Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 83: Angeklagt --------------------- Hatte ich geschlafen? Wo war ich? Warum brummte mir der Schädel so? War das alles nur ein schlechter Traum gewesen? Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Ein grelles Licht blendete mich. Reflexartig schützte ich mich mit meiner Hand. Wenn das ein Witz sein sollte, so war er ordentlich missglückt. In meinem Hotelzimmer war ich auch nicht mehr, und wenn, dann hatte man mein weiches Bett gegen einen harten Fliesenboden getauscht. „Ah, der Angeklagte ist endlich wach“, hörte ich jemanden sagen. Angeklagter? Bitte was? Nachdem sich meine Augen an die helle Umgebung gewöhnt hatten, stand ich vorsichtig auf und sah mich um. Ich war in einer Kulisse gelandet, die an einen Gerichtssaal erinnerte. Sämtliche Plätze waren leer, mit einer einzigen Ausnahme: Dem Richtestuhl. „Das macht aber keinen guten Eindruck, bei seiner eigenen Verhandlung einfach umzukippen.“ Mein Gegenüber entpuppte sich als Mann mittleren Alters, mit Brille und kurzgeschorenen Haaren. Sein adrettes, strenges Auftreten wurde durch den dunkelblauen Smoking den er trug, noch verstärkt. „Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?“, fragte ich und sah mich erneut um. Eindeutig ein Gerichtssaal. Wie ich hierhergekommen bin, war mir ein Rätsel. Mehr noch beschäftigte mich aber die Frage, wer denn der Fremde war. Wischte mir Kaiba eins aus, dafür, dass ich mich nicht komplett für ihn verbiegen wollte? War das irgendeine Rachekation von Mei? War der Typ da vorne vielleicht ihr Vater? „Oh, das hat Ihnen Kaiba gar nicht erzählt?“, gluckste der Anzugträger und schob sich die Brille ein wenig nach oben. „Mein Name ist Johnson und ich war früher die Rechtsvertretung der Kaiba Corporation.“ Was war er gewesen? Die Rechtsvertretung? Wahnsinnig interessant, aber was hatte das mit mir zu tun? Ich gehörte ja nicht mal zur Kaiba Corporation, zumindest nicht offiziell. „Wenn Sie Geld von Kaiba wollen, oder eine erneute Anstellung, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Der Mann ist mit dem Großteil seiner Angestellten wahrscheinlich noch schlimmer, als zu Ihren Zeiten.“ Johnson legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Wie ich sehe, scheinen auch Sie eine gewisse Abneigung gegen Seto Kaiba zu verspüren. Zu schade, dass ich anderweitig Verwendung für Sie habe.“ „Zu schade, dass ich ganz ehrlich weder Zeit noch Nerven für irgendwelche Spielchen habe. Ich möchte wissen wo ich hier bin, und wo Kaiba und Mokuba sind.“ Mir riss langsam aber sicher der Geduldsfaden. Was bildete sich dieser Kerl überhaupt ein? Probleme mit Kaiba hatten genug Menschen; wenn die alle immer zu mir kommen würden, dann würde ich gar kein Privatleben mehr besitzen. „Sie sind in der virtuellen Hölle, in der Kaiba und seine Freunde uns zurückgelassen haben.“ Johnsons Ton wurde zunehmend schärfer. Auf seiner Stirn bildete sich eine Furche während er mich ansah. Irgendetwas klingelte bei mir, nur konnte ich die Erinnerung nicht ganz wachrufen. „Die Kaibabrüder sind in guten Händen, keine Sorge. Bald werden sie auf ewig in diesem Paradies verweilen dürfen, wie auch Ihre Wenigkeit. Dem Mädchen wird es ähnlich ergehen.“ Mädchen? Welches Mädchen? Außerdem gingen mich Kaibas Streitigkeiten mit ehemaligen Mitarbeitern, so geisteskrank wie diese auch sein mochten, nichts an. Dieser Johnson jedenfalls war komplett durchgeknallt. „Mädchen? Da waren tausende Menschen. Welches Mädchen meinen Sie denn, Johnson?