Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 56: Kapitel 54 - Ehrlichkeit ------------------------------------ Kapitel 54 – Ehrlichkeit   -Mihawk- „Ich hab’s ja gesagt! Ich hab’s ja gesagt! Wahnsinnig, ihr beide seid wahnsinnig.“ Schmunzelnd setzte Dulacre seinen Weg neben seinem besten Freud fort. „Halt die Klappe, Jiroushin.“ „Er hat nicht Unrecht, Lorenor. Das wird wohl unser letztes Training gewesen sein. Selbst du wirst wohl die kommenden zwei Wochen brauchen, um zu genesen, insbesondere als Lady Loreen, und mit Sicherheit wirst du dich morgen bereits wieder darüber ärgern. Ist es das wirklich wert gewesen, Lorenor?“ Leise lachte der Jüngere an seinem Ohr: „Aber sowas von.“ Dann hustete er und Dulacre spürte eine warme Flüssigkeit seine Schulter hinabtropfen. „Ruh dich aus, Lorenor, wir sind fast da.“ Sein Wildfang murmelte nur etwas Unverständliches zustimmend und lehnte seinen Kopf gegen Dulacres Nacken. Der Samurai konnte den Blick des Vizeadmirals auf sich spüren, doch er entschied ihn zu ignorieren, während er Lorenor weiter auf seinem Rücken Richtung Schluss trug, das kleine Lächeln nie ganz fort. Der Kampf hatte nur wenige Minuten länger gedauert als ihre bisherigen, bei denen Jiroushin ihn immer wieder gestoppt hatte, ehe er seine ganze Kraft aus sich rausholen konnte, aber der Unterschied war wohl immens gewesen. Seufzend bemerkte Dulacre mit einem Blick, dass der nebelverhangene Horizont nun einen krummen Berg weniger darbot als noch am vergangenen Tag; es würde Zeit brauchen, bis er sich an diese Aussicht gewöhnen würde. Es war gut gegangen, schließlich stand die restliche Insel noch, schließlich lebte Lorenor noch. Aber das hatte er wirklich nur Jiroushin zu verdanken, der es tatsächlich geschafft hatte Dulacre Einhalt zu gebieten. Dulacre fühlte es immer noch in den Knochen, der Kampf war viel zu kurz für ihn gewesen, aber es war ein Kampf gewesen, wie ein kleiner Vorgeschmack auf das, was bald kommen würde. Natürlich hatten sie ohne Schwerter gekämpft, zu Lorenors Glück, trotzdem hatte Dulacre ihm mehrere Rippen gebrochen und dass er Blut spuckte war auch nicht gerade beruhigend. Daneben war auch noch Lorenors rechter Unterarm gebrochen – hatte er doch tatsächlich versucht einen direkten Schlag von Dulacre zu Blocken, anstatt auszuweichen, als hätte er die letzten zwei Jahre komplett vergessen – und außerdem hatte sich ein Teil seiner so gut verheilten Narbe wieder geöffnet. Dulacre hatte gar nicht gewusst, dass das möglich sein konnte, aber der Aufprall mit seiner ummantelten Handseite hatte deutlich mehr Schaden angerichtet, als er erwartet hatte. Allerdings überraschte ihn das nicht, in jenem Zustand hatte Dulacre generell nicht das Gefühl, dass er seinem Gegner wirklich wehtun würde und jedes Mal irrte er sich. „Jiroushin, warum schaust du nicht nach Perona und bereitest mit ihr zusammen was zum Abendessen vor?“, schlug er vor, während sie die Treppen zum Schluss hochgingen. „Ich bringe derweil Lorenor ins Bett und kümmere mich um seine Verletzungen.“ „Hab dir doch schon mal gesagt, dass ich nur was schlafen brauch“, nuschelte der Jüngere in seine Halsbeuge, offensichtlich fast schon im Land der Träume. „Natürlich, Lorenor, wie gut das funktioniert haben wir ja schon gesehen.“ Der Vizeadmiral grinste ihn schelmisch mit hochgezogener Augenbraue an, sein Blick sagte vieles und Dulacre war dankbar, dass er es zumindest nicht laut aussprach. Er entschied seine befreite Stimmung nicht von Jiroushin trüben zu lassen und nickte ihm nur kurz zu, als sie getrennte Wege gingen. Das hier würde vermutlich das letzte Mal sein, dass er einen verletzten Lorenor in dessen Zimmer tragen würde; etwas, was er schon so oft getan hatte und was ihn mit einer ganz eigenartigen Form von Frieden erfüllte. „Sag mal“, murmelte der überraschenderweise wohl doch noch nicht schlafende Lorenor an seinem Ohr, „wie war’s für dich?“ Für eine Sekunde blieb er stehen und eine sanfte Wärme stieg in ihm hoch. Selbst jetzt noch dachte Lorenor an ihn und ob es ihm gefallen hatte. Schon lange hatte ihn niemand mehr gefragt, wie ein Kampf für ihn gewesen war – nun gut, das mochte auch daran liegen, dass die meisten seiner Gegner einen solchen nicht überlebten – und es rührte ihn. „Eindeutig zu kurz“, gestand er ehrlich ein und setzte den Weg fort, „ich wünschte du wärest schon stärker.“ Leise lachte Lorenor, ehe er scharf die Luft einzog. „Bald“, flüsterte er, „gib mir noch etwas Zeit. Bald können wir richtig miteinander kämpfen.“ Gänsehaut kroch über Dulacres Körper, doch er entgegnete nichts, da er das Gefühl hatte, dass ihn seine Stimme verraten würde. Schweigend öffnete er die Türe vor sich. „Was denn?“, murmelte Lorenor glucksend. „Habe ich dich endlich mal dazu gebracht, den Mund zu halten?“ Grinsend trat er ins Zimmer seines Wildfangs. „Ach bitte Lorenor, als wäre dies das erste Mal.“ Vorsichtig trug er Lorenor ins Bad und ließ ihn auf dem Boden der Dusche nieder. „Lass mich einfach ins Bett“, murrte der Jüngere als er gegen die Duschwand lehnte und Dulacre ihm das zerfetzte Oberteil abzog. „Nein, du weißt doch mittlerweile wie das hier abläuft, erst entfernen wir den Schmutz und versorgen deine Wunden, danach kannst du schlafen.“ Dann zog er Lorenors Schuhe und Socken aus. „Du brauchst das nicht tun“, meinte sein Schüler schwerfällig, „ich krieg das auch alleine hin.“ „Tust du nicht, Lorenor, du kannst dich nicht mal mehr auf den Beinen halten.“ „Dann hol Perona, sie kann das machen.