Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 3: Virtuelle Realität ----------------------------- Ich stand inmitten einer riesigen Arena, welche mich an das Kolosseum in Rom erinnerte. Der Boden war mit Sand bedeckt, und ein riesiges Areal wurde nur durch hohe Steinwände begrenzt, mit einer schier unendlichen Masse an Zuschauern. Diese jubelten und schrien, reckten die Hände in die Höhe, bewarfen sich mit Popcorn oder schütteten dosenweise Limo in sich hinein. Das Ganze wirkte so real, dass ich mich kurz fragte, ob ich mich wirklich in einem Spiel befand. Ich sah auf meine Hände und konnte erkennen, dass sie ungewöhnlich dunkel wirkten. Meine Arme, genauso wie meine Beine, waren von einer roten Rüstung bedeckt, und in der linken Hand hielt ich einen grünen Stab. „Cool, du hast den Schwarzen Magier gewählt! Die Ausgabe kannte ich noch gar nicht!“ Mokubas Stimme riss mich kurz aus meiner Faszination. Wo war der Kleine abgeblieben? Mir gegenüber stand ein riesiger, muskelbepackter Kerl in schillernder, silberner Rüstung. Aus seinen Armen ragten zwei Zacken hervor, ebenso wie aus seinem Helm. Das Gesicht meines vermeintlichen Mitbewerbers erinnerte mich stark an Mokuba, welcher der Karte Elementarheld Neos zum Verwechseln ähnlich sah. „Scheint so.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust, genau wie es mein Schwarzer Magier auf dem Cover meiner Karte tat und grinste schief. „Also? Wie läuft das Ganze jetzt ab?“ Mokuba grinste ebenfalls und räusperte sich: „Okay, du darfst dir jetzt aus einer virtuellen Liste an Karten drei aussuchen. Eine davon ist eine Zauberkarte, eine Fallenkarte und die Dritte eine Monsterkarte.“ Vor mir erschien ein Raster an Karten, welches sich von oben nach unten bewegte. Manche davon waren mir vertraut, andere wieder vollkommen fremd. Nachdem ich meine Auswahl getroffen hatte, verschwanden die Karten wieder. „Okay. Wir spielen zuerst einmal auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad. Unsere Avatare, also die Karten, welche wir ausgewählt haben, spielen dabei nur eine kleine Rolle. Vorwiegend geht es jetzt darum, dass wir uns auf die Rübe hauen. Du kommst schon rein. Wer als Erster keinen Lebensbalken mehr hat, der hat verloren.“ Ich wollte mich gerade noch ein wenig über die Regeln erkundigen, da stürmte Mokuba schon auf mich zu. Seine beiden Hände hatte er nahe beieinander gelegt, und ein weißer Energieball schien darin zu flimmern. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, streckte mein Kontrahent die Hände aus; der Lichtball sauste auf mich zu und traf mich in der Brust. Die Wucht des Angriffs schleuderte mich ein Stück durch die Luft. Mental bereitete ich mich schon darauf vor, auf die Schnauze zu fliegen, als meine Füße elegant den Boden berührten, und mir sicheren Stand verschafften. Ein Blick auf den virtuellen Lebensbalken über mir, zeigte an, dass ich bereits ein wenig Leben verloren hatte. „Wow, das war abgefahren. Du hast gar keinen Fallschaden genommen.“ Ich fixierte Mokuba einen kurzen Moment, bevor ich grinste. „Unfair. Ich weiß ja nicht mal, was ich machen muss.“ Elementarheld Mokuba lachte lautstark und legte die Hände wieder aneinander. „Finde es raus. Joey hat drei Spiele gebraucht, um es zu checken.