Zum Inhalt der Seite

Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstagabend euch allen,

also ich weiß nicht warum, aber irgendwie hab ich den kompletten Tag an der Überprüfung dieses Kapitel dran gehangen und jetzt bin ich echt k.o. und werde jetzt gleich ins Bett gehen.

Aber vorher noch zum eigentlichen Thema: Ich hoffe ihr hattet ein paar schöne Tage bei euren Liebsten und konntet euch etwas entspannen ;-)

Da das nächste Kapitel kommendes Wochenende kommt, werden wir uns erst im nächsten Jahr wiedersehen, daher wünsche ich euch einen guten Rutsch und einen noch besseren Start ins neue Jahr

Ganz liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 47 - Erkenntnis

Kapitel 47 – Erkenntnis

 

-Zorro-

Endlich war es vorbei.

Nachdem der Samurai die Versammlung fluchtartig verlassen hatte und Eizen dafür gesorgt hatte, dass Zorro nicht einfach folgen konnte – was er tatsächlich ernsthaft in Erwägung gezogen hatte – hatte die Sitzung noch gut über eine Stunde gedauert und mittlerweile waren seine Füße taub.

Während Frau Rihaku zügig ihre Unterlagen zusammenpackte hatte Eizen ihn in ein Gespräch mit Großadmiral Sakazuki verwickelt und bemühte sich sichtlich es am Laufen zu halten, doch Zorro bot ihm dabei keinerlei Unterstützung an.

Dieser Mann hatte Ace getötet und wenn die Umstände anders wären, dann würde Zorro ihm nun eine Klinge an die Kehle drücken, wohl wissend, dass er ihn wahrscheinlich nicht besiegen konnte.

Mit jedem Wort, das der Mann im roten Anzug sprach, wuchs in ihm der Wunsch diese Unterhaltung zu beenden. Allein wenn er an das Leid dachte, was Ruffy wegen diesem Kerl hatte erleiden müssen, so wurde es ihm beinahe unmöglich ihm nicht direkt anzugreifen, geschweige denn auch noch zu lächeln. Er hielt nicht viel von Rache, aber gerade reizte der Gedanke ihn doch sehr.

Als er es nicht mehr aushielt entschuldigte er sich aus dem Gespräch – ganz zum Missfallen seines Schirmherrn, wie er merkte – und versuchte ohne weitere Zwischenfälle die Türe zu erreichen, Eizens Augen stetig in seinem Rücken. Er wusste, dass der Politiker nicht gutheißen würde, dass er einfach ging, aber Zorro war das egal. Viel zu viele Tage hatte er nun schon hier verschwendet. Außerdem hatte er die Rede abgeliefert, wie Eizen es von ihm verlangt hatte, jetzt hatte Zorro seinen Feierabend verdient, und viel wichtiger noch, seinen wohlverdienten Schlaf, damit er bald wieder mit dem Training weitermachen konnte.

Gerade als er die schwere Doppeltüre hinter sich zu ziehen wollte kam es wie es bei seinem verdammten Glück ja kommen musste, ein großgewachsener älterer Mann in Marineuniform hielt das Türblatt fest.

„Lady Loreen?“, entkam es dem Soldaten als er hinter Zorro in den Flur eilte und die Tür schloss. „Hätten Sie wohl einen Moment?“

Genervt blieb Zorro stehen und sah den Fremden an, der sich zügig vor ihm verbeugte. Er brauchte eine schnelle Ausrede, denn er hatte nicht die geringste Lust sich mit diesem Typen zu unterhalten.

Doch dann richtete sich der Soldat auf und Zorro wusste wer er war.

„Es tut mir leid, dass ich Sie aufhalte, aber ich wollte die Chance nicht verstreichen lassen endlich mit Ihnen zu sprechen. Mein Name ist…“

„Mihawk Gat“, entkam es Zorro überrascht, ehe er sich fing, „die Ähnlichkeit mit Ihrem Sohn ist unverkennbar.“

Ein Lächeln glitt dem Soldaten übers Gesicht und er verneigte sich erneut.

„Ich freue mich Sie endlich kennen zu lernen, Lady Loreen.“

Dann erst machte es bei Zorro wirklich klick. In bester Lady Loreen Manier verbeugte er sich und lächelte höflich.

„Die Freude ist ganz meinerseits.“

„Hätten Sie etwas dagegen mir ein paar Minuten Ihrer wertvollen Zeit zu opfern?“

Die Entscheidung dafür war schnell getroffen. Hier länger rumstehen kam für Zorro nicht in Frage, da Eizen jederzeit hinterherkommen konnte und auf den hatte Zorro gerade so überhaupt keine Lust. Dulacre auf der anderen Seite schmollte wohl in seinem Zimmer und würde da auch noch schmollen, wenn Zorro zurückkommen würde, wobei er sich dann vielleicht zumindest etwas beruhigt hätte.

„Solange wir nicht im… zugigen Flur reden, gerne“, antwortete Zorro so galant, dass Kanan sich freuen würde und stolz darüber eine gute Ausrede gefunden zu haben.

„Natürlich, natürlich. Wenn Sie wollen, könnte ich meine Unterkunft anbieten oder wenn Ihnen Ihre Gemächer lieber wären…?“

Erneut verbeugte Mihawk Senior sich leicht und Zorro fragte sich, ob dieses Gespräch aus andauerndem Kopfgenicke bestehen würde.

„Ich richte mich da nach Ihnen.“

Erneut nickend ging der alte Mann los und Zorro beeilte sich mit seinen langen Gräten Schritt zu halten. Er schien fast so groß wie Dulacre, aber er schritt weniger elegant und mehr wie ein altgedienter Veteran, nur das sanfte Lächeln war fehl am Platz sowohl für einen Soldaten als auch für diesen Ort.