“ Es überraschte ihn, verwirrt sah er auf und hielt dabei inne Lorenor weiter zu entkleiden. „Stört es dich auf einmal, dich vor mir zu entblößen?“ „Tze, mir ist das doch egal, bin doch kein verklemmter Schnösel.“ Ein dreckiges Grinsen kroch Lorenor über die Lippen, aber sofort verschwand es wieder und er wurde ernst. „Aber du magst das doch nicht.“ Erneut verblüffte der Jüngere ihn. „Was ist denn los mit dir, Lorenor“, murmelte er und fuhr mit seiner Tätigkeit fort, wobei er nicht verhindern konnte, dass er errötete. „So viel Rücksichtnahme und Freundlichkeit kenne ich ja gar nicht von dir. Du solltest vorsichtig damit sein, nicht, dass ich mich auch noch daran gewöhne.“ Nun hatte er seinen Schüler in Unterhose vor sich sitzen, also erhob er sich und ging hinüber zum Waschbecken, um einen sauberen Lappen zu holen. „Aber es stimmt doch“, murmelte Lorenor, „du bist doch immer so prüde und zierst dich wegen so etwas.“ Nickend hockte er sich wieder vor seinen Wildfang und begann damit, die offenen Verletzungen mit dem feucht-warmen Lappen von Schmutz und Schweiß zu säubern. Dabei fiel ihm auf, dass mittlerweile auch Lorenors rechtes Handgelenk eine deutliche Schwellung zeigte und der Jungspund noch die ein oder andere Verletzung von ihrem Kampf davongetragen hatte, die er zunächst nicht bemerkt hatte und doch zuckte der Jüngere nicht ein einziges Mal zusammen oder verzog auch nur die Miene. „Das mag schon sein. Allerdings habe ich diese Wunden verursacht, also kann ich sie auch versorgen. Ich bin für sie verantwortlich.“ „Du immer mit deiner Verantwortung“, stöhnte Lorenor auf, schloss sein unversehrtes Auge und lehnte seinen Kopf zurück. „Es war meine Entscheidung dich herauszufordern.“ „Und du immer mit deinen Entscheidungen“, entgegnete er grinsend. Der Jüngere sagte nichts mehr und so fuhr Dulacre mit seiner Tätigkeit im einvernehmlichen Schweigen fort. Nachdem er Lorenors Verletzungen gereinigt und versorgt hatte, trug er den Jüngeren dann in sein Bett. Er schritt zu dessen Schrank hinüber und suchte nach etwas weitem, was Lorenor anziehen konnte, ohne sich viel bewegen zu müssen. „Ich hoffe, dass die Knochenbrüche schnell verheilen. Ich will dich nicht zu deiner Crew zurückschicken, ohne dass du dich vernünftig verteidigen kannst.“ „Und du glaubst, dass die paar Kratzer mich davon abhalten würden?“ In Ermangelung einer besseren Alternative, entschied Dulacre sich für einen flauschigen, grauen Bademantel, den Lorenor wahrscheinlich noch nie anhatte, welcher immer noch vernünftiger aussah als der hässliche grüne Mantel in dem Lorenor nach Wahl rumlief. „Ich fände es schön, wenn du in körperlich einwandfreier Verfassung wärest, wenn du deine Freunde nach zwei langen Jahren endlich wiedersiehst.“ Lorenor schwieg und ließ sich widerwillig von Dulacre in den Mantel helfen. Danach deckte Dulacre ihn zu, wie ein kleines Kind nach einem langen Tag. „Du solltest jetzt was schlafen, damit deine Wunden heilen.“ „Du zwingst mir keine Medikamente auf?“ „Oh, das würde ich gerne, aber dir scheint es besser zu gehen als ich befürchtet hatte und ich bin gerade ausnahmsweise zu zufrieden, um einen Streit vom Zaun zu brechen.“ Er konnte sehen, dass diese Aussage Lorenor überraschte. Kopfschüttelnd lehnte sich der Jüngere zurück in die Kissen. „Hast du wieder vor, so lange Wache zu schieben, bis ich eingeschlafen bin?“, murmelte er bereits mit geschlossenen Augen. „Nicht, wenn es dich so sehr stört.“ Lorenor zuckte nur mit den Achseln. „Wird ja wohl das letzte Mal sein, dann ist es mir auch egal.“ „Das letzte Mal?“ Nachdem er die letzten Spuren beseitigt hatte, ließ sich Dulacre auf seinem Stuhl nieder. Es beeindruckte ihn, wie schnell Lorenor sich schon wieder gesammelt hatte. Als Jiroushin ihren Kampf unterbrochen hatte, hatte Lorenor benommen am Boden gelegen und sich kaum gerührt. Es hatte ein paar sachte Klapse gegen die Wangen benötigt, um ihn wieder ins Bewusstsein zurückzuholen. Während des Rückwegs vom ehemaligen Berg hatte Lorenor dann immer wieder zwischen Delirium und klaren Momenten geschwankt, offensichtlich aufgrund einer Gehirnerschütterung. Die Kühle des Badezimmers und das angenehme Wasser hatten ihm jedoch wohl geholfen, etwas zur Ruhe zu kommen. Blut gespuckt hatte er glücklicherweise auch kaum noch, so dass Dulacre sich keine Sorgen über ernsthaftere innere Verletzungen machen brauchte. „Naja, das war das letzte Mal, dass du mich besiegt hast, vergiss das nicht“, behauptete Lorenor und sah ihn aus einem halbgeöffneten Auge an. „Nächstes Mal werde ich an deinem Bett sitzen.“ „Ist das ein Versprechen?“ „Eine Drohung.“ Schmunzelnd lehnte Dulacre sich zurück. „Ich freue mich auf den Tag.“ „Du bist so schräg“, urteilte Lorenor mit einem fast schon kindlichen Kichern. „Wer freut sich schon darauf, vernichtend geschlagen zu werden und seinen Titel gestohlen zu bekommen?“ „Du wirst ihn mir nicht stehlen, sondern nach Jahren harter Arbeit verdienen, Lorenor. Aber du hast Recht, ich bin wirklich niemand, der gerne verliert.“ Langsam verschränkte er die Arme und beobachtete wie Lorenor ihn immer noch mit seinem schläfrigen Blick betrachtete. „Aber ich glaube, dass ich diesen Kampf bald sehnlicher erwarte als du. Es ist so lange her, dass ich meine Kunst ausleben konnte und ich schulde Yoru, dass wir uns noch mal nach Herzenslust amüsieren können.