Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 81: Monolog mit Dialog ------------------------------ Ich saß nachdenklich in der Limousine, die uns zum Hotel brachte. Mein Blick war aus dem Fenster gerichtet, während ich Mokuba und Kaiba ausblendete, die beide noch einmal die letzten Details der Präsentation durchgingen. Mir geisterte etwas im Kopf herum, eine Idee, ein Gedanke. Was, wenn Kaiba wirklich Recht hatte? War ich wie er? Ein skrupelloser Eisklotz, der sich daran ergötzte, seine Feinde winseln zu sehen? „Stellst du dir diese Frage wirklich?“, fragte mich Mahad und erschien lächelnd neben mir. „Du nicht?“ Der Geist schüttelte leicht seinen Kopf. „Nein, ich stelle mir diese Frage nicht. Weder du noch ich sind wie Kaiba. Es mag zwar sein, dass ihr gut miteinanderauskommt, doch am Ende unterscheidet ihr euch wie Tag und Nacht.“ „Mahad, ich würde dir so gerne glauben, aber, seine Worte, tief in meinem Inneren spüre ich, dass sie einen wahren Kern enthalten.“ „Wie meinst du das?“ Ich hob die Schultern ein wenig an. „Wir kämpfen wirklich aggressiv. Wie oft haben wir die Exodia wirklich gebraucht? In den meisten Fällen zertreten wir unseren Gegner mit starken Monstern. Ich schone Joey, genauso wie du, weil ich ihn nicht noch mehr bedrücken möchte, als ohnehin schon.“ Der Ägypter schob seine Robenärmel ineinander und bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick. Ich konnte aus seinen Augen, die den meinen so sehr glichen, herauslesen, dass Kaiba doch Recht hatte. Wir waren ihm sehr ähnlich geworden. Natürlich hätten wieder viele Menschen einen hohen Preis bezahlt um Seto Kaiba zu gleichen, nur ich nicht. „Du liebst Joey, oder?“ Ich nickte bejahend auf diese Frage. „Denkst du, dass Kaiba es tut?“ Wie absurd. Kaiba liebte niemanden, vielleicht sich selbst, und dann Mokuba, aber Joey sicher nicht. Ich hatte eher das Gefühl, dass sich der CEO in mir verwirklichen wollte. Ich verstand sogar seine Taktik für das Battle City Turnier – er ging davon aus, dass ich mit den Raritätenjägern fertig wurde, aber nicht mit ihm. Kalt und berechnend wie eh und je. „Aber?“, bohrte mein früheres Ich nach. „Warum hat er Joey geholfen? Aus reiner Gefälligkeit mir gegenüber? Kaiba hätte auch irgendjemand anderen für seine Abstimmung verwenden können. Warum wohne ich bei ihm? Weil Mokuba seinen Kopf durchgesetzt hat? Wohl kaum.“ „Glaubst du denn, dass in Kaiba ein Funken Gutes steckt?“, fragte der Ägypter sanft lächelnd. „Ja“, antwortete ich ohne zu zögern. „Yugi und ich glauben daran. Er hat damals beim Battle City Turnier nicht umsonst seine Karte an Yugi abgegeben. Auch wie er mit Mokuba umgeht, oder mit mir. Ich glaube, dass Seto Kaiba tief in seinem Herzen ein guter Mensch ist.“ Hatte ich das wirklich gesagt? Mahads leisem Glucksen nach zu urteilen waren diese Worte wirklich über meine Lippen gekommen. Ich wusste nicht einmal woher ich diese Zuversicht nahm. Klammerte ich mich an diesen Wunsch, weil ich dadurch hoffte, selbst auch ein guter Mensch zu sein? Belog ich mich selbst? Nein, denn ich war auch schon vorher von Kaibas gutem Geist überzeugt gewesen. „Kann es nicht vielleicht sein, dass du diesen guten Kern in Kaiba wieder wachgerufen hast?“ Ich lachte innerlich auf. Ich und Kaibas guten Kern wecken? Das war absurd. Wenn das jemand konnte, dann Yugi. Zu Yugi sah der CEO auf, eiferte ihm nach. Nur der König der Spiele war seiner würdig. Diese Duelle genoss er. „Er könnte auch deine Nähe genießen“, gab Mahad zu bedenken. „Er genießt deine Nähe, wenn du dich mit ihm duellierst, und das auch nur eventuell. Ich bin uninteressant für ihn, wahrscheinlich genauso wie Yugi ohne den Pharao.