüber, was ihm inzwischen ziemlich peinlich war. Und jetzt das Ganze erneut vor jemanden anderen auszubreiten, fiel ihm deshalb auch nicht viel leichter. „Ich bin einfach durcheinander. Aoi bringt mich durcheinander. Ich fühle mich ständig seltsam, wenn er in meiner Nähe ist, kann dann nicht mehr klar denken. Mein Körper spielt verrückt, gaukelt mir Sachen vor. Ich kann’s dir nicht mal genau beschreiben, aber diese Unruhe, wenn er bei mir ist, macht mich fertig. Ich will das nicht.“ Resigniert ließ sich Uruha gegen die Lehne des Sofas sinken und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Jetzt, wo er seine Gefühle laut ausgesprochen und definiert hatte, fühlte es sich fast noch schlimmer und peinlicher an als vorher. „Ich will eigentlich nicht, dass er es merkt.“ Er spürte, wie Rukis Hand beruhigend über sein Knie strich. „Ganz ehrlich, man müsste schon blind und taub sein, um nicht mitzubekommen, wie du auf Aoi reagierst. Ein Pokerface sieht eindeutig anders aus.“ Diese Ehrlichkeit ließ ihn amüsiert schnauben. „Hmm... Ich habe es befürchtet. Na ja und eigentlich weiß er es ja schon.“ „Wie -?“ „Ich hab’s ihm gesagt“, gestand Uruha kleinlaut. „Du hast was?!“ Einen Moment lang blickte Ruki ihn nur aus großen Augen ungläubig an, ehe er in lautes Gelächter ausbrach. „Und dann machst du dir noch einen Kopf drum? Mensch, du bist echt ein Meister darin, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.“ Während Ruki versuchte, sich wieder zu beruhigen, konnte Uruha ihn nur schweigend anstarren. Er kam sich dämlich vor. Natürlich wusste Aoi, wie es ihm ging. Schließlich hatte er es ihm in der berühmten Nacht erzählt. Aber irgendwie brachte ihn das keinen Schritt weiter. Sein Kopf und sein Körper wollten sich einfach nicht einigen. Egal, was er tun würde, es konnte nicht gut gehen. Niemals. „Da hat es unser alter Playboy doch geschafft, unsere Queen aus ihrer Tiefenentspannung zu reißen.“ Das beleidigte „Bin keine Queen...“ ignorierte der Sänger, als er erneut auflachte. Die Worte taten weh. War er gerade noch froh über Rukis Direktheit gewesen, hätte er ihm jetzt am liebsten den Mund verboten. Er meinte es garantiert nicht böse, tat er nie, er redet gern nur einfach frei heraus. Mit zusammengekniffenen Lippen wandte Uruha den Blick ab und starrte auf die Tischplatte vor sich. Ein zentnerschwerer Stein lag in seinem Bauch und machte ihm das Atmen schwer. Warum hatte er dem Zocker-Abend gleich nochmal zugestimmt? Am liebsten wollte er sich augenblicklich unter seiner Bettdecke verkriechen und nicht mehr rauskommen. Er machte sich doch sowieso nur lächerlich – vor Ruki, vor Aoi, vor allen. Schmerzhaft biss er sich auf die Unterlippe, versuchte das Brennen in seinen Augen niederzukämpfen. Seit wann war er derart schnell auf der Fassung zu bringen? Warum reagierte er so schnell über, anstatt wie bisher alles mit stoischer Ruhe hinzunehmen? Er konnte doch ständig nicht alles überbewerten! Womöglich war an Aois Verhalten gar nichts Besonderes. Wie Ruki gesagt hatte: Aoi war ein Playboy, ein Spieler. Er flirtete gern und viel, teste dabei seine Grenzen aus, um dann mit großem Interesse seine Wirkung auf andere zu beobachten. Allerdings waren seine Flirts bisher ausschließlich der Damenwelt vorbehalten – nicht den Herren und besonders nicht Uruha. Aber warum wirkte es trotzdem so, als würde er mit ihm flirten? Warum schenkte er ihm so viel Aufmerksamkeit und verwirrte ihn damit? Sie waren seit Jahren befreundet, aber doch nicht auf diese Weise. Aoi meinte es sicher nicht ernst, denn warum sollte er plötzlich all seine Prinzipien über den Haufen werfen? Nein… und wenn dann nicht für ihn. Diese Verwirrung, diese ungewollten Hoffnungsfunken, die jedes Mal in ihm aufloderten, sobald Aoi in seiner Nähe war, mussten aufhören. Erst ein leichtes Stupsen gegen seinen Arm riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn aufschauen. Rukis dunkle Augen lagen forschend auf ihm. „He Uruha, das geht dir echt nahe, oder?“ Er brachte nur ein unsicheres Nicken zustande. „So schlimm?“ Ehe Uruha erneut nicken konnte, spürte er mit einem Mal Rukis Arme um sich. Überrascht riss er die Augen auf. Nach dem Lachanfall hatte er gar nicht mit so einer einfühlsamen Geste vonseiten des Sängers gerechnet. Seine Augen brannten immer noch, während ihm beruhigend über den Rücken gestrichen wurde. Er konnte nicht mehr. „Wenn es dich so quält, dann tu was. Von alleine wird es nicht besser.“ Das wusste er und dennoch lähmte ihn schier das Gefühl, sich möglicherweise erneut bloßzustellen. Seufzend drückte er sein Gesicht in Rukis Halsbeuge und murmelte leise: „Ich weiß, aber irgendwie… Er meint es ja doch nicht ernst.