Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 48: Kapitel 46 - Monster -------------------------------- Kapitel 46 – Monster   -Mihawk- „Konzentriere dich!“, tadelte er. „Ich konzentriere mich!“, knurrte Lorenor sogleich zurück. „Offensichtlich nicht, sonst würde ich nichts sagen.“ Aufschnaufend verkniff der Jüngere sich sichtlich einen Kommentar. Nicht minder unzufrieden umrundete Dulacre seinen Schüler langsam erneut und begutachtete dessen Haltung, die dieser nun schon seit mehreren Stunden hielt. Obwohl es eine sehr ruhige und bedachte Übung war, forderte sie doch ihren Tribut von Lorenor, der seinen Körper in einer perfekten Harmonie aus Anspannung und Flexibilität, Balance und Agilität, Standhaftigkeit und Mobilität halten musste. Schweiß rann Lorenors Körper hinab, das durchnässte Oberteil hatte er schon am frühen Morgen zu Boden geworfen, wodurch es Dulacre leicht fiel, jede Muskelanspannung und jede Bewegung seines Schülers zu verfolgen. Aufmerksam bemerkte er jedes leise Zittern, jedes Zögern, bemerkte wie unregelmäßig sich das Gewebe um jene Narbe herum bewegte, sah die kleinen Schweißtropfen im Haar und wie sich die Nackenhaare aufstellten, wann immer Dulacre zu nah hinter seinen Schützling trat. Es war beeindruckend mit welcher Perfektion Lorenor die grundlegenden Kampfhaltungen mittlerweile beherrschte und sie auch auf Dauer halten konnte, ohne zu verkrampfen oder in Schonhaltungen zu verfallen. Im echten Kampf später würde er natürlich nie für einen so langen Zeitraum den Körper nicht bewegen, aber es war notwendig, dass er in der Lage war diese Positionen jederzeit abrufen zu können, ganz gleich wie erschöpft oder versteift seine Muskeln sein würden. Gerade im Kampf gegen überlegene oder schwer einzuschätzende Gegner war ein geschmeidiges motorisches Gedächtnis eine Lebensversicherung. „In Ordnung. Du kannst weitermachen.“ Automatisch glitt Lorenor in die nächste Position. Obwohl er sich lange nicht gerührt hatte, waren seine Bewegungen weder grob noch ungelenk gewesen, ganz im Gegenteil. So langsam erlangte Lorenor die Körperbeherrschung, die er als Schwertmeister benötigte. Es gab nur wenig für Dulacre zu korrigieren, meistens verging viel Zeit bis Lorenor begann erste Schwächen zu zeigen, was gut war, denn sie hatten noch einige stramme Tage vor sich. „Du hast mehr als acht Monate gebraucht, um die Grundlagen des Hakis sicher zu beherrschen und um deinen inneren Dämon soweit zu kontrollieren, dass er keine Gefahr mehr darstellt“, erklärte Dulacre nun und fasste mit einem Finger hinter Lorenors linkes Ohr ohne, dass dieser sich überhaupt rührte. Zwischen Kiefer und Schädel fühlte er Muskeln und Sehnen. „Dein Kiefer verspannt sich. Schlechte Laune hin oder her, es wird sich über kurz oder lang auf Nacken, Schultern und Rücken auswirken.“ Für eine Sekunde verspannte sich der Muskel noch mehr, ehe Lorenor anfing den Kiefer durch hin und herschieben zu lockern. Dabei atmete er laut aus, auch wenn er weiterhin geradeaus starrte. Seine Laune war in den letzten paar Tagen noch unausstehlicher geworden als vorher – sofern dies überhaupt möglich war – und Dulacre wusste genau, dass es vor dem Termin mit Eizen auch nicht mehr besser werden würde. Der einzige Grund, warum er überhaupt noch bereit war mit Lorenor zu arbeiten war der, dass Lorenors Ehrgeiz und sein Streben nach Weiterentwicklung und Wachstum selbst seine stetige Unzufriedenheit übertraf. Auch gerade war der Kampf zwischen der Gier sich zu verbessern und den blanken Nerven ihm förmlich anzusehen, doch Lorenor beugte sich seinem Meister und versuchte sich zu entspannen. Aber so gleichmäßig seine Atmung und sein Puls auch war, die Spannung in seinen Gedanken wirkte sich weiterhin auf winzige Bereiche seines Körpers aus. „Die Stirn“, murrte Dulacre nun und drückte mit drei Fingern leicht dagegen. „Das Gesicht ist Teil deines Körpers, jede deiner Schwächen wird sich als erstes hier bemerkbar machen.“ „Ich weiß“, knurrte Lorenor und sah ihn nun direkt an. „Dann mach keine Fehler“, schollt Dulacre unbeeindruckt. Er mochte die Art nicht, wie Lorenor sich derzeit benahm, aber er konnte damit umgehen. Schließlich hatte er auch gelernt sich damit abzufinden, dass Lorenor seine eigenen gesundheitlichen Grenzen im Training wieder und wieder ignorierte und überschritt, auch wenn er es nicht guthieß. Wenn Lorenor stur sein wollte, so wurde Dulacre sturer. Er wusste, dass der Jüngere gerade einen Kampf mit sich selbst ausführte und unter anderen Umständen Dulacres Anweisungen leichter folgen würde. Aber wenn Dulacre aus diesem Grund nun sanfter mit ihm umgehen würde oder Rücksicht üben würde, dann würde Lorenors Entwicklung sich verlangsamen, vielleicht sogar stagnieren, und das war das eine, was Lorenor auf keinen Fall wollte, und Dulacre stimmte in dem überein. Also blieb er beharrlich und ließ sich von Lorenors unbedachten Bemerkungen nicht provozieren. „Auch wenn deine Hakifertigkeiten sich bisher gut entwickelt haben“, sprach er dementsprechend weiter, als wäre nichts gewesen, „so bleiben uns nun keine sechszehn Monate mehr, um dich im Schwertkampf zu unterweisen.