“ Der nächste Energieball würde mich wieder Lebenskraft kosten, das wollte ich dieses Mal nicht zulassen. Instinktiv streckte ich meine rechte Hand aus und konzentrierte mich. Das war ein Spiel, und da mir ein Controller fehlte, musste es irgendwie anders gehen. Tatsächlich, die Umgebung wurde kurz jeglicher Farben beraubt, war nur mehr ein Mischmasch aus Schwarz und Grau, ehe das Geräusch von splitterndem Glas zu hören war. Mokubas Angriff ging haarscharf an mir vorbei, und er hatte tatsächlich Lebensenergie verloren. „Klasse! Du hast es kapiert. Es ist im Prinzip ganz einfach. Stell dir vor, wie du angreifst oder zauberst, und deine Gedanken werden umgewandelt. Pass aber auf, das Ganze kostet Energie.“ Mir fiel jetzt der zweite, blaue Balken unter der Lebensenergie auf. Meiner war fast leer, der von Mokuba ganz. „Keine Sorge, die Energie füllt sich mit der Zeit wieder auf. Deine Karten kannst du übrigens einsetzen wann du möchtest, aber nur einmal. Du musst auch nur dran denken, wie eben bei deinem Angriff. Irgendwann geht das wie von selbst.“ Damit reckte der Elementarheld Neo-Verschnitt den rechten Arm in den Himmel. Dieser verfinsterte sich, und ein Gewitter zog auf. Donnergrollen und Blitze erfüllten die Umgebung, während der Sand der Arena aufgewirbelt wurde. Ein greller Blitz fuhr auf Mokuba nieder, der Sekunden später ein riesiges Schwert in Händen hielt, dessen Klinge von Blitzen benetzt war. Das musste die Blitzklinge sein. Ich hatte die Karte schon einmal bei einem Freund im Duell gesehen. Mokuba drehte die Waffe über dem Kopf, bevor er damit auf mich zustürmte. Ehe ich mich versah, fuhr mir die Klinge tief in die Schulter und wurde gleich wieder herausgezogen. Es roch nach verbranntem Fleisch, und meine Rüstung war an der getroffenen Stelle gebrochen. Die Wunde sah alles andere als appetitlich aus, Schmerzen verspürte ich aber keine. Das hatte ordentlich Lebensenergie gekostet. „Komm schon, wehre dich, das ist langweilig!“ Mokuba holte beidhändig zum nächsten Schlag aus und ich hob meinen Stab, um das Schwert abzublocken. Das gelang mir auch tatsächlich, aber meine Lebensenergie wurde trotzdem abgezogen. „Ich habe ein Power up benutzt. Du bist schwächer als ich. Damit verlierst du trotzdem Lebensenergie.“ Ich seufzte nur leise und drückte das Schwert von mir. Anstrengend mit einem Teenager zu spielen, aber irgendwie gefiel es mir auch. „Ah, wie Joey. Zeit, dass ich dir in den Hintern trete.“ Mokuba rammte sein Schwert mit beiden Händen in den Boden, während der Energiebalken über seinem Kopf abzunehmen begann. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Ich wirbelte meinen Stab herum und zielte mit der Spitze auf Mokubas Schläfe. Kurz bevor meine Waffe ihn berührte, stoppte ich plötzlich. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ein Kunai mit Kette hatte sich um mich geschlungen und zog sich immer enger zu. Mokuba grinste breit, die Kette in den Händen haltend. „Reingefallen! Jetzt hab ich dich!“ Ein Ruck an der Kette zwang mich auf die Knie. Zeitgleich erfüllte ein ohrenbetäubendes Brüllen die Arena. Aus den dunklen Gewitterwolken schälte sich langsam ein geflügeltes Wesen, welches ich als Fluch des Drachen identifizierte. „Das war es dann wohl für dich, David!