„Dann würde ich doch mein Zimmer vorschlagen.“

Schweigend gingen sie nebeneinander her und er betrachtete den Soldaten von der Seite. Die Ähnlichkeit der Gesichtszüge zum Samurai war unverkennbar, auch das schüttere Haar unter der Marinekappe schien einst schwarz gewesen zu sein. Er war deutlich schmächtiger als Dulacre und wirkte eher schlaksig als leichtfüßig. In keinster Weise konnte er mit der Ausstrahlung des Samurais mithalten; er war weder auffällig noch irgendwie besonders. Falls er je ein beeindruckender Kämpfer gewesen war, so hatte er diese Zeit schon lange hinter sich gelassen.

Nein, bis auf die Gesichtszüge ähnelten diese beiden einander überhaupt nicht, wobei auch dieses verdammte Lächeln Zorro vertrauter war als er sich eingestehen wollte. Der Samurai sah ihn manchmal so an, insbesondere wenn der Mistkerl dachte, dass Zorro es nicht bemerken würde.

Irgendwann hatten sie das Zimmer des Soldaten erreicht, es war deutlich schlichter und kleiner als Zorros – alleine schon, weil es nur ein Zimmer war und nicht so wie Zorros aus mehreren Räumen bestand – doch Zorro gefiel das viel besser als der Prunk, in dem man ihn immer bettete.

Der Soldat bot ihm einen Platz an, ein Getränk lehnte Zorro jedoch ab.

„Also, worüber wollten Sie mit mir sprechen?“, fragte Zorro und widerstand dem Verlangen sich die Schuhe auszutreten, auch das unangenehme Ziepen seines BHs ignorierte er, ein paar Minuten würde er es wohl noch aushalten.

Für einen Moment schwand das Lächeln und der alte Mann wich Zorros Blick aus. Er wirkte kränklich, seine Haut war nicht so blass wie Dulacres, aber hatte dafür einen Gelbstich.

„Ich wollte Sie unbedingt kennen lernen.“ Erneut verneigte der Mann sich im Sitzen und langsam wurde das echt nervig. „Und ich wollte mich bei Ihnen bedanken.“

Einen Moment zögerte Zorro. Er hatte gedacht, dass es eine kluge Idee sein würde, eher mit diesem Mann mitzugehen, als die Gefahr einzugehen von Eizen eingeholt zu werden, aber gerade fragte er sich, wo dieses Gespräch hinführen würde und ob er es überhaupt führen wollte.

„Okay“, murmelte er nach einer Sekunde und wusste sehr wohl, dass eine Lady Loreen nicht so reagieren sollte, aber der Tag war lang gewesen und seine Füße taten ihm weh und er hatte überhaupt keinen Bock mehr sich verstellen zu müssen.

Mihawk Gat lachte leicht verlegen und rieb sich seinen Nacken.

„Es tut mir leid, falls ich Sie überrumple. Sie hatten mit Sicherheit einen anstrengenden Tag.“

„Nein, nein, es ist schon in Ordnung. Ich hätte Dulacre damals gerne begleitet, als er Sie auf der G2 besuchte, allerdings wollte ich mich in Ihrer Familienangelegenheit nicht aufdrängen.“ Es war nicht ganz die Wahrheit, aber im Nachhinein betrachtet, hätte Zorro sich einiges an Stress erspart, wenn der Samurai wohl nicht allein den alten Mann besucht hätte, um Fragen zu stellen.

Dieser sah ihn mit großen Augen an, ehe er wieder lächelte.

„Sie haben ihn dazu überredet, nicht wahr? Ohne Ihr dazutun hätte Dulacre mich nicht besucht.“

Zorro zuckte mit den Achseln.

„Ich hab nur meine Meinung gesagt, alles andere hat Dulacre selbst entschieden.“

Mihawk Gat schüttelte den Kopf.

„Oh nein, Sie unterschätzen Ihren Einfluss. Mein Sohn hält nicht viel von den Meinungen anderer. Allein, dass er Ihnen Gehör schenkt ist schon außergewöhnlich.“

„Herr Mihawk, warum wollten Sie mit mir sprechen? Ich hoffe doch Sie versuchen nicht über mich irgendwie Ihren Sohn zu beeinflussen.“

„Oh nein.“ Abwehrend hob der andere beide Hände. „Bitte denken Sie nicht so von mir. Mir ist bewusst, dass mein Verhältnis zu Dulacre wohl nicht mehr zu retten ist. Allerdings ist er immer noch mein Kind und als Vater würde ich mir wünschen, dass er glücklich ist. Ich habe doch nur ein paar Fragen an ihn, aber er wird mir nicht antworten.“

Zorro beobachtete den alten Mann nachdenklich.

„Das heißt Sie wollen jetzt, dass ich Ihnen hinter seinem Rücken Fragen beantworte, da Dulacre mit Ihnen nicht reden möchte und sich wünscht, dass ich das auch nicht tue?“

Mihawk Gat wich seinem Blick aus.

„Wenn Sie es so aussprechen, klingt es alles andere als edel, fast schon hinterlistig, aber…“

„Das ist mir gleich.“ Mit großen Augen sah der andere ihn schnell an als Zorro erneut mit den Schultern zuckte. „Wenn Dulacre nicht mit Ihnen reden möchte, ist das seine Entscheidung, ich hingegen fälle die meinen selbst und ich habe kein Problem mit Ihnen zu sprechen.“

Der Soldat schluckte und lehnte sich leicht nach vorne.

„Ich bin Ihnen sehr dankbar, Lady Loreen, aber gleichsam erfüllen mich Ihre Worte mit Sorge. Mein Sohn wird Ihr Handeln nicht gutheißen.“

Es kostete Zorro alle Mühe nicht verächtlich aufzuschnauben oder mit den Augen zu rollen.