“ Er pochte sich selbst leicht an die Schläfe, um Lorenor zu bedeuten, dass er sich auch dort verkrampfte und der Jüngere verstand. „Nun, da du in der Lage bist, deine Schwerter vor Schaden zu bewahren, müssen wir dafür sorgen, dass du für sie ein würdiger Meister wirst. Deine körperliche Stärke ist überproportional im Vergleich zu deinen sonstigen Attributen. In den vergangenen Monaten haben wir deine Wendigkeit und Fußarbeit deutlich verbessert, auch dein strategisches Denken zeigt sich nun langsam. Aber deine Rumpfmuskulatur ist immer noch zu steif und deine Körperbalance ungenügend. Auch an deiner generellen Flexibilität müssen wir noch arbeiten, deine Ausdauer hingegen ist mittlerweile auf einem guten Standard.“ Lorenor schwieg. Dulacre wusste, dass er es schon mehrfach erklärt hatte, aber Lorenor hatte die Gabe, logische Erklärungen zu verdrängen, die ihn davon abhielten mit seinen Schwertern oder mit Gewichten zu arbeiten, also wiederholte er sich erneut, um den zornigen Jungen bei Laune und Verstand zu halten. „Ich weiß, dir wäre es lieber einfach tagein, tagaus mit deinen Schwertern zu trainieren, aber das ist nicht zielführend. Du wirst sehen, dass diese Übungen hier dein Können weit mehr verbessern als ziellose Trockenkämpfe. Obwohl ich natürlich zugebe, dass es deutlich eintöniger ist als ein Kampf.“ „Ach ne“, murrte Lorenor und biss sich dann auf die Unterlippe, bevor sein Gesicht wieder ausdruckslos wurde. Ganz eindeutig war ihm dieser Kommentar gerade ungewollt herausgerutscht. „Lorenor“, mahnte Dulacre kühl, „mir ist sehr wohl bewusst, dass du in einem direkten Kampf am besten lernst, aber diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr, daher wirst du wohl oder übel damit zurechtkommen müssen, dass du dir dein Können mit reiner Fleißarbeit verdienen musst, so wie jeder andere auch.“ Für einige Zeit war es ruhig, doch dann sprach Lorenor kalt: „Du könntest wieder gegen mich kämpfen.“ „Diese Diskussion hatten wir schon vor zwei Wochen und ich werde sie nicht wiederaufkommen lassen.“ Barsch verwarf Dulacre diesen Vorschlag und bedeutete Lorenor in die nächste Position überzugehen. „Du weißt so gut wie ich, dass es mir schwer fallen wird in einem Übungskampf mit dir meine Kontrolle zu wahren und du bist mir bei weitem noch nicht ebenbürtig genug, dass ich riskieren würde dich gar zu töten.“ „Dann kontrolliere dich halt.“ Fast schon wie ein Befehl klangen diese Worte. „Willst du mir etwas sagen?“, fragte Dulacre leise nach, Zorn stieg in ihm auf, als dieser Jungspund meinte ihn belehren zu müssen. Dieser schwieg für einen Moment. Es war jedoch nur ein Moment und dann konnte er sich wohl nicht mehr halten. „Den ganzen Tag redest du über nichts anderes“, murrte Lorenor nun, ohne seine Haltung zu ändern, „‚kontrolliere deine Körperhaltung, Lorenor‘, ‚du musst dein Monster kontrollieren lernen, sonst kannst du mich nicht besiegen, Lorenor‘, „wenn deine Hakikontrolle brüchig wird, wird Yuro deine Schwerter zerstören, Lorenor‘. Alles muss ich kontrollieren, damit ich dir auch nur gewachsen sein darf. Aber wenn es doch so einfach geht, warum kontrollierst du nicht ausnahmsweise Mal dich? Du willst mir etwas über Kontrolle beibringen und gleichzeitig schaffst du es noch nicht einmal ein paar meiner Schläge abzuwehren, ohne mich gleich umbringen zu wollen. Wer von uns beiden kann sich nicht kontrollieren?!“ Schwer atmend verließ Lorenor die Kampfhaltung – unterbrach ihre Übung – und sah ihn einfach nur an. Für einen Moment tat Dulacre es ihm gleich. „Du meine Güte“, entgegnete er dann mit einem kühlen Grinsen, „das muss dich ja schon sehr lange gestört haben, nicht wahr? Interessant, was man so ausplaudert, wenn man sich nicht gut kontrollieren kann.“ Er sah Lorenor an, dass dieser zwar bereute was er gesagt hatte, aber er wich weder zurück, noch wandte er den Blick ab. Er stand zu seinen Worten, hatte diese Zweifel vermutlich schon seit Monaten immer wieder gehegt, doch nur der Dämon traute sich – oder war unbeherrscht genug - sie laut auszusprechen. „Natürlich hast du Recht. Es ist sehr scheinheilig von mir dich immer wieder zu kritisieren während ich selbst mein Monster kaum in Schach halten kann.“ Langsam wandte sich Lorenors Blick in Überraschung, dann in Staunen und dann in… „Aber du siehst Lorenor, der Unterschied zwischen dir und mir ist ein kleiner, aber feiner.“ Er trat auf den anderen zu. „Ich bin der Beste und du bist nur der, der mich besiegen will.“ „Na und, was für einen Unterschied macht das?“, murrte Lorenor und weder seine Worte noch seine Augen betrogen ihn, aber wohl sein Kiefer, der leicht zitterte. „Ob Bester oder nicht, du bist und bleibst jemand, der sich nicht kontrollieren kann, wenn er Spaß am Kämpfen entwickelt und verlangst von mir, dass ich es schaffe.“ „Du hast es immer noch nicht verstanden, ich dachte Jiroushin hätte es dir erklärt.