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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So meine Lieben,

mal Butter bei die Fische: Mir war nicht bewusst, dass das letzte Update schon über ein Monat her ist (Schande über mein Haupt). Ich bin ganz ehrlich mit euch, ich hab Anfang Oktober mein Repititorium angefangen und mache also den ganzen lieben langen Tag nichts anderes mehr als lernen und nebenbei dann noch zu Vorlesungen oder zur Arbeit gehen.

Ich kann daher nicht versprechen, dass es besser wird (wahrscheinlich eher schlechter, wenn ich so meine Freunde ansehe, die bereits kurz vor den Prüfungen stehen o.o) aber ich verspreche euch, es wird weiter gehen, alleine schon weil ich Albträume kriege, wenn ich die Geschichte zu lange liegen lasse (kein Witz).

Heute morgen wollte ich eigentlich nur mal kurz hier reinschneien und hab dann die ganzen lieben Kommentare hier und auf FF.de gesehen und habe so gedacht 'Scheiß drauf'. Also eigentlich müsste ich seit sieben Uhr lernen, hab aber dann entschieden das nächste Kapitel zu überarbeiten (ich hab auch noch an einem Cliffhanger pausiert, es tut mir leid!) und es euch hochzuladen.

Long story short: hier ist das nächste Kapitel!

Ich danke euch für eure tolle Unterstützung, gerade weil dies eine so lange Geschichte ist. Wünsche euch einen ganz schönen Start in die Woche und ich versuche heute Abend oder in den nächsten Tagen eure lieben Kommentare zu beantworten. Ich hab sie alle gelesen, mich riesig gefreut und werde sie beantworten.

Alles Liebe und zurück an den Schreibtisch
eure Sharry ;-) Komplett anzeigen

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Kapitel 42 - Fehler

Kapitel 42 – Fehler

 

-Mihawk-

„Was in Gottes Namen…?“

Plötzlich sahen ihn sowohl der Dämon seines Schülers als auch Jiroushin an.

„Hawky? Was machst…?“

„Was geht hier vor sich?“, knurrte er, unfähig die Augen von Lorenor zu nehmen. „Warum zur Hölle habt ihr…?“

„Zorro, ignorier ihn. Du darfst die Kontrolle jetzt nicht verlieren, verstanden? Deine Ummantelung ist brüchig geworden.“

„Okay.“ Lorenor wandte den Blick von Dulacre ab, nickte dem Vizeadmiral zu und schloss jene seltsamen Augen, die selbst Dulacre beeindrucken konnten.

„Was…?“

„Hawky, sei bitte ruhig. Deine Anwesenheit trägt sicherlich nicht zu Zorros Konzentration…“

„Was geht hier vor?!“ Dulacre unterbrach den Vizeadmiral und hetzte auf ihn zu, Lorenor nie aus dem Augenwinkel lassend, welcher wie eine Statur dastand und den Bambusstab in seiner Hand stetig ummantelte. „Erkläre dich, Jiroushin!“

Sie standen Stirn and Stirn.

„Beruhige dich, Dulacre. Du bist zwei Tage zu spät, Zorro ist ein schneller Lerner. Wir machen nichts weiter als ihn an die Schwelle heranführen und wie du siehst, funktioniert…“

„Du Narr.“ Dulacre schnellte herum, riss sich Yuro vom Rücken und die Holzkette vom Hals, drängte beides in Jiroushins Arme.

Dann schritt er auf seinen Schützling zu.

„Lorenor, leg die tote Pflanze weg und greif mich an.“

Sowohl der Mann hinter ihm als auch der Junge vor ihm machten einen überraschten Laut und Dulacre fühlte beider Augen auf sich.

„Hawky, was du da…“

„Schweig!“

Ein Blick über seine Schulter hinweg zeigte ihm einen Ausdruck, den er über die Jahre gewohnt war und den Jiroushin sonst so gut verbergen konnte. Aber sein Zorn und seine Entrüstung waren zu groß, als dass Dulacre Jiroushins Gefühlen Bedeutung schenken konnte.

„Warum soll ich dich angreifen?“

Lorenor auf der anderen Seite schien nicht im Mindesten eingeschüchtert. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich anstrengen musste, um die Konzentration zu halten, sein Körper zitterte leicht und seine Stimme war noch rauer als sonst. Aber er hielt Dulacres Augen stand wie