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Ein Austausch mit Folgen

von

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Aussprache

Ich wurde erst am späten Vormittag wach. Schlaftrunken griff ich neben mich. Die Bettseite war leer. Wo war Joey? War er abgehauen? War alles nur ein Traum gewesen? Eilig stand ich auf und atmete erleichtert durch, als ich das Klirren von Geschirr in der Küche hören konnte. Leise stöhnend ließ ich mich wieder ins Bett sinken. Mir brummte der Schädel. Das hatte ich meinem Freund zu verdanken. Ich presste die Augen zusammen und massierte mir die Schläfen. In meiner Nachttischschublade befand sich ein Fläschchen mit Pfefferminzöl, welches ich mir an die Stirn schmierte. Davon sollten die Kopfschmerzen verschwinden. Brummend machte ich mich in Richtung Wohnzimmer auf, aus dem es herrlich duftete.
 

Joey stand in der Küche und briet, dem Geruch nach zu urteilen, gerade Spiegeleier mit Speck an. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte einen mittelschweren Kater ausgefasst – fettiges Essen war jetzt genau das, worauf ich Lust hatte. Neben der Mahlzeit war es vor allem der Blonde, welcher meine Aufmerksamkeit verdiente. Er trug noch immer das gleiche T-Shirt und die Trainingshose von gestern. Beim Kochen wirkte er äußerst vertieft. Müde und gähnend nahm ich auf einem der Stühle rund um meinen Esstisch Platz, und stützte meinen linken Fuß an der Sitzkante eines weiteren Sessels ab. Das musste Joey auf den Plan gerufen haben, denn dieser drehte sich um.
 

„Guten Morgen, Schlafmütze!“ Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen drehte er die Speckstreifen in der Pfanne herum. Meine Miene war leicht säuerlich.
 

„Hättest du weniger reingemischt, würde ich nicht mit Kopfschmerzen hier sitzen.“ Es war in der Tat ein wenig unnötig gewesen, aber ich konnte ihm nicht böse sein. Warum auch? Er hatte eindeutig Schiss gehabt, und er war mutig genug gewesen, es zumindest zu versuchen.
 

„Mh, hättest du besser aufgepasst, wäre das auch nicht passiert. Ich musste sichergehen, dass du wirklich total ausfällst. Dafür siehst du noch gut aus. Außerdem mache ich es wieder gut. Versprochen.“ Joey schob mir einen Teller bestehend aus mehreren Speckstreifen, drei Spiegeleiern und geröstetem Brot unter die Nase. Dazu bekam ich noch einen Kuss auf die Wange spendiert.
 

Letzterer entschädigte mich ordentlich. Das Gefühl seiner weichen Lippen auf meiner Haut – mir pochte der Schädel noch ein wenig mehr, aber das war es wert gewesen.

Joey setzte sich auf den Stuhl neben mich und beobachtete mit einem Schmunzeln, wie ich das Frühstück in mich hineinschaufelte. Nach dem Sport, oder wenn ich blau war, konnte mein Appetit ungeahnte Dimensionen annehmen. Sogar O-Saft zauberte Joey aus dem Nichts herbei. Gierig verschlang ich das Essen und spülte es mit ordentlich Saft hinunter.
 

„Nun, deinem Essverhalten nach zu urteilen, hat es dir geschmeckt?“ Das Lächeln meines Freundes war mehr als nur breit. Ihm schien die Tatsache, dass ich wie ein Schwein gefressen hatte, durchaus zu gefallen, oder zumindest zu imponieren.
 

„Mh, ein Lob an den Koch. War wirklich gut. Wo hast du das Zeug überhaupt her? Ich hatte sicher keinen Speck zu Hause.“
 

Joey lachte leise: „Man kann auch einkaufen gehen.“
 

Ich exte das nächste Glas Orangensaft und verkniff mir ein Aufstoßen, nur um dann zu meinem Gesprächspartner zu schauen: „Erhelle mich jetzt aber einmal, ja? Warum hast du nicht früher was gesagt? Vor allem: Wann hast du denn angefangen, dich in mich zu verknallen?“ Bewusst nutzte ich nicht das L-Wort. Wenn Joey wirklich schüchtern war, wollte ich nicht zu schnell an die Sache herangehen.
 

„Mh, ganz ehrlich? Ich weiß es nicht, David. Du warst uns, mir, von Anfang an sympathisch. Wie du mir in Englisch geholfen hast, du mehr oder weniger furchtlos in die Höhle des Löwen zu Kaiba gegangen bist. Keine Ahnung.“ Bei der ganzen Ansprache hatte Joey den Kopf gesenkt.
 