“ Lorenor strauchelte zurück und sah ihn mit großen Augen an, als er für einen kurzen Moment das Gleichgewicht unter Dulacres Aura verlor. Auch wenn er nicht laut wurde, so brodelte es doch in ihm; es kostete ihn deutlich Nerven Lorenor nicht für sein vorlautes Mundwerk zu bestrafen. „Ich kontrolliere mich immer, deswegen solltest du mich nicht auf die Probe stellen, wenn du nicht hinter die Maske sehen willst.“ Zum ersten Mal zögerte Lorenor und sah ihn undurchschaubar an. Dulacre war wütend, Lorenors Vorwürfe waren die Vorwürfe, die er sich selbst lange Zeit gemacht hatte. Wie konnte es sein, dass jemand wie er, der ein Perfektionist war, talentiert, intelligent und letzten Endes in jeder Form ein herausragender Krieger war, wie konnte es sein, dass Dulacre sich nie vollständig kontrollieren konnte? Nachdem es einmal ausgebrochen war, hatte er Jahre trainiert, sich zurückgezogen und dieses verzehrende Verlangen in sich versucht zu bändigen, aber erst viel später hatte er verstanden, dass er sich nie vollständig unter Kontrolle haben würde, nie mehr. Aber diese Gedanken waren nun nebensächlich. Der dreiste Junge vor ihm hatte sich dieses Mal zu viel herausgenommen und Dulacre würde ihm wohl ein für alle Mal… Lorenor nahm wieder seine Grundhaltung ein. „Was tust du da?“, murmelte Dulacre, in seinem Gedankengang gestört. Sein Schüler schloss die Augen und fast augenblicklich entspannte er sich. Selbst zornerfüllt beeindruckte es Dulacre, dass Lorenor wie auf Knopfdruck seine mentale Haltung ändern konnte. „Ich will hinter die Maske sehen“, sagte er schlicht, „ich will stark genug werden, dass du im Kampf mit mir keine Maske mehr brauchst. Ich will, dass wenn wir kämpfen, du dich nicht mehr zurückhalten brauchst, nicht mehr kontrollieren brauchst. Aber noch bin ich nicht gut genug, also muss ich trainieren.“ Dann sah Lorenor ihn an. „Und wenn ich soweit bin, wag es ja nicht, dich hinter deiner miserablen Kontrolle zu verstecken. Denn ich werde das auch nicht tun, verstanden?“ Fließend nahm Lorenor die nächste Haltung an. „Außerdem will ich, dass du mir endlich Königshaki beibringst oder zumindest wie ich mich besser dagegen wehren kann. Aber ich wette, das kommt erst dran, wenn ich meine körperlichen Defizite ausgeglichen habe, nicht wahr?“ Die Anspannung, die bis gerade noch in der Luft geknistert hatte, war verschwunden als Lorenor so tat als wäre nichts gewesen und fast augenblicklich verging auch Dulacres Zorn. Nein, es war viel mehr als das. In diesem Moment wurde Dulacre etwas schmerzlich bewusst, wie vom Blitz getroffen realisierte er etwas, was er bisher in die dunkelsten Ecken seines Verstandes verbannt hatte. Plötzlich war es so offensichtlich und klar für ihn, dass er nicht wusste, wie er es bisher hatte ignorieren können. Es war wie eine Offenbarung, wie ein klarer Sonnenaufgang nach einer dunklen Nacht, aber es tat auch weh und nahm ihm den Atem und für einen kurzen Moment wuchs in Dulacre eine ohnmächtige Verzweiflung heran, doch dann entschied er, diesen Gedanken mit all seinen entwaffnenden Gefühlen nicht weiter zu verfolgen, sondern nickte sachte. „Ganz recht, Lorenor.“ Nun nahm er seine Lehrmeisterposition wieder ein. „Allerdings habe ich dir schon einmal gesagt, dass wir erst herausfinden müssen, ob du die Veranlagung des Königs überhaupt in dir trägst. Ansonsten wäre jedes Training in diese Richtung fruchtlos.“ Der Jüngere zuckte mit den Achseln. „Und wie finden wir das heraus?“ „Das lass meine Sorge sein. Du konzentrierst dich auf deine Haltung. Dein linkes Knie muss etwas mehr in die Beuge.“   -Zorro- Beide gähnten sie, fast schon gleichzeitig, Zorro hinter vorgehaltener Hand, Mihawk ihm gegenüber ganz unverhohlen, die Füße auf einen leeren Stuhl geworfen, zwischen ihnen nicht weniger als der gefüllte Sitzungssaal. Zorro saß zu Eizens Linken, in einem simplen grauen Kostüm und Klackerschuhen, die seine Füße absterben ließen. Zu Eizens Rechten saß dessen Sekretärin Rihaku, die die ganze Sitzung lang nichts anderes machte als fleißig Protokoll zu schreiben. Gerade beendete der neue Großadmiral Sakazuki seine ausschweifenden Berichte über die erfolgreiche Verlegung des Marinehauptquartiers, die Abdankung des ehemaligen Großadmirals Senghok, die Ernennung und Abdankung weiterer Vizeadmiräle und natürlich seine eigene Beförderung zum Großadmiral. Es war eine öde Versammlung, wie Zorro fand und mittlerweile meinte er sich eine Meinung bilden zu können. Die heutige Versammlung sollte nicht wichtige Entscheidungen treffen oder Probleme bewältigen. Sie diente einzig und alleine dazu, den Abgesandten der verschiedenen Mitgliedstaaten der Weltregierung sowie den Vertretern der Weltaristokraten zu beweisen, dass die Marine nach dem großen Krieg viel stärker sei als noch zuvor. Es war nicht mehr als ein Schauspiel. Keine der genannten Zahlen und erläuterten Taten beeindruckte oder überzeugte Zorro – wobei es ihn schon beinahe schockierte, dass er wirklich alles verstand, was hier erzählt wurde - und er wusste, dass noch weniger von ihnen stimmten. Langsam fragte