„Dann soll er es nicht gutheißen“, entgegnete er kühl. „Herr Mihawk, Dulacre ist mein Freund und mein Lehrmeister, aber er ist nicht mein Herr und Meister. Weder brauche ich seine Erlaubnis noch seine Gutheißung für mein Handeln. Hätte ich dieses Gespräch nicht führen wollen, wäre ich nicht mit Ihnen mitgekommen.“

Nun lächelte Mihawk Senior wieder verlegen, legte seine Kappe zur Seite und kratzte sich am Hinterkopf.

„Sie erstaunen mich, Lady Loreen.  Ich habe von Ihrer beeindruckenden Persönlichkeit gehört, aber man lobte Sie eher für Ihr sanftes Gemüt als für einen starken Kämpferwillen.“

Jetzt war es Zorro, der ein Grinsen nicht verhindern konnte. Das noch mehr wuchs als der andere ihn plötzlich ansah und seine Hand sinken ließ.

„Es… es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich dachte nur…“

„Machen Sie sich keine Gedanken“, beruhigte Zorro ihn mit einem leisen Lachen. „Ich denke Sie verstehen, dass Sanftmut bei Dulacre nicht unbedingt ausreicht.“

Der alte Mann nickte deutlich.

„Sie scheinen ihn zu nehmen zu wissen, das beruhigt mich.“ Er faltete seine Hände zwischen seinen Knien. „Dürfte ich Ihnen dann meine Fragen stellen?“

Zorro lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

„Nur unter einer Bedingung.“ Mihawk Senior hob eine Augenbraue an. „Ich möchte, dass Sie mir sagen, was Sie über Lorenor Zorro wissen und was Sie davon Dulacre erzählt haben?“

Der Soldat neigte den Kopf und setzte sich wieder aufrechter hin.

„Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er dieses Wissen nicht an sich nehmen solle und es für die Welt besser wäre, wenn Lorenor Zorro in Vergessenheit geraten würde. Warum also stellen Sie mir ausgerechnet diese Bedingung?“

Ohne den vergilbten Augen des alten Mannes auszuweichen lächelte Zorro und überlegte für einen Moment, was wohl passieren würde, wenn dieser Mann die Wahrheit wüsste. Aber natürlich würde er diese Gefahr nicht eingehen. Er vertraute Mihawk Senior nicht im Mindesten. Irgendein Marinesoldat, der Zorro über den eigenen Sohn ausfragen wollte, weil er sich nicht traute mit ihm selbst zu sprechen.

„Ich wünschte ich müsste es nicht“, gestand er ehrlich ein, „und ich wünschte Dulacre hätte Sie nicht gefragt und Sie hätten ihm nicht diese kryptischen Antworten gegeben. Aber die Vergangenheit kann man nicht ändern und Hader bringt einen nicht weiter.“

„Sie geben mir also die Schuld?“

„Mir geht es hier nicht um Schuldzuweisungen, Herr Mihawk. Aber ich möchte nicht, dass Dulacre sich in irgendeine prekäre Situation begibt, erst recht nicht wegen mir, daher möchte ich über alles Bescheid wissen, das ihn möglicherweise gefährden könnte, verstehen Sie?“

„Lady Loreen“, schnappte der Soldat nach Luft, „das hört sich ja beinahe so an, als würden Sie Dulacre beschützen wollen? Ist Ihnen bewusst in was für eine Gefahr Sie sich begeben könnten?“

Zorros Grinsen wuchs.

„Sie sollten mich nicht unterschützen, Herr Mihawk. Sie wären nicht der erste, der das bereut.“

Mihawk Gat sah nun noch fassungsloser aus, doch nach einem Moment atmete er tief durch und nickte.

„Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass Sie mit allen Wassern gewaschen sind, Lady Loreen. Sonst würden Sie es wohl kaum mit Dulacre aushalten können. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief.“

 Erneut wuschelte der alte Mann sich durch sein Haar und nickte ein paar Mal.

„Nun gut, ich werde auf Ihre Bedingung eingehen, aber nur unter einem weiteren Vorbehalt.“ Zorro hob nur eine Augenbraue an und entgegnete nichts. „Das Wissen, um das Sie mich ersuchen, könnte Ihren Untergang bedeuten. Daher bitte ich Sie, was auch immer ich Ihnen heute Abend erzähle, Dulacre darf es nie erfahren. Als begnadigter Pirat lebt er bereits auf Messers Schneide und ich werde nichts tun, was das Leben meines letzten Familienmitgliedes auch nur irgendwie gefährden könnte. Sie müssen es versprechen, Sie müssen es schwören!“

Zorro beobachtete den anderen aufmerksam, fragte sich, ob diese Sorge ernstgemeint war, ob ein Vater, der seinen Sohn über Jahre nicht gesehen und in dessen Kindheit zurückgelassen hatte, wirklich so fühlen konnte, doch eigentlich waren ihm die Beweggründe des alten Mannes egal.

„Sie müssen Dulacre außen vorlassen! Ich bin Ihnen wirklich dankbar, was Sie für Dulacre getan haben und dass Sie ihn beschützen wollen. Aber Sie müssen auch mich verstehen. Wenn ich zwischen Ihnen und meinem Sohn wählen muss, werde ich ihn ganz gewiss nicht opfern.“

Mit einem halben Lächeln neigte Zorro den Kopf zur Seite.

„Sie können ganz beruhigt sein, Herr Mihawk. Ich hatte nicht vor Dulacre mit einzubeziehen und wenn es Ihnen so wichtig ist, gebe ich Ihnen auch mein Wort darauf.“

Laut aufatmend nickte der Soldat.

„Gut, nun da wir das geklärt hätten. Was wollen Sie wissen?“

 

-Mihawk-

Damit leerte er sein bereits viertes Weinglas.