„Ich weiß es eigentlich sehr genau. Als sich unsere Hände damals, als du mich vom Synchronstudio abgeholt hast, in der Chipsschüssel berührt hatten, da spürte ich so ein angenehmes Prickeln in den Fingern. Es war nur ganz flüchtig, aber intensiv. Wie du dich um mich gekümmert hast, sowohl in der Virtuellen Realität als auch draußen; etwas in meinem Kopf scheint dabei Klick gemacht zu haben. Es ist anders als früher. Ich fühle mich, denke ich, sowohl körperlich als auch geistig zu dir hingezogen.“
 

Joey errötete dezent bei meinen Worten. Er nästelte an seinen Fingern herum und vermied weiterhin jeden Blickkontakt mit mir, während er sprach: „Ist es dir nicht peinlich? Ich meine, du scheinst ja auch auf Mädchen zu stehen.“
 

Innerlich musste ich schmunzeln. Er sprach genau das aus, was ich mich insgeheim auch fragte. Es war mir nicht peinlich, auch nicht unangenehm, es war nur ein wenig anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Joey war ein liebenswerter Junge, der sich durch große Hilfsbereitschaft und Loyalität seinen Freunden gegenüber auszeichnete. Wenn er als Freund in einem beziehungstechnischen Sinne nur halb so agierte, dann konnte ich mich glücklich schätzen.
 

„Ich bin ehrlich zu dir: Ich hatte mir nicht unbedingt vorgestellt, hier jemanden für eine feste Bindung kennenzulernen, noch weniger, dass es ein Junge sein würde. Du bist der Erste, bei dem ich so fühle. Ich glaube nicht, dass es falsch sein kann, jemanden zu lieben, wenn es sich so anfühlt. Erinnerst du dich an die Nacht, in der du bei mir geschlafen hast? Nach meinem Zusammenbruch?“
 

Joey nickte vage, die Maserungen des Tisches mit den Fingern nachfahrend. Ich fand sein Verhalten süß. Einerseits wollte er etwas sagen, schien sich andererseits aber auch nicht zu trauen. Meine Erziehung war vom Grundsatz „Ehrlich währt am längsten“ gekennzeichnet. Dementsprechend verhielt ich mich auch – einigermaßen zumindest.

„Da wollte ich dich das erste Mal küssen. Wie du neben mir gelegen bist, oberkörperfrei, das hat mich beinahe um den Verstand gebracht. Du hast ein wenig im Schlaf gesabbert. Ich hätte dir stundenlang zusehen können beim Dösen.“
 

Das Gesicht meines Freundes hellte sich auf. Er war zwar noch mehr errötet, aber schien allmählich zu begreifen, dass ich genauso empfand wie er. Die Farbe im Gesicht stand ihm eigentlich ganz gut.

„Wir kennen uns aber noch nicht mal richtig zwei Monate. Vielleicht irrst du ja über mich? Eine rein körperliche Beziehung möchte ich nicht führen.“
 

„Joey… Das Gleiche könnte ich umgekehrt auch behaupten, oder? Vielleicht bin ich beziehungstechnisch eine brutale Niete? Was, wenn ich einen devoten Partner brauche, oder schnell eifersüchtig bin? Hast du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht? Vielleicht streite ich gerne, oder bin untreu?“ Ich konnte beobachten, wie sich Joeys Blick wieder senkte.
 

„Das glaube ich nicht. So hast du dich bisher nicht präsentiert. Selbst wenn, ich würde es hinnehmen, glaube ich, denn ich liebe dich.“ Mit jedem Wort war seine Stimme leiser geworden, bis sie nur mehr ein Flüstern war.
 

Ich musste unwillkürlich lächeln. Er hatte es tatsächlich gesagt: Er liebte mich. Ich war mir mittlerweile sicher, dass ich ihn genauso liebte. Meine Zweifel bezüglich der Reaktion meines Umfeldes schob ich fürs Erste beiseite. Sanft griff ich nach Joeys Hand und zog ihn auf meinen Schoß. Ich legte meine Arme um den Bauch meines Freundes und bettete mein Kinn auf seiner Schulter. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich beobachten, wie er noch ein wenig mehr errötete.
 

„Joey, niemand ist es wert, dass man alles hinnimmt. Ich habe einmal geglaubt, das perfekte Mädchen gefunden zu haben. Sie war hübsch, hatte eine süße Stimme, war ein wenig naiv, wirkte aber liebevoll und zärtlich. Außerdem war sie die Schwester meiner besten Freundin – ich war mir sicher, die Freundin der Freundinnen gefunden zu haben.“
 

Joey schmiegte sich an mich. Seine Finger streichelten über meine Handrücken während er die Augen schloss. Ich konnte mir schwer vorstellen, dass er sich voll konzentrierte, dennoch, er schein zuzuhören. So fuhr ich also fort.
 