er sich, was er hier sollte und er konnte dem Samurai ansehen, dass dieser genau das gleiche dachte. Es war eine reine Zeitverschwendung; Zeit, die sie fürs Training hätten gebrauchen können oder für irgendetwas anderes. Dulacre bemerkte seinen Blick und ein fast unbemerkbares Grinsen glitt über sein gelangweiltes Gesicht, doch Zorro ignorierte es, denn Sakazuki hatte geendet und nun war er an der Reihe. Unter höflichem Applaus erhob Zorro sich und ging zum Podium. Er erinnerte sich gut daran, wie Eizen ihm einst gesagt hatte, dass er Zorro – nein, wohl eher Lady Loreen – als Symbolfigur nutzen wollte, aber er hätte nie erwartet, dass dies bedeuten würde, dass er irgendwann mal Reden im Marinehauptquartier halten würde, erst Recht nicht vor über 300 Leuten aus der ganzen Welt und noch viel weniger unter den scharfen Augen seines Lehrmeisters. Es war die erste Rede von Bedeutung, die Zorro – Lady Loreen – halten würde. Mit den Worten, die Eizen ihm vorgelegt hatte würde er über die jüngsten Entscheidung der fünf Weisen sprechen, über die Ernennung der neuen Samurai und über die Vorbereitungen der nächsten Weltkonferenz, die in weniger als zwei Jahren stattfinden würde. Da es seine erste relevante Rede war, hatte Zorro viel üben müssen bis Eizen und Rihaku mit ihm zufrieden gewesen waren; über eine Woche hatte er im Hauptquartier zugebracht, doch jetzt gingen ihm die Worte ganz leicht von den Lippen, auch wenn er hasste sie sagen zu müssen. Er sprach so, wie er es befohlen bekommen hatte, lächelte wann gewünscht, ließ Pausen wann notwendig, sah die Person an, die er am meisten erreichen sollte und wurde ernst, wann immer er sein sollte. Doch nicht eine Sekunde ließ er den Samurai aus den Augen. Zu seiner leisen Überraschung machte sein Lehrmeister keinerlei Anzeichen einer Grimasse oder nur eines Grinsens. In den vergangenen Tagen hatte Dulacre ihm oft dabei zuhören müssen, wie er die Rede wieder und wieder laut vorgetragen hatte, auswendiggelernt hatte, hinterfragt hatte und dabei war der Samurai alles andere als eine Hilfe gewesen. Der Ältere hatte sich wiederholt über ihren Ausflug aufgeregt, hatte ihn mitten in der Rede mit nervigen und unnötigen Fragen unterbrochen, einmal hatte er sogar eine Nippesfigur nach Zorro geworfen, weil er seine Aufmerksamkeit verlangt hatte, wie eine gelangweilte Katze, oder wie Ruffy. Daher war Zorro davon ausgegangen, dass dieser Mistkerl es ihm heute erst recht nicht einfacher machen würde, aber er sollte sich täuschen. Aus kalten, ernsten Augen beobachtete der Samurai ihn, seine Miene eine steinerne Maske, die kein einziges Gefühl offenbarte, während Zorro sprach. Mihawk saß am anderen Ende des Raumes, weit entfernt von den Abgesandten der Weltaristokraten. Es war wahrscheinlich alles andere als gewöhnlich, dass ein Samurai bei dieser Versammlung anwesend war. Doch die meisten würden es wohl damit begründen, dass die ehrenwerte Lady Loreen so gut wie nie ohne ihren Wachhund das Haus verließ. Dulacre hatte seine ganz eigene Vermutung. Laut dem Samurai ging es hier nur um Macht. Eizen wolle dem Samurai zeigen, dass er Zorro tanzen lassen konnte, wie es ihm passte und Dulacre dagegen nichts tun konnte. Der Samurai glaubte, dass Eizen ihn in seine Schranken weisen wollte. Doch Zorro sah das anders. Vielleicht war das ein Nebeneffekt von dem was Eizen wollte, aber Zorro glaubte nicht, dass er das nur tat, um den Samurai vorzuführen. Dafür hatte der Politiker zu deutlich gemacht, dass er Dulacre noch nicht einmal als Mitspieler sah. Vielleicht wollte Eizen dem Samurai nur zeigen, wie viel Macht er über Zorro hatte. Vielleicht wollte er aber auch Zorro zeigen wie viel Eizen zerstören konnte, sollte Zorro nicht gehorchen. Der Politiker wusste nicht, dass Dulacre wusste wer Zorro in Wirklichkeit war und vielleicht dachte er, dass diese Drohung Zorro einschüchtern würde. Viel mehr beschäftigte Zorro jedoch das Damoklesschwert, welches Eizen über all seinen Freunden und Verbündeten schweben ließ, daneben brauchte der Politiker doch eigentlich nichts mehr, um Zorro unter Druck zu setzen. Es war also sehr gut möglich, dass Eizen etwas ganz anderes damit bezwecken wollte, dass er auch Dulacre eingeladen hatte. Aber wenn er ganz ehrlich war, so war ihm das herzlich egal. Egal was der Politiker auch vorhatte, Zorro würde seinen Weg gehen und seine Freunde beschützen, so wie er es immer tat. Langsam kam Zorro zum Ende der fremden Rede, sich wohl bewusst, dass die meisten Augen ihm aufmerksam folgten. Es war wie Eizen gesagt hatte, die Leute hörten Lady Loreen zu, wollten Loreen glauben. Es waren Eizens Worte, aber nur weil Zorro – weil Lady Loreen – sie sprach, wurden sie gehört. Wie er Lady Loreens Gabe hasste. Dann sah Zorro den letzten Satz, den er bisher nie laut vor dem Samurai ausgesprochen hatte, wohl wissend warum. „… und ich freue mich, Ihnen allen mitzuteilen, dass ich die große Ehre habe, die bevorstehende Weltkonferenz moderieren zu dürfen. Ich danke Ihnen allen für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen.“ Tief verbeugte Zorro sich, konnte das Brennen der Falkenaugen beinahe auf seiner Haut fühlen und als er sich aufrichtete, schluckte er schwer. Unter dem freundlichen und teils auch überschwänglichen Applaus war der Samurai aufgestanden und verließ soeben den Raum, sein Stuhl fiel klappernd zu Boden. Für eine Sekunde wollte Zorro dem anderen nacheilen und ihm klarmachen, dass dieser sich nicht so anzustellen brauchte, doch Eizen nutzte den Moment, um ihn eine Hand auf die Schulter zu legen und sich den anderen Anwesenden zuzuwenden. Das verdammte Damoklesschwert!   -Mihawk- Es war ungewohnt Lorenor dabei zuzusehen, wie er Eizens Rede hielt. Nichts beschrieb Lorenors Veränderung der letzten Monate so sehr wie dieser Moment. Lorenor, der sich selbst immer als schlicht und tumb beschrieb, stand nun hier vor all diesen Herrschaften und sprach mit klarer, deutlicher Stimme. Worte, die er vor einem halben Jahr nicht einmal gekannt hatte, kamen nun selbstverständlich über seine Lippen. Doch Lorenor sprach diese Worte nicht einfach nur vor, wie von Eizen erwartet. Die vergangenen Tage hatte er diese Rede auseinandergepflückt, jedes kleine Wort, jeden Punkt und jedes Komma analysiert und hinterfragt. Lorenor wusste ganz genau, was er sagte, stimmte vielem nicht zu – wie Dulacre genau wusste – aber gerade war er Eloquenz und Kompetenz in Person. Oh, wie es Dulacre begeisterte und erzürnte. Es erfreute ihn zu sehen, dass Lorenor auch in diesem Bereich zu dem wurde, den Dulacre schon immer in ihm gesehen hatte. Er mochte die Diskussionen mit Lorenor und es erregte ihn, wie selbstbewusst und gleichzeitig elegant Lorenor klingen konnte, wenn er denn nur wollte. Seitdem Lorenor sein eigenes Monster bezwungen hatte und geworden war, war er wahrlich erwachsen geworden. Gleichzeitig konnte Dulacre es gar nicht gut leiden den Jüngeren hier stehen zu sehen, umgeben von Politikern, Weltaristokraten, Marinesoldaten und dem Adel der Welt. Er wusste, dass Lorenor diese Gesellschaft – aus der Dulacre selbst ebenfalls stammte – nicht gut leiden mochte. Lorenor wollte nicht hier sein und doch wirkte er weder fehl am Platz, noch als würde es ihm wirklich missfallen. Es war als wollte Eizen Dulacre vorführen, wie viel besser Lady Loreen in dessen Welt passte als in Dulacres. Ihm war natürlich wohl bewusst, dass der Politiker nur Lady Loreen kannte und nicht Lorenor, aber beruhigen tat ihn das nicht. Er mochte nicht, wie Eizen ihn über seine undurchsichtige Sonnenbrille hinweg ansah, dieses leise, siegessichere Lächeln. Unabhängig davon, dass Eizen nicht wusste, was Dulacre wusste, so wollte er ihm Lorenor doch eindeutig entreißen, doch anders als Nataku, stellte er ein viel größeres Risiko dar und auch wenn Lorenor es nicht wollte, so schien er sich mehr und mehr im Spinnennetz der Politik zu verwickeln. Allerdings sollte Dulacre sich nicht zu viele Sorgen machen. Eizen wusste nicht, dass Lady Loreen in kaum mehr als einem Jahr von der Bildfläche verschwinden würde, an ihrer ungekannten schlimmen Krankheit vermutlich verstorben, den erkaltenden Samurai Falkenauge zurücklassend. Was schon konnte der Politiker in so kurzer Zeit bewirken? Tja, das war wohl das einzige was Dulacre und dieser Politiker gemein hatten, sie beide würden Lorenor verlieren. Aber das nahm Dulacre gerne in Kauf, wenn er seinen Wildfang dadurch beschützen konnte. Zufrieden, wenn auch nicht glücklich mit der Situation beließ er es dabei, während er Lorenor ruhig beobachtete, der immer wieder zu ihm hinüber sah. Nun zum Ende hin jedoch wandte Lorenor sich ab und nach seinen abschließenden Worten wusste Dulacre auch warum. „… und ich freue mich, Ihnen allen mitzuteilen, dass ich die große Ehre habe, die bevorstehende Weltkonferenz moderieren zu dürfen. Ich danke Ihnen allen für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen.“ Beinahe fehlte ihm die Luft zum Atmen und dann sah Lorenor ihn an. Er hatte es gewusst, hatte gewusst, dass Eizen dies tun wollte und Lorenor hatte zugestimmt und es mit keiner Silbe erwähnt. Schon wieder hatte er Dulacre im Dunkeln gelassen. Immer und immer wieder brach Lorenor das Versprechen, welches sie sich… Dulacre verließ den Raum, ohne sich noch einmal nach dem Jüngeren umzusehen. Er wusste, dass Wut fehl am Platz war, aber er konnte es nicht ändern. Sobald es Lorenor betraf wollten seine aufbrausenden Gefühle seinem rationalen Verstand nicht Folge leisten und wie er es hasste, wenn der andere ihm die Wahrheit vorenthielt. Wie er es hasste, dass er Lorenor bald verlieren würde, aber Lady Loreen Eizen erhalten bleiben sollte. „Du bist wahrlich nicht mehr der Mann, der du einst warst. Der perfekte, gefühlslose Stratege lässt sich von seinen Emotionen überrollen. Du solltest aufpassen, diese Schwäche könnte von anderen glatt als Menschlichkeit missverstanden werden.“ Dulacre blieb stehen. „Du bist derjenige, der Vorsicht walten lassen sollte. In meiner derzeitigen Gemütslage würde ich es noch nicht einmal genießen können, wenn ich dich niederstrecke.