Er wusste, dass er nicht so viel auf leeren Magen trinken sollte, erst recht nicht da er nicht wusste, wie Lorenor auf ihn zu sprechen war.

Vermutlich war der Jüngere wütend darüber, dass Dulacre einfach gegangen war, auf der anderen Seite war Dulacre auch nicht gerade glücklich über die Ereignisse.

Lorenor hatte ihm wieder einmal etwas vorenthalten, hatte ihm willentlich nicht mitgeteilt, dass er die Weltkonferenz in anderthalb Jahren an Eizens Seite moderieren würde.

Er konnte ja seine eigenen Entscheidungen treffen, aber dass er Dulacre noch nicht mal seine Entscheidung mitteilte; ihm noch nicht mal die Chance gab, seine eigene Meinung dazu zu äußern. Lorenor musste sich bewusst sein, dass Dulacre das nicht einfach lächelnd hinnehmen würde.

Auch wenn er jetzt daran nichts mehr ändern konnte. Es war ganz so, wie er es Nataku gesagt hatte. Es lag nicht in seiner Macht Lorenor aus Eizens Fängen zu befreien, solange Lorenor es nicht auch wollte.

Er war überzeugt, dass Lorenor nicht wegen der Alimente die Zusammenarbeit fortführte – Geld und materielle Werte waren Lorenor nicht gerade wichtig – und daher vermutete er, dass Eizen etwas gegen Lorenor in der Hand hatte, doch er war sich nicht sicher was dies sein konnte.

Das einzige was über Lady Loreens Privatleben bekannt war, gehörte zu Dulacres direkten Umfeld und das schützte selbstredend sein Titel. Eizen war auch nicht mächtig genug, um eben jenen zu gefährden und selbst wenn, so hatte Dulacre doch zumindest noch seinen Ruf, der die Inseln im Zweifel vor großem Unheil bewahren würde, und Jiroushin gab es ja auch noch.

Ansonsten zählten für Lorenor nur noch seine Freunde, aber das konnte Eizen natürlich nicht wissen. Es gab keine Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Lady Loreen, daher…

Dulacre betrachtete sein Glas.

Nein, sein Gedankengang hier war unvollständig. Es gab ein paar Verbindungen, die er nicht außer Acht lassen sollte. Die eine war er selbst, aber nur Jiroushin und Nataku – weil Jiroushin dem anderen gegenüber nicht hatte den Mund halten können – wussten von Dulacres Interesse an dem Jüngeren. Selbst Shanks hatte er damals nicht erklärt, warum genau er ihm den Steckbrief vom Strohhut gebracht hatte, dass er erhofft hatte über den Trunkenbold an Informationen bezüglich Lorenor heranzukommen.

Dann war Lady Loreen nur wenige Tage nach Lorenor Zorros Tod in der Öffentlichkeit aufgetaucht, aber diese wenigen Tage reichten nicht ansatzweise aus, für die Distanz die Lorenor hätte zurücklegen müssen. Außerdem hatten beide Gestalten bis auf Haar- und Augenfarbe kaum Ähnlichkeiten und Lady Loreen wirkte auch Jahre jünger als Lorenor Zorro. Natürlich, die gerade Nase, die dünnen Lippen und der scharfe Blick waren Indizien, aber die Wangenstruktur, die Hautfarbe, die Gesichtsform, der Körperbau, noch nicht mal für Geschwister würde man sie halten.

Die letzte mögliche Verbindung war wohl die Gefährlichste, und zwar der Tag, an dem Lorenor seine Crew wiedergesehen hatte. Zwar waren sie beide vermummt gewesen, aber trotzdem hatten sie sich mehreren Soldaten stellen müssen und es war nicht unmöglich, dass jemand Dulacre erkannt und eins und eins zusammengezählt hatte, um herauszufinden, dass die kleine Gestalt an seiner Seite niemand anderes als Lady Loreen gewesen war.

Doch selbst wenn, war dies genug, um herauszufinden, dass Lady Loreen eine enge Verbindung zu den Strohhüten hatte?

Sicherlich reichte es nicht aus, um zu wissen, dass Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person waren. Außerdem waren die Strohhüte nur wenige Tage später vernichtend geschlagen worden und die Welt wusste nicht, dass die Piraten vorhatten sich in einigen Monaten wieder zu vereinigen.

Nein, wenn er alle Umstände miteinbezog war es einfach zu unwahrscheinlich, dass Eizen die Wahrheit kannte und Lorenor damit unter Druck setzen konnte.

Aber was war, wenn Dulacre nicht sämtliche Umstände kannte?

Es klopfte an seiner Türe.

Er vermutete, dass es nicht Lorenor war, denn dieser würde die eingelassene Tür zwischen den beiden Zimmern nutzen, und Dulacre wusste nicht, ob dessen Laune gut genug wäre, um sich an Höflichkeitsregeln zu halten.

Im Flur wartete Frau Rihaku auf ihn, wie immer wirkte sie äußerst elegant in ihrem tadellos sitzenden Hosenanzug und den langen glatten Haaren. Ihre tiefe Verbeugung zeugte von Respekt, aber ihr Lächeln und ihre mandelförmigen Augen zeigten kaum Emotionen und wirkten fast schon übermenschlich.

„Guten Abend, Herr Mihawk“, sprach sie mit ihrer gelassenen, unerschütterlichen Stimme, „wissen Sie zufällig wo Lady Loreen ist? Sie zog sich nach Beendigung der Sitzung relativ zügig zurück und antwortet nicht. Ich beginne mir Sorgen zu machen und Herr Eizen wollte noch mit ihr sprechen.“

Lorenor war also doch schon wieder zurückgekommen.

