A Cat's Love von Leiser_Tod ================================================================================ Kapitel 6: Shin's Anatomy ------------------------- ### Er ließ sich mit der harten Realität jedoch noch etwas Zeit. In diesem Moment war der Kater so schön gefügig und ruhig und strich mit seinem Schweif selbstvergessen Shinichis Oberschenkel entlang- äh. Häh? Kurzes Blinzeln. Unsicherer Blick nach unten, zu dem fellumwobenen Körperteil, nein, er hat sich das nicht eingebildet. Vielleicht wäre das der richtige Zeitpunkt, um mit dem Verarzten zu beginnen. Ein stilles Märtyrerseufzen angesichts der kommenden Katastrophe. Aber was tat ein genialer Schülerdetektiv nicht für die Erhaltung der Tokyoter Fauna. Verdammt, er wollte nicht. Er wusste, er war gescheit und würde Pythagoras wahrscheinlich noch um Dreiecklängen schlagen, aber... konnte das nicht einfach ein Arzt machen? Rhetorische Frage, selbstverständlich. Denn das Doktorlein würde sicher noch viel mehr "verarzten", eine kleine Gratisoperation inklusive, um die Milz etwas zu kitzeln. Alles zum Wohle der Wissenschaft und der Menschheit. Und des eigenen Geldbeutels. Aus Erfahrung konnte der Detektiv sagen, dass Menschen schon für weitaus weniger umgebracht worden sind, da brauchte es nicht mal so einen Exoten mit Katzenohren und dazugehörigem Schweif. Nyan hatte sich in diesen einsichtgeplagten Minuten der intensiven Kopf-Ohr-Massage kaum bewegt, die Augen genießerisch geschlossen- oh. Ooh. Hey! Wo hat der denn seinen Schwanz?! Äh, Schweif. Gott. Zu viele peinliche Gedanken. Und da sage einer, dass Katzenkraulen gut für die Seele wäre! Da würde einem doch eher das Hirn explodieren. Na ja, vielleicht lag es auch an dem falschen Kater, wer wusste das schon so genau, Letzteres war nicht unbedingt Shinichis Fachgebiet. (Natürlich war es sein Fachgebiet! Alles war sein Fachgebiet! Nur eben nicht so stark ausgeprägt. Noch hat sich niemand einen ausgeklügelten Mordplan, der einen Kater involvierte, ausgedacht. Oh, Mist. Hätte er das mal lieber nicht gedacht.) Was im Übrigen nicht hieß, dass der Oberschüler mit dem Streicheln aufhören wollte. Natürlich nur aus dem einzigen Grund, dass es den Pseudo-Kater effektiv ruhig stellte. Und nicht etwa, weil es sich nett anfühlte. So katerisch-gemütlich eben. Als würde der Detektiv das jeden Tag machen - okay, okay! Zeit für Arbeit. Langsam zog Shinichi seine Finger aus dem wirren braunen Haar, beäugte misstrauisch den im Streichelrausch versunkenen Nyan, nicht bewegen, so ist's gut, tu einfach so, als wären die Hände nach wie vor in deinem Haar und nicht gerade im Begriff nach einem potentiell todbringenden Gegenstand zu greifen - uuuh, Schere! Doch an dieser Stelle dürfte dieser Gedankengang einen Shinichi-Kenner (falls es überhaupt so jemanden gibt) weniger überraschen, hatte der Oberschüler schon miterleben dürfen, wie sogar Zahnbürsten erfolgreich als Mordinstrumente eingesetzt wurden. (Und jetzt konnte er sich nicht einmal in Ruhe die Beißerchen polieren, ohne ein verdammtes halbes Trauma zu erleiden! Für ein volles reichte das noch nicht, dafür war er mittlerweile schon viel zu abgehärtet.) Egal. Der Pullover musste weg, so verdreckt und zerrissen wie das Ding war, ausziehen kam für Shinichi nach dem Desaster mit den Schuhen gar nicht erst infrage, zumal der Stoff sich dann womöglich noch an den Schnittwunden reiben und dort unerwünschte Fasern hinterlassen könnte. Und ja, er wollte dem Blödmann mit Katercosplay nicht unnötig wehtun! Warum hat der Idiot auch aus dem Fenster springen müssen?! Einige Stubentiger waren echt unbelehrbar. Vorsichtig, stets drauf bedacht, keine plötzlichen Bewegungen zu machen