“ „Das klingt gut“, murmelte der Jüngere, doch sein Blick sagte etwas anderes. Für einen Moment hielt Dulacre einfach nur diesem unergründlichen Blick stand. „Sag mal“, flüsterte Lorenor und sah ihn immer noch so unleserlich an. „Wenn ich dich besiegt habe… kann… kann ich dann trotzdem zurückkommen?“ Schon wieder verblüffte der Jüngere ihn und Dulacre brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was der andere da fragte. Dann lächelte er und schüttelte den Kopf. „Lorenor, du bist ja immer noch ganz benebelt.“ Er lehnte sich vor und zupfte die Decke des andere zurecht. „Ich dachte ich hätte es bereits deutlich geagt: Sasaki und Kuraigana, es sind beides Orte, an denen du immer willkommen sein wirst. Ganz gleich, was in der Zukunft geschieht, ganz gleich, was mit mir und was mit dir passiert. Du kannst immer nach Hause kommen.“ Daraufhin schloss Lorenor nur sein Auge und innerhalb weniger als zwei Atemzügen war er eingeschlafen. Kopfschüttelnd über ein solches Talent, rieb sich Dulacre durchs Gesicht und betrachtete seinen Wildfang noch einige Momente länger. Irgendwann erhob er sich dann doch und entschied sich ebenfalls einer Dusche zu unterziehen. Langsame Schritte führten ihn hinüber in sein Zimmer. Yoru begrüßte ihn mit einem sanften Summen, etwas lauter als sonst; das alte Schwert hatte wohl bemerkt, dass etwas auf der Insel vorgefallen war. „Er ist bald soweit“, flüsterte er und strich über die scharfe Klinge, „gedulde dich noch ein wenig.“ Ein zustimmendes Summen begleitete ihn ins Bad, wo er achtlos seine verschmutzten Klamotten zu Boden warf und sich unter die Dusche stellte. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, genoss wie das warme Wasser auf seinen Körper niederprasselte und ihn entspannte. Doch sein Kopf kam nicht zur Ruhe, unzählige Gedanken prasselten auf ihn nieder, wie die Tropfen aus dem Duschkopf. Im ersten Moment dominierten die Bilder des vergangenen Kampfes sein Denken. Das Geräusch ihrer aufeinanderprallenden Körper, schnelle Schritte durch den Dreck, scharfer Atem, tiefes Ächzen und leises nach Luft schnappen. Er erinnerte sich an Lorenors intensiven Blick, das böse Grinsen, das Klimpern seiner Ohrringe, sein schmerzerfülltes Grunzen als Dulacre ihm den Arm gebrochen hatte. Aber er erinnerte sich auch an das hitzige Gefühl nach mehr, an seine trockenen Lippen, das Blut auf seinen Fingern und die Enttäuschung, wenn Lorenor sich unter seinem Arm hinweggeduckt hatte. Doch langsam wurden die aufregenden Bilder der jüngsten Vergangenheit von den Sorgen der Zukunft verdrängt, über die Dulacre absolut nicht nachdenken wollte. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass die zwei Jahre, die er Lorenor an seiner Seite hatte wissen können, so gut wie vorbei waren. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass dies ihre letzte gemeinsame Trainingseinheit gewesen war. Er wollte auch nicht darüber nachdenken, dass er es gewesen war, der Lorenor die Knochen gebrochen hatte oder darüber, dass diese Tatsache ungekannte Schuldgefühle in ihm hervorrief. Dulacre wollte nicht an den Tag denken, an dem Lorenor gehen würde und auch nicht an die darauffolgenden. Er fragte sich, wie sein Leben vor Lorenor ausgesehen hatte und er hatte nicht die leiseste Vorstellung, womit er seine Zeit totschlagen sollte, nachdem Lorenor gegangen sein würde. Er wusste, dass es erbärmlich war, dass sich seine Welt einzig um Lorenor und dessen Schwertkunst drehte, aber Lorenor war das einzige Unberechenbare in dieser eintönigen Welt gewesen. Seufzend begann er sich zu waschen, aber dann bemerkte er etwas, was all seinen Trübsinn verschwinden ließ. Seine sonst so makellose, blasse Haut zeigte deutliche Rötungen an Oberarm und Brust. Neugierig beendete Dulacre schnell seine Dusche und trat vor den mannshohen Spiegel, um seinen Körper zu begutachten, dabei fand er noch einige andere gerötete Stellen, sowie die ein oder andere Schürfwunde und Kratzer. Voller Faszination fuhr er über den größten geröteten Fleck an der rechten Seite seines Rippenkastens. Es ziepte unangenehm, fast schon schmerzhaft, würde wohl einen hässlichen, blauen Fleck hinterlassen. Schnell trocknete Dulacre sich ab und zog sich an, ehe er aufgeregt zum Kaminzimmer eilte, indem Jiroushin auf ihn wartete, ein einfaches Abendbrot auf dem Tisch. „Hey Hawky, ich hab Perona gesagt, dass Brot okay ist. Sie wollte in den Wald gehen und Kräuter und Pilze sammeln und hatte dann keine… was ist denn mit dir los?“ Dulacre stellte sich vor den anderen und riss sein noch nicht mal zugeknöpftes Hemd wieder hinunter. „Sieh es dir an, Jiroushin!“, entfuhr es ihm begeistert als er auf die wunden Flecken zeigte, die sich mit der Zeit immer deutlicher von seiner Haut abheben würden. Der Blondschopf ließ die Zeitung in seiner Hand sinken und sah Dulacre mit großen Augen an. „Natürlich, Mihawk Dulacre zieht sich vor mir aus. Warum auch nicht, absolut nicht ungewöhnlich.“ „Lass die blöden Witze, Jirou, und sieh es dir an!“ „Ich sehe es, Hawky. Ein paar rote Flecken, ein paar Kratzer; was bist du so begeistert? So eitel wie du bist, sollte dir so etwas doch eigentlich eher missfallen…“ „Verstehst du es denn nicht, Jiroushin? Die Prellungen sind berührungsempfindlich, sie werden blaue Flecken hinterlassen.“ Der Blondschopf schien immer noch nicht zu verstehen, worauf Dulacre hinauswollte. „Er hat mich verletzt, Jiroushin, Lorenor hat es tatsächlich geschafft mich zu verletzten.“ Leider Gottes reagierte der Vizeadmiral nicht ansatzweise so enthusiastisch wie Dulacre es sich erhofft hatte. Er hob nur eine Augenbraue an und nach einem langgezogenen „Ahaaa“ hob er die Zeitung wieder hoch und schien weiterzulesen. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“, beschwerte Dulacre sich auch zugleich und bückte sich nach seinem Hemd. „Was erwartest du? Das ich einen Freudentanz mache, wegen ein paar blauer Flecke? Es tut mir leid, Hawky, aber ich bin hier nicht so emotional involviert wie du es bist und auch wenn ich mich für dich freue, dass du bald wieder einen richtigen Kampfpartner hast, so teile ich deine Begeisterung darüber, dass du bald deinen Titel verlieren wirst, ganz gewiss nicht.“ Nun das überraschte Dulacre dann doch sehr. „Jetzt sieh mich nicht so an. Ich meine es nicht böse, glaub mir. Ich freue mich natürlich für dich und über deine verquere und auch ein bisschen besorgniserregende und verstörende Beziehung zu Zorro, und solange du glücklich bist, hab ich absolut keine Einwände, aber du musst einfach bedenken, dass dein Wunsch, von ihm besiegt zu werden, nicht unbedingt der Norm entspricht, okay? Normale Menschen in deiner Situation würden ihre Machtposition um jeden Preis beibehalten wollen und nicht das erstbeste vielversprechende Talent auch noch darin unterweisen einen bald zu besiegen. Also…“ „Beruhige dich, Jiroushin. Du brauchst meinen Enthusiasmus ja nicht teilen, auch wenn es mich etwas verletzt, das möchte ich wohl erwähnen.“ „Tze.“ Der Blondschopf warf die Zeitung nach ihm und lachte erheitert auf. „Wie kann es sein, dass dich ein paar blaue Flecken glücklicher machen, als Rays Patenonkel zu sein?“ Beiläufig fing Dulacre die Zeitung auf und betrachtete den anderen aufmerksam. Es war vielleicht als Scherz gemeint, aber er wusste ganz genau, dass in diesen Worten wohl ein Funken Wahrheit steckte. „Das stimmt nicht, Jiroushin“, entgegnete er dann kühl. „Diese beiden Dinge miteinander zu vergleichen ist meiner Meinung nach ungerecht und sehr kleinlich von dir. Bist du etwa eifersüchtig auf Lorenor?“ „Oh, Gott! Nein!“ Jiroushin rieb sich durchs Gesicht und als er dieses Mal auflachte, glaubte Dulacre ihm. „Ich würde keinen Tag mit ihm tauschen wollen. Glaub mir, Hawky, du bist einer der anstrengendsten Menschen, den ich je kennengelernt habe und die Monate, in denen du mir das Kämpfen beigebracht hast, waren die schlimmsten meines Lebens…“ Nun, das war hoffentlich eine Übertreibung. „…Ich könnte nicht eine Woche das durchhalten, was Zorro hier mitmacht und dann auch noch deinen ganzen Anforderungen und Erwartungen gerecht werden – nicht zu sprechen von dieser halberotischen Spannung, die immer in der Luft liegt, wenn du ihn anschmachtest – und manchmal frage ich mich, wie ich es nur Wochenlang mit dir auf hoher See ausgehalten habe, also…“ „Sprich nur weiter, Jiroushin. Ich höre dir gerne dabei zu, wie du mich diskreditierst.“ „Oh, der werte Herr hat herausgefunden wie man Sarkasmus einsetzt.“ Seufzend versuchte Dulacre herauszufinden, ob Jiroushin sich gerade wirklich über ihn aufregte oder sich einfach nur auf eine ungekannte Weise über ihn lustig machte, die er früher nicht gewagt hätte. „Jiroushin“, entschied er daher das Gespräch wieder zu seinen Gunsten zu gestalten, „über meine Beziehung zu Lorenor und seine Bedeutung für mich brauche ich mit dir nicht zu sprechen, aber dies hat nichts, rein gar nichts, mit meinen Gefühlen dir und deiner Familie gegenüber zu tun. Es kränkt mich, dass du glaubst, dass ich mich nicht geehrt fühle, dass du mich als Patenonkel ausgewählt hast, ganz gleich der Gründe warum du es getan hast. Ich weiß, dass du genügend Auswahl hattest, um eine klügere Entscheidung treffen zu können…“ „Ach, Hawky…“ „Ich bin noch nicht fertig. Es ist unfair von dir, dass du von mir Begeisterung erwartest. Du weißt, dass ich mit Blagen nichts anfangen kann und da macht es kein Unterschied, dass dieses eine nun mal von dir ist. Gleichwohl versichere ich dir, dass ich alles in meiner Macht tun werde, um dieses Kind, deine Frau und auch dich vor jeglichem Unheil zu bewahren. Meine Gefühle für Lorenor ändern daran nichts und wenn ich mich ihm in den Weg stellen muss, um Ray zu beschützen und dem Titel gerecht zu werden, den du mir gabst, dann werde ich dies tun.“ „Dulacre…“ Der Vizeadmiral war aufgestanden und sah ihn mit großen Augen an. „Ich dachte nicht, dass dies klarstellender Worte benötigen würde, aber wenn dies nun doch der Fall ist, dann lass es mich deutlich sagen Jiroushin. Mir ist bewusst, dass ich kein einfacher Mensch bin und mir ist auch bewusst, dass ich mich in den vergangenen beiden Jahren sehr verändert habe, woran Lorenor nicht unwesentlich Schuld trägt, aber all dies ändert nichts an der Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Du warst immer an meiner Seite und hast auf mich aufgepasst. Es gab tausende gute Gründe für dich mir den Rücken zuzuwenden und doch hast du es nie getan. Selbst sofern es Lorenor betrifft stehst du mir letzten Endes zur Seite und das obwohl ich verstehen könnte, wenn er das Fass zum Überlaufen gebracht hätte.“ Jiroushin rieb sich den Nacken und schaute verlegen zur Seite. „Aber du bist immer noch hier und darüber hinaus hast du mich darum gebeten eine Rolle im Leben deines Kinds zu spielen. Mir ist sehr wohl bewusst, wie wichtig dir dieses Kind ist und was für ein Glück du erfahren hast und ich bin überaus dankbar, dass du mich daran teilhaben lässt, auch wenn ich es nicht so wertschätzen kann wie ich es dir wohl schulde. Daher lass mich dir eines sagen. Von all den Titeln, die ich trage, ist derjenige, den du mir gegeben hast, der eine, den ich weder aufgeben noch hergeben werde. In dieser einen Sache werde ich bis an mein Lebensende versuchen deinen Erwartungen und Hoffnungen gerecht zu werden und Ray ein guter Patenonkel zu sein. Auch wenn das bedeutet, dass ich auf noch so viele grässliche Familienfeiern muss. Also könntest du bitte… Tze, ich versuche hier gerade eine ergreifende Rede vorzutragen, könntest du bitte so höflich sein und dich zusammenreißen.