Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 73: Eine persönliche Note --------------------------------- Um punkt 17 Uhr fand ich mich in Kaibas privatem Büro ein. Ich hatte den Raum bereits ein paar Mal betreten, doch heute bot er überhaupt nicht das gewohnte Bild, dass ich sonst davon kannte. Der Schreibtisch war übersäht mit dutzenden Schrauben, Metallteilen, Hülsen, Verpackungsmaterial – es wirkte unordentlich, und ich kannte Kaibas Perfektionswahn. Normalerweise konnte man von der Tischplatte essen, und würde dabei noch immer nicht irgendein wichtiges Dokument versauen. Der CEO selbst saß in seinem Bürostuhl und baute an irgendetwas. Kaiba hatte mich noch nicht bemerkt, was mich noch mehr verwunderte. Er schien wirklich in seine Arbeit vertieft zu sein. Jeder einzelne Handgriff saß. Wenigstens sein Werkzeug, bestehend aus Schraubenziehern, Klebstoffen und Pinzetten hatte er in gewohnter Manier griffbereit: Geordnet vom Kleinsten zum Größten. Ich räusperte mich, was Kaiba aufsehen ließ. Die braune Mähne gab endlich das blasse Gesicht preis. Seine eisblauen Augen musterten mich einen Moment, dann bedeutete er mir, mich zu setzen. „Willst du einen Drink?“ Seine Tonlage war wie üblich, abwertend und distanziert, woran ich mich mittlerweile aber gewöhnt hatte. Seinen Mitarbeitern gegenüber verhielt er sich deutlich anders, noch schlimmer. „Wenn du auch einen trinkst?“ Kaiba stand auf, ging zu einer der Glasvitrinen und zog einen Flacon und zwei Kristallgläser heraus, in die er den Scotch hineinfließen ließ. Er stellte mir mein Glas direkt vor die Nase, setzte sich und lehnte sich dabei im Stuhl zurück um an seinem Getränk zu nippen. Ich tat es dem CEO gleich und lobte im Stillen wieder einmal Kaibas exzellenten Geschmack. Wahrscheinlich hatte der Tropfen ein kleines Vermögen gekostet, doch er war es wert. „Also, warum hast du mich heute zu dir gebeten?“ Ich versuchte aus dem Blick meines Gegenüber zu erkenne, was er denn von mir wollte. Den Gefallen tat mir der CEO aber nicht, im Gegenteil, er musterte mich schweigend, schien mich fast zu röntgen. „Das Battle City Turnier steht bald an, und du musst noch dementsprechend ausgerüstet werden.“ Ich schrägte den Kopf und warf Kaiba einen fragenden Blick zu. Ausgerüstet? Warum? Ich meine, eine Duel Disk würde er wohl für mich haben, und mehr brauchte ich nicht. Mein Deck war in meinen Augen recht stark, und würde sicher genügen, um zumindest ins Viertelfinale zu kommen. Mehr konnte mein Sponsor schließlich auch nicht von mir wollen. „Es wird in diesem Turnier genügend Duellanten geben, die alle die neueste Duel Disk der Kaiba Corporation testen dürfen. Das Ganze hat auch einige logistische Gründe, mit denen ich dich nicht weiter behelligen werde. Jedenfalls gibt es nur einige, wenige Teilnehmer, denen es vergönnt sein wird, eine Spezialanfertigung tragen zu dürfen. Genauer gesagt, meine Wenigkeit, Yugi und dich.“ Spezialanfertigung. Mein Blick wanderte über das Chaos auf dem Schreibtisch, und dann wurde mir klar, woran Kaiba da baute. Jetzt ergab auch alles einen Sinn, mehr noch: Ich konnte erkennen, dass die Unordnung einem bestimmten Muster zu folgen schien. Nicht einmal hier war es dem CEO möglich, seine perfektionistische Marotte abzulegen. „Kaiba, ich bin mit einer normalen Duel Disk vollends zufrieden. Wahrscheinlich könnte ich mir nicht einmal eine Neue leisten.