“ Das Lächeln des Geistes wurde breiter: „Du vergisst, dass sowohl der Pharao, als auch ich, nicht ohne euch existieren können. Ihr seid wir und umgekehrt. Wir sind eins. Wenn Kaiba den Pharao vergöttert, dann tut er das Gleiche mit Yugi, wenn er mich respektiert, dann respektiert er auch dich. Denke einmal nach: Habe ich dich jemals geführt, als du mit Kaiba verbal aneinandergeraten bist?“ Nun, das hatte Mahad wirklich nicht. Er war zwar omnipräsent, hatte mir Mut mit seiner Präsenz gemacht, doch es waren meine Worte und Taten gewesen, die Kaiba schlussendlich in seine Schranken verwiesen hatten. Er hatte Mokuba mir anvertraut, und der kleinere Kaiba liebte mich. Wir spielten miteinander, ich war es, der ihm bei Serenity unter den Arm griff, bei dem er manchmal im Bett schlief. „Du musst aufhören uns als separate Existenzen zu betrachten. Wir sind eins, körperlich wie geistig. Ich bin du. Wenn du das verstanden hast, wie der Pharao und Yugi es tun, dann sind wir unschlagbar.“ „Können wir Kaiba dann besiegen?“, fragte ich nach einer Weile des Schweigens. Tausende Gedanken umkreisten mich. War es wirklich der Schlüssel zum Sieg mit Mahad vollkommen zu verschmelzen? Das klang so absurd in der heutigen Zeit. Ein uralter Geist begleitete mich auf Schritt und Tritt. Solche Märchen hätte ich nicht glauben können, wäre der Ägypter nicht tatsächlich gerade in diesem Moment neben mir gesessen. „Natürlich, aber du musst es auch wollen und daran glauben.“ Ich hatte aber riesige Angst. Kaiba war ein Profi, mehr noch, die unangefochtene Nummer eins neben Yugi. Niemand konnte ihm das Wasser reichen. Entgegen meiner großspurigen Worte von vorhin rutschte mir das Herz in die Hose, wenn ich an Kaiba dachte, wie er, beschützt von seinem Ultradrachen, über mich lachte. Dann war da noch die Aussicht, mich mit ihm zu messen, wenn er einen Gott kontrollierte. „Ich an deiner Stelle hätte auch Angst. Du bist unfreiwillig ein Teil des Schicksals geworden. Von deinen Entscheidungen hängt so viel ab. Wenn du versagst, versagt vielleicht der Pharao und alles war umsonst.“ Ich seufzte innerlich: „Denkst du denn, dass Kaibas Größenwahn so schlimm ist? Ich meine, es geht nur um drei Karten und ein Spiel.“ Natürlich war das alles eine Untertreibung. Ich bewegte mich längst in Kreisen, für die Duel Monsters nicht mehr nur ein stupides Kartenspiel war. Hier ging es, wenn ich meinen Freunden glauben durfte, um Menschenleben. Die Raritätenjäger waren bereit über Leichen zu gehen. Sie glaubten mehr an Visionen und Prophezeiungen als ich es tat. Dann war da noch die Tatsache, dass man mir aufbürdete auch einen Gott zu bändigen. Was, wenn ich der Aufgabe einfach nicht gewachsen war? Ich konnte die Kontrolle verlieren und uns alle verdammen. „Das wirst du aber nicht. Du hast bereits mehrfach bewiesen, dass du ein gutes Herz und einen starken Willen besitzt. Stelle dein Licht nicht immer unter den Scheffel.“ Mahads Worte munterten mich tatsächlich ein wenig auf. Die Zeit bis zum Hotel war durch unser Gespräch wie im Flug vergangen. Wir logierten natürlich in einem der besten Häuser der Stadt. Meine Aufgabe beschränkte sich darauf, mich mit Mokuba zu unterhalten, während Kaiba uns eincheckte. Es wunderte mich ehrlich gesagt, dass er sowas selbst machte. „Hey David, was hast du?