“ Der Gesichtsausdruck des Anwalts veränderte sich. Breit grinsend schnippte er mit den Fingern und eine Art Blase tat sich auf. Ich erkannte sofort, wen er meinte. „Lassen Sie sie sofort gehen“, schrie ich und umgriff wütend die hölzerne Umrandung des Podiums, auf dem ich stand. Das war Serenity, die die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte und vor irgendetwas kauerte. Die Angst war ihr von den Augen abzulesen. „Nun, wir könnten uns ja darum duellieren“, schmunzelte Johnson amüsiert und schnippte erneut, was Joeys Schwester wieder verschwinden ließ. „Vielleicht habe ich ja auch noch anderweitig Verwendung für sie und ihre restlichen Freunde?“ Restlichen Freunde? Waren die anderen auch hier? Mir zog sich der Magen zusammen, wenn ich an Joey und Yugi dachte. Dabei waren die noch nicht einmal so ein großes Problem; was war mit Tea und Tristan? Wenn sie auch alle zu einem Duell herausgefordert worden waren… Dieser Johnson konnte aber auch nur einfach bluffen. „Sie lassen mich jetzt besser gehen, und beenden diesen Unfug, bevor ich sauer werde“, knurrte ich und umklammerte die Umrandung so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Diese Situation, irgendetwas in meinem Inneren regte sich. Ich konnte den Gedanken nur nicht fassen. Irgendwer hatte mir hiervon schon einmal erzählt. Ganz sicher sogar. War es nicht Joey gewesen, der…? „Mir schlottern schon die Knie“, höhnte Johnson und schüttelte den Kopf. „So läuft das nicht. Wir duellieren uns. Wenn Sie gewinnen, führe ich Sie zu dem Mädchen, wenn Sie aber verlieren…“ Der Anwalt legte eine Kunstpause ein. „Dann hole ich mir Ihren Körper.“ Der Typ wollte bitte was von mir? „Haben Sie einen Schaden, oder was ist mit Ihnen los? Meinen Körper? Als Anwalt werden Sie wohl genügend Geld beisammenhaben, um sich eine Schönheitsoperation leisten zu können. Außerdem bin ich 17 und Sie, keine Ahnung…älter als ich auf jeden Fall.“ „Keineswegs“, lachte Johnson lautstark. „Ich will diesen Ort verlassen, an dem ich so lange gefangen gewesen bin. Dazu brauche ich Ihren Körper.“ Der Typ konnte mir den Buckel runterrutschen. Ich wollte erneut aufbrausen, da schoss mir das Bild von Serenity durch den Kopf. Wenn ich mich mit ihm nicht duellierte, konnte er irgendetwas Schlimmes mit Joeys Schwester anstellen. Mir blieb also keine Wahl, eigentlich. Außerdem hatte ich noch einen Trumpf im Ärmel, von dem Johnson sicher nichts wusste. „Also gut“, nickte ich und willigte ein. Kaum, dass ich die Worte ausgesprochen hatte, erschien auch schon eine Duel Disk an meinem rechten Arm. Sah zugegebenermaßen ein wenig schick aus, die Disk, kombiniert mit meinem Sakko. Ich griff in die Innenseite meiner Anzugsjacke und fischte mein Deck hervor. Warum hatte ich das überhaupt mitgenommen? „Dann bringen wir es hinter uns.“ „Nicht so hastig“, hielt mich Johnson davon ab, meine ersten fünf Karten zu ziehen. „Sie müssen sich erst einen Deckmaster aussuchen.“ Was musste ich? Einen Deckmaster? Wozu? Außerdem, was brachte mir so ein Ding? „Der Deckmaster stellt sowas wie den Anführer Ihres Decks dar. Er hält sich im Hintergrund und beliefert Sie mit Spezialfähigkeiten, kann aber auch als Monster aufgerufen werden. Wenn Sie das tun, und der Deckmaster wird zerstört, haben Sie automatisch verloren.“ Ich fächerte mein Deck auf und betrachtete es nachdenklich. Da waren mehrere Karten, die sich anboten. Der Herr der Drachen, mein Angriffs-Ninja, Garoozis… Ich entschied mich für einen altbewährten Freund. „Ich wähle den Schwarzen Magier.