„Es tut mir leid, aber ich habe mit Lady Loreen noch nicht gesprochen“, erklärte er höflich. „Allerdings schien es mir als wäre meine Begleitung heute Morgen sehr erschöpft gewesen. Wären Sie so freundlich Herr Eizen auszurichten, dass Lady Loreen ihm erst morgen wieder zur Verfügung stehen kann? Ich werde derweil das Nachbarzimmer überprüfen.“

Zum ersten Mal wirkte Frau Rihaku vital als sie beflissen nickte und sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

„Oh natürlich. Mir ist bewusst, dass Lady Loreen auf ihre fragile Gesundheit Acht geben muss. Ich bin ganz beeindruckt wie viel diese junge Dame stemmen kann. Bitte sagen Sie ihr, dass sie sich keine Gedanken machen braucht. Die Besprechung kann natürlich bis morgen warten.“ Sie verneigte sich tief. „Und wenn ich anderweitig behilflich sein kann, lassen Sie es mich bitte wissen.“

Nach einer höflichen Verabschiedung eilte Frau Rihaku ihres Weges, doch Dulacre sah ihr noch einen Moment hinterher. Alle paar Jahre war sie ihm über den Weg gelaufen und stets hatte sie wie ein übermenschliches Wesen aus einer anderen Welt gewirkt, jede Bewegung grazil und fließend, jedes Wort getragen und poetisch, jeder Blick überlegen und feierlich, gerade jedoch hatte sie für einen Moment gesprochen und gehandelt wie ein ganz normaler Mensch.

Ob es an Lorenor – Lady Loreen – lag?

Kopfschüttelnd ging Dulacre wieder hinein und entschied, dass diese Frage seiner Zeit nicht wert war, während er am Nachbarzimmer anklopfte.

Wie zu erwarten kam keine Antwort, also verschaffte er sich Zutritt.

Das Aufenthaltszimmer lag verlassen dar. Nichts zeugte von Lorenors Anwesenheit, insbesondere da er - um den Schein Lady Loreens zu wahren - dieses Zimmer in bester Ordnung hielt, ganz anders als sein Heim auf Kuraigana.

Auch das Schlafzimmer war dunkel, doch von dort konnte er den feinen Schimmer von Licht sehen, der aus dem Badezimmer zu kommen schien.

Seufzend klopfte Dulacre an. Aus welchem Grund auch immer schien Lorenor sich gerne im Badezimmer aufzuhalten, gerade wenn er Leuten aus dem Weg gehen wollte.

Er erhielt keine Antwort, also entschied er einfach einzutreten.

Das Bad war verhangen von warmen Nebelschwaden, der beschlagene Spiegel klärte sich nun langsam und der schwere Dampf in der Luft ließ die Klamotten klamm werden.

Lorenor sah noch nicht mal auf, als er hineinkam. Er hockte fast direkt hinter der Tür auf dem Boden, ein Handtuch auf den nackten Knien, als hätte ihm beim Abtrocknen einfach die Kraft verlassen.

Errötend wandte Dulacre den Blick ab.

„Du solltest dich an so einem Ort nicht in diese Gestalt verwandeln. Was, wenn dich jemand sehen würde?“

Lorenor sah ihn immer noch nicht an.

„Warum meinst du bin ich im Bad?“, entgegnete er trocken. „Keiner würde sich einfach reintrauen und Gefahr laufen die ehrenwerte Lady Loreen in Verlegenheit zu bringen. Selbst du lässt mich hier eigentlich in Ruhe.“

War das ein Vorwurf? Dulacre entschied das zu ignorieren und lehnte sich gegen die Wand neben der Tür; bereits jetzt war sein Hemd feucht und schwer. Warum musste Lorenor sich nur immer ins Bad zurückziehen, wenn er keine Gespräche führen wollte?

„Frau Rihaku hatte nach dir gesucht, daher wollte ich sichergehen, dass du wieder da bist. Nicht, dass dich irgendein Weltaristokrat entführt hätte“, erklärte er mit einem schiefen Grinsen, wobei dies tatsächlich immer wieder seine Befürchtung war.

Der Jüngere stöhnte laut auf und stieß seinen Kopf leicht gegen die Wand hinter sich. „Ich hab so keinen Bock mehr darauf, mich immer verstellen zu müssen. Ich will hier endlich weg“, murrte er ungewohnt wehleidig.

Dulacre rollte mit den Augen und beobachtete wie der Spiegel immer mehr vom Raum wiedergab.

„Nun ja, du bist selbst schuld, oder nicht? Und du wusstest, dass ich das sagen würde, sonst hättest du mir nicht verschwiegen, dass du vorhast die Weltkonferenz zu moderieren.“

„Das ist genau der Grund warum ich’s dir nicht gesagt hab“, klagte der Jüngere und schloss die Augen. „Mir war klar, dass du jedes Mal eine Szene machen würdest, wenn ich die Rede üben würde. Deshalb hab ich nichts gesagt. Du machst immer so ein Drama um alles.“

„Sagt der, der sich gerade im Badezimmer verkriecht“, murrte er zurück. „Du hättest mich trotzdem vorwarnen können oder mir zumindest die Möglichkeit geben können meine Meinung dazu zu äußern.“

Für einen kurzen Moment sah Lorenor zu ihm hinüber, ohne etwas zu erwidern, einen unlesbaren Ausdruck auf dem Gesicht. Dann seufzte er leise.

„Ich wusste was deine Meinung dazu sein würde“, murrte der Jüngere kühl, „ich wusste, dass du’s scheiße finden würdest und versuchen würdest es mir auszureden. Aber ja, es tut mir leid.“

Hatte Dulacre sich gerade verhört? Hatte Lorenor sich gerade wirklich entschuldigt?

„Du solltest dir etwas anziehen, du erkältest dich noch.“

„Keine Lust“, entgegnete Lorenor schlicht und bewegte sich nicht.

Langsam ließ Dulacre sich auch auf den Boden gleiten, sah Lorenor über seine Knie hinweg an.

