Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 64: Alltag ------------------ Ich wurde von Joeys sanften Lippen geweckt, die sich an meinen Nacken schmiegten. Wohlig murmelnd drehte ich mich zu meinem Freund herum und lächelte diesem verschlafen entgegen. „Daran könnte ich mich glatt gewöhnen“, gluckste ich und spitzte die Lippen, um ihm einen zweiten Kuss abzubetteln. Schmunzelnd kam er meiner Forderung nach, nur um sich dann zu strecken und aufzustehen. „Wie spät ist es denn?“, fragte ich und streifte die Bettdecke ab. „Hm, schätze wird wohl so halb zehn, zehn sein“, antwortete der Blondschopf und schlüpfte in sein Shirt. Mir fiel erst jetzt auf, wie zerschlissen das Teil eigentlich war. „An der Altkleidersammlung vorbeigelaufen, oder wollte der Sperrmüll es einfach nicht mehr?“, sprach ich meine Gedanken laut aus, was mit einem wütenden Blick seitens Joey bestraft wurde. „Hey, das ist mein Lieblingsshirt!“, fauchte er. „Ist ja gut“, entschuldigte ich mich halbherzig und huschte ins Bad. Lieblingsshirt hin oder her, ich würde ihm beizeiten ein paar neue Sachen besorgen. Gedankenverloren fuhr ich mir über Kinn und Wange, und wollte mich gerade mit Rasierschaum eindecken, als es an der Badezimmertür klopfte. „Hm?“, brummte ich und stellte die Dose wieder auf das kleine Regal über dem Waschbecken zurück. „Du bist in den Nachrichten!“, konnte ich Joey aufgeregt durch die Zimmertür rufen hören. Bitte? „Träumst du noch, oder was ist mit dir los?“, fragte ich, als ich aufsperrte. Der Blondschopf drückte mir fast die Ausgabe der heutigen Zeitung ins Gesicht. Ich brauchte einige Momente, um zu kapieren, worauf er hinauswollte, dann schluckte ich aber laut. Da war ein Foto von mir und Kaiba. Die Überschrift ließ mir beinahe das Essen von gestern hochkommen: „Exodia-Duellant besiegt Pegasus im Alleingang – Teilnahme am örtlichen Battle City Turnier wahrscheinlich.“ „Du nimmst am Turnier teil?“, wollte Joey begeistert wissen. Welcher Trottel hatte denn diese Meldung verbreitet? Ich ignorierte meinen Freund und überflog den Artikel. Natürlich, wer sonst, außer Kaiba, konnte mich als Werbemaskottchen missbrauchen. Meine Miene verfinsterte sich. „Was ist denn das für ein Schundblatt?“, seufzte ich und ließ die Zeitung sinken. Auf einer Skala von eins bis zehn entsprach der Wahrheitsgehalt ungefähr einer drei, wenn man Angaben zu meinem Namen, Geschlecht, Alter und der derzeitigen Schule hinzuzählte. „Das ist doch total cool!“ Joey konnte mich mit seiner Euphorie nicht sonderlich anstecken. „Das ist total behindert“, korrigierte ich ihn. „Jetzt wird wahrscheinlich jeder dahergelaufene Depp ein Duell mit mir wollen. Außerdem kann ich Kaiba nicht zusammenstauchen, wenn ich hier wohne.“ Mir dämmerte bereits, ich hätte mich nie auf Mokubas Wunsch, oder besser gesagt sein Geschenk, einlassen sollen. Der goldene Käfig war zwar sicher angenehm, aber er hatte auch seine Nachteile. Spätestens bei der nächsten Werbekampagne mit dem „Exodia-Duellanten“ würde ich auszucken. „Spinnst du? Du bist jetzt eine echte Berühmtheit! Ich habe ewig gebraucht, um meinen Ruf aufzubauen!“ Ich rollte mit den Augen: „Natürlich, aber es gibt einen Unterschied – ich wollte das nie.“ Genervt warf ich Joey die Tür vor der Nase zu und machte mich ans rasieren. Was als Nächstes? Bekam ich noch eine unbekannte Freundin zugeschanzt? Vielleicht war ich ja auch mit Kaiba zusammen, und er sponserte mich deswegen? In der Schule würde mich jeder belagern, jedes Detail wissen wollen, dabei war es einfach nur Glück gewesen. „Nun, so ganz stimmt das nicht.“ Ich hätte mich vor Schreck beinahe geschnitten, als Mahads durchsichtige Gestalt im Spiegel auftauchte. „Du nicht auch noch“, murrte ich und begann mich der Bartstoppeln zu entledigen. Das amüsierte Kichern des Ägypters trug nicht unbedingt dazu bei, dass sich meine Stimmung aufhellte. „Nein, aber ich weiß, dass du nicht gerne im Rampenlicht stehst.