“ Der Braunhaarige gebot mir mit seiner Hand zu schweigen. „Ich habe bereits alles vorbereitet, und ich dulde keine Widerrede.“ Kaiba griff nach einem Schnellhefter, den er mir aushändigte und nippte wieder an seinem Glas. Während ich die Mappe durchblätterte fuhr er fort: „Yugi trägt eine im Stil des Schwarzen Magiers, meine Version erinnert an den Weißen Drachen mit Eiskaltem Blick, für dich habe ich ein Konzept entworfen, dass an den Schwarzen Rotaugendrachen angelehnt ist.“ Damit hatte er maßlos untertrieben. Die Duel Disk war wunderschön. Die Kartenspielfläche erinnerte an einen Flügel meines Lieblingsmonsters. Die Halterung für das Deck deutete den Schädel des Rotaugendrachens an. In den Kopf war die Lebenspunkteanzeige eingelassen worden. Ich war natürlich begeistert von dem Entwurf, doch ich verstand das Warum dahinter nicht. Das fragte ich Kaiba dann auch. „Ich meine, Kaiba, die Duel Disk ist wunderschön. Aber das kann ich nicht annehmen.“ In mir nagten außerdem ein wenig Schuldgefühle, ob meiner Zusage an Yugi, im Finale mit ihm gemeinsam zu kämpfen, sollte es denn wirklich ein Doppel werden. „Natürlich kannst du. Ich sponsere dich, und du bist Mokubas bester Freund. Jemand, der so sehr mit der Kaiba Corporation in Verbindung gebracht wird, kann nicht wie die gewöhnlichen Straßenduellanten herumlaufen. Außerdem erhoffe ich mir, dass so die Raritätenjäger auf uns aufmerksam werden.“ Ich spuckte beinahe den Whisky aus, als Kaiba seinen letzten Satz tätigte. Bitte was? Die Raritätenjäger? Auf mich? Warum? Ich hatte ehrlich gesagt wenig Lust, mich mit dieser Bande an Irren, sofern es sich um die gleiche Vereinigung handelte, die Yugi und Joey mir einmal beschrieben hatten, anzulegen. „Tu nicht so. Die Raritätenjäger sind das einzig Interessante am Battle City Turnier.“ Kaiba nippte wieder an seinem Glas und rutschte wieder an den Schreibtisch heran. Irgendetwas schien ihm unter den Nägeln zu brennen – würde er jetzt das große Geheimnis lüften, warum er mich denn so dringend brauchte? „Ich nehme an, Yugi und Wheeler haben dir bereits von den Raritätenjägern erzählt?“ Kaiba stellte sein Glas ab, griff nach einem Maßband und bedeutete mir, meinen Arm auszustrecken. Was sollte das nun wieder werden? „Das ist doch der Haufen, der Duellanten überfällt, um sich ihre seltenen Karten anzueignen?“ Kaiba nickte, während er meinen ausgestreckten Arm abmaß. „Ja. Sie sind eine echte Plage, zeitgleich aber auch ein ziemlicher Segen.“ Das war ja wieder einmal eine brillante, nichtssagende Antwort. „Ich habe aber ehrlich gesagt keinen Bock, ihnen meine Karten auszuhändigen.“ Der CEO machte einen abfälligen Laut. „Als ob auch nur einer von denen eine Ahnung vom Duellieren hätte. Meist kämpfen sie hinterrücks an abgeschiedenen Orten. Ich habe dieses Jahr aber das Sicherheitspersonal deutlich verstärken lassen. Außerdem ist die gesamte Stadt satellitenüberwacht.“ „Was ist dann an den Raritätenjägern so interessant, dass du sie unbedingt wieder hier haben willst? Ich meine, so wie du von ihnen sprichst, scheinen sie vorwiegend Ärger zu machen.