“ „Ach, halt doch die Klappe!“ Jiroushin war immer schon emotionaler gewesen als Dulacre, das war ihm sehr wohl bewusst, trotzdem war es ihm immer wieder unangenehm, wenn sein bester Freund weinte. Freudentränen waren Dulacre dabei fast noch unangenehmer als die tiefer Trauer – die konnte er wenigstens nachvollziehen – und so brachte ihn der laute Schniefer des anderen aus dem Konzept, während dieser nach einem Taschentuch suchte und sich geräuschvoll die Nase putzte. „Du hast dich echt verändert, Hawky“, urteilte er dann milde, „ich bin es nicht gewöhnt, dass du dich so rücksichtsvoll und offen mitteilst, warn mich das nächste Mal vor. Das war doch nur ein Scherz gewesen und dann kommst du mit so einer Rede daher.“ Nun errötete Dulacre leicht, als ihm bewusst wurde, dass er Jiroushins Humor tatsächlich missverstanden hatte. „Nun gut“, entgegnete er zügig und wandte sich dem vergessenen Mahl zu, „da wir dies nun geklärt hätten, würde ich gerne etwas essen und das vergangene Thema ruhen lassen. Lorenor wird heute vermutlich nichts mehr zu sich nehmen können und wenn Perona unterwegs ist, gibt es niemanden mehr, auf den wir warten müssten.“ Jiroushin folgte ihm zu Tisch und in angenehmer Stimmung begannen sie zu essen. Auch wenn Dulacre es nicht zugeben würde, so war er doch guter Laune, während Jiroushin breit grinsend für Unterhaltung sorgte. Dulacre hatte wahrlich Glück einen solchen Freund zu haben, der es selbst in dieser bedrückenden Zeit schaffte ihn mit einer solch ungefragten Wärme zu erfüllen. Er hatte es vergessen. Seine Gefühle für Lorenor waren so überwältigend, dass Dulacre wirklich vergessen hatte, dass sie nicht seine einzigen waren. Doch diese anderen hatte er all die vergangenen Jahre so gut vergraben gehabt, dass er sie beinahe vergessen hatte. Nun, da er sich seiner Gefühle jedoch nicht mehr erwehrte, erwachten sie allerdings nach und nach wieder zum Leben. Dulacre würde nicht verhindern können, dass Lorenor ging und er würde nicht verhindern können, dass es ein schmerzvoller Abschied werden würde. Er würde die darauffolgende Leere nicht verhindern können, aber Lorenor war nicht das einzige Wertvolle in seinem Leben. Jiroushin ließ ihn an dessen Lebenstraum teilhaben, einen Traum, den er beinahe verloren hatte, wofür Dulacre sich immer noch die Verantwortung aufbürdete. Er mochte mit Kindern nichts anzufangen wissen, er mochte sie als nervig und anstrengend empfinden, aber dieses eine Balg war Jiroushins Sprössling und wenn Jiroushin nur ihm zur Liebe Lorenor damals nicht festgenommen hatte, so konnte er doch zumindest versuchen dieses Gör liebzugewinnen… zumindest sollte er vielleicht damit aufhören es zu beleidigen, das würde er gegebenenfalls umsetzen können. „Ich bin, um ehrlich zu sein, immer noch überrascht, dass du so schnell hergereist bist. Ich hätte schwören können, dass du nach deinem letzten Aufenthalt nicht mehr so lange von deinem Kind getrennt sein wollen würdest.“ Jiroushin schwieg und die gute Stimmung wurde abrupt kühler. Dulacre hatte wohl einen wunden Punkt getroffen. „Es sei denn, meine Bitte war nicht dein einziger Grund uns zu besuchen.“ Kurz blitzten die grünen Augen zu ihm auf, doch schnell sah der andere weg, fast schon als fürchtete er sich vor diesem Gespräch. Seufzend erhob Dulacre sich. „Ich werde nicht nachfragen, Jiroushin. Als Zeichen meiner Dankbarkeit darüber, dass du dich bereiterklärt hast mich davon abzuhalten, Lorenor ernstlich zu verletzen. Wenn du nicht darüber reden möchtest, werde ich dich nicht zwingen. Ich weiß du bleibst nur wenige Tage, diese können wir auch in angenehmem Einverständnis verbringen.“ Er schritt zu seinem Sessel hinüber und hob das jüngste, von Lorenor übersetzte Buch hoch. Als keine Antwort vom anderen kam, begann er zu lesen. Irgendwann stand Jiroushin auf und räumte den Tisch ab, ehe er ebenfalls hinüberkam, sich den ersten Band klaubte, den Dulacre ihm bereits am vergangenen Abend bereitgelegt hatte, und ebenfalls zu lesen begann. „Du hast dich wirklich sehr verändert, Hawky“, murmelte er nach einer Weile und blätterte eine Seite um. „Ich bin wirklich froh, dass wir Freunde sind.“   Zwei Tage später mochte Jiroushin diese Aussagen vielleicht überdenken, als sie sich wild gestikulierend gegenüberstanden. „Zum letzten Mal, Dulacre, mir ist egal ob du der beste Schwertkämpfer der Welt, einer der sieben Samurai oder der Patenonkel meines Kindes bist, wenn ich dir sage, dass…“ „Stell hier nicht meine Kompetenzen in Frage, Jiroushin! Was weißt du schon davon? Du bist nur ein kleiner Vizeadmiral hinter einem noch kleineren Schreibtisch, also maße dir nicht an, dass du…“ „Oh, ich hab auf diesem Gebiet deutlich mehr Erfahrung als du, du pedantischer Nachfahre eines Weltaristokraten. Im Gegensatz zu dir weiß ich was harte Arbeit und Stunden unter…“ „Harte Arbeit? Redest du von deinen Tanzstunden bei Monsieur Grouse oder vom Abstempeln deiner Aktenberge?