“ Langsam wandte er sich um und konfrontierte den Mann, der ihm aus dem Sitzungssaal gefolgt war. „Ich werde meine Warnung vom letzten Mal nicht wiederholen. Also gehe mir besser aus den Augen, Nataku.“ Die kalte Klinge der Gerechtigkeit verneigte sich beinahe entschuldigend. „Glaube mir, Dulacre, ich bin nicht deinetwegen hier. Wenn es nach mir ginge, ist alles zwischen uns gesagt, was gesagt werden musste.“ „Und doch stehst du vor mir“, entgegnete Dulacre unbeeindruckt. Interessanterweise bemerkte er, dass sein Zorn über das soeben Geschehene durch das unerwartete Auftauchen des anderen etwas verblasste. „Aber ganz gewiss nicht deinetwegen.“ „Sprich, Nataku, ich bin kein Mann von Geduld. Sag mir was du zu sagen hast oder verschwinde.“ Der Mann der Marine verschränkte die Arme. „Ich weiß, warum du gerade geflohen bist.“ „Ich bin nicht geflohen, sondern gegangen, bemerke den Unterschied.“ „Nun ja. Trotzdem bist du…“ „Nataku“, unterbrach er den anderen nun mit kalter Stimme, „ich werde mich nicht wiederholen.“ Entschuldigend hob der Vizeadmiral beide Hände. „Schon gut, schon gut. Aber lass mich doch zumindest erklären. Du weißt, dass Lady Loreen und ich gestern eine Unterhaltung geführt haben?“ Nein, das wusste er allerdings nicht. „Sie und ich warteten für einige Minuten in der gleichen Vorhalle, sie auf den werten Herrn Eizen und ich…“ „Habe ich mich auf Kuraigana nicht deutlich ausgedrückt?“ Dulacre überbrückte die Distanz zum anderen und starrte ihn nieder. „Habe ich dich nicht davor gewarnt, meinem Schützling je wieder zu nahe zu kommen?“ „Beruhige dich, Dulacre. Ob du es glaubst oder nicht, ich bin nicht hier, um mit dir in Konflikt zu treten. Wir mögen nicht auf der gleichen Seite sein, aber ich bin auf Lady Loreens und aus mir unverständlichen Gründen bist du ihr wichtig.“ Es war lächerlich wie besänftigend dieser kleine Halbsatz auf ihn wirkte. „Nun gut, Nataku, dann sprich.“ Der Vizeadmiral warf einen Blick über die Schulter, als eine Tür zu ihrer Rechten aufging und zwei Soldaten hinaustraten, gefolgt von einigen Damen und Herren in Anzügen. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir dies nicht auf offenen Fluren besprechen?“ Für einen kurzen Moment zögerte Dulacre. Er mochte es überhaupt nicht leiden, wenn Nataku Bedingungen stellte und noch weniger wollte er länger als nötig dessen Anwesenheit ertragen, aber vielleicht lag es an dem Misstrauen, welches soeben in dessen Augen aufgeblitzt war oder an der Art, wie er von Lorenor sprach. Was es auch gewesen war, mit einem Nicken wandte Dulacre sich um und schritt fort vom Vizeadmiral, befahl ihm mit einem Wink zu folgen. In seinen Gemächern schlug er die Tür hinter Nataku zu und sah ihn kalt an. „Nun dann, wir sind unter uns.“ Das war wohl offensichtlich. Niemand wagte es einen Samurai zu überwachen und außerdem waren alle, die von irgendeiner Relevanz waren, gerade im Sitzungssaal anwesend, und die einzige andere Person, die zu diesen Räume zutritt hatte, war natürlich Lorenor, dessen Zimmer über eine eingelassene Tür zwischen den Regalen erreicht werden konnte. Mit einem sachten Nicken verschränkte Nataku die Arme. „Ich danke dir für dein Entgegenkommen.“ „Lass es mich nicht bereuen.“ „Wann wirst du einsehen, dass deine Drohungen dir nur unnötige Feinde bereiten? Wollte ich mich deinem Zorn aussetzen, wüsste ich schon andere Mittel und Wege.“ Dulacre verschränkte die Arme ebenfalls. „Das ist mir wohl bekannt, aber genug dergleichen. Du sprachst von einer Unterredung. Was willst du mir mitteilen, dass nicht von fremden Ohren gehört werden darf?“ Erneut nickte der Vizeadmiral. „Zunächst möchte ich dir sagen, dass ich mein Bestreben Lady Loreen aus deinen Fängen zu befreien nicht weiter verfolgen werde.“ „Nicht, dass es in deiner Macht gestanden hätte“, warf der Samurai mit einem höhnischen Grinsen ein. Doch tatsächlich überraschte dieses Eingeständnis Dulacre. Der andere klang ganz und gar nicht danach, als würde er es gutheißen – nicht, dass sein Wohlwollen irgendeine Bedeutung für Dulacre hatte – aber dennoch bot er gerade einen Waffenstillstand an. Dulacre wunderte sich immer mehr, was für ein Gespräch Lorenor ihm da verschwiegen hatte. „Da ich also nicht mehr verhindern kann, dass du einen Teil in Lady Loreens Leben spielen wirst“, sprach der andere zwischen zusammengepressten Zähnen weiter, „bin ich gewillt mit dir zusammenzuarbeiten, um sie vor noch größerem Unheil zu bewahren.“ „Du scheinst meiner Begleitung ja wahrlich verfallen zu sein, Nataku, dass du für nicht mehr als einen Funken Gunst bereit bist über deinen Schatten zu springen. Aber was könnte deiner Meinung nach denn ein noch größeres Unheil für Lady Loreen darstellen als ich?“ Für einen Moment schwieg der andere. „Rishou Eizen.“ Dulacres Grinsen gefror. „Ich weiß genau, warum du den Sitzungssaal verlassen hast, Dulacre. Dir muss es auch bewusst sein. Rishou Eizen ist…“ „Ich weiß nicht wovon du da sprichst, Nataku. Ich mag nicht viel von Eizen halten, aber er ist ein hochgeschätzter Politiker, auserwählter Vermittler der Weltaristokraten. Du solltest äußerst vorsichtig sein welches Gedankengut du einem Wachhund der Regierung so leichtsinnig offenbarst.