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Ein Austausch mit Folgen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal ein sehr dialoglastiges Kapitel, welches durch eine ganze Reihe von Fragen und deren Beantwortung geprägt ist.

Damit ist das Kapitel "Königreich der Duellanten", für die Weihnachtszeit, abgeschlossen.

Trotz fehlender Action hoffe ich, dass euch dieses eher gemäßigte Kapitel, nach den aufregenden Vorläufern, zusagt, und gefällt.

Einen schönen Start in die neue Woche - wobei wir es ja schon Dienstag haben. ;D Komplett anzeigen

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Klarheit

Ich legte das Bild hastig beiseite, in Erwartung, Pegasus´ Preis zu erhalten. Stattdessen stand ein ziemlich aufgelöst wirkender Mokuba in der Tür. „Störe ich?“, wollte er leise wissen. Ich schüttelte den Kopf und klopfte neben mir einladend aufs Bett. „Du störst niemals.“ Der kleine Kaiba drückte die Tür hinter sich zu und setzte sich neben mich.
 

Was sollte ich sagen? War es angebracht, überhaupt etwas zu sagen? Ihn zu fragen, warum er so aufgelöst war? „Höre auf dein Herz“, ermutigte mich Mahad sanft. „Es tut mir leid“, begann ich leise, was Mokuba dazu bewegte, aufzuschauen. „Du hast dir Sorgen gemacht, oder?“ Ein zaghaftes Nicken seitens meines kleinen Gefährten bestätigte meine Vermutung. „Lass dich nicht verunsichern“, fuhr ich nach einer Weile des Schweigens fort. „Ich glaube nicht, dass Pegasus komplett Recht mit seinen Worten hatte.“ Der Schwarzhaarige senkte wieder den Blick und starrte auf seine Knie.
 

Ich rückte ein wenig näher an Mokuba heran, um ihn zu umarmen. Der Kleine schmiegte sich an mich, krallte sich fast schon krampfhaft an mir fest. „M-Mach sowas nie wieder“, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in meinem Pulli. Sanft strich ich ihm durch die ungebändigte Haarmähne. Im Nachhinein war es heller Wahnsinn gewesen, sich auf dieses Duell einzulassen. Es ist so viel auf dem Spiel gestanden, und ein klitzekleiner, zusätzlicher Fehler hätte mich ins Verderben stürzen können.

„Du denkst über meine vorigen Worte nach, oder?“, fragte mich Mahad, während ich Mokuba tröstete. „Ja, das tue ich.“ Mein Blick ruhte auf dem Jungen, der mich als seinen großen Bruder ansah, und den ich genauso akzeptierte und liebte, wie er mich. „Ich weigere mich zu glauben, dass dieser sonst fröhliche, aufgeweckte, emotionale Junge, nur ein Gefäß sein soll. Eine Hülle, die man wie einen leeren Sack mit den positiven Eigenschaften Kaibas befüllt hat.“ Mahads Glucksen brachte mich aus der Fassung. „Selbst, wenn dem so sein sollte, so ist er es nicht für dich, oder?“ Nein, das war er wirklich nicht. Ich hatte ihn von Herzen gern, und mir tat es in der Seele weh, ihn leiden zu sehen.
 

„Mokuba“, sagte ich leise und schob ihn sanft von meiner Brust, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte. „Du bist für mich, gemeinsam mit Joey und meinen Großeltern der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich habe dich sehr lieb, aber ich werde nie diese Bindung zu dir haben, wie Seto sie hat. Er ist erwachsener, reifer, besitzt mehr Einfluss und Geld als ich, und er kann dich auch besser beschützen. Ich möchte nicht zwischen dir und deinem Bruder stehen.“ Mokubas Finger krallten sich erneut in meinen Pulli und er schüttelte heftig den Kopf: „Niemand wird sich zwischen Seto und mich drängen, auch du nicht. Du stehst aber neben Seto, denn du bist mein zweiter großer Bruder. Mit dir kann ich zocken, über die Schule reden, meine Freunde. Das sind zwei verschiedene Dinge.“
 

Mokubas Worte ließen mein Herz ganz ein bisschen schneller schlagen. Sie berührten mich, und ich war mir klar, dass ich den Kleinen nicht mehr missen wollte. Ich wollte aber auch nicht, dass sein Verhältnis zu Kaiba durch meine Nähe litt. „Ich weiß, aber was, wenn Pegasus doch Recht hat? Was, wenn dein Bruder wirklich eifersüchtig ist? Ich möchte nicht noch mehr mit ihm aneinandergeraten als ohnehin schon.“ Mit Mühe konnte ich ein verzweifeltes Seufzen unterdrücken. Warum musste alles in meinem Leben so verflucht kompliziert sein. Außerdem hatte ich mich gerade als Lügner enttarnt: Vorhin hatte ich noch gesagt, er hätte nicht Recht gehabt.
 