“ Mokuba zog noch stärker am Kunai, während sich der Fluch des Drachen im Sturzflug näherte. Ich zerrte an der Kette, konnte mich aber nicht befreien. Plötzlich ließ der Druck nach und mein Gegner griff nach seinem Schwert. Mit einem Sprung in unmenschliche Höhe, landete er auf dem Kopf seines Drachens, welcher das Maul bereits geöffnet hatte. In dessen Rachen glühte es hellrot auf. Ich drehte den Kopf zur Seite, schloss die Augen und wünschte mir innerlich, ein Schild, eine Rüstung oder irgendetwas zum Schutz zu besitzen. Sekunden später hörte ich das Prasseln von Feuer, den Schrei des Fluchs des Drachen und eine jubelnde Zuschauermenge. „Das gibt es nicht! Du müsstest tot sein!“ Mokuba klang ein wenig enttäuscht. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich um. Der Sand unter mir war glatt geworden und ich konnte mein Spiegelbild darin erkennen. Ich glich dem Schwarzen Magier wirklich aufs Haar, mal abgesehen von meinem Gesicht. Ein schwarzes, waberndes Schild umgab mich. Der Kunai war inzwischen von mir abgefallen. „Das muss wohl eine Spezialfähigkeit vom Schwarzen Magier sein. Dein Energiebalken ist ja auch ganz leer, schau!“ Tatsächlich, ein Blick auf meinen Energiebalken bestätigte Mokubas Aussage. Dieser schwebte über mir, während mich sein Drachen feindselig anstarrte. „Egal, dann werfe ich dich eben jetzt aus dem Spiel!“ Mit einer Freude in der Stimme, welche mich fast schon ein wenig gruseln ließ, befahl Mokuba seinem Fluch des Drachen erneut anzugreifen. Ich beschloss, die Beine in die Hand zu nehmen und sprintete davon. Dabei konnte ich das Knistern von Feuer, und einen Mokuba hören, welcher sich lautstark beschwerte, ich solle gefälligst stehen bleiben. Hinter mir regnete es Flammen, und ich suchte verzweifelt nach Deckung. In der Nähe befanden sich einige Steinsäulen – meine Chance auf Ruhe und eine Pause! Mit einem Hechtsprung rollte ich mich in den Schutz der nächsten Säule und presste meinen Rücken schnaufend an den kühlen Stein. Die Schmerzen von den Wunden hatte man wohl weggelassen, aber andere Aspekte wie Ausdauer und Erschöpfung genauestens umgesetzt. „Komm raus jetzt! Sei kein Angsthase!“ Allmählich wurde mir Mokuba ein wenig unsympathisch. Er schien riesige Freude daran zu haben, mich grillen zu wollen. In meiner Nähe blitzte etwas. Langsam streckte ich meine freie Hand danach aus und plötzlich ertönte ein lautes „Pling“. Die Arena erbebte und rund um mich entstand ein heller Lichtkreis. „Supportkarten opfern?“ fragte eine laute, weibliche Stimme. Das musste wohl ein Secret oder so sein. „Ja, ich will meine Supportkarten opfern!“ Mokuba tobte inzwischen, das wäre unfair und überhaupt eine Frechheit, es würde nicht zählen und bedachte mich mit einigen Wörtern, wobei Betrüger das Häufigste war. Meine Gestalt veränderte sich. Mein Stab verformte sich zu einem eleganten Langschwert, während sich die rote Rüstung des Schwarzen Magiers umwandelte. Meinen Rücken zierte ein schwarzer Umhang, und meine Hände waren von einer schweren Plattenrüstung bedeckt. „Ritualbeschwörung abgeschlossen – Dunkler Magier-Ritter im Spiel.“ Wieder die Frauenstimme. Ein Blick auf meine Daten zeigte mir, dass mein Energiebalken voll, und mit weißen Strichen durchzogen war. Jetzt hatte ich wahrscheinlich eine Chance gegen Mokuba. Selbstsicher trat ich aus meinem Versteck hervor. Der Wind des Gewitters peitschte mir samt Regen ins Gesicht. Mein Umhang wehte hinter mir und die Zuschauermenge verstummte kurz, nur um dann in tosenden Jubel auszubrechen. Mokuba starrte mich kurz fassungslos von erhöhter Position an, ehe sich im Maul seines Drachen erneut ein helles Glühen bildete. Ich drehte mein Schwert so, dass es mit der breiten Seite vor meinem Gesicht lag. Der Feuerschwall, welcher mir entgegenschlug, wurde an meiner Klinge gebrochen und regnete links und rechts von mir herab. Meine Lebensenergie war unberührt geblieben. Mokuba stand der Mund offen: „Wahnsinn!