und den Kater aus seinem Nya-Ya-Land vorzeitig in die harsche, bittere, shinichi- und scherenvolle und pulloverversemmelnde Wirklichkeit der Badewannentortur zurückzuholen, griff der minderjährige Krankenpfleger zu dem entspannt auf der Keramik abgelegten Handgelenk - keine Proteste soweit - zupfte ein Stück Stoff von der Arm-Innenseite und begann zu schneiden. Keine leichte Aufgabe, denn das vermaledeite Kleidungsstück verweigerte jede Mitarbeit und pochte stur auf seinen Fadenrechten, zur Hölle mit der Demokratie! Dabei hatte Shinichi schon genug damit zu tun, mit dem kalten Metall der Schere die Haut - oder noch schlimmer, die Schnitte - des Katers nicht zu berühren, argh, Drecksding! Er war erst beim Ellenbogen angelangt, als der Detektiv nach einem prüfenden Blick zum Patienten verstärkte Ohrenaktivität verzeichnete, die leicht gerunzelte Stirn ließ keinen Zweifel daran, dass der Stubentiger der anderen Art von seinem Trip zurückkehrte. Ganz toll. Genau zur rechten Zeit. Trotzdem, so konnten sie hier ja nicht ewig sitzenbleiben, außerdem konnte Shinichi in dem Moment keine große Rücksicht auf das zarte Seelchen nehmen, das sich mal kurz eben aus fremden Fenstern warf. (Wenn’s wenigstens die eigenen gewesen wären, aber nein, es mussten unbedingt die Shinichis her!) Ein Kater musste eben auch seinen Mann stehen! Bis zur Achsel und weiter zur Schulter und schließlich Hals - Himmel, das war ja die reinste Knochenarb- Jeder weitere innere Kommentar erstarb gleich bei den Synapsen als der Oberschüler den fast vollständig entblößten Arm sah. Unzählige Schnitte, kreuz und quer auf der Haut verteilt, tiefer auf dem Außenarm, getrocknetes Blut- natürlich hatte Shinichi schon weitaus schlimmere Dinge gesehen, aber der Gedanke, dass er daran nicht unschuldig war, dass er nicht gerade zimperlich mit Nyan umgegangen ist, war genauso angenehm wie das Geräusch der quietschenden Kreide auf der Tafel. Aber es sah vermutlich schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war, immerhin hatte der Dummkopf mit diesen Verletzungen auf Beutezug gehen können und das auch noch ziemlich erfolgreich. Dennoch war es kein appetitlicher Anblick und dabei hatte Shinichi gar nicht richtig den Oberarm und die Schulter gesehen. Ein unbedachtes Zupfen am Stoff, um diesen endgültig zu entfernen, wurde mit einem Zusammenzucken und einem leisen "Nyahr!" von seinem unfreiwilligen Besuch kommentiert. Der Jungdetektiv verzog mitfühlend das Gesicht - der Pullover klebte an der Wunde fest. Natürlich, warum wunderte er sich überhaupt, es war schließlich der rechte Oberarm, der das zweifelhafte Vergnügen hatte, Shinichis Quetschanwandlungen anheimzufallen. Und was jetzt? Den Fetzen mit Gewalt abzureißen fiel schon mal ins Wasser, so ein kaltherziges Monster war der Oberschüler nun doch wieder nicht. Moment Mal. "Wasser" klang gut, halt nein, gar nicht gut! Kater + H2O = (Chaos ∙ Shinichi-Kopfschmerz)². Gah, dass bei diesem Schwachkopf aber auch gar nichts richtig klappen konnte! Okay, nachdenken. Vielleicht würde ein einfaches warm-nasses Handtuch ja keine allzu große Panik auslösen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert. Das Ablegen der Schere am Beckenrand, Greifen nach dem Handtuch, Justieren der richtigen Wassertemperatur wurde von einem mittlerweile vollständig erwachten Kater - inklusive warnendem Ohrendrehen - genauestens mitverfolgt. Es ging doch nichts über ein aufmerksames Publikum bei deinen anfänglichen Erste-Hilfe-Gehversuchen! Shinichi war drauf und dran den Kater zu bitten, doch mal in wen anders Brandlöcher zu starren. In Yamamura, diese Flasche, beispielsweise. Den konnte Shinichi sowieso noch nie