“ Natürlich wusste er das, schließlich waren wir ja irgendwie ein und dieselbe Person. „Versuch einfach das Beste daraus zu machen. Vielleicht bekommst du ja deinen eigenen kleinen Fanclub?“ Gerade der konnte mir gestohlen bleiben. „Hast du dir nun überlegt, ob du die Toon World in dein Deck aufnehmen willst?“ Ich hielt inne. Sollte ich? Die Karte war viel zu mächtig, um sie zu benutzen. Außerdem glaubte ich, nach den ganzen Vorkommnissen der letzten Wochen, dass sich in den Karten selbst vielleicht manchmal doch ein Stück weit Leben befand. „Ich mag Cartoons eigentlich“, entgegnete ich und rasierte mich weiter. „Nun, damit hat sich die Frage wohl erledigt“, lächelte mir mein Gesprächspartner entgegen, bevor er verblasste. Nachdem ich fertig war, und mein Gesicht mit dem Handtuch abtrockente, ging ich zu meinen Sachen und kramte mein Deck hervor. Ich fächerte es auf und starrte auf meinen Preis. Wie konnte einer so lächerlich anmutenden Zeichnung so viel Macht innewohnen? Mein grummelnder Magen hielt mich von weiteren Gedankengängen ab und trieb mich, nachdem ich mich angezogen hatte, ins Esszimmer hinab. „Guten Morgen, Schlafmütze!“, trällerte es mir entgegen. Mokuba und Serenity saßen fast schon aufeinander, und vertilgten ihr Frühstück. Ich rieb mir den Nacken: „Morgen“, und setzte mich dazu um mir Cornflakes in meine Schüssel zu füllen. Woher wusste dieser Koch, oder Butler, oder wer auch immer eigentlich, worauf ich gerade Lust hatte? „Habt ihr Joey gesehen?“, fragte ich und schaufelte die erste riesige Portion in mich hinein. „Der meinte, er habe keinen Hunger“, antwortete Mokuba. Ungewöhnlich, Joey aß nämlich in der Regel auch gerne. Die ersten Sorgen keimten bereits in mir auf, und irgendwie schien mich mein Gesicht verraten zu haben, denn Serenity schüttelte nur lächelnd den Kopf: „Mach dir keinen Kopf. Ich kenne ihn ein wenig besser als du.“ Sie hatte leicht reden, andererseits aber auch Recht. „Hör mal Serenity, mir tut es leid, dass ich deinen Bruder so von dir fernhalte. Eigentlich wollte ich ja, dass ihr Zeit miteinander verbringt.“ Joeys kleine Schwester strich sich verlegen lächelnd eine Strähne aus dem Gesicht: „Das machen wir doch. Außerdem freut es mich, Joey so glücklich zu sehen.“ Gerade als ich etwas erwidern wollte, begann Mokuba die wahnwitzige Idee auszubreiten, wir könnten doch einmal gemeinsam in der VR etwas machen. „Champ - “, schmunzelte ich und schüttete mir Milch nach. „Der Ritter in der strahlenden Rüstung musst du sein, nicht ich.“ Bei meinem Kommentar wurde der kleine Kaiba dezent rot im Gesicht, was Serenity zu einem Kichern verleitete. Kaiba würde toben, wenn er erst einmal realisierte, dass zumindest Mokuba Gefallen an Joeys Schwester gefunden hatte. „Sag mal Mokuba?“, begann ich und versuchte den Kleinen so von dieser peinlichen Situation zu erlösen. „Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, zu behaupten, ich würde bei diesem Battle City Turnier teilnehmen?“ Mokubas Scham sprang sofort in Euphorie um. „Seto und ich!“ Ah ja, wenigstens wusste ich nun mit Sicherheit, wem ich für meine unfreiwillige Nominierung zu danken hatte. „Yugi und Joey machen auch mit.“ Na fein, wenigstens konnte mich jemand aus dem Turnier fegen, den ich mochte. „Du wirkst ja gar nicht so, als ob du dich freuen würdest“, stellte Serenity fest und musterte mich. „Tu ich auch nicht“, antwortete ich knapp. „Lass mich raten, Joey berät sich mit Yugi, oder?“ Sie biss sich auf die Lippen, was für mich Antwort genug war. „Ja genau, denn das Finale wird ein Teamduell sein!“, platzte es aus Mokuba heraus. Ich verschluckte mich an meinen Flakes und hustete lautstark. Nicht schon wieder so eine Schnapsidee. Röchelnd klopfte ich mir mit der Faust auf die Brust. „Du wirst mit Seto gegen Yugi und Joey antreten, sofern ihr es ins Finale schafft, aber das ist ziemlich sicher.