“ Damit erschien neben mir auch schon meine Karte in Lebensgröße. In roter Rüstung stand er da, die Arme vor der Brust verschränkt, den Stab in der linken Hand haltend. Sein Blick war grimmig Johnson zugewandt, der nickte und sich hinsetzte. „Ich trete als mein eigener Deckmaster an.“ Die Gestalt des Anwalts veränderte sich plötzlich. Aus dem zuvor noch schmächtig wirkenden Johnson war ein muskelbepackter Schrank geworden. War das eine… „Der Richter!“, rief der Anzugträger theatralisch und griff zum bereitliegenden Holzhammer neben sich. Mit diesem klopfte er auf den Tisch und nickte mir zu. Beide zogen wir fünf Karten und das Duell begann. „Da es mein Gerichtssaal ist, werde ich das Duell beginnen. Dieses Recht steht mir zu. Ich rufe auch gleich den Hysterischen Engel in den Zeugenstand. Sie wird dafür sorgen, dass Sie die Höchststrafe bekommen.“ Johnsons Monster entpuppte sich als lächerlicher Engelverschnitt im Anzug, der einen Kodex mit sich führte. Die Angriffspunkte betrugen 1.800, was eher Mittelmaß darstellte. Ein Blick auf meine Hand ließ mich zögern. Er hatte keine Karte verdeckt gespielt; so dumm konnte Johnson doch nicht sein, und ein solches Monster ungeschützt auf dem Feld stehen lassen. Ich atmete tief durch und schloss die Augen. „Mahad?“, fragte ich in Gedanken nach meinem anderen Ich. Dieses antwortete prompt und wir tauschten die Positionen, sodass ich das Schauspiel als Zuschauer betrachten konnte. Der Milleniumsring unter meinem Hemd glühte kurz auf. Wahrscheinlich wäre ich alleine mit Johnson fertig geworden, doch sicher war sicher; es stand vielleicht Serenitys Leben auf dem Spiel, und ein kleiner Patzer konnte schon den Untergang bedeuten. „Ich rufe die Rache des Schwertjägers auf“, sagte mein anderes Ich ruhig und legte die Karte auf die Duel Disk. Meine Züge glichen wieder denen Mahdas: Streng, aber gelassen. Dass ich innerlich bis zum Zerreißen angespannt war, sah man mir gar nicht an. Die Monsterkarte erschien vor uns und ließ ihren Zweihänder kunstvoll durch die Luft schneiden. „Attacke“ rief Mahad und ließ unseren Schwertkämpfer den Gegner in zwei Hälften zerteilen. Mit einem lauten Schmerzensschrei verabschiedete sich Johnsons Monster ins digitale Nirwana. „Dann bin ich wohl dran“, kommentierte dieser meinen Zug. „Ich spiele ein Monster im Verteidigungsmodus und beende damit die Runde.“ Auf dem Fliesenboden erschien eine verdeckte Karte. War das eine Falle? Hatte Johnsons Monster eine höhere Verteidigungsstärke als unser Schwertjäger? Warum machte er es uns so leicht? „Ich rufe Garoozis im Angriffsmodus.“ Gesagt, getan. Neben der Rache des Schwertjägers erschien die geschuppte Eidechse, die vorfreudig ihre Axt in den Händen hin und herwarf. „Attacke, mein Schwertjäger!“ Wieder zerstörte unser Monster mühelos die gegnerische Karte. Da war doch etwas faul. „Und jetzt, Garoozis, greif den Richter direkt an!“ Der Alligator sprang in die Höhe, holte aus, und versenkte die doppelschneidige Axt tief in der Schulter des Richters, der vor Schmerz aufschrie. Die digitale Lebenspunkteanzeige neben meinem Gegner fiel auf 2.200 Punkte. Wir legten noch die Zauberhüte verdeckt ab und beendeten unseren Zug. „Wie es scheint, sind Sie talentierter, als ich dachte“, schnaubte Johnson und zog eine neue Karte. „Es wird mir eine Freude sein, Ihren Körper in Besitz zu nehmen.