leiden. (Gut, dass er nicht so oft mit dem Weichei zu tun hatte.) Wahrscheinlich hätte der Pseudo-Kommissar aus Gunma bei Nyans Blick die Hosen voll - "Oh nein! D-d-da i-ist e-e-ein...ein...ein...G-GEIST! Mi-mit...OHREN! AAAAAHHHHH!", zusammen mit Arme die Luft Strecken und die Winzbeine in die Hand Nehmen. Unwillkürlich musste der Oberschüler bei der Vorstellung grinsen. Und auf einmal schien es ihm, als wäre ein Teil der Spannung, die er bis dato gar nicht bemerkt hatte (was Blödsinn war, natürlich hat er das bemerkt! Shinichi merkte eben alles), aufgelöst. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Den Blick, mit dem Nyan ihn bedachte und der ganz eindeutig aussagte, dass Shinichi mit einem Fuß in der Zwangsjacke stand - so eine Gesichtsmuskelkarambolage war eben gruselig! - den bildete sich der Oberschüler bestimmt nur ein! Sein Grinsen war von Natur aus umwerfend, kapiert? Erst in diesem Moment fiel dem übercleveren Oberschülerdetektiv die Wasserabundanz in seinem Waschbecken auf, die gefährlich nah an einer Überschwappung grenzte, dank Abflussverstopfung durch ein Handtuch und vollständiger Gedankenabwesenheit seines Besitzers. Shinichi atmete tief ein, drehte sich um und wandte sich mit dem überreichlich triefenden Handtuch in den Händen wieder dem höchst alarmbereiten Kater zu. "Okay, ganz ruhig jetzt, ja? Keine Panikattacken, in Ordnung? Das ist nur ein harmloses Handtuch und es wird dich nicht beißen, ich hab vorher nachgefragt." Versuchsweise Lächeln. Wenn Nyan ihn für einen Gestörten hielt, vielleicht hatte er ja dann weniger Angst vor ihm. Total logischer Gedanke. Der jedoch ganz gut zu funktionieren schien, denn abgesehen von einem Zusammenzucken und einem anklagenden "Mrrow!" wurde das nasse Tuch ohne weitere Vulkanausbrüche angenommen. Shinichi presste es leicht an die Stelle, wo der widerspenstige Stoff sich partout nicht von Nyans Oberarm trennen wollte, ignorierte, wie sich das Tuch rot verfärbte, als das geronnene Blut aufweichte und den Pulloverfetzen schließlich freigab. Puh. Endlich konnte der Oberschüler die Wunde mit seinem erfahrenen Blick unter die Lupe nehmen. Das gerade war Ironie. Dennoch konnte Shinichi nichts Verdächtiges, außer einem ziemlich hässlichen tiefen Schnitt auf dem Oberarm, erkennen - hoffentlich war das ein gutes Zeichen. Mit einem leicht unsicheren Blick zu dem bis dahin stumm verbliebenen Kater und dessen ununterbrochen rotierendem Ohrenpaar (Taten ihm nicht irgendwann mal die Kopfmuskeln weh, oder so?) widmete sich der Detektiv-turned-Doktor dem Inhalt des Erste-Hilfe-Kastens und fischte aus dessen wenig benutzten Tiefen (Wenn sich Shinichi verletzte, dann aber richtig, und musste meistens in ein Krankenhaus gebracht werden. Oder aber er begnügte sich mit einem Pflaster, wo eine Wunde genäht werden müsste. Er war eben ein Mann, na und?) nach einer Pinzette, einem Wattebausch und einem Antiseptikum. Und hoffte dabei inständig, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen war. "So, mein Bester", wandte sich Doc Shin mit der Kampfrede an den Unglücksrab- äh, Kater, "jetzt werde ich deine Schnitte desinfizieren und du wirst dabei schön ruhig bleiben wie gerade eben und wir haben absolut kein Problem, verstanden?" Das einzige, was Nyan allerdings verstanden hatte, war, dass der verdächtige Wattebausch da in der komischen Zange ganz und gar nicht vertrauenserweckend aussah! Und mit einem Ausdruck, der von "schön ruhig" nicht weiter entfernt hätte sein können, so unauffällig wie möglich am Wannenrand entlang von dem psychotischen Quacksalber wegrutschte. Shinichi packte ihn am Handgelenk, bevor er am anderen Ende womöglich noch herunterfiel. Die Gegenwehr