“ Natürlich war es ziemlich sicher. Wahrscheinlich würde Kaiba jeden meiner Gegner bei einem drohenden Sieg daran erinnern, dass er ihn sowohl wirtschaftlich, als auch gesellschaftlich ruinieren konnte. Der restliche Morgen verlief recht ereignislos. Ich ließ mich schlussendlich doch zu einer Runde VR hinreißen, wobei natürlich Mokuba den Vortritt bekam, um Serenity zu beeindrucken. Innerlich musste ich ein wenig schmunzeln, als ich die beiden so betrachtete. Waren Joey und ich genauso? Der hatte mir einfach eine Nachricht geschrieben, er sei beschäftigt, und ich solle mit dem Schlafen nicht auf ihn warten. „Blödmann“, war meine knappe Antwort, versehen mit einem Zwinkersmiley. Nachmittags drehte ich eine Runde durch Kaibas imposanten Garten. Ich fand das Ganze zwar ein wenig kitschig, mit Heckenlabyrinth, weißem Kies und Skulpturen, die natürlich alle Weiße Drachen darstellten. Auch wenn das Ganze nicht meinen Geschmack traf, so musste ich doch dem Gärtner ein stilles Kompliment zukommen lassen. Wie man die Pflanzen auch über den Winter hinweg so kultivieren konnte war mir schleierhaft. Vielleicht konnte ich mir ja ein paar Tipps holen, und diese an meine Großmutter weiterleiten, die ihren kleinen Garten mit viel Liebe pflegte. Nach der Dusche folgte das Abendessen, wobei ich dieses Mal nur von einem äußerst steif wirkenden Butler beobachtet wurde. Serenity und Mokuba zogen es vor, in seinem Zimmer zu essen, und Joey war noch immer nicht aufgetaucht. Der Hausherr hatte länger in der Firma zu tun und so blieb wohl nur ich übrig, den man mit Schweigen beglücken konnte. Ich bedankte mich für das Essen, verbeugte mich höflich, und zog mich dann in mein Zimmer zurück. „Kommst du überhaupt mal wieder?“, schrieb ich Joey, und pflanzte mich in mein Bett. Mir war ehrlich gesagt ein wenig langweilig. Im Fernsehen lief nichts, und die kleinen Turteltauben wollte ich nicht stören. „Heute wahrscheinlich nicht mehr, schlafe bei Yugi.“ Ich ertappte mich dabei, wie ein Lächeln auf meine Lippen huschte. Joeys Hingabe, wenn ihn einmal etwas fesselte, sie war irgendwie süß. „Ist gut. Träum fein und grüß Yugi von mir.“ Als ich das Handy weglegte, fiel mir etwas ein. Ich kramte in meinen Sachen und wurde bald fündig: Der Brief von Pegasus. Mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu öffnete ich ihn. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht, ihn handschriftlich zu verfassen. Auch wenn ich ihn noch immer nicht mochte, so war sein Schriftbild wunderschön, nicht zu vergleichen mit meiner Sauklaue. „Lieber David, wenn du diese Zeilen liest, wird sich dein Großvater wahrscheinlich bereits in Therapie befinden, beziehungsweise betreut werden. Ich halte mein Wort. Die Maßnahmen sind vielversprechend, und wir haben bereits teilweise halbseitig gelähmte Patienten heilen können. Ich bin zuversichtlich, dass wir solche Erfolge auch bei deinem Großvater erzielen werden. Mein eigentliches Anliegen ist aber ein anderes. Du hast mir eine sehr liebgewonnene Karte, einen teuren Schatz, abgenommen. Niemand spielt mit Maximilien Pegasus, und eigentlich war ich versucht, mich an dir zu rächen. Stattdessen habe ich eine Bitte an dich: Verwahre sie gut, und denke an die Erinnerungen, die wir beide damit verbinden. Wenn die Zeit reif ist, kehrt sie vielleicht zu mir zurück, oder Funny Bunny bringt sie höchst selbst. Ich beobachte dich. Pegasus“ Seufzend legte ich den Brief beiseite. Was sollte ich von dieser Nachricht wieder halten? Ich hatte mit Drohungen, Beschimpfungen und was weiß ich gerechnet. Stattdessen war er sogar einigermaßen nett gewesen, mal abgesehen vom letzten Satz. Darüber wollte ich mir aber keinen Kopf machen, zumindest derzeit nicht. Ich griff nach der Fernbedienung und zappte durch das Programm. Tatsächlich wurde ich fündig: Es lief ein Anime aus meiner Kindheit. Lächelnd ließ ich mich ins Kissen sinken. Dieser Tage würde ich einmal bei meinen Großeltern anrufen, und mich erkundigen, wie es ihnen ging. Zumindest dabei hatte ich kein schlechtes Gefühl, warum auch immer. Pegasus schien wirklich Wort zu halten. „Funny Bunny“, murmelte ich, und dämmerte schmunzelnd weg. Was für ein Kindskopf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)