“ Beiläufig spielte er die Heilige Elfe im Verteidigungsmodus. Leise singend erschien das weibliche Monster auf dem Feld und legte seine Hände zusammen, so als würde es beten. „Ich spiele außerdem noch eine Karte verdeckt und beende damit meinen Zug.“ Gut, die Heilige Elfe war ein mächtigeres Monster als die vorherigen, dennoch nicht unknackbar. Wir mussten nur die richtige Karte ziehen und darauf hoffen, dass unser Angriff durchging. Wenn wir Glück hatte, würde Johnson bald Geschichte sein. Zu Mahads und meiner Enttäuschung entpuppte sich unsere nächste Karte als Fusionskarte. Das war ein Reinfall, doch daran konnten wir nichts ändern. Außerdem war Johnson nicht in der Lage, etwas gegen unsere Monster zu unternehmen. „Ich passe“, sagte Mahad und verschränkte die Arme vor der Brust. Diese Selbstsicherheit, diese Eleganz – das war es, was Kaiba meinte. Obwohl wir uns um so viel duellierten, zeigte mein anderes Ich kein Anzeichen von Schwäche oder Unruhe. Außerdem überlegte keiner von uns, wie wir einem eventuellen Angriff von Johnson trotzen konnten. Die Zauberhüte waren nur schmuckes Beiwerk. Unsere Strategie war einzig darauf ausgelegt, den Gegner rasch zu eliminieren. Zwei Exodiateile hatten wir bereits – drei Stück noch, und das Spiel würde aus sein. „Als Erstes aktiviere ich die besondere Fähigkeit meines Deckmeisters.“ Johnson streckte die linke Hand aus. „Für den Preis von läppischen 1.000 Lebenspunkten kann ich alle Monster auf dem Feld zerstören und Sie nehmen für jedes vernichtete Monster 500 Schadenspunkte.“ Eine starke Energiewelle ging von den Fingern des Richters aus und ließ unsere Monster in tausend Teile zerspringen. Mahad wirkte nach wie vor unbeeindruckt, doch tief in unserem gemeinsamen Inneren konnte ich spüren, wie er überrascht und zeitgleich ein wenig nervös wurde. Wir hatten noch immer keine Ahnung, was unser Deckmaster denn konnte, während Johnson so etwas aus dem Hut zauberte. „Als Nächstes spiele ich ein Monster, den Vorhang der Finsternis.“ Wieder nur ein schwaches Monster. Das rote Tuch, aus dem zwei widerlich anmutende Arme ragten, besaß nur 600 Angriffspunkte. Hatte der Typ nicht gelernt, warum es notwendig war, starke Monster in seinem Deck zu haben? „Ich aktiviere meine verdeckte Zauberkarte, Fusion, um meine Heilige Elfe und meinen Finsteren Vorhang zum Kamion-Zauberer zu verschmelzen.“ Wir hielten innerlich die Luft an. Wenn das jetzt ein starkes Monster werden würde, hatten wir ein Problem. Die Zauberhüte waren nutzlos ohne Monster, die wir darunter verstecken konnten. Johnson würde dieses Mal direkt angreifen können. Die Fusion entpuppte sich als Monster mit 1.300 Angriffspunkten. Der Kamion-Zauberer war ein maskiertes Wesen mit rotglühenden Augen und einer Sense. Der blaue Umhang, der die rot-schwarze Rüstung des Monsters komplettierte, wurde von langem, buschigem, blondem Haar ein wenig verdeckt.“ „Meine nächste Kärte, finstere Gerechtigkeit, erlaubt es meinem Fusionsmonster gleich anzugreifen. Attacke!“ Der Kamion-Zauberer sprang in die Höhe und riss dabei die Sense über den Kopf. Als die Waffe auf uns niedersauste, hatte Mahad Mühe, nicht in die Knie zu gehen. Auch wenn wir physisch unversehrt waren, so konnte auch ich den brennenden Schmerz spüren, der uns für einen kurzen Augenblick lähmte. Meine besorgte Frage, ob wir denn tauschen sollten, wurde mit einem kaum merklichen Kopfschütteln abgetan. „Finstere Gerechtigkeit verschafft mir außerdem 800 Lebenspunkte für jeden direkten Angriff, den ich gegen Sie ausführe. Das heißt, ich habe wieder 2.000 Lebenspunkte, während Ihre auf 1.700 gefallen sind.