„Ein Teil von ihm respektiert dich“, sagte Mokuba plötzlich. „Ich weiß es. Seitdem du da bist, verhält er sich anders. Er zögert, wenn auch nur für ganz wenige Augenblicke, seinen Kurs weiterzuverfolgen. Du und Yugi, ihr beide seid ihm wichtig.“ Ich lächelte schmal. Der Geist sah, was er sehen wollte. „Du glaubst mir nicht, oder?“, bohrte der Kleine nach. Ich hätte lügen müssen, wenn ich ihm widersprochen hätte. „Du verstehst ihn, genauso wie es Yugi tut. Ihr alle drei hängt an eurer einen Karte, nicht nur, weil sie selten ist. Nach eurem Duell am Schulhof war er zum ersten Mal seit Langem durch den Wind. Er hat nur von dir geredet, und das Duell analysiert. Jeden einzelnen deiner Züge, und sich gefragt, wie es sein konnte, dass du so fest daran glaubtest, mit deinem Rotaugendrachen seinem Weißen Drachen gewachsen zu sein.“
 

Hatte ich also doch Recht gehabt? Hatte er mich deshalb im Krankenhaus besucht? Weil er einen Gleichgesinnten suchte? War Seto Kaiba wirklich alleine? Brauchte er überhaupt jemanden in seiner Nähe? Er war ein Einzelgänger, ein Workaholic, und dazu noch äußerst gefühlskalt, aber er konnte auch anders. Hatte er nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Joey zu retten, mich zu retten? Warum hatte er mich in sein Team geholt? Mir ein relativ gutes Leben ermöglicht, mit Aussicht auf mehr? Meine Ideen aufgenommen? Warum wollte er unbedingt, dass ich mit ihm spielte, und nicht Yugi? Hatte er mich im Duell nicht gedeckt, beschützt?
 

„Mokuba, ich…“, begann ich, wurde aber sogleich unterbrochen. „Seto mag zwar kompliziert sein, und seine Entscheidungen sind oft sehr rational, aber tief in seinem Inneren besitzt er ein gutes Herz, einen weichen Kern. Auch wenn Pegasus Recht haben mag, so kämpft noch immer der andere Teil in ihm, der Gute, der Seto von damals, mit dem Seto, den ihr alle kennt. Manchmal blitzt seine weiche Seite durch – seitdem Yugi und du in seiner Nähe sind, öfter als sonst.“ Der Gute. Kaiba besaß etwas Gutes, tief in seinem Inneren. Folglich konnte Mokuba gar nicht ein Teil von ihm sein, nicht so. „Denk doch einmal nach: Warum wohl hat er Joey und Serenity bei uns unterkommen lassen? Dein Gästezimmer ist immer vorbereitet, er hat es sogar verändert.“ Hatte er das?
 

„Wenn er dich nicht zumindest ein kleines bisschen mögen würde, dann hätte er mir meinen Weihnachtswunsch nicht erfüllt.“ Welchen Weihnachtswunsch? Gerade als ich danach fragen wollte, ging die Tür erneut auf. Wenn man vom Teufel spricht – Kaiba wirkte ziemlich angespannt. Seine eisblauen Augen fixierten zuerst Mokuba, dann mich. Trotzdem war seine Stimme außerordentlich ruhig und beherrscht, als er sprach: „Warum hast du nicht den Weißen Drachen an dich genommen, wie vereinbart?“ Ich zögerte; die Wahrheit würde er sicher nicht gelten lassen. „Versuche es doch“, ermutigte mich Mahad zum zweiten Mal, nicht zu zögern.
 

„Weil er dir gehören sollte, nicht mir. Ich möchte ihn nicht in meinem Deck haben. Er ist dein Markenzeichen, dein Monster. Jeder verbindet mit dem Weißen Drachen mit Eiskaltem Blick dich, dich und dein Unternehmen. Niemand außer dir hat es verdient, diese Karte zu besitzen. Außerdem wird Pegasus ihn sicher nicht hergeben. Dafür ist die Karte zu kostbar.“ Kaiba versah mich mit einem äußerst komischen Blick. Ich hätte schwören können, seine Augen funkelten ein wenig bei meinen Worten. „Sie gehören zu dir, genauso wie es meine Karten, mein Rotauge und die Exodia, bei mir tun.“
 