“, riss mich Mokuba aus meinen Gedanken, als er an meinem Ärmel zupfte. „Ah, nichts, ich bin nur ein wenig nervös, das ist alles.“ Mein gespieltes Lächeln kaufte mir der kleine Wirbelwind wohl nicht so ganz ab. „Wegen der Präsentation?“ „Eher wegen dem Turnier.“ Der Schwarzhaarige grinste breit. „Angst davor, den Hauptpreis zu gewinnen?“ „Du träumst ja wohl“, schmunzelte ich. „Oder du. Ich habe Seto schon lange nicht mehr so euphorisch erlebt. Das wird das Turnier des Jahrhunderts, das sage ich dir.“ Die Zimmer entpuppten sich als den Standard, den ich auch von Kaibas Villa gewohnt war. Zwei Badezimmer, ein riesiges Doppelbett, ein noch größerer Fernseher, sogar an eine Minibar war gedacht worden. „Morgen um elf Uhr beginnt die Präsentation, das heißt wir müssen um zehn Uhr losfahren“, verabschiedete sich Kaiba und ließ mich damit alleine. Jeder von uns hatte ein eigens Zimmer bekommen. Ich war also dementsprechend ungestört. Den restlichen Nachmittag verbrachte ich mit dem Sortieren meines Decks und einem anschließenden gedanklichen Duell gegen mein früheres Selbst. Ich schrieb noch kurz mit Yugi über die Präsentation morgen, der mir noch einmal Alles Gute wünschte, bevor ich das Smartphone beiseitelegte und an die Decke starrte. „Denkst du an Joey?“, fragte mich Mahad, der am Fußende meines Bettes saß. „Weißt du, ich habe extrem Schiss davor, mich mit Joey zu duellieren.“ Der Geist bettete seine Hände im Schoß und bestaunte die Skyline der Stadt. Zum ersten Mal schien auch der sonst so wortgewandte Ägypter nicht gleich eine Antwort zu finden. Das Argument, Joey habe sich schließlich im Königreich der Duellanten mit Yugi duelliert, zählte nicht. Ich war nicht Yugi, wir waren nicht nur Freunde, sondern ein Paar. Außerdem war Joey zu dem Zeitpunkt noch nicht so geistig instabil gewesen wie heute. „Würdest du aufgeben, wenn du Joey im Finale gegenüberstündest?“ Ich hatte lange über diese Frage nachgedacht. Konnte ich mir das überhaupt leisten? Würde es Joey nicht enttäuschen, wenn ich nicht mit voller Kraft kämpfte? Mein Freund wollte keine Almosen. Er war stark, tief in seinem Inneren, stärker als ich. „Nein“, antwortete ich entschlossen. „Warum zögerst du dann noch?“ Ich zögerte, weil mir dieser Weg nicht richtig erschien. Wenn Kaibas Worte nicht bloße Lügen waren, dann konnte ich mit einem Sieg Joeys Geist komplett zerstören. Ra und der Milleniumsring, dazu noch eine Niederlage im Duell, er würde sich von mir abwenden. Seine ganze Existenz war an drei Personen geklammert, und die, die er am meisten liebte, versetzte ihm den Gnadenstoß. Das war einfach nicht fair. „Du glaubst nicht, dass Joey dieser Aufgabe gewachsen ist?“ Ich schüttelte den Kopf und blinzelte einige Tränen weg. Damals in der VR hatte ich schon geglaubt ihn verloren zu haben, doch dieses Mal, da war es nicht ein eifersüchtiges Mädchen, das ihn aus der Fassung brachte, sondern ich. Mein Gefühl sagte mir, dass ein Duell mit Joey unvermeidlich war. Egal wie dieses ausging, einer von uns würde enttäuscht sein. „Du vergisst, dass Joey in der Lage war, sogar Ras Angriff zu widerstehen.“ Da war natürlich etwas dran. Yugi hatte gemeint, dass keiner damit gerechnet hatte, nicht einmal Kaiba. Dem direkten Angriff eines Gottes zu widerstehen, war schon eine Leistung für sich. Den Sieg dabei auch noch um Haaresbreite nicht zu erringen – der Wille meines Freundes war, trotz der schlimmen Erlebnisse in seiner Vergangenheit, nicht zu brechen gewesen. „Glaube ein wenig mehr an Joey. Er besitzt nicht nur einen starken Willen, sondern auch ein aufrichtiges Herz. In den Duellen, die er bisher ausgefochten hat, gewann er stets durch diese beiden Dinge die Oberhand.