„Wenn ich ehrlich bin ärger ich mich fast weniger darüber, dass du einfach so wieder irgendetwas entschieden hast, ohne mit mir darüber zu sprechen“, sprach er, obwohl es eine kleine Lüge war, „sondern viel mehr, dass du dieses Wagnis eingegangen bist. Du weißt, dass du zum Zeitpunkt der Weltkonferenz vermutlich schon wieder mit deiner Crew zusammen unterwegs sein wirst?“

Lorenor zuckte als Antwort nur mit den Schultern.

„Wie also hast du vor das umzusetzen? Ich gehe nicht davon aus, dass du deine Meinung geändert hast und deine Crew einweihen wirst.“

Der Jüngere schwieg für einen Moment.

„Darum kümmer ich mich, wenn es soweit ist“, antwortete er dann und zuckte erneut mit den Schultern.

„Aber Lorenor, du…“

„Ich hab übrigens deinen Vater getroffen.“

„Was?“

Es war offensichtlich, dass Lorenor das Thema wechseln wollte und in Gottes Namen, war er gut darin.

„Ja, ich war bei ihm im Zimmer und wir haben uns unterhalten.“

„Lorenor!“

Dulacre war drauf und dran auf Knien auf den anderen zuzurobben, als Lorenor abwinkte.

„Jetzt stell dich nicht so an. Warum machst du immer so einen Aufstand darum, wenn ich mit Leuten spreche, die du nicht abkannst?“

„Weil ich weiß, wie gefährlich sie sein können. Außerdem verrätst du mir die Hälfte ja nie oder hattest du mir vor zu sagen, dass du mit Nataku gesprochen hast?“

 „Wovon redest du?“, meinte Lorenor grob und legte die Stirn in Falten.

„Na, erst verrätst du mir nicht, was du mit Eizen abgesprochen hast, dann verschweigst du mir, dass du gestern mit Nataku ein Gespräch geführt hast, und dann heute mit meinem Vater. Willst du dich gegen mich verschwören?“

Nun kippte Lorenors Kopf leicht zur Seite und er sah Dulacre fassungslos an.

„Sag mal, hast du sie noch alle?“, knurrte er und warf – aus welchem gottlosen Grund auch immer – sein Handtuch zur Seite. „Glaubst du wirklich, dass ich mit irgendwelchen dahergelaufenen Typen gemeinsame Sache machen würde? Vertraust du mir überhaupt nicht, oder was?“

Dulacre wich beinahe zurück, wäre da nicht die Wand hinter seinem Rücken.

„Wir hatten kein Gespräch oder was auch immer du dir da ausmalst. Wir haben im gleichen Flur gewartet und er meinte dann mich blöd von der Seite anquatschen zu müssen. Glaubst du wirklich, ich hätte auch nur das kleinste Interesse daran, mich mit diesem Mistkerl Homura länger unterhalten zu müssen als nötig? Ich will ihm die Visage polieren und das war’s dann aber auch schon.“

Aufschnaubend verschränkte Lorenor die Arme.

„Manchmal bist du so nervig, Dulacre.“ Er sah auf, als der Jüngere ihn so anging. „Sobald irgendwer, den du nicht leiden kannst auftaucht, wirst du mega misstrauisch. Ich dachte immer, dass du mir einfach überhaupt nichts zutraust und deswegen immer so einen Aufstand machst. Aber das ist es nicht, oder?“

Warum fiel es Dulacre gerade so schwer Lorenors Blick standzuhalten?

Erneut schnaubte Lorenor auf und richtete sich schließlich auf. Jetzt wandte Dulacre bewusst den Blick ab, während der Jüngere begann sich abzutrocknen.

„Du bist wirklich nervig. Wie lange wirst du noch an mir zweifeln?“

Du kannst ihr ruhig etwas mehr Vertrauen schenken. Zumindest in diesem einen Punkt kannst du dir ihrer Gunst sicher sein.

Und dann verstand Dulacre was Nataku gemeint hatte.

„Tze, dass mich ein Grünschnabel wie du belehrt. Du bist ganz schön dreist.“

„Und du bist ganz schön nervig“, wiederholte Lorenor noch einmal, während er sich mit einem Handtuch durchs kurze Haar rubbelte.

„Das heißt Nataku hat wieder maßlos übertrieben, mit dem was er gesagt hat“, schlussfolgerte Dulacre aufseufzend.

Lorenor zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, weiß ja nicht, was er dir gesagt hat. Ich hab ihn auf jeden Fall abblitzen lassen. Dieser Mistkerl ist anstrengend – und zwar noch anstrengender als du -  andauernd labert der mich blöd an. Als ob ich irgendwas mit dem zu tun haben will.“

Schmunzelnd sah Dulacre zu dem anderen auf, was er sofort bereute, da Lorenor immer noch völlig entblößt durchs Bad stakste und anscheinend nicht daran dachte sich anzuziehen.

„Zieh dir doch bitte etwas an“, murmelte er und wandte den Blick ab.

„Und was wollte Homura von dir?“, murrte Lorenor, der ihn anscheinend nicht gehört hatte, und stellte sich breitbeinig vor Dulacre hin, der seine Augen mit einer Hand bedeckte. „Ich dachte ihr könnt euch nicht abhaben?“

„Er wollte in mir einen Verbündeten finden und hatte die Hoffnung, dass ich dich zwingen würde deine Zusammenarbeit mit Eizen aufzugeben.“

„Was? Aber…“

„Könntest du dir bitte etwas anziehen?! Er ist der Überzeugung, dass Eizen dich benutzen will, um die derzeitige Weltordnung ins Wanken zu bringen. Wie er zu dieser Annahme kommt und wie Lady Loreen dazu in der Lage sein soll, kann ich dir nicht beantworten, aber er vermutet stark, dass dies etwas mit der Weltkonferenz zu tun hat.“

Leise lachte Lorenor auf.

