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Liebe, Lüge, Wahrheit

von

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Vorfall

André mochte es, Oscar im Schlaf zu beobachten, noch mehr denn je, seit sie etwa vor drei Monaten sich zum ersten Mal geküsst und vorletzten Monat sich die Liebe gestanden hatten. Sie sah immer so zerbrechlich und unschuldig aus. Das geschah meistens in verborgenen Momenten ihrer Zweisamkeit, wenn Oscar Dienstfrei bekam und mit ihm auf dem elterlichen Anwesen die Zärtlichkeit und Geborgenheit genoss. Heute befanden sie sich zwar wieder auf dem Anwesen der de Jarjayes, aber diesmal brannten ihm jedoch die Augen vor anlaufenden Tränen und sein Herz zerriss sich. Denn Oscar schlief nicht, sondern war seit gestern Abend bewusstlos. Sie hatte die Kronprinzessin von einem verrückten Pferd gerettet, sich dabei eine Verletzung am Arm zugezogen und dann auch noch ihn, André, vor der Hinrichtung bewahrt. Mutig und entschlossen hatte sie dem König die Stirn geboten, weil dieser ihren André für den Unfall der Kronprinzessin verantwortlich gemacht hatte und ihn dafür mit dem Tode bestrafen wollte. Sie war sogar bereit gewesen, für ihn zu sterben, wenn seine Majestät weiterhin auf das Todesurteil bestanden hätte. Zum Glück aber musste niemand sterben. Graf von Fersen war von Oscar anscheinend so beeindruckt, dass er sich für André auch eingesetzt hatte. Nach ihm erschien die Kronprinzessin höchstpersönlich und nahm die Schuld des Vorfalls auf sich. Erst nach ihrer Bitte, niemanden hinzurichten, ließ der König Gnade walten und als alle erleichtert aufatmeten, fiel Oscar bewusstlos direkt in Andrés Arme. Deshalb lag sie jetzt in ihrem Bett auf dem elterlichen Anwesen und nach der Untersuchung des Arztes blieb nur übrig zu beten, dass sie bald aufwachen möge.

 

André hatte die ganze Nacht an ihrem Bett gewacht und konnte kein Auge zumachen. Im Gegensatz zu seiner Großmutter, die auf der anderen Seite des Bettes auf einem Stuhl sitzend, kurz vor Morgengrauen eingeschlafen war. Ihr Oberkörper ruhte auf der Kante des Bettes, aber André beachtete sie nicht. Sein trauriger Blick galt nur Oscar. Wach bitte auf, meine Liebste…, flehte er in Gedanken immer und immer wieder. Was sollte er denn ohne sie tun? Sie war sein Leben, sein Sonnenlicht und ohne sie würde er keinen einzigen Tag mehr überleben – so sehr liebte er sie.

 

Draußen stieg die Sonne höher, erhellte alles mit ihren warmen Strahlen und die Gebete schienen nach langem Bangen und Warten erhört worden zu sein. Oscars Augen bewegten sich hinter geschlossenen Lidern. In André stieg sofort eine unbeschreibliche Glückseligkeit und Erleichterung auf. „Mach deine Augen auf. Kannst du mich hören, Oscar?“

 

Langsam öffneten sich ihre Augen und das erste, was sie sah, war der strahlende Gesichtsausdruck von ihrem André. „André, du?“ Ihre Stimme war noch schwach und dennoch verzauberte sie ihn mit einem Lächeln auf ihren süßen Lippen.

 

„Oscar, was für ein Glück, du bist gerettet!“ Seine Freude weckte sogar seine Großmutter, die sogleich ihr Taschentuch holte, unter ihrer Brille die Augen vor anlaufenden Tränen tupfte und dabei erleichtert schniefte: „Oh, Lady Oscar, ich bin ja so glücklich!“

 

Das war Oscar auch. Sie hörte zwar die Stimme ihrer einstigen Kinderfrau, aber ihre Augen waren nur auf ihren Freund und Geliebten gerichtet. „Ich habe von unserer Kindheit geträumt, André. Du hast nach mir mit einer ganz traurigen Stimme gerufen.“

 

„Ach, Oscar ….“ André wusste nicht mehr, was er sagen sollte.