“ Kaiba rollte das Maßband wieder auf, notierte sich die Zahlen und griff dann wieder zu seinem Glas, das er ein wenig schwenkte. Er wirkte euphorisch, geradezu energiegeladen. Jetzt würde der dicke Fisch kommen, ganz sicher. „Nun, sagen wir einmal, auch sie haben seltene Karten. An einigen, wenigen, bin ich selbst interessiert.“ Ah ja. Ich wollte Kaiba eigentlich vorschlagen, sich einfach die Boosterpacks tonnenweise zu kaufen, und dann zu schauen, ob seine Wunschkarten nicht dabei sind, aber mich beschlich eine leise Ahnung, was er denn wirklich haben wollte. Karten, die so selten waren, wie die Toon World. „Gut, aber wie soll ich dir dabei helfen?“ Der CEO hob die Mundwinkel ein wenig an, und nickte mit dem Kopf in Richtung meines Milleniumsrings. „Alleine das Ding da macht dich schon interessant genug. Irgendwie sind sie alle vernarrt in diese Teile. Aber nicht nur das, du besitzt seltene Karten, bist ein guter Duellant und laut Presse einer meiner Schützlinge.“ Ich musste mich zurückhalten, Kaiba nicht den Whiskey ins Gesicht zu schütten. War das alles nur ein Spiel gewesen, mit dem Sponsoring, der Wohnung, dem Entwickeln des Spiels? Um an irgendwelche behinderten Spielkarten zu gelangen? Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? „Bevor du dich fragst, nein, ich habe dich nicht nur deswegen gefördert. Es war an der Zeit einen dritten Rivalen zu erschaffen, damit die Duelle endlich interessanter werden. Ich und Yugi haben Duel Monsters auf einer Ebene perfektioniert, von der die Anderen nur träumen können. Es geht hier nicht mehr um den Weltmeister und den König der Spiele – wir sind das Gesicht, das Wahrzeichen für dieses Spiel geworden.“ Ich schüttelte leicht verärgert den Kopf: „Und weiter? Ich meine, das ist ja schön für euch, aber dazu braucht ihr mich nicht. Außerdem: Spielt Mokuba auch nur bei deinem Schauspiel mit?“ Tatsächlich zögerte Kaiba für den Hauch einer Sekunde mit seiner Antwort. Ich merkte es ihm an, dass er gerne gegenteilig geantwortet hätte: „Nein. Mokuba liebt dich wirklich aufrichtig. Beinahe wie mich.“ Der CEO hielt inne, bevor er fortfuhr: „An deinem ersten Tag an der Schule, hast du nicht nur den Mut bewiesen, für Wheeler einzustehen, sondern auch gewagt, mir die Stirn zu bieten. Dabei geht es nicht um den Ausgang des Duells, ich konnte dieses Feuer in dir brennen sehen, welches auch in Yugi lodert, wenn er sich duelliert. Du hast für diesen einen Moment gelebt, und daran geglaubt, die richtigen Karten zu ziehen.“ War das ein Kompliment? Aus Kaibas Mund? Die Welt musste sich gerade in die falsche Richtung drehen. Wirklich? Im Ernst? Der Seto Kaiba hatte mir ein Lob ausgesprochen? Hier war sicher irgendwo eine versteckte Kamera, die alles aufzeichnete, um mich dann irgendwie zu blamieren. „Es gab einige Erfahrungen in letzter Zeit, unabhängig von dir, die zumindest meine Einstellung zu Yugis Mummenschatz bezüglich des Glaubens an die Karten ein wenig in Frage gestellt haben. Jedenfalls glaube ich, in dir einen weiteren Rivalen gefunden zu haben. Ein roher Diamant, den es zu formen gilt. Mit mir und Yugi als Lehrer kann es sein, dass du ein ernstzunehmender Gegner wirst.