wurde größer, Nyan versuchte, seinen Arm zu befreien, zog und zerrte - und machte damit seinen Schnitten nicht gerade einen Gefallen, als einige, tiefere, von ihnen erneut zu bluten begannen. Aber Shinichi konnte ihn jetzt auch nicht loslassen, sonst würde der Dummkopf schon wieder ausbüchsen! Herrgottnochmal, was sollte er jetzt machen?! "Ist okay, ist doch schon gut, ich mache doch gar nichts, siehst du?" Aber der Patient sah gar nichts und machte das auch ziemlich deutlich. Hilflos und absolut überfordert machte Shinichi das, was seine Mutter immer machte, wenn er tapfer die Tränen zurückhaltend mit einer großen Schürfwunde nach Hause gestolpert kam: Er beugte sich vor und pustete leicht auf den Unterarm. Nyan vergaß seine Solonummer gegen den Rest der Welt und sah ihn an, als wäre der gute Detektiv gerade vom Himmel gepurzelt. Legte den Kopf schief, um diese höchstseltene Spezies eingehend zu studieren. Shinichi bemerkte das nur aus dem Augenwinkeln hörte jedoch nicht auf, zu pusten und tupfte probeweise die Schnitte ab. Und wunderte sich, dass nichts Großartiges passierte. Sah schnell hoch, um zu prüfen, ob der Kater überhaupt noch lebte oder vor lauter Schockerlebnissen nicht doch frühzeitig aus dem Leben verschieden ist. Nein, der geneigte Kopf, der verwirrte Blick - alles noch an Ort und Stelle. Und kein Aufmucken. Shinichi wagte zu atmen. Traute sich sogar an das nasse Tuch, um das Blut abzutupfen, desinfizierte sich weiter nach oben, bearbeitete erfolgreich den Schnitt am Oberarm - und konnte gar nicht glauben, dass er das lebend überstanden hat. Eine Kompresse und gefühlte 100 Kilometer Mullbinde später war der erste Arm versorgt. "Siehst du? War gar nicht so schlimm." Der Detektiv musste sich über sich selbst wundern, woher er überhaupt noch die Kraftreserven hernahm, um den Blödmann anzulächeln. Dabei hatte der Kratzpfosten einen Aufriss um gar nichts gemacht! Tse! Versteh einer die Kater. So, nun zu der anderen in Mitleidenschaft gezogenen Extremität. Nyan ließ die Behandlung protest- und kommentarlos über sich ergehen. Nicht, dass er eine andere Wahl hätte, Doc Shin gefiel sich nämlich in der neuen Position. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem er den anderen Oberarm freigeschnipselt hatte. In der ebenfalls ziemlich tief aussehenden Schnittwunde steckte eine kleine Scherbe. Dem Oberschüler wurde ganz anders bei dem Gedanken, dass der Kater tagelang mit dem Ding in seinem Arm herumgelaufen sein musste. Dass es sich wahrscheinlich sogar schon entzündet hatte, Himmelverdammt. Und jetzt durfte er entweder selbst in der Wunde stochern oder einen echten Arzt rufen und damit Nyans "coming out" riskieren - mit allen daraus resultierenden Folgen. Natürlich hatte Shinichi schon daran gedacht, dass Doktorlein den katzig Aufgemotzten eher für den ganz besonderen Mauzi-Cosplayer halten würde, doch der Detektiv ging nicht davon aus, dass seine Gossenbekanntschaft sich auch wie ein normaler Otaku verhalten und brav auf dem Stuhl sitzen bleiben würde, während Quacksalberchen an ihm herumpiekste und hantierte. Wahrscheinlich würde Nyan in seiner Panik die Praxis zerlegen und wieder durch ein Fenster nach draußen springen würde - damit wäre die ganze Notarzt-Aktion komplett für den Arsch. Zudem hätte der gute Kater auch noch eine polizeiliche Untersuchung am Hals. Und der Oberschüler vermutlich ebenfalls. Wie es aussah, kehrte Fräulein Schicksal ihre bitchigste Seite nach außen und pisste Shinichi lüstern grinsend ans Bein. Hooray. Na ja, jedenfalls ließ sich der dumme Pullover widerstandslos entfernen, wenigstens etwas. Scheiß drauf! Mickriger Trost! Die Scherbe schien nicht so tief zu