 

Dafür aber seine Großmutter. Noch immer in ihr Taschentuch schluchzend, erhob sie sich auf noch etwas wackeligen Beinen. „Ich werde Eurem Vater und Graf von Fersen Bescheid sagen, dass Ihr endlich aufgewacht seid.“

 

„Graf von Fersen ist auch hier?“, wunderte sich Oscar und erinnerte sich sogleich, dass er eigentlich auch zur Rettung von André beigetragen hatte.

 

„Ja, er war genauso besorgt wie wir alle, Lady Oscar. Euer Vater hatte ihm ein Gästezimmer angeboten und der Graf hatte es angenommen. Sie beide sind bestimmt schon wach und frühstücken im Kontor Eures Vaters.“ Sophie verließ das Zimmer und André blieb mit Oscar alleine. Er half ihr beim Aufsitzen und stopfte ein Kissen hinter ihren Rücken. „Ist das dir bequem?“

 

„Ja, danke.“ Oscar lehnte sich zurück und hob ihren gesunden Arm, um mit ihren Fingern an Andrés Wange zu streicheln. Er lebte, er war bei ihr und sie hatte es geschafft, ihn vor der Hinrichtung zu retten! Wenn Graf de Girodel sie nach dem Unfall nicht bei der bewusstlosen Kronprinzessin aufgesucht und ihr die Verhaftung von André mitgeteilt hätte, dann hätte sie ihren Geliebten womöglich nie wieder gesehen. Welch ein Glück, dass auch Marie Antoinette sich später für ihn eingesetzt und somit den entscheidenden Punkt für seine Rettung beigetragen hatte. Dafür würde sie ihr ewig dankbar sein. Denn ohne André, seiner Liebe und Zuneigung, wäre auch ihr Leben sinnlos. „André … mein André ...“, flüsterte sie mit dem tief eindringlichen Blick in seine smaragdgrünen Augen und fuhr mit dem Daumen über die Kontur seiner vollen Lippen.

 

André sagte nichts. Worte waren jetzt überflüssig und Oscar wusste auch so, wie sehr er sie liebte. Sachte nahm er ihre Hand von seiner Wange, neigte sich zu ihr und küsste sanft ihre Lippen. Oscar erwiderte ihm den zärtlichen Kuss mit Hingabe und inniger Freude, dass sie ihn nicht verloren hatte. Die Wunde an ihrem linken Arm, die sie bei der Rettung der Kronprinzessin und durch einen Ast sich zugefügt hatte, schmerzte und brannte leicht unter dem Verband, aber das blendete sie aus. Die flatternden Gefühle der Liebe und Zuneigung zu André überdeckten ihren körperlichen Schmerz. Ihr Herz hüllte sich mit Wärme der Wonne und Geborgenheit ein. „Ich liebe dich.“, flüsterte sie nach dem berauschenden Kuss und leckte sich die Lippe mit der Spitze ihrer Zunge.

 

„Ich liebe dich noch mehr.“ André schenkte ihr noch ein liebevolles Lächeln, bevor sein Gesichtsausdruck wieder ernst wurde und er sich hastig von ihr entfernte.

 

Oscar verstand, denn auch sie hörte nahende Schritte außerhalb ihres Zimmers und setzte auch eine undurchschaubare Miene auf. Nichts verriet mehr ihre Liebesgefühle zu André, als in wenigen Augenblicken ihr Vater, ihr einstiges Kindermädchen und Graf von Fersen mit strahlenden Gesichtern sich um ihr Bett versammelten. General de Jarjayes setzte sich sogleich auf den Stuhl, wo Sophie vor kurzem gesessen hatte und befragte sie nach ihrem Wohlbefinden. „Wie fühlst du dich, meine Tochter?“

 

Oscar schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit und versuchte nebenbei ihr aufgeregtes Herz wegen Andrés Kusses zu beruhigen. „Danke, Vater, mir geht es besser.“, sagte sie und schaute von ihm auf den jungen Mann, der neben ihrem Geliebten stand. André hatte sich unbemerkt an das Ende des Bettes gestellt und Oscar richtete ihre nächsten Worte nicht an ihn. „Graf von Fersen, vielen Dank, dass Ihr gekommen seid.“