„Tze, was hat der denn geraucht? Als ob ich zu so etwas fähig wäre. Eizen will mehr Macht, wie alle Politiker, und das kann er durch Lady Loreen erreichen. Aber mehr ist es doch nicht.“

Dulacre zuckte mit den Schultern, wagte jedoch nicht wieder aufzusehen, obwohl er hörte wie Lorenor wieder durch den Raum ging.

„Das musst du beurteilen“, entschied er eine Diskussion zu verhindern. „Darf ich denn zumindest fragen, was mein Vater von dir wollte?“

Mühsam erhob Dulacre sich. Er fühlte sich gerade sehr alt und die klammen Klamotten halfen ihm nicht wirklich.

Lorenor sah zu ihm auf und zuckte mit den Schultern, glücklicherweise nun nicht mehr komplett entblößt.

„Nichts Wichtiges. Hat viel nach dir gefragt und wollte wissen wie wir zu einander stehen.“

Aufgrund der Tatsache, dass Lorenor bis vor wenigen Sekunden noch nackt vor Dulacre herumgelaufen war und sie sich im Badezimmer unterhielten, errötete Dulacre noch mehr.

Doch Lorenor bemerkte dies anscheinend gar nicht, als er an Dulacre vorbeiging und nach einem bereitgelegten Hemd griff, das ebenfalls nass wirkte.

„Hat komische Sachen gefragt, ob wir heiraten würden und wie deine Essgewohnheiten sind und so ein Kram. War ziemlich anstrengend dabei nicht die Fassung zu verlieren, als ob ich je jemanden heiraten würde, und erst Recht nicht dich.“

Dulacre folgte dem Jüngeren aus dem Bad hinaus und ignorierte die unterschwellige Beleidigung, versuchte zu erwähnen, dass Lorenor sich vielleicht verwandeln sollte, aber als Lorenor unbeschwert weitersprach schwieg er ganz schnell.

„Hat dann auch noch gefragt ob ich Kinder will, was für ein Vollpfosten.“

„Wie bitte?“ Er schluckte schwer und seine Wangen wurden noch wärmer. Wie konnte sein Vater solche Themen einfach ansprechen mit einer Person, die er nicht kannte?

Lorenor zuckte nur erneut mit den Schultern und zog eine der engen Jogginghosen aus seinen Klamottenstapel, die aus dem gleichen Material war wie seine Unterhose. Kanan hatte sie extra für Lorenor besorgt, da sie sich seinem Körper selbst bei Verwandlungen anpassen konnten.

„Und?“, fragte Dulacre bewusst unbeeindruckt während Lorenor die Hose anzog. „Willst du Kinder haben?“ Dieser Abend sollte eine Feuerprobe für Dulacre werden, das wurde ihm nun bewusst.

„Was? Nein“, entgegnete Lorenor direkt. „So einer Verantwortung wäre ich wohl kaum gewachsen.“

„Wer ist das schon mit zwanzig?“, meinte Dulacre nur und ließ sich auf einen der Sessel nieder. Wie kam es, dass er sich jetzt mit Lorenor über so etwas unterhielt? Von sich aus hätte er es wohl nie angesprochen, aber neugierig war er schon.

„Wer ist das generell?“, murrte er dann unzufrieden.

Leise seufzend ließ sich Lorenor ebenfalls auf ein Sofa neben Dulacre fallen.

„Jiroushin“, murmelte er nachdenklich, „ich denke er wird ein guter Vater. Aber ansonsten würde mir auch niemand einfallen. Die Väter meiner Freunde haben meist ihr eigenes Ding gemacht und ihre Kinder bei ihren Müttern – oder sonst wem – zurückgelassen und ich selber hatte nie einen.“

Dulacre begutachtete seinen Wildfang. Lorenor dachte anscheinend gar nicht daran sich zurück zu verwandeln, während er einen Zipfel seines viel zu langen, feuchten Hemds – gehörte es vielleicht Dulacre? - zwischen den Fingern zwirbelte.

„Da hast du wohl Recht. Jiroushin wird mit Sicherheit ein guter Vater“, stimmte er zu. „Aber er ist auch mehr als bereit seine eigenen Ambitionen zum Wohle seiner Familie hintenanzustellen und das kann halt nicht jeder.“

„Ich könnte es wohl auch nicht“, meinte Lorenor nachdenklich, „aber das ist auch nichts worüber ich mir wirklich Gedanken machen muss. An oberster Stelle stehen meine Crew und mein Traum, daneben ist einfach kein Raum für irgendetwas anderes.“

Irgendwie tat der letzte Satz Dulacre weh. Er hatte es immer gewusst, wusste von Lorenors Zielstrebigkeit und seiner Entschlossenheit, und trotzdem war es ein bittersüßer Schmerz.

Gähnend erhob er sich und ignorierte dieses Gefühl.

„Ich werde mich etwas hinlegen. Du solltest dich am besten verwandeln, nicht das dich jemand sieht.“

„Jaja, mach nicht so einen Aufstand, als würde jetzt noch jemand zu Besuch kommen.“

Augenrollend sah Dulacre zu dem Jüngeren hinab.

„Denk dran, wir wollen morgen relativ zeitig aufbrechen. Vermutlich direkt nach deinem Gespräch mit Eizen, damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren. Du solltest also heute noch packen und früh schlafen gehen.“

Lorenor nickte nur, während Dulacre sich auf die Unterlippe biss und zur Tür ging.

Vor wenigen Minuten hatte Lorenor ihm noch vorgeworfen, dass Dulacre ihm nicht vertraute, selbst Nataku hatte behauptet, dass Dulacre sich seiner sichersein konnte. Aber dieser eine Satz rief ihm wieder ins Gedächtnis welche Priorität er war.