„Dem war aber nicht so. Sie wollte mich nicht. Am Anfang schob ich es auf mein Aussehen, also begann ich zu trainieren. Dann schob ich es auf meine Art, also verbog ich mich. Das ging so weit, dass ich beinahe krank geworden bin. Kummer und Schmerz haben mich innerlich fast zerrissen. Für meine Liebe habe ich einen hohen Preis bezahlt. Zu meiner besten Freundin ist der Kontakt abgebrochen. Mein ehemaliger Freundeskreis hat sich von mir distanziert. Ohne die Leute an meiner Schule und meine Großeltern wäre ich wahrscheinlich durchgedreht. Es gab Tage, da habe ich gefleht, nicht mehr aufwachen zu müssen. Lange Rede, kurzer Sinn – versprich mir, dass, wenn du dir sicher bist, und wir es versuchen, du dich nicht verbiegst, okay? Ich liebe nämlich den Joey Wheeler, der gerade auf meinem Schoß sitzt, mit allen möglichen Ecken und Kanten.“
 

Damit beugte ich mich ein wenig nach oben und gab Joey einen Kuss auf die Wange. Meine Lippen wanderten nach oben zu seinem Ohr. Die Gänsehaut, welche er dabei bekam, zeugte davon, dass es ihm gefallen musste. Leise hauchte ich ihm zu: „Hast du zugehört? Ich liebe dich, Joey, mit Haut und Haar.“
 

Joey seufzte erleichtert, oder war es erregt? Jedenfalls entspannte er sich in meinen Armen zusehends. Er atmete eindeutig ruhiger. Mir brannten dennoch einige Fragen auf der Zunge, von denen ich zumindest eine stellen musste.
 

„Joey?“ Vorsichtig fuhr ich fort, als er leise brummte. „Wissen die anderen von deiner...Neigung?“ Mit einem Mal schlug mein Freund die Augen auf. Ich hatte wohl zu schnell gefragt, oder zu dämlich. Sein Blick wirkte fast ein wenig panisch. Eilig schüttelte er den Kopf.
 

„Nein, wissen sie nicht, und sollen sie auch nicht. Niemand soll davon erfahren.“
 

Das erstaunte mich ein wenig. Die Reaktion war heftig, in meinen Augen. Ich wollte den schönen Moment aber auch nicht zerstören. So nickte ich nur und strich Joey beruhigend über den Nacken und durch seine Haare.
 

„Okay, dann behalten wir unser Gespräch fürs Erste für uns, oder? Offiziell sind wir gute Freunde. Inoffiziell sehen wir, wie es sich entwickelt, einverstanden?“
 

Die Erleichterung stand meinem Freund ins Gesicht geschrieben. Wortlos nickte er und beruhigte sich wieder. Dass er so schreckhaft war, das erschien mir komplett abwegig. Es wollte gar nicht so richtig zu Joey passen. Die Gedanken verscheuchend, griff ich ihm umständlich unter die Kniekehlen und Achseln, und hob ihn vorsichtig hoch.
 

„He, was wird das?“ Joey klammerte sich lachend an mich, während wir die Couch ansteuerten.
 

„Gönn meinem verkaterten Körper ein wenig Pause und Ruhe, ja? So gern ich dich auch in meiner Nähe habe, mit der Zeit wirst du verdammt schwer.“ Damit lud ich einen amüsierten Joey auf dem Sofa ab, und setzte mich neben ihn. Ich blinzelte mehrmals angestrengt.
 

„Bist du müde?“ Seine Stimme klang schuldbewusst.
 

„Ein wenig, aber es geht schon. Guck ein wenig in den Fernseher, während ich ein kurzes Nickerchen mache. Wir müssen noch deinen Englischaufsatz ausarbeiten, oder?“ Ich gähnte ausgiebig und kratzte mich an der Wange. Neben uns lag eine Decke, welche ich mir überwarf. Joey beobachtete mich dabei und machte einen betretenen Eindruck.
 

„Du musst dir keine Vorwürfe machen, alles okay. Ich bin schon mit weit schlimmeren Katern aufgewacht, keine Angst. Ein bisschen Schlaf noch, und dann bin ich wieder fit!“ Meine Worte erzielten nicht die gewünschte Wirkung. Der Blondhaarige schüttelte nur leicht den Kopf.
 

„Das, das ist es nicht…ich.“ Er zögerte, den Satz zu vollenden.
 

„Hm? Was dann?“
 

Ein Blick auf seine Hände, welche unruhig auf seinen Knien herumtrippelten, ließen mich verstehen. Lächelnd legte ich meinen Kopf in seinen Schoß und drehte das Gesicht zum Fernseher hin, in meine Decke eingemummelt. Joey lächelte, eindeutig.
 

Während er durch das Programm zappte, streichelte er mir vorsichtig durch die Haare und über meinen Nacken. Ich schmiegte mich ein wenig mehr an Joey und genoss die Berührungen. Der Kopfschmerz ebbte langsam ab und ich dämmerte weg. So einen lohnenswerten Kater hatte ich noch nie gehabt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2018-12-04T18:35:20+00:00 04.12.2018 19:35
*Quitsch* das ist so süß! 🤩
Aber ob das mit offiziell so und inoffiziell so gut geht? Ich glaube ja immer nicht, dass das gut für eine Beziehung ist. Jetzt müssen sich beide vor den Freunden verstellen...


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