“ Das blank polierte Metall meiner Waffe zeigte mir ein Spiegelbild, welches ich gar nicht wiederkannte: Ich wirkte erwachsener, reifer, selbstsicherer. Kurz erschien das Antlitz meines Schwarzen Magiers, welcher mir lächelnd zunickte, und dann wieder meinem Gesicht Platz machte. War das auch ein beabsichtigtes Feature? Mit einem Mal war mir so, als wüsste ich, was zu tun war. Meine freie, flache Hand wanderte über die Schwertklinge und diese leuchtete hell auf. Zeit, mich bei Mokuba zu revanchieren. Mit einem Satz war ich schon in der Luft und landete auf dem Schädel des Drachenfluchs. Ein gezielter Tritt in die Magengrube beförderte Neo-Mokuba vom Rücken seines Begleiters, ehe ich das Schwert drehte und mit beiden Händen in den Rücken des Drachen rammte. Jaulend und kreischend verlor das Monster an Höhe, während ich die Waffe tiefer in sein Fleisch hineintrieb. Schwarze Blitze zuckten die Klinge entlang und griffen dabei auf den Fluch des Drachen über. Mit einem dumpfen Laut schlitterte das Wesen über den sandigen Arenaboden, ehe es sich auflöste und ich wieder auf meinen eigenen Füßen stand. Mein Blick wanderte zu Mokuba, welcher seine Blitzklinge mit beiden Händen umfasste. „Unmöglich! Ich verliere niemals!“ Damit stürmte er auch schon auf mich zu. Zielsicher hob ich mein Schwert in die Höhe und blockte den Angriff mühelos ab. Blitze tanzten unsere Waffen entlang, während ich mich meinem Gegner entgegendrückte. Das Patt schien zu meinen Gunsten auszugehen. Mokubas Gesichtsausdruck verriet mir, dass er sich dessen ebenfalls bewusst wurde. Die Zuschauer brachen in ein ohrenbetäubendes Jubeln aus, während ich meinen Kontrahenten langsam zu Boden drückte, unsere Klingen noch immer gekreuzt. „Du hast ja nicht mal ein Power up benutzt!“ Mokuba hörte sich fast schon ein wenig verzweifelt an. „Power ups sind nicht alles, wie es scheint.“ Schlagartig verringerte ich den Druck und trat einige Schritte zurück. Ich strich mit meiner freien Hand erneut über die Klinge, welche wieder von schwarzen Blitzen umzüngelt wurde. Mein Energiebalken war noch immer nicht angekratzt. Mokuba rappelte sich inzwischen auf und reckte seine Blitzklinge zum Himmel. Blitze umfingen das Schwert, ehe er es frontal von oben herab auf den Boden sausen ließ. Eine pfeilgerade Linie an Blitzen schoss auf mich zu. Ich tat mit meiner Waffe das Gleiche, und eine ähnliche Reaktion, nur in schwarz, war das Resultat meines Handelns. Als sich die beiden Energiebündel trafen, gab es ein ohrenbetäubendes Donnern. Mokubas Angriff wurde in der Mitte von meinem eigenen Blitzbündel gespalten und schleuderte diesen an die gegenüberliegende Arenawand. Selbstsicher machte ich mich langsam auf den Weg zu meinem Gegner. Mein Energiebalken war noch immer unverändert. Ich streckte meine freie Hand aus und richtete sie auf Mokubas Schwert. Mit einem Ruck ballte ich meine Hand zur Faust, was die Waffe in tausend Teile zerspringen ließ. Die Wolken lösten sich langsam auf, und als ich vor Neo-Mokuba angekommen war, war es inzwischen wieder hell. „Gibst du auf, Mokuba?