Lorenor meinte es nicht böse. Er meinte es ehrlich, wenn er sagte, dass Dulacre sein Freund war, aber er war nun mal nur ein Freund, kein Crewmitglied, welches Lorenor mit seinem Leben beschützen würde. Kein Kapitän, für den Lorenor bereit war durch die Hölle zu gehen und selbst seinen Traum aufzugeben.

Dulacre wusste sehr wohl, dass Lorenor seinen eigenen Traum dem Leben und den Träumen seiner Crew untergeordnet hatte und da er selbst nicht viel mehr war als der Mittel zum Zweck, konnte er kaum erwarten, da mithalten zu können.

Es war nicht Lorenors Schuld, Dulacre las einfach zwischen die Zeilen mehr hinein als da war und deswegen wurde er immer wütend, wenn Lorenor dieses mehr nicht bestätigte.

„Lorenor“, fragte er ruhig an der Tür, „hast du eigentlich Geheimnisse vor mir?“

Einen Moment war es still hinter ihm. Dulacre wusste, dass es ein Fehler war dies zu fragen, er kannte die Antwort, hatte sie von Anfang an gewusst, selbst damals als er Lorenor darum gebeten hatte, ehrlich mit ihm umzugehen. Es war nicht Lorenors Schuld, Dulacre selbst hatte sich diese Falle gestellt.

„Ja“, war die Antwort, die seine Befürchtung bestätigte.

„Trotz unserer Abmachung, ehrlich umzugehen?“

„Ja.“ Lorenor versuchte noch nicht einmal es zu erklären.

„Wirst du mir sagen warum?“ Dulacre wusste die Antwort, zu jeder dieser Fragen, aber wenn er sie aussprach, war Lorenor der Schuldige und nicht mehr er selbst.

„Nein.“

Dulacre wandte sich um. Natürlich war es die Antwort, die er erwartet hatte.

„Weil du mir nicht vertraust?“

Lorenor hatte sich erhoben und sah zu ihm herüber.

„Weil wir gesagt haben, keine Lügen mehr, und nicht, dass ich dir jedes kleinste Detail aus meinem Leben offen darlegen muss.“ Dulacre wollte widersprechen, doch Lorenor redete weiter. „Oder erzählst du mir jede Kleinigkeit, über die du dir Gedanken machst? Kenne ich jedes deiner Geheimnisse und jedes deiner dunklen Kapitel aus deiner Vergangenheit?“

Nun zögerte der Samurai. Nein, natürlich erzählte er Lorenor nicht alles, schließlich wollte er Lorenor beschützen, im Zweifel auch vor ihm.

„Na siehst du?“ Doch ein leises Grinsen schlich über die Züge des Jüngeren. „Geheimnisse und Vertrauen schließen sich nicht aus, Dulacre. Ich muss nicht alles über dich wissen, um dir zu vertrauen und ich hoffe es ist andersherum auch so. Natürlich kannst du in meiner Vergangenheit herumwühlen, wenn’s dich glücklich macht, oder aber du vertraust mir, dass ich dir schon sagen werde, wenn es etwas gibt, was du wissen musst.“

„Geh jetzt schlafen, Lorenor. Es fällt mir schwer dir irgendwelche Weisheiten zu glauben, solange du so lächerliche Kleidung trägst.“

„Ach, halt die Klappe!“

Lorenor warf ein Kissen nach ihm, welches nur die Tür traf, welche Dulacre eilig hinter sich zuzog.

Doch in seinem Zimmer angekommen schwand Dulacres Lächeln sofort. Weniger wegen Lorenors letzten Worten und doch auch genau deswegen.

Erzählst du mir jede Kleinigkeit, über die du dir Gedanken machst?

Natürlich konnte er das nicht.

Ich dachte immer, dass du mir einfach überhaupt nichts zutraust und deswegen immer so einen Aufstand machst. Aber das ist es nicht, oder?

Nein, das war es wirklich nicht.

Wie lange wirst du noch an mir zweifeln?

Es war nicht so, als ob er an Lorenor zweifelte, eher im Gegenteil. Er wusste genau, woran er bei Lorenor war.

An oberster Stelle stehen meine Crew und mein Traum, daneben ist einfach kein Raum für irgendetwas anderes.

Für irgendetwas anderes? Oder für irgendjemanden?

Mittlerweile verstand Dulacre warum Lorenors Verhalten ihn immer so schnell aus der Haut fahren ließ, warum Lorenor glaubte, dass Dulacre ihm nichts zutraute und warum Dulacre im Endeffekt nicht in Lorenor vertraute.

Endlich gab er zu, warum Lorenor seine Erwartungen immer übertraf und doch nie gerecht werden konnte.

Leicht schlug er sich gegen die eigene Brust und dann verließt er eilig das Zimmer.

Jetzt konnte ihm nur noch einer helfen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: RuffysKreationen
2019-12-31T11:33:03+00:00 31.12.2019 12:33
Ich hoffe sehr, dass es bald Aufklärung gibt, was Zorro mit Gat besprochen hat. Da bin ich echt neugierig!
Auch das Thema Vertrauen zwischen Zorro und Mihawk finde ich immer wieder spannend. Man merkt bei deiner Erzählweise, das Zorro ihm vertraut, aber Mihawk selbst diese Zweifel hat.
Ich wünsche dir einen super Start ins Neue Jahr! :D
Antwort von:  Sharry
04.01.2020 22:52
Hey,
Ich danke dir für deinen Kommi und wünsche dir auch einen tollen Start ins neue Jahr!
Nah, also sagen wir mal so, das nächste Kapitel wird sich nur sehr sehr wenig mit Zorros und Gats Gespräch befassen... mehr sage ich nicht ;-P

Ganz liebe Grüße
Sharry


Zurück