“ „Ach bitte, Dulacre, spar dir dieses Schauspiel für jemanden auf, den es interessiert. Du und ich, wir beide wissen, dass dieser Mann etwas plant was weit über ein bisschen kommunale Politik hinausgeht und auch wenn dir sicherlich die Zukunft der Weltregierung und der Welt schlechthin einerlei ist, so musst du doch sehen, dass Loreen sich derzeit im Auge eines heraufziehenden Orkans befindet.“ Mit ausgestrecktem Arm deutete Nataku in die Richtung, wo der Sitzungssaal lag. Dulacre war fast schon beeindruckt, dass der Straßenköter seines Vaters die Gefahr bemerkt hatte, die von dem klapprigen, alten Mann ausging und er lag auch richtig: Dulacre interessierte sich kein bisschen für die Zukunft der Weltregierung und die Geschehnisse der Welt kümmerten ihn kaum solange sie so eintönig langweilig waren, aber sobald es Lorenor betraf… nun ja, natürlich würde er dann nicht eine Sekunde zögern. „Was gedenkst du also zu tun, Nataku? Was ist der Grund deines Auftretens? Was begehrst du von mir?“ Nun machte der Vizeadmiral einen Schritt auf ihn zu. „Ich will dich warnen, da Lady Loreen meine Warnung nicht hören wollte. Sie mag glauben, dass sie durch die Zusammenarbeit mit Eizen etwas bewegen kann, die Welt zu etwas Besserem verändern kann, aber Eizen will sie für irgendetwas missbrauchen. Ich weiß noch nicht was, aber ich habe die Vermutung, dass es etwas mit der kommenden Weltkonferenz zu tun hat.“ „Selbst, wenn ich dir diesbezüglich zustimmen würde, Nataku, was für eine Handlung schlägst du vor? Gegen eine Tat, die du bisher nicht mehr als ahnst? Ist dir bewusst, dass diese Zweifel allein ausreichend wären, um einen Treuebruch deinerseits vermuten zu lassen?“ „Und wenn ich recht behalte und wir untätig bleiben könnte die Weltordnung, wie wir sie kennen, in Gefahr geraten, das und Lady Loreen, daher baue ich auf deine Unterstützung.“ Dulacre schwieg und beobachtete den anderen aufmerksam. Mit jeder Faser seines Wesens verachtete er diesen Mann, allerdings musste er gestehen, dass er ihn immer noch diesem Eizen vorziehen würde, ihm würde er als Schwertkämpfer wenigstens einen respektablen Tod zugestehen, Eizen konnte ruhig in der Gosse verrotten. Nataku hatte nicht Unrecht, Dulacre selbst hatte seit jenem Tag, als Lorenor den Vertrag mit dem Politiker unterschrieben hatte, vermutet, dass diese scheinbar unbedeutende Arbeitsbeziehung ungeahnte Auswirkungen mit sich führen würde, aber schon damals hatte er Lorenor nicht von dessen Handeln abbringen können, natürlich hatte Nataku nicht mal den Hauch einer Chance bei Lorenor Gehör zu finden. „Aber was könnte ich denn schon tun? Ich bin ein Samurai, der Weltregierung treu ergeben“, zitierte er diese ironischen Worte, da kaum einer der Samurai den Titel aufgrund dieses Motives trug. „Außerdem habe selbst ich nur wenig Mitsprache in den Entscheidungen meines Günstlings. Nicht einmal ich könnte die weitere Zusammenarbeit zwischen Rishou Eizen und Lady Loreen verhindern.“ Er konnte sehen, wie seine offenen Worte den anderen überraschten, schon fast schockierten. „Du stimmst mir also zu“, erfasste der Vizeadmiral zügig und bewahrte seine Contenance, „dir ist auch bewusst, dass Loreen auf Messers Schneide tanzt, gelenkt von Eizens Fäden.“ Er leugnete dies noch nicht mal. „Noch einmal, Nataku, es gibt nichts was ich diesbezüglich tun könnte, selbst wenn ich dir zustimmen würde.“ „Verbiete es ihr!“ Diese emotionsgetragene Forderung verwunderte ihn. War es nicht erstaunlich, wie sehr dieser Mann Lady Loreen beschützen wollte, wo er doch Lorenors Tod zu verschulden hatte? „Sie ist dein Mündel oder deine Geliebte oder was auch immer. Du hast Einfluss auf sie. Du versorgst und behütest sie. Mit ihrer gebrechlichen Gesundheit müsste dir, dem mächtigen Samurai Falkenauge, doch sicherlich mehr als ein Weg einfallen, um sie von einer weiteren Zusammenarbeit mit Eizen abzuhalten!“ „Legst du mir gerade nahe etwas Unrechtes zu tun?“ „Oh bitte, komm von deinem hohen Ross hinunter, Pirat. Ich sage nicht, dass du ihr etwas antun sollst, aber egal was du tust, alles wäre besser als sie diesem Eizen weiterhin auszuliefern. Wie gesagt, sie ist von dir abhängig, also verbiete es ihr! Wenn du ihr keine Wahl lässt, wird sie sich schon fügen.“ Du bist gestört, Dulacre. Du denkst, dass du jemanden liebst, aber in Wahrheit willst du diese Person beherrschen, kontrollieren, besitzen. „Liebe ist schon ein beängstigendes Gefühl, nicht wahr, Nataku?“ „Was?“ Verstört sah der andere ihn an, doch Dulacre lächelte leise während er durch den Raum schritt und sich auf einem Sofa niederließ. „Eine unglaublich vereinnahmende Emotion und so unberechenbar. Wie viel Gutes man schwört aus Liebe zu tun und wie viele Kriege wegen ihr ausgefochten wurden.“ „Worauf willst du hinaus, Dulacre?“ „Du misst mir zu viel zu, Nataku. Die Macht, die du von mir einzusetzen forderst, besitze ich nicht.