“ Sanft wurde er zurückgeschoben, allerdings blieben die Hände auf Uruhas Armen, während er intensiv gemustert wurde. „Was meinst du genau?“ Er versuchte dem Blick abzuwenden, nur Ruki ließ es nicht zu, sondern verstärkte stattdessen den Griff um seine Arme. „Aoi… er verarscht mich doch nur.“ Er sah sofort, dass Ruki ihn nicht verstand, so fügte er hinzu: „Ständig sucht er meine Nähe.“ „Und? Hat er das nicht schon immer getan? Ihr seid Freunde…“ „Nein, das meine ich nicht.“ Er atmete tief durch, versuchte sich zu erklären. „Es ist anders. Er ist anders zu mir, schon seit Beginn der Tour. Ich kann es dir nicht genau beschreiben, aber ich merke es einfach. Und das macht mich nervös und lässt mich nicht los.“ Immer noch schwang ihm Verständnislosigkeit entgegen. „Und was ist das Problem? Dann ist er halt an dir interessiert, ist doch nicht schlimm.“ „Wie kann er an mir interessiert sein – SO interessiert sein?!“, brauste Uruha auf. „Er hat oft genug gesagt, dass er nur auf Frauen steht. Warum dann plötzlich ich? Warum sollte er sich ausgerechnet für mich interessieren, wenn ihm die ganze Frauenwelt zu Füßen liegt? Denn wenn es dir noch nicht ausgefallen ist, ich bin ein Mann und auch nicht erst seit gestern da.“ „Ach, daher weht der Wind.“ Ein leicht amüsierte Schmunzeln umspielte die Mundwinkeln des Sängers, nahm Uruha damit den Wind aus den Segeln. Er schnaufte, versuchte sich zu sammeln. Es war, wie er gesagt hatte und erst jetzt wurde ihm der volle Umfang seiner Zweifel bewusst. Warum ausgerechnet jetzt? „Mach’s dir nicht schwerer als es ist. Schau mal, du weißt, dass unser Aoi früher manchmal etwas – na ja, wie soll ich sagen? – festgefahren war, was gewisse Themen anging. Und hey, das ist Jahre her, wer weiß, wie es jetzt ist. Menschen ändern sich, Uruha. Halt dich nicht krampfhaft an solchen Aussagen fest, du müsstest ihn doch inzwischen kennen.“ „Aber das ändert leider nichts an der Tatsache, dass - “ Weiter kam Uruha nicht, da wurde er schon durch eine wegwischende Handbewegung unterbrochen. „Außerdem habe ich Aoi nie für so verbohrt gehalten, dass er nur an einem Weg festhält, auch wenn er gern mal etwas anderes gesagt hat. Er ist immer noch dein Freund, vergiss das nicht. Glaubst du wirklich, dass er mit Absicht etwas tun würde, wodurch du leiden könntest oder dich schlecht fühlst?“ Nach einem kurzen Moment folgte ein Kopfschütteln. „Siehst du. Also vertraust du Aoi?“ Diese Frage ließ den Gitarristen innehalten. So etwas hatte Aoi ihn auch gefragt und er hatte es bejaht. Und er würde es wieder tun. Sein „Ja“ war mehr ein Hauchen als eine überzeugte Antwort, aber Ruki hatte ihn trotzdem verstanden. Ein verständnisvolles Lächeln lag auf seinen Lippen. „Dann denk nicht so viel nach. Vertrau auf ihn und auf euch. Ich glaube nicht, dass Aoi eure Freundschaft damit gefährden würde, nur weil er aus einer Laune heraus mit dir Spielchen treiben möchte.“ Die kleine Ansprache stimmte Uruha milder und zauberte ihm ein vorsichtiges Lächeln auf die Lippen. „Und wenn doch, bekommt er es mit mir zu tun!“ Er konnte nicht anders als zu lachen. Ruki sah aber auch einfach niedlich aus, wie er angriffslustig die Augen zusammenkniff und die Stirn runzelte, wobei sich sein Grinsen kaum verstecken ließ, als er sah, wie sich Uruhas Laune allmählich hob. „Danke, Ruki! Jetzt geht’s mir besser.“ „Na dann, Ziel erreicht.“ Ein freches Zwinkern folgte. „Aber ehrlich Uruha, schalt deinen Kopf aus und hör auf deinen Körper. Ich meine es ernst. Es bringt dir nichts, dich fertig zu machen, so kommst du nicht weiter. Genieß doch einfach das Gefühl, was Aoi in dir auslöst. Hilfe, wie das klingt!“ Der Sänger schüttelte sich kurz. „Ach du weißt, wie ich das meine. Jedenfalls, kämpfe nicht die ganze Zeit dagegen an, sondern schau was passiert. Vorher wirst du keine Ruhe finden, klar?“ Uruha nickte. Wenn er es recht bedachte, hatte er bisher nur ein Mal – wie Ruki so schön sagte – dieses Gefühl wirklich genossen und es war schön gewesen, das konnte er nicht bestreiten. Nur sein Kopf hatte eben am nächsten Tag seine Arbeit wieder zu gut aufgenommen und seine Zweifel erneut hervorgezerrt. Aber vielleicht sollte er es noch einmal versuchen. Und Aoi – wie ihm jetzt erst richtig bewusst wurde, hatte Aoi ihn bisher weder ausgelacht, noch ihn anderweitig negativ damit konfrontiert. An sich hatte er ihn auch nicht anders behandelt als die Wochen zuvor. Er war ihm nur nah gewesen. Womöglich war es wirklich an der Zeit, den Kopf auszuschalten und sich nur von seinem Gefühl leiten lassen, ohne zu viel hineinzuinterpretieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)