“ „Wenigstens habe ich in meinem Leben schon mal gearbeitet, wie sieht’s bei dir aus, mein hochwohlgeborener Mihawk Junior? Ich bin schon immer ganz überrascht, dass du überhaupt weißt, wie man sich allein anzieht. Wie viele Jahre hat Kanan wohl noch…“ „Hey!“ Sie erstarrten für einen Moment als eine Welle des Grauens über sie hinwegschwappte. Wenige Meter entfernt von ihnen saß Lorenor auf einem Stuhl im warmen Licht der selten auf Kuraigana scheinenden Sonne, der komplette Oberkörper in strahlendweiße Bandagen eingewickelt und kaum in der Lage allein mehr als ein paar Schritte zu gehen. Doch seine Aura an Frustration und Missfallen brachte die beiden Älteren ganz schnell zum Schweigen. „Während ihr euch darüber streitet, wo der Baum nun hinsoll, hat Perona ihn schon fast alleine eingepflanzt, ihr Vollidioten.“ Er nickte zum Geistermädchen hinüber, die den kräftigen Setzling, über den sie diskutierten, fast in der Mitte des Feldes gerade mit Erde bedeckte. „Perona“, rief Dulacre nun zu ihr, „hör damit auf. Diese Stelle ist nicht die richtige! Hast du dir die Symmetrie dieses Gartens auch nur mal angesehen? Das komplette Gleichgewicht würde durch den Kirschbaum dort gestört werden. Er muss an den Rand, damit er die Beerensträucher nicht völlig erdrückt und außerdem…“ „Schwachsinn“, unterbrach ihn Jiroushin sogleich, „Symmetrie ist wirklich nicht wichtig für einen gesunden Garten, Hawky. Aber der Baum sollte trotzdem nicht dahin, Perona. Dadurch entfällt die ganze Fläche dort für eine sinnvolle Nutzung. Wenn du ihn näher ans Schloss stellen würdest…“ „Ich bin fertig!“ Laut atmete Perona aus und stemmte beide Hände in die Hüften neben dem Bäumchen, was bereits so groß war wie sie selbst. „Der Baum ist eingegraben, und zwar genau hier und damit basta! Er wird wachsen und einen wunderschönen Schatten werfen und wunderschöne Kirschblüten tragen und ich werde mir eine Bank genau darunter stellen und hier lesen und wenn ihr den Baum irgendwo anders haben wollt, dann macht es selber.“ Laut vor sich hingrummelnd stapfte sie von dannen und begann damit Unkraut zu jäten. Schnell tauschte Dulacre mit Jiroushin einen ernsten Blick aus. Dass Lorenor ihm die Meinung sagte war nichts Ungewöhnliches, aber dass selbst Perona ihn so anging war etwas Ungeheuerliches. Wütend holte er tief Luft, doch noch bevor er ihr die Leviten lesen konnte, brachte Lorenor sich wieder ein. „Selbst schuld“, knurrte er und kratzte sich an seiner Kopfbandage, „wenn ihr zwei euch die ganze Zeit streitet wie zwei alte Waschweiber, hält das doch keiner aus.“ „Aber Lorenor…“ „Zorro, du kannst doch nicht wirklich…“ „Sie hat keinen von euch um eure Meinung gebeten was diesen blöden Baum angeht. Ihr sollt euch nur um das Feld hier kümmern, mehr nicht.“ Das war die Wahrheit. Die vergangenen Tage hatte Lorenor im Bett, Jiroushin und Dulacre hauptsächlich im Kaminzimmer und Perona im Garten verbracht. Ab und an hatten die beiden ehemaligen Crewmitglieder doch noch mal einen kleinen Kampf gegeneinander ausgeführt und wann immer Dulacre entschieden hatte Lorenor einen Besuch abzustatten, hatte Jiroushin sich entweder zum Lesen zurückgezogen oder Perona im Garten geholfen. Wie besprochen hatte Lorenor am heutigen Tag das Bett nun stundenweise zu verlassen dürfen und natürlich hatte Lorenor sich prompt wieder übernommen. Ehe Dulacre überhaupt aufgestanden war, hatte sein Schützling sich der Gartenarbeit angenommen und sich mehrere Stunden durch die Erde gewühlt, ehe einer von Peronas Geistern geschafft hatte Jiroushin aufzuwecken – der vergangene Abend war später geworden, als die beiden älteren Bewohner des Schlosses zugeben wollten – und dieser Lorenor aufgehalten hatte, nachdem Peronas Bemühungen erfolglos geblieben waren. Als Dulacre dazugekommen war, hatte Jiroushin bereits Lorenors verdreckte und teilweise fehlenden Bandagen wieder erneuert und auf die Beschwerde des Jüngeren hatte Dulacre schließlich entschieden, dass er und Jiroushin Lorenors Tätigkeit übernehmen würden, was auch immer diese sei. Dies war nun knapp eine halbe Stunde her und bisher hatten sie noch nicht damit angefangen. „Wozu soll das überhaupt gut sein?“, knurrte Dulacre nun unzufrieden und starrte zu seinem Wildfang herab, der nicht minder unzufrieden in seinem Stuhl zu ihm aufsah. Obwohl seine Präsenz so beeindruckend wie eh und je wirkte, war er doch noch ungewohnt blass und er hatte sich für seine Verhältnisse nur wenig dagegen gewehrt, dass Dulacre und Jiroushin die Arbeit ausführen würden während er sich ausruhen sollte. „Auf diesem Acker hier hatte Perona bisher immer Salat angepflanzt, aber damit der Boden sich regenerieren kann hat sie entschieden fürs kommende Jahr nur Blumen anzupflanzen und es ansonsten in Ruhe zu lassen. Dafür haben die Human Drills da drüben angefangen ein neues Feld für den Salat anzulegen.“ Er nickte zu seiner Linken, wo in weiter Ferne die Affen unermüdlich schufteten. „Du meinst ich soll mir die Hände für ein paar Blümchen dreckig machen?“ „Ich meine, dass weder du noch ich wirklich Ahnung von Landwirtschaft haben und da du mich auf diesen Stuhl verdonnert hast musst du jetzt das machen, was ich tun sollte. Also entweder du reißt dich jetzt am Riemen oder du lässt mich einfach meine Arbeit machen.“ „Mach dich nicht lächerlich, Lorenor. Perona magst du zwar blenden, ich jedoch sehe dir an, wie erschöpft du bist. Selbst wenn ich zulassen würde, dass du dich durch die Erde wühlst, würdest du kaum etwas zustande bringen in deinem derzeitigen Zustand.“ „Na dann, da das geklärt ist, leg los.