“ Dieser starrte mich kurz an und legte dann seine Hände zusammen. „Kampflos nicht!“ In seinen Händen bildete sich wieder eine Energiekugel. Blitzschnell ließ ich meine Klinge durch den Energieball stoßen und rammte meinem Gegner das Schwert in die Brust. Beinahe ohne Widerstand glitt es bis zum Heft in meinen Kontrahenten, welcher mich mit großen Augen anstarrte. „Und der Sieger ist der Dunkle Magier-Ritter!“ Die Frauenstimme hatte sich wieder zu Wort gemeldet. Mokuba ließ den Kopf hängen, während die gesamte Arena von den Rufen der Zuschauer erfüllt war. „Magier-Ritter, Magier-Ritter!“ Ich lächelte breit und war zugegebenermaßen ein wenig Stolz. „Das Essen ist in fünf Minuten fertig. Bitte beeilen sie sich, sonst wird es noch kalt.“ Plötzlich verblasste das Schauspiel um mich herum und ich starrte auf Mokuba, also den echten, den menschlichen Mokuba, hinab. Dieser zog die Brille vom Kopf und packte die Karte wieder in den Metallkoffer. Zögernd nahm ich meine eigene Brille ab und sah zur Tür. Einer der Bediensteten, ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, stand in der Tür, und hatte uns wohl aus dem Spiel geholt. „Ist gut, wir kommen gleich!“ Mokubas Stimme klang, entgegen meiner Vermutung, begeistert. „Irre! Du hast mich ja ganz schön alt aussehen lassen! Jetzt weiß ich, was Joey gemeint hat.“ Ich packte meinen Schwarzen Magier zurück ins Deck und beobachtete den Kleinen aus den Augenwinkeln heraus. Der schien ja förmlich vor Energie und Freude zu platzen. „Du bist mir also nicht böse, weil ich dich geschlagen habe?“ Ein heftiges Kopfschütteln seinerseits bewegte mich dazu, zu lächeln. „Es hat jedenfalls sehr viel Spaß gemacht.“ Mokuba grinste breit und nickte dann zur Tür. „Du bist sicher hungrig, oder?“ Zugegebenermaßen knurrte mein Magen, also nickte ich wahrheitsgemäß. Mein kleiner Groupie, so wie er sich den Weg zum Speisesaal hin verhielt, führte mich in einen großen Raum, der mit einer riesigen Tafel bestückt war, an der mindestens dreißig Personen Platz gehabt hätten. Es war aber nur für zwei Leute gedeckt worden. Ebenso standen nur zwei Stühle an der Tafel, wobei Stühle das falsche Wort gewesen wäre: Riesige, thronartige Gebilde, in welchen man gut und gerne schlafen konnte, wenn man wollte. Die Stuhllehne war gigantisch, und mit zwei jeweils, sich zueinander aufbäumenden Weißen Drachen versehen worden. „Imposant“ entkam es mir, während mich Mokuba auf einen Stuhl drängte, und dann den neben mir in Beschlag nahm. „Mh, Seto hat ein Faible für seine Drachen. Bringt das Essen rein!“ Wie aufs Stichwort kam eine Horde an Personen in den Saal, jeder mit einem Tablett, Besteck oder Getränken bewaffnet. Ich entschied mich für frische Zitronenlimonade, ein klare Suppe mit Nudeln, Rindersteak mit Pommes und Kräuterbutter und als Nachtisch Vanillepudding. Mokuba und ich unterhielten uns beim Essen angeregt über das Spiel, und was man noch verbessern könnte. „Vor allem beim Namen sind wir uns noch unschlüssig.“ Ich kratzte gerade die Schüssel mit Pudding aus, als auch schon das Heer an Bediensteten sich bereit machte, abzuräumen. „Mh, wie wäre es mit Virtual Duel Monster Fighters, oder Duel MonstersArena?“ Mein Gesprächspartner nickte nur begeistert, während ich meine Limonade austrank. Ein Blick auf die riesige Standuhr in einer Ecke des Raumes verriet mir, dass es kurz vor zehn war. „Ich habe dir das Gästezimmer neben mir herrichten lassen. Fühl dich wie zu Hause! Morgen wirst du zur Schule gefahren.