 

„Das ist doch selbstverständlich.“, meinte von Fersen und lächelte freundlich. „Ich habe mir große Sorgen um Euch gemacht.“

 

„Ich habe Euch jetzt erst richtig kennengelernt.“ Oscar sah es noch bildlich vor den Augen, wie er das Knie vor dem König und neben ihr gebeugt hatte und ihn darum bat, André zu verschonen. Wenn sie ihn bis gestern noch als Verursacher für Hofklatsch und Getuschel um die Kronprinzessin betrachtet hatte, dann bewunderte sie ihn jetzt für seinen Mut. Denn niemanden von den anwesenden Hofintriganten wäre es jemals in den Sinn gekommen, sich für einen einfachen Bürgerlichen einzusetzen. Alle versuchten doch an aller ersten Stelle ihre eigene Haut zu retten und die Menschen aus dem dritten Stand waren unter ihrer Würde. Graf von Fersen hatte jedoch mit seinem Einsatz bewiesen, dass nicht alle Adligen verkommen und selbstsüchtig waren, wofür Oscar ihm noch zusätzlich dankbar war.

 

„Das geht mir mit Euch ebenso.“, erwiderte von Fersen und Oscar schaute sich im Zimmer um. Alle waren soweit da, bis auf eine Person, was sie leicht wunderte. „Und meine Mutter? Wo ist meine Mutter?“

 

„Als Ihr außer Gefahr ward, hat sie sich gleich um die Kronprinzessin gekümmert.“, erklärte Sophie, die hinter dem General stand.

 

Das war gut und Oscar atmete erleichtert auf. Ihre Mutter würde sich wohl noch ein paar Tage um die Kronprinzessin kümmern müssen, während ihre Tochter sich auf dem elterlichen Anwesen von der Verletzung kurierte.

 

„Marie Antoinette hatte sich große Sorgen um Euch gemacht. Sie wird außerordentlich erfreut sein.“, ergänzte von Fersen und Oscar nickte ihm zustimmend zu. „Ja, das denke ich auch.“ Sie ließ ihren Blick von ihm auf André schweifen und ihr Herz begann wieder schneller zu schlagen. Wie verloren er da stand! „André, du stehst so schweigsam in der Ecke, fehlt dir etwas?“

 

„Nein, alles gut.“, sagte André in seinem typischen, freundlichen Ton und schwor nebenbei bei sich, für seine Geliebte irgendwann einmal sein Leben einzusetzen und zu geben – so wie sie das für ihn getan hätte.

 

„Dann sorge dafür, dass Oscar an nichts fehlt.“, sagte der General zu ihm und erhob sich, mit dem Blick auf seine Tochter. „Ich werde jetzt nach Versailles gehen und mitteilen, dass du in zwei Tagen deinen Dienst wieder antreten kannst.“

 

„In Ordnung, Vater.“

 

„Ich werde mitkommen, wenn Ihr es gestattet, General.“, erbot sich von Fersen.

 

„Ich gestatte es Euch, Graf.“ Der General verließ mit ihm das Zimmer und Sophie geleitete sie hinaus. „Ich werde gleich dafür sorgen, dass Ihr etwas Ordentliches zu Essen bekommt, Lady Oscar.“, fügte sie noch zu ihrem Schützling hinzu und schimpfte gleich auf ihren Enkel los. „Und du wirst mir helfen! Lady Oscar braucht jetzt Ruhe und nicht deine Anwesenheit! Mach dich im Stall oder woanders im Haus nützlich, aber steh nicht so faul herum! Du bist schließlich der Sohn eines Bediensteten und sollst dich dementsprechend auch verhalten!“

 

„Ja, Großmutter, ich komme gleich nach.“ André wartete, bis seine Großmutter gegangen war und kam näher zu Oscar. „Wie das sich anhört, werde ich höchstwahrscheinlich erst heute Abend frei sein und dich besuchen können. Aber bis dahin kannst du dich ausruhen.“

 

„Du weißt, wie ich das hasse, den ganzen Tag im Bett zu verbringen.“ Oscar verzog ihr Gesicht. Heute würde sie gezwungenermaßen im Bett bleiben, um ihren Arm zu schonen. Das erinnerte sie fast an die öden Tage der Erkältung und die grässlichen Heilmethoden von Sophie. Natürlich abgesehen von den letzten Tagen, in denen sie mit André zusammengekommen war.