“ Im Hintergrund gluckste Jiroushin leise auf, der schon längst damit begonnen hatte den Boden zu ebnen, während Dulacre Lorenors Blick noch eine Sekunde länger standhielt, ehe er sich zu seinem besten Freund gesellte. Am Anfang hatte Dulacre noch befürchtet, dass Lorenor ihre getauschten Rollen von Beobachter und Ausführender ausnutzen würde, um ihn herumzukommandieren, aber zu seiner Überraschung schwieg der Jüngere meist und meldete sich nur, wenn Dulacre oder Jiroushin im Begriff waren etwas fundamental Falsches anzustellen – als wäre das Anpflanzen von Blumen etwas so hochkompliziertes – oder einer von ihnen eine Frage hatte. Auf Dulacres letzte Bemerkung hatte Lorenor jedoch nicht reagiert und ein schneller Blick hatte ihm verraten, dass sein Wildfang eingeschlafen war. Seitdem arbeiteten er und Jiroushin in Stille, wobei Dulacre das Schmunzeln seines Freundes nicht entging, welches er ihm schenkte wann immer Dulacre einen sachten Seitenblick auf Lorenor riskierte, der friedlich im warmen Sonnenlicht vor sich hindöste. Perona war vor einigen Minuten zurück ins Schloss gegangen, um das Mittagessen vorzubereiten und die Human Drills hatten ihr Tagewerk anscheinend schon erledigt und sich ebenfalls zurückgezogen. So konnten die beiden ehemaligen Crewmitglieder den selten schönen Sonnentag in friedlicher Gartenarbeit verbringen. Wieder erwischte Dulacre sich selbst dabei, wie seine Augen zu Lorenor hinüberglitten während er begann die Samen ins gelockerte Feld zu streuen und wieder besagte ihm ein schiefes Grinsen, dass auch Jiroushin seinen Blick bemerkt hatte. Der Vizeadmiral gluckste leise auf und rieb sich mit seinem Unterarm durchs Gesicht, bevor er sich aufrichtete und seufzend streckte. „Das war der Grund“, gestand er ein und sah zu Dulacre hinab. „Darum bin ich hergekommen. Ich war schon am Packen, als du mich anriefst.“ Dulacre hockte auf der losen Erde und sah zu seinem Freund hinauf, der diesen Moment gewählt hatte, um ihn den Grund seines Besuches zu erklären. Dann zuckte er mit den Achseln und fuhr mit seiner Arbeit fort. „Willst du mir nun doch eine Predigt darüber halten, wie unbesonnen ich mich verhalte, Jiroushin? Du hattest über ein Jahr lang Zeit, um mir deinen Unmut über meine Gefühle mitzuteilen, und hast entschieden nichts zu sagen, dann kannst du es nun auch bleiben lassen. Lorenor wird in wenigen Tagen aufbrechen, daher wäre jegliche Belehrung nun sinnlos.“ „Ach Hawky, du bist immer so misstrauisch. Weder habe ich etwas gegen deine Gefühle, noch betreffen diese mich in irgendeiner Weise. Was du für Lorenor empfindest geht nur dich und ihn etwas an und daher stehe ich in keinerlei Position mir ein Urteil darüber zu bilden. Das meinte ich überhaupt nicht.“ Jiroushin nahm seine Arbeit nun ebenfalls wieder auf und für einen Moment sagte niemand von ihnen etwas. „Nun gut“, bemerkte Dulacre und setzte sich auf den Boden, anstatt weiterzumachen, „da ich dich offensichtlich missverstehe, möchtest du mir den wahren Grund denn nun verraten oder nicht?“ Sein bester Freund reagierte nicht. „Natürlich musst du es nicht, falls du es nicht möchtest. Ich halte mich an mein Wort.“ Dulacre nutzte die Stille, um Lorenor ausgiebig zu begutachten. Ganz ungeniert schnarchte der Pirat auf seinem Stuhl, alle Glieder von sich gestreckt, drohte beinahe hinunter zu rutschen. Der Mund stand ihm weit offen und eine feine Speichelspur tropfte unelegant sein Kinn hinab. Seine strahlendweißen Bandagen blendeten Dulacre beinahe im Licht der gleißenden Sonne und doch war es das Funkeln der Ohrringe, der kleinen Kreuzkette, welches Dulacres Blick einfing. Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und wandte den Blick ab. Selbst nach all der Zeit wurde er nicht müde Lorenor zu betrachten, denn auch wenn er diesen Körper bis ins letzte Detail erfassen würde, so würde er seinen kleinen Wildfang doch nie begreifen. „Sag mal“, murmelte Jiroushin und setzte sich neben ihm in die feuchte Erde, „haben sich deine Gefühle den über all die Monate denn überhaupt nicht verändert?“ Dulacre lehnte sich zurück und nahm erst Jiroushin und dann erneut Lorenor in Augenschein. „Du meinst meine Gefühle für ihn?“, fragte er, obwohl er natürlich wusste, was Jiroushin meinte. „Hmm“, nickte der andere nur. Der Samurai ließ sich Zeit, um seinen Wildfang ein weiteres Mal ausgiebig zu begutachten, nutzte den Moment, um über Jiroushins Frage ernsthaft nachzudenken. „Eine schwere Frage“, entgegnete er schließlich, „Gefühle sind nichts Greifbares oder Messbares. Sie werden nur subjektiv wahrgenommen und auch die Erinnerung an vergangene Emotionen sind nichts weiter als persönliche Einschätzungen, es ist also unmöglich zu sagen, ob sie sich verändert haben oder nicht.“ „Ach, Hawky, mach es doch nicht immer so kompliziert…“ Synchron seufzten sie auf. „Ich würde sagen es hat sich verändert. Noch genauso intensiv, genauso stark und unerschütterlich. Meine leise Hoffnung, dass es mit der Zeit abflauen würde, hat sich denke ich nicht bestätigt. Allerdings ist es nicht mehr so wild und ungestüm. Zu Anfang waren meine Gefühle für ihn unkontrollierbar und haben mein ganzes Denken doch irgendwie geformt, mittlerweile überrennen sie mich nicht mehr. Ich würde sagen, ich hatte genug Zeit mich an die Situation und meine eigenen Gefühle zu gewöhnen.“ Sachte nickte der andere und murmelte etwas Zustimmendes. „Früher erfüllte mich die Gewissheit über meine Gefühle mit Schuld und Schmerz...