sitzen... Aber Kacke noch mal, war Shinichi denn Arzt?! Woher sollte er das auch wissen, zur Hölle?! Es machte dem Oberschüler absolut nichts aus, an Wunden von Mitgliedern seines üblichen Bekanntenkreises herumzustochern, aber da waren die armen Teufel ja auch schon tot und zuckten nicht zusammen oder knurrten oder miauten oder verzogen ihr Gesicht und schworen Shinichi ewige Rache, sollte er dem lavendelfarbenen Cocktailkleid von Armani auch nur zu nahe kommen! Mit den Fingern! Die Blutflecken würde man nämlich nie rauskriegen! Der Kater hatte mit wachsendem Unwillen Shinichis Aktion mitverfolgt, anscheinend hatte er hier besonders große Schmerzen (Wow, Sherlock! Du überraschst immer wieder!) und wollte den Pseudo-Doc nicht näher als unbedingt nötig (und am besten noch mit 893 Kilometer Sicherheitsabstand) an sich heranlassen. Aber abrupt bewegen, so wie den anderen Arm, schien er vermeiden zu wollen (kluges Tierchen). Der Oberschüler unterdrückte ein in Selbstmitleid gebadetes Aufseufzen - die Scherbe musste raus, da gab’s keinen Weg dran vorbei. Deshalb griff er nach dem Allzweck-Nasstuch, wusch es aus - sehr gründlich - ließ es sich mit Wasser vollsaugen - ebenfalls sehr lange und ausgiebig - betupfte die anderen zahllosen Schnitte, die sich über die helle Haut zogen - das mit dem Splitter konnte doch noch etwas warten, oder? Scheiße, er wollte das nicht machen. Er konnte das nicht machen, er würde Nyan wehtun! Er hatte - zumindest seinem photographischen Gedächtnis zufolge - bis dato noch nie physischen Schaden zugefügt (Hallo? Die Dosen-Kopf-Aktion bei flüchtenden Mördern hinterließ nicht mal Platzwunden klar?!), na ja, jedenfalls keine Splitter-Blutfontäne-Todesschreie-Wunden und schon gar nicht bei solchen Wesen wie...Nyan. Was auch immer Nyan für ein Wesen war. Aber die Fensterhinterlassenschaft und Shinichis Unsicherheit taten ihm wahrscheinlich noch viel mehr weh. Die Pinzette fest in der Hand versuchte der Oberschüler seinen Pseudo-Patienten auf das kommende Horrorszenario mental vorzubereiten (oder doch eher sich selbst?): "Okay, mein Kleiner, ich werde jetzt den Splitter da aus deiner Schulter ziehen und es wird dir wahrscheinlich nicht gefallen... Halt trotzdem die Ohren steif, ja?" War doch eine super Erklärung. Einmal tief Luft holen und schon packte Shinichi Nyans Oberarm fest, spürte die angespannten Muskeln, die wachsende Panik- er durfte dem Kater keine Zeit lassen, seine Kräfte für einen Fluchtversuch zu mobilisieren, damit würde er sich nur noch mehr verletzen- nicht zu schnell, Vorsicht walten lassen- die stählernen Fingerchen fassten nach dem Eindringling- Und der Kater schrie. Es war ein hoher Laut, eine Mischung aus dem Schrei eines Menschen und einem Aufjaulen - und es ging Shinichi durch Mark und Bein. Die Pinzette mit der blutigen Scherbe landete im Waschbecken, der Oberschüler nahm Nyans Gesicht in seine leicht zitternden Hände. "Ist schon gut, schon okay, es ist vorbei, es ist vorbei, die Scherbe ist weg, keine Angst..." Wahllos geflüsterte Nebensächlichkeiten. Daumen strichen die Tränen von den Augenwinkeln. Shinichi musste seine frühere Schlussfolgerung revidieren - ein Lebewesen mochte wissen, was Schmerz war, und erkennen, wer ihm diesen Schmerz zufügte, nur gewöhnen würde es sich daran niemals können. Der Kater schien sich wieder halbwegs beruhigt zu haben, was dem Detektiv erlaubte, sich dem blutüberfluteten Oberarm zu widmen. Erst nachdem Nyan wie eine halbe Mumie auf seinem Wannenrand saß, genehmigte sich der Oberschüler ein erleichtertes Aufseufzen. "So. Das hätten wir. Wie wäre es jetzt mit einem schönen Bad?" TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)