Wir schwiegen uns eine Weile an, bis Mokuba endlich die Stille durchbrach. „Seto, du weißt, dass David es ehrlich meint. Er wollte deinen Weißen Drachen nie gewinnen, und dir auch nie deinen Platz streitig machen.“ Seltsamerweise entspannte sich Kaiba nach den Worten seines Bruders ein wenig. „Weißt du, was du getan hast? Pegasus seine Lieblingskarte zu nehmen ist äußerst gefährlich.“ Ich nickte leicht; das Risiko war mir durchaus bewusst. „Ja, aber ich hoffe dadurch endlich Ruhe zu haben. Niemand wird mich willkürlich herausfordern, mit dieser Karte im Deck, wie dich. Außerdem habe ich meine Freunde, Mokuba und dich. Zumindest Yugi und dich fürchtet er.“ Kaiba hob bei meinen Worten die rechte Braue und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Wie kommst du darauf, dass ich auf dich aufpassen würde?“, fragte er in seiner typisch abfälligen Manier. „Weil ich es hoffe“, antwortete ich leise und zog mein Deck aus der Hosentasche. Ich drehte es um und strich mit dem Daumen über das Cover meines Schwarzen Rotaugendrachens.
 

„Wir waren ein recht gutes Team, oder? Pegasus meinte zu mir, normalerweise würdest du alleine spielen, und nicht auf deinen Teampartner achten. Du hast es auch nicht nötig, denn du alleine spielst brillant. Ich war dir ein Hindernis, und trotzdem hast du auf mich aufgepasst, mich beruhigt.“ Als ich die Worte aussprach, wurde mir erst klar, wie sehr Mokuba Recht hatte. Auch wenn Kaiba es nie zugeben würde: Im Grunde war er ein guter Mensch. „Alles zum Wohle der Kaiba Corp“, entgegnete er, klang dabei aber nicht ganz so überzeugt wie sonst. Es war nur ein Hauch, eine kleine Nuance, die sich in seinen Tonfall gemischt hatte, der mich an seinen Worten zweifeln ließ. „Macht euch fertig, wir fliegen heim“, war das Letzte, was er sagte, bevor der CEO in seinem Zimmer verschwand.
 

„Du lächelst“, stellte Mokuba zufrieden fest. Tatsächlich: Ich lächelte. Irgendetwas war nun anders zwischen Kaiba und mir, das spürte ich. Wir würden uns sicher noch öfter in die Haare kriegen, vor allem wegen Joey, doch jeder von uns wusste, dass der andere ihn ein wenig brauchte. Ich, weil er Mokubas Bruder war, und wir einst Freunde gewesen sind, er, weil ich ihn wahrscheinlich an etwas erinnerte, das er schon lange suchte und vermisste. „Was hast du dir nun eigentlich von deinem Bruder gewünscht?“, fragte ich Mokuba, der nur grinste. „Das siehst du zuhause.“
 

Wir packten unsere Sachen, als es noch einmal an der Tür klopfte. Croquet trat ein und hielt mir, fast schon demütig, eine einzelne, gut durch Plastik geschützte Karte, auf purpurnem Samt entgegen. Ein Brief war beigelegt, den eine sehr feine, elegante Handschrift zierte. „Für David Pirchner“, stand auf dem Kuvert. Tatsächlich – Pegasus hielt sein Wort. „Pegasus hat bereits alles in die Wege geleitet. Ihr Großvater wird im Laufe der nächsten Woche in eine Spezialklinik in die Schweiz überführt werden. Es wird ihm an nichts fehlen. Ihre Großmutter ist herzlich eingeladen, ihn zu begleiten.“
 

Plötzlich zögerte ich, meinen Preis entgegenzunehmen. War es nicht gemein, Pegasus´ Herzblut an mich zu nehmen. „Ich bin ausdrücklich angewiesen worden, Ihnen die Karte zu überreichen. Den Brief sollen Sie aber erst bitte zuhause öffnen.“ Ich schluckte laut und nahm beides entgegen. „Richten Sie Pegasus meinen Dank aus.“ Croquet verneigte sich und ließ uns dann wieder alleine. Nachdenklich starrte ich auf die Karte, die nun mein war. Wollte ich sie überhaupt benutzen? Das Vibrieren meines Handys ließ mich aufschauen. Joey hatte mir geschrieben, wann wir denn endlich kommen würden. Lächelnd verstaute ich meine letzten Sachen und verließ mit Mokuba dann das Zimmer. Ein letztes Mal besah ich mir Pegasus´ Schloss aus dem Fenster von Kaibas Jet heraus und schloss nachdenklich, aber seltsam beruhigt, dieses Kapitel für mich ab.



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