“ Da hatte der Anwalt leider Recht. Wenn ich richtig rechnete, konnte er das Späßchen mit seinem Deckmaster wiederholen und uns dann den Todesstoß versetzen. Außerdem wusste ich nicht, ob die Zauberhüte unsere Monster vor der Fähigkeit seines Deckmasters schützen würden. „Ich spiele noch eine Karte verdeckt, und beende damit meinen Zug.“ Unsere nächste Karte stellte sich als der Herr der Drachen heraus. Ein gutes Monster, wenngleich auch schwach. Mit der Drachenruferflöte würden wir unser Rotauge rufen können; jetzt noch der Beauftragte der Dämonen und Johnson würde sein blaues Wunder erleben. Andererseits war es aber zu gefährlich, Johnson erneut angreifen zu lassen. Ich wog ab. Die Exodia zu verschleudern war nicht prickelnd, den Herrn der Drachen ebenso wenig. „Ich spiele ein Monster im Verteidigungsmodus und aktiviere meine Zauberkarte die Zauberhüte!“ Mahad formte unsere Lippen zu einem angedeuteten Lächeln, während der verdeckte Herr der Drachen Schutz unter den Hüten fand. Wenn Johnson nicht gerade ein Hellseher war, würde uns das ein wenig Zeit verschaffen. „Ich decke die Karte Suggestivfrage auf. Sie erhöht die Angriffspunkte eines jeden Fusionsmonsters um 800 Punkte. Außerdem greife ich den ganz rechten Hut an!“ Der Kamion-Zauberer sprang in die Höhe und zerschnitt zielsicher den Hut, der unseren Herrn der Drachen beherbergte. Schreiend zersprang dieser in tausend Teile und ließ uns schutzlos am Feld zurück. Die Angriffspunkte des Kamion-Zauberers waren zumindest wieder von 2.100 auf 1.300 zurückgesprungen. „Glück gehabt“, schnaubte Mahad und zog die nächste Karte. Die Lichtschwerter! Das verschaffte uns zumindest etwas Ruhe. „Ich spiele die Lichtschwerter! Ihr gleißendes Licht hindert Sie daran, für die nächsten drei Runden mit Ihren Monstern anzugreifen.“ Schützend schwebten die leuchtenden Schwerter in der Mitte des Feldes und hielten den Kamion-Zauberer, wie auch Johnson, auf Distanz. „Ob das seine besondere Fähigkeit aufhält?“, fragte ich Mahad gedanklich, der nur mit den Schultern zuckte. „Ich weiß es nicht, David. Mit etwas Glück finden wir das bald heraus. Ich habe einen Plan, doch wir müssen die richtigen Karten ziehen.“ Ging es darum nicht immer? Die richtigen Karten? Bisher hatte uns unser Deck aber nie im Stich gelassen. „Eine Verzögerungstaktik. Das ist typisch, wenn sich der Angeklagte in die Enge gedrängt fühlt. Die Freiheit wird sie Ihnen dennoch nicht ermöglichen! Ich ziehe und…“ Johnson legte eine Kunstpause ein. Das war volle Absicht, um uns mürbe zu machen, ganz sicher. Mahad ließ sich dennoch nichts anmerken. „Ich aktiviere meine Zauberkarte Topf der Gier und ziehe zwei weitere Karten.“ Na bravo, jetzt bekam Johnson noch mehr Munition gegen uns. „Dann spiele ich die Zauberkarte Verstärkung der Armee, um einen weiteren Krieger in mein Blatt zu holen.“ Das hauerbewehrte Gesicht des Richters verzog sich zu einem grotesken Grinsen. „Wissen Sie auch warum?“ Wir sparten uns die Antwort. „Ich fusioniere meinen mächtigen Armaill-Krieger und meinen Einäugigen Schilddrachen zu Dragona, dem Finsteren Ritter.“ Dieser erschien als Krieger mit Drachenschädelhelm, zwei gezackten Klingen und Drachenflügeln auf dem Feld. Die 1.200 Angriffspunkte würden bald aufgewertet werden, was ausreichte, um uns den Gnadenstoß zu versetzen. „Ich spiele Gaia, den Ritter der Finsternis, im Angriffsmodus.