“ Der Ältere folgte ihm durch den Raum, blieb jedoch stehen. „Was meinst du damit? Du bist doch sonst niemand, der sich in Bescheidenheit übt.“ „Ich bin nicht bescheiden, ganz im Gegenteil. Aber was du von mir verlangst kann ich nicht umsetzen, selbst wenn ich es wollte. Ich mag bitten, fragen und empfehlen, ich mag meine Meinung mitteilen und die anderer kritisieren, aber es gibt kein Verbot, keinen Zwang und erst recht keine Gewalt, mit der ich meinen Schützling meinem Willen unterwerfen könnte.“ Kopfschüttelnd lachte Nataku entgeistert auf. „Was redest du da? Loreen mag eine beeindruckende Frau sein, aber sie ist nur ein schwaches Mädchen im Vergleich zu dir. Du könntest sie in einen Turm kettet und sie würde nie wieder das Tageslicht sehen, also speis mich nicht mit deinen Ausreden ab.“ Es war fast wie in einen Spiegel zu sehen, der einem die Vergangenheit zeigte, fand Dulacre. Er kannte all diese verzweifelten Argumente, all die guten Absichten, die versuchten großes Unheil durch kleine Übel zu verhindern, aber Nataku wusste letztendlich nicht, wer Lorenor wirklich war. Er würde nie sehen, was Dulacre sah. „Du hast nicht Unrecht, Nataku, und glaube mir, dies zuzugeben schmerzt mich mehr als ich in Worte fassen kann. Ich stimme mit deinen Sorgen überein und würde lieber gestern als morgen dieses leidige Arbeitsverhältnis als beendet wissen, aber die Entscheidung darüber liegt nun mal nicht in meiner Hand.“ „Aber…“ „Um das zu erreichen, um meinen und deinen Willen durchzusetzen, würde mir nichts anderes übrigbleiben, als den Willen meiner Begleitung zu brechen, so wie du es vorschlägst und wenn ich nun ausnahmsweise ganz ehrlich mit dir sein würde, würde ich dir gestehen, dass ich mit dieser Überlegung in den letzten Monaten schon öfter gespielt habe als mir lieb ist. Aber was du nicht weißt, nicht wissen kannst, ist die einfache Tatsache, dass meine Willensstärke dazu nicht ausreichend ist.“ Dulacre erhob sich wieder und sah den anderen ruhig an. „Ich kann diesen Willen nicht brechen; den Körper, natürlich, Fesseln wären wohl eine Möglichkeit oder jegliche andere Idee, die du hast. Aber all dies würde nicht zur Folge haben, dass Lady Loreen sich meinem Willen beugen und aufhören würde mit Eizen zu arbeiten. All dies hätte nur zur Folge, dass ich zu dem Monster werden würde, welches du in mir siehst.“ Er schritt zu Tür hinüber. „Auch wenn es dich enttäuschen mag, ich kann die Entscheidungen meines Schützlings nicht kontrollieren, diesen Willen weder brechen noch beherrschen, also gibt es nichts was ich tun könnte.“ Nataku schluckte schwer und wandte den Blick ab, offensichtlich bemüht Fassung zu bewahren. „Du enttäuschst mich Dulacre, du bist wahrlich nicht der Mann, der du vorgibst zu sein.“ „Sollte dies ein Kompliment sein, so ist es fruchtlos. Dein Lob ist mir gleich.“ Der Ältere schritt erneut zu ihm herüber. „Das heißt, das war es nun? Du wirst untätig danebenstehen, während Loreen in ihr eigenes Verderben rennt und uns alle mit sich nimmt?“ „Das habe ich nicht gesagt. Du kannst dir sicher sein, dass ich alles in meiner Macht tun werde, um dieses Kind vor jeglichem Leid zu bewahren, ganz gleich der Konsequenzen.“ Nataku nickte nun etwas resoluter. „Das bedeutet, dass wir zumindest diesbezüglich weiterhin auf der gleichen Seite stehen und ich mich auf deine Unterstützung verlassen kann?“ Dulacre lachte leise auf. „Wir sind keine Verbündete in einem Krieg, Nataku. Ich habe dir meinen Standpunkt deutlich zu verstehen gegeben und wenn er sich in Bereichen mit deinen Überzeugungen decken sollte, dann ist es so, aber mehr ist es auch nicht.“ „Tze, unverbesserlich.“ Der Vizeadmiral schritt zur Türe. „Nataku, beantworte mir noch, warum du dich entschieden hast dein Bestreben Lady Loreen aus meinen Fängen zu reißen aufgegeben hast.“ Die Klinke schon am Runterdrücken stutzte der andere auf und sah ihn an, doch sein Blick war so anders als zuvor. Es fehlte die Härte und der Hader aus dem vorherigen Gespräch. Für eine Sekunde fühlte sich Dulacre wieder wie der zwölfjährige Junge von damals und dann glitt auch noch dieses unscheinbare Lächeln über Natakus Gesicht. Hallo Dulacre, deine große Schwester hat mich schon viel von dir erzählt. Ich heiße Nataku, freut mich dich kennenzulernen. „Du bist wirklich noch ein Kind, Dulacre, trotz all deinen Jahren an Lebenserfahrung.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß, wann ich mich geschlagen gegeben muss, in Ordnung? Wie du schon ganz recht gesagt hast, Lady Loreen hat einen starken Willen und du kannst ihr ruhig etwas mehr Vertrauen schenken. Zumindest in diesem einen Punkt kannst du dir ihrer Gunst sicher sein.“ „In welchem Punkt?“, hakte Dulacre fast schon verwirrt nach als der Ältere nach draußen ging. „Sie hat dich gewählt, du Dummkopf“, sprach Nataku und sah ihn über die Schulter hinweg an, „und sie scheint nicht zu den Menschen gehören, die ihre Entscheidungen revidieren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)