“ Leise lachte Dulacre. „…und Verzweiflung, das gebe ich gerne zu. Ich hätte nie gedacht, dass mein eigener Verstand mich so verraten würde und das ausgerechnet an einen ungesitteten Herumtreiber wie Lorenor, und doch, ist es nicht ein Glück, was ich die letzten zwei Jahre habe erleben dürfen?“ Er merkte die ernsten Augen des Blondschopf auf sich. Schmunzelnd sah er Jiroushin mit erhobener Augenbraue an. „Was denn, Jirou? Überrascht über so viel Ehrlichkeit?“ Nun lachte der andere auf und grub seine Finger in die Erde. „Ganz ehrlich? Total. Du hast dich wirklich verändert. Wer hätte gedacht, dass der eiskalte, verschlossene Mihawk zu einem so sanften, offenen Kerl werden würde?“ „Mach dich nur lustig, Jiroushin.“ „Ach nein“, seufzte der Vizeadmiral nun und zerrieb den Dreck zwischen seinen Fingern. „Aber nun finde ich, schuldest du mir doch die Antwort, Jiroushin. Es geht um meine Gefühle für Lorenor und doch willst du sie mir nicht schlecht- oder gar ausreden. Warum also warst du bereit Frau und Kind zurückzulassen? Es muss dir wichtig gewesen sein.“ Jiroushin warf ihm einen kurzen Blick zu. „Kannst du es dir denn nicht denken? Nach all dem was wir besprochen haben, nach all dem was du gesagt hast, aus welchem Grund sollte ich so dringlich mit dir reden wollen und warum ausgerechnet jetzt?“ Dulacres Verdacht sollte sich also bewahrheiten. Er hatte es ganz zu Anfang vermutet, da es weder berufliche noch familiäre Gründe gegeben hatte, die als Jiroushins Motivation für die Reise hätten dienen können. Die leise Unsicherheit, dass sein bester Freund die vergangenen zwei Jahre schlussendlich doch nicht gutheißen würde wuchs einzig und allein aus Dulacres eigenem Konflikt über seine Gefühle. Außerdem wäre Jiroushin wohl der einzige, dem Dulacre diesbezüglich zuhören würde. Kopfschüttelnd erhob Dulacre sich. „Ich habe es dir damals auf der Versammlung gesagt, Jiroushin, und meine Einstellung diesbezüglich hat sich nicht geändert. Ich werde nichts riskieren, erst recht nicht jetzt, das sollte dir bewusst sein.“ Jiroushin erhob sich ebenfalls. „Und eben weil du so uneinsichtig bist, hielt ich es für notwendig mit dir zu sprechen, Hawky. Jemand muss deinem Starrsinn entgegentreten, ehe du dich unglücklich machst.“ Ebenbürtig sahen sie einander an. „Ach, Jiroushin, du übertreibst maßlos. Mir ist bewusst, worauf ich mich einlasse und ich habe diese Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände getroffen, daher werde ich sie nicht revidieren.“ Nun schnalzte der Soldat missbilligend mit der Zunge. „Tze, das glaubst du doch wohl selbst nicht. Den wichtigsten Umstand kannst du gar nicht berücksichtigen, weil du ihn nicht kennst.“ „Du willst also behaupten, dass mir – mir – in meiner Abwägung ein Fehler unterlaufen ist, dass mir ein Umstand entgangen ist?“ Unbeeindruckt begegnete Jiroushin seinem Blick und nickte. „Und was sollte das sein, oh mein ach so kluger Gefährte?“ „Zorros Gefühle natürlich, du Narr.“ Diese Antwort verwirrte Dulacre nun doch. Kurz sah er zum immer noch friedlich schlummernden Piraten hinüber, ehe er zweifelnd Jiroushin ansah. „Was redest du denn da? Lorenors Gefühle sind wohl der Dreh- und Angelpunkt all meiner Überlegungen. Nur weil ich auf ihn Rücksicht nehme, wollte ich…“ „Du bist so verkopft, Hawky. Wie willst du auf Zorros Gefühle Rücksicht nehmen, wenn du noch nicht mal weißt, wie er diesbezüglich fühlt?“ „Was soll dieses Spiel? Natürlich weiß ich was er…“ „Du denkst du weißt was Zorro empfindet, aber du kannst es nicht wissen. Letzten Endes wirst du erst sicher wissen, was Zorro über all das denkt, wenn er es dir sagt und das kann er nur, wenn er die Wahrheit weiß.“ Langsam atmete Dulacre auf. „Ich werde nicht mit ihm darüber sprechen, Jiroushin. Er verdient, dass er zu seiner Crew zurückkehren kann ohne meine Altlasten auf seinen Schultern.“ „Er verdient die Wahrheit, Hawky. Er verdient zu wissen was du empfindest und die Möglichkeit zu haben darauf zu reagieren. Es ist unfair, ihm gegenüber und auch dir. Auch du verdienst zu wissen was er empfindet und du verdienst eine Antwort.“ Kopfschüttelnd winkte er ab. „Geh packen, Jiroushin, und belaste dein Gewissen nicht mit meinen Entscheidungen. Wir beide wissen, dass das Leben nicht fair ist, aber ich bin dankbar für die letzten zwei Jahre und dafür schulde ich Lorenor…“ „Du schuldest ihm gar nichts, Hawky. Nicht aus diesen Gründen und wenn überhaupt dann nur die Wahrheit. Glaubst du, er ist dumm oder einfältig? Wenn du ihn gehen lässt, ohne ihn reinen Wein eingeschenkt zu haben, wirst du das ewig bereuen und du verwehrst Zorro seine Chance damit umgehen zu können.“ Dulacre wollte seinem besten Freund bedeuten, dass er in Begriff war eine Grenze zu übertreten, da trat Jiroushin an ihn heran und legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihn ernst an. „Du hast Angst verletzt zu werden, Hawky, und diese Angst ist absolut menschlich und verständlich. Ich kann dich zu nichts zwingen, aber wenn du je auf meine Meinung Wert gelegt hast, dann bitte vertraue mir dieses eine Mal. Trete dieses eine Mal Zorro ganz ehrlich gegenüber, nicht als Samurai Falkenauge, der beste Schwertkämpfer der Welt, nicht als der hochwohlgeborene Herr Mihawk Junior, strenger Lehrmeister in der Schwertkunst, sondern einfach nur als Dulacre.“ Jiroushin schlug ihn noch einmal kräftig auf die Schulter, hob dann die Hand zum Gruß und ging seines Weges, Richtung Schloss, ließ Dulacre und den tatsächlich immer noch friedlich schlummernden Lorenor zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)