“ Ich war ein wenig perplex. Mokuba hatte das mit einer Selbstverständlichkeit gesagt, als hätte er damit gerechnet, dass ich bleiben würde. „Das kann ich nicht annehmen, Mokuba. Ich laufe nach Hause.“ Dieser hob nur abwehrend die Hände: „Quatsch! Außerdem bist du mindestens eine Stunde unterwegs, wenn nicht länger! Komm, ich bring dich auf dein Zimmer!“ Irgendwie konnte ich dem Kleinen keinen Wunsch abschlagen. So bedankte ich mich ordentlich beim Personal und wurde wieder an der Hand genommen. „Nächstes Mal duellierst du dich mit Joey! Der ist mittlerweile auch ganz gut geworden. Natürlich weit entfernt von mir, aber immerhin…“ Mokuba plapperte einfach so drauf los, während ich über seine Worte nachdachte. Nächstes Mal. Wir hielten vor einer Tür, welche er aufdrückte. Mir blieb die Luft weg. Das Zimmer war der absolute Wahnsinn. Ein riesiges Himmelbett stand an der Wand, flankiert von zwei Fensterscheiben, ähnlich denen in Mokubas Zimmer. Kleiderschrank, Bücher, Fernseher, Möbel; alles wirkte teuer, riesig, maßangefertigt oder einfach nur verboten edel. Mein Blick fiel auf die Bettwäsche und die Kissen, auf welchen sich jeweils ein Schwarzer Rotaugendrache aufbäumte. „Ah ja, schau, sogar das mit dem Bett haben sie gemacht. Sehr ordentlich. Das Bad ist drüben links. Zahnbürste und Duschzeug liegt bereit, du kannst auch baden wenn du möchtest. PayTV ist drin, und du kannst auch schon vorab die neuesten Kinofilme angucken. Falls der Jugendschutz drin ist, der Code ist eins, vier, sieben, drei, eins. Schlaf gut, ich hole dich morgen um sieben ab, dann frühstücken wir gemeinsam!“ Ich war vollkommen baff. Irgendetwas konnte hier nicht stimmen. Träumte ich? Ein sanfter Druck an meiner Hüfte ließ mich nach unten blicken. Mokuba umarmte mich. Moment Mal, er tat was? „Das war echt cool, David. Ich mag dich!“ Ah ja, das beruhte auf Gegenseitigkeit, wenn ich ehrlich war. Ich entschloss mich dazu, ihn ebenfalls sanft zu drücken. „Ich dich auch, Mokuba.“ Langsam löste er sich von mir und ging dann zur Tür: „Schlafzeug liegt im Badezimmer. Träum was Feines! Wenn was ist, ich bin nebenan!“ Damit fiel die Tür ins Schloss und ich war alleine. Was war hier eigentlich los? Ich war zu müde, und zu vollgefressen, um mir weiter Gedanken zu machen. Das konnte ich schließlich morgen auch noch machen. Gähnend stapfte ich ins Bad, dessen Inventar wahrscheinlich schon die Hälfte einer Eigentumswohnung kosten mochte. Verschlafen sprang ich unter die Dusche (obwohl mich die Badewanne verlockend anlächelte), putzte mir die Zähne und schlüpfte in einen Schlafanzug, der mir erstaunlicherweise exakt passte. Meine Sporttasche war neben das Bett gelegt worden. Achtlos warf ich meine Klamotten über die Tasche und legte mich in die flauschigen Laken. Ich grapschte nach der Fernbedienung und schaltete das Monstrum von Fernseher an. Mit hochgezogenen Augenbrauen wurde mir bewusst, dass der Sender deutscher Natur war. Beim Zappen stellte sich heraus, dass neben den japanischen Kanälen, auch jene aus meiner Heimat empfangen wurden. Ich entschied mich für eine alte, satirische Gerichtsshow, welche ich als Kind mit meinen Großeltern öfters geschaut hatte und schlief dabei lächelnd ein. Insgesamt war es ein schöner Tag gewesen. 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