“ Wir unterhielten uns noch ein wenig über die Duel Disk, einige Formalitäten bezüglich des Turniers und Kaiba wollte auch meine Eindrücke und Ideen festhalten, um sie, nach reiflicher Überlegung natürlich, in das Battle City Turnier einfließen zu lassen. Das Finale würde wieder besonders werden, da mir Kaiba verraten hatte, er würde auf das Wunschsetting der Finalisten Rücksicht nehmen. Meine Vorlieben und Abneigungen wurden notiert, bevor er mich entließ und ich in mein Zimmer zurückging. Auf dem Bett hockend dachte ich nach und starrte dabei meinen Milleniumsring an. „In dir brennt das gleiche Feuer wie in Yugi“, gingen mir die Worte des CEO durch den Kopf. Wusste er von Yugis zweitem Ich, genauso wie von Meinem? „Er vermutet es“, meldete sich Mahad lächelnd zu Wort. Der Geist saß neben mir, durchsichtig, gespenstisch weiß. Mir war der Anblick mittlerweile vertraut. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wohl. Angst verspürte ich keine mehr, im Gegenteil: Es freute mich, ihn so in meiner Nähe zu wissen. „Er sucht die Göttermonster, oder?“ Meine Frage war mehr eine Feststellung, die Mahad mit einem Nicken bestätigte. „Ja. Die Sangenshin sind Kaibas größtes Begehr. Er versucht erneut, alle drei zu vereinen, um so der größte Duellant aller Zeiten zu werden. Dabei hat er nichts gelernt. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.“ „Was meinst du damit?“, fragte ich und konnte Mahads trauriges Lächeln sehen. „Der Pharao und Kaiba haben sich bereits einmal bekämpft, ähnlich wie wir und er. Einen Gott zu kontrollieren ist schwer, fast unmöglich. Alle drei kann nur der Auserwählte bändigen. Versucht es ein anderer, so wird er schwerstens bestraft.“ Ich nickte leicht. „Yugi ist der Auserwählte, oder? Er kann diese drei Monster kontrollieren, sie lenken und führen?“ Mahad wiegte den Kopf ein wenig hin und her: „Ja und Nein. Alle drei zu kontrollieren ist ihm alleine vorbehalten, doch es gibt andere, die ein Göttermonster zu bändigen vermögen. Vorwiegend hängt es mit den Milleniumsgegenständen und der Verbindung zur Vergangenheit ab. Theoretisch ist auch die Exodia ein göttliches Wesen.“ Die Exodia, mein mächtigstes Monster. Im Umkehrschluss musste das bedeuten, dass auch ich in der Lage war, eines der Göttermonster auszuspielen. „Diese Annahme ist korrekt, David.“ Ich wollte aber eigentlich keines dieser Monster besitzen. Ich hatte Geschichten von Unfällen gehört, bei der Herstellung bestimmter Karten. Yugi meinte, sie seien bösartige Wesen, die man nur mit Bedacht auf die Welt loslassen sollte, und selbst Joey hatte mir einmal anvertraut, er habe Angst, ihnen wieder zu begegnen. „Das musst du auch nicht. Es reicht, wenn wir den Raritätenjägern eines abnehmen.“ Ich blinzelte. „Eines? Du willst wirklich, dass wir uns da einmischen?“ Mahad nickte lächelnd: „Natürlich. Das ist unsere Aufgabe. Der Pharao braucht uns schließlich.“ Der Pharao. Mich brauchte Yugi, genauso wie ich Yugi brauchte. Aber irgendwie schienen unsere Geister sich auch gegenseitig zu brauchen. Vielleicht brauchte auch ich den Pharao, und Yugi Mahad? Wahrscheinlich war es so, mir jedenfalls brummte der Kopf ob dieser Gedanken. „Leg dich schlafen“, lachte der Geist und verschwand wieder im Nichts, aus dem er gekommen war. Ich beherzigte diesen Ratschlag und ging bald darauf ins Bett, wobei ich dieses Mal aber äußerst schlecht schlief. Ich träumte von einer verheerenden Dürre im alten Ägypten, und einem riesigen, gold-gelben Vogel, der dafür verantwortlich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)