“ Mahad lächelte mir aufmunternd zu. Seltsamerweise beruhigten mich die Worte des Geistes. Yugi hatte diesen schweren Schritt bereits mehrmals getan: Im Königreich der Duellanten, dann, als Joey besessen war und im Finale, als ihn Marik ins Reich der Schatten verbannt hatte. Mein bester Freund hatte damals nicht gezögert. Warum also sollte ich es tun? „Diese Einstellung gefällt mir schon eher.“ Wir würden einfach unser Bestes geben. Dieses Kartenspiel hatte aus Joey mehr herausgekitzelt, als Schule und Freunde über Jahre. Er kämpfte für seine Lieben, zu denen nun auch ich zählte, und er glaubte an sich. Trotz dem Terror zuhause, den ärmlichen Verhältnissen, seinen Schwierigkeiten in der Schule, hatte Joey nie aufgegeben. „Weißt du, Mahad, ich glaube allmählich, dass Joey eine dieser Karten verdient hätte, nicht ich.“ Der Geist lachte leise: „Es geht nicht darum, wer sie verdient, sondern wer dazu auserkoren ist, sie zu führen. Joey wäre sicher prädestiniert dafür, aber sie wird in unseren Händen besser aufgehoben sein. Zumal du dir noch nie eine essentielle Frage gestellt hast.“ Ich blinzelte mein Gegenüber verwirrt an. Welche Frage denn? „Was, wenn du mit Joey im Finale stehst? Glaubst du, ihr ergänzt euch so gut wie du dich mit Kaiba oder Yugi?“ Würden wir das? Konnte ich mich wirklich auf Joey verlassen? Gerade, wenn so viel davon abhing? Unweigerlich lächelte ich: Natürlich. Auch wenn seine Spielweise manchmal chaotisch wirkte und mit Glück zu tun hatte, so war er ein verlässlicher Duellpartner. „Nein“, korrigierte ich mich geistig – er war meine große Liebe. Mein Freund besaß eine Willenskraft, die sogar jene von Yugi in den Schatten stellte. Mit ihm an meiner Seite konnte ich sowieso nicht verlieren. „Wie ich sehe, hast du sie beantwortet.“ Mahad verblasste und ließ mich im Hotelzimmer alleine. Der Morgen konnte kommen, genauso wie das Duell und auch die Abstimmung. Warum hatte ich überhaupt gezweifelt? Lächelnd dachte ich an Joey, Yugi, Tea, Duke, Mokuba, Tristan – mit solchen Freunden, da konnte gar nichts schief gehen. Dazu hielt Kaiba noch seine Hand über mich; ich würde es ihm nicht leicht machen im Finale und ich würde den Pharao bei der Erfüllung seines Schicksals unterstützen. Zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich stark, auch ohne Mahad. Ich ballte die Faust und betrachtete mich im Spiegel gegenüber vom Bett. Da war es wieder, das Feuer in meinen Augen, wie ich es schon bei Yugi und Kaiba beobachten durfte, wenn sie sich duellierten. Ich war nicht zu schwach um in dieser Liga mitzuspielen; ich tat es längst. „Freunde“, sagte ich laut und nahm mein Deck in die Hand. Das Herz der Karten würde mich nicht im Stich lassen, genauso wenig wie meine Freunde. Was auch passiert, nur der Beste gewinnt, doch wir würden immer Freunde bleiben. Nichts konnte unsere Clique auseinanderbringen. Nichts konnte mich von Joey noch einmal trennen. Ich werde diese Götterkarte in die Finger bekommen und sie dazu nutzen, um Yugi zu pushen. Wir werden diese Raritätenjäger endgültig besiegen und für Ruhe sorgen. Ich würde mit Joey glücklich sein, und das für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)