“ Schnaubend schälten sich Ross und Reiter aus dem Nichts. Dort wo die Hufe von Gaias Pferd auf die Fliesen trafen, sprangen diese entzwei. Stolz stand unser Monster als Bollwerk zwischen Johnson und seinem Duo. Selbst mit den 800 Angriffspunkten zusätzlich kamen der Kamion-Zauberer und Dragona nicht an ihm vorbei. „Dann wird es wohl Zeit, die besondere Fähigkeit meines Deckmeisters erneut zu aktivieren.“ Johnson tat das Gleiche wie vorhin. Ross und Reiter gingen wiehernd unter. Ich schrie innerlich. Da war unsere Verteidigungsstrategie dahin. Außerdem fielen unsere Lebenspunkte auf 1.200 herab. Warum hatte Mahad so etwas Unbedachtes getan? „Vertrau mir“, kommentierte der Ägypter seinen Zug. Das war leichter gesagt als getan. Ich wollte Joey nicht unter die Augen treten, wenn ich Serenity an diesen Johnson verloren hatte. Unsere nächste Karte war der Beauftragte der Dämonen. Wenn wir folgende Runde unser Rotauge zogen, dann hatten wir eventuell eine Chance. Johnson konnte seine Fähigkeit nicht noch einmal einsetzen, ohne sich selbst auszuschalten, und am Schwarzen Totenkopfdrachen kam nichts vorbei. Vom nächsten Zug hing alles ab. „Ich spiele die Karte Rote Medizin, und erhöhe meine Lebenspunkte so um 500 Punkte.“ Johnson grinste nun über beide Ohren. „Das heißt, ich werde, sobald die Lichtschwerter verschwunden sind, angreifen können. Sie haben verloren. Zur Sicherheit aber, versetze ich meine beiden Monster noch in den Verteidigungsmodus.“ Mir rutschte das Herz in die Hose. Der Anwalt hatte Recht. Er würde wieder jegliche Monster auslöschen und angreifen können. Wir konnten maximal zwei Monster aufs Feld bringen, was nicht ausreichte, um ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Johnson würde keinen Schaden nehmen, wenn wir angriffen, und dann unsere Monster einfach wieder zerstören. Ein schwaches Monster, und wir waren Geschichte. Obendrein war unsere nächste Karte nur der Topf der Gier. Ich konnte Mahads Bedauern spüren. Erstaunlicherweise war nicht einmal jetzt so etwas wie Angst im Ägypter zu fühlen. „Es tut mir leid“, hauchte mein anderes Ich leise und ließ die Hände auf die hölzerne Umrandung sinken. Johnson lachte nur höhnisch und begann uns zu verspotten. Das war doch unfair. Sein Deckmaster war fast unschlagbar, während unserer einfach nur dastand und wartete. Was war denn seine Spezialfähigkeit? „Mahad, komm schon“, versuchte ich mein anderes Ich dazu zu bewegen, weiterzumachen. „Wir haben noch immer unseren Deckmaster, uns! Das da drüben sind wir. Es ist unmöglich, dass der Schwarze Magier uns im Stich lässt, dass wir uns im Stich lassen.“ „Ergeben Sie sich endlich Ihrem Schicksal, Angeklagter?“, riss Johnson uns aus unserer Gedankenwelt. Er war sicher zu gewinnen. „Ihr Deckmaster erwies sich als nutzlos, wie mir scheint.“ „Ich spiele…“, begann Mahad und griff nach der letzten Karte. „Den Topf der Gier.“ Endlich regte sich unser Schwarzer Magier. Das Monster nickte uns lächelnd zu und deutete mit seinem Stab auf die Zauberkarte. „Magier, Magie – Zauberkarte“, zog ich gedanklich den Schluss. Johnson musste 1.000 Lebenspunkte zahlen, um seine Fähigkeit zu aktivieren, vielleicht mussten wir das auch? Was hatten wir schon zu verlieren? „Und opfere tausend Lebenspunkte um die besondere Fähigkeit meines Deckmasters zu aktivieren.“ Der Schwarze Magier nickte erneut und drehte seinen Stab in der linken Hand, bevor er ihn in den Fliesenboden rammte. Knackend breiteten sich am ganzen Boden Risse aus, während die Zauberkarte zu leuchten begann. „Nein!