 

„Ja, das weiß ich und deswegen werde ich dir heute Nacht Gesellschaft leisten.“, meinte André mit einem geheimnisvollen Lächeln, das nur Oscar verstehen konnte. „Natürlich nur wenn du es möchtest, meine Liebste.“

 

Das fragte er noch? Oscar schmunzelte. „Ich bestehe darauf, dass du heute bei mir übernachtest.“

 

André beugte sich über sie und schenkte ihr einen letzten Kuss, bevor er ging. Wie er es schon geahnt hatte, konnte er sie den ganzen Tag nicht besuchen. Seine Großmutter legte ihm eine Aufgabe nach der anderen auf und brachte das Essen höchstpersönlich zu ihrem Schützling. Oscar fragte nicht nach ihm und vertrieb sich den Tag mit Lesen oder Gedanken über André oder versuchte mit einer Hand auf dem Klavier zu spielen. Nach dem Abendessen konnte sie kaum noch seinen Besuch abwarten und als er nach Mitternacht erschien, machte sie sogleich Platz neben sich.

 

André legte sich zu ihr, wo ihr gesunder Arm war und sie küssten sich wie heute früh. „Oscar, meine Liebe, ich hatte große Angst, dich zu verlieren.“, flüsterte er dabei und zog sie enger in seine Arme, aber ohne sie dabei zu erdrücken oder ihr die Luft zu atmen zu nehmen.

 

Oscar schmiegte ihren Körper an ihn, spielte mit ihren Fingern an seinem Kragen und schaute ihm direkt ins Gesicht. „Und ich hatte Angst, dich zu verlieren, André. Ich werde niemals zulassen, dass dir etwas zustößt und deshalb habe ich eine Entscheidung getroffen.“

 

André wurde neugierig. „Welche?“ Für was sie sich auch immer entschieden hatte, es würde bestimmt nichts Schlimmes sein, denn sie hatten sich Liebe geschworen und würden für immer zusammen sein.

 

Oscar küsste ihn auf den Mund. „Lass uns morgen zum See ausreiten und das Aprilwetter genießen. Nur wir beide, du und ich. Danach kann ich dir die Entscheidung mitteilen.“ Oder besser gesagt, ihn damit überraschen. Auf ihrem Gesicht stieg feine Röte hoch. So eine Entscheidung wollte sie nicht unbedingt hier auf dem elterlichen Anwesen durchführen und der See schien ein viel passenderer Ort dafür zu sein. Ja, dort, in der blühenden Natur und dem Rauschen des Windes, würden die Worte viel leichter fallen und sie würde ihrem André ihre Entscheidung besser überbringen können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  dana140
2019-06-22T12:52:30+00:00 22.06.2019 14:52
hola
me encanta este fic pero me es imposible leerlo todo ya que la pagina no me lo permite, ya soy adulta pero no me da opción y no entiendo como llenar la tarjeta de adulto o que debo hacer ... alguien puede darme una ayuda ?
Antwort von:  Saph_ira
11.07.2019 14:04
Hello dear Dana and thank you very much for your comment, I am glad that you like this story. To read the adult chapters, you need to register with Animexx and have administrators confirm that you are an adult. Or, if you want, I can send you the file from the Adult section in a message. :-)
Von:  YngvartheViking86
2019-03-18T19:10:19+00:00 18.03.2019 20:10
Oh jetzt wird es interessant 😏
Bin gespannt was die ihm sagen möchte.
Antwort von:  Saph_ira
19.03.2019 16:35
Danke dir für deinen Kommentar. :-)
Ja, mal sehen, was für eine Entscheidung sie ihm sagen wird. :-)
Antwort von:  YngvartheViking86
19.03.2019 21:16
Du machst es spannend 😁
Antwort von:  Saph_ira
21.03.2019 11:21
Dankeschön :-)


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