“, rief Johnson entsetzt. Der Milleniumsring an unserer Brust glühte. Natürlich. Ich erinnerte mich jetzt. Yugi und Joey waren schon einmal hier gewesen, mehr noch – Joey hatte sich mit Johnson duelliert. Der Anwalt hatte bei diesem Duell gemogelt. Daher hatte er auch erkannt, wo unser Herr der Drachen versteckt gewesen war! Nun wussten wir auch ob der Spezialfähigkeit unseres Deckmasters. „Ich darf nun vier Karten ziehen, statt zwei, Johnson“, lächelte Mahad. Der Schwarze Magier erlaubte uns, die Fähigkeit einer Zauberkarte doppelt zu nutzen. Das Lächeln des Ägypters wurde noch breiter, als er die gezogenen Karten erblickte. „Ich habe gezogen, was ich brauche, um Sie zu vernichten, Johnson.“ Die Lichtschwerter verblassten, während wir unsere Karten zurechtlegten. „Als Erstes rufe ich meinen Deckmaster aufs Feld.“ Der Schwarze Magier trat vor und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Nun nutze ich Monsterreanimation um meine Rache des Schwertjägers vom Friedhof zu holen.“ Rechts vom Schwarzen Magier erschien der Schwertkämpfer mit den gebleckten Zähnen erneut. „Ich verschmelze mein Rotauge mit dem Beauftragten der Dämonen um den…“ Nun erbebte der ganze Gerichtssaal. Von der Decke rieselten Staub und kleine Steine. Zwischen mir und Johnson brach der Boden endgültig auf und hinterließ eine klaffende Spalte ins abgrundtiefe Nichts. Fliesensplitter stoben zur Seite, als unser Monster den ersten Fuß aus dem digitalen Nichts schob. Brüllend streckte es seine Schwingen aus und reckte den gehörnten Schädel gen Himmel. „Schwarzen Totenkopfdrachen zu rufen“, beendete Mahad den Satz unter dem ohrenbetäubenden Brüllen unseres Champions, der zwischen Schwarzem Magier und Rache des Schwertjägers erschienen war. Der Drache nahm fast den gesamten Raum ein und starrte drohend auf Johnson hinab, der in seinem Stuhl immer kleiner zu werden schien. „Zu guter Letzt, Johnson, aktiviere ich Copycat und kopiere Ihre Zauberkarte, finstere Gerechtigkeit.“ Unser Drache reckte den Kopf zur Seite und ließ eine kleine Rauchwolke aus seinem Maul entspringen. „Jetzt, meine teuren Gefährten, vernichtet Johnson und dessen restliche Lebenspunkte.“ Der Schwarze Magier streckte seinen Stab in Richtung des Kamion-Zauberers aus. An der Kugel, die in die Stabspitze eingelassen worden war, bildeten sich schwarze Blitze, die auf das schreiende Monster übersprang. Kreischend verschwand das erste Hindernis. Der Schwertjäger durchbrach mit einem mächtigen Hieb seiner Waffe die Verteidigung von Dragona. Dessen Klingen brachen in zwei Hälften, wie auch er selbst. Nun war der Zeitpunkt gekommen. „Schwarzer Totenkopfdrache – geschmolzener Infernofeuerball!“ Brüllend öffnete der Drache sein Maul und richtete es auf Johnson. Die Krallen der Klauen bogen sich nach innen, während sich im Maul des Monsters ein orange-roter Feuerball bildete, dessen Zentrum eine lila Flamme beherbergte, die wie wild pulsierte. Mit einem Ruck schickte der Schwarze Totenkopfdrache die glühend heiße Feuerkugel auf ihren Weg, direkt auf Johnson zu, der noch schreiend die Hände vors Gesicht hielt. Wir bedeckten unsere Augen mit der rechten Hand, während die unerträgliche Hitze alles wegzuschmelzen drohte; Johnson, den Gerichtssaal und wahrscheinlich auch diese verdammte virtuelle Realität. Ein kleiner Teil von mir genoss es, Johnson zu hören, wie er von den Flammen verschlungen wurde. Wenn der Schmerz wirklich real spürbar war, so wie zuvor, beim Angriff des Kamion-Zauberers, dann starb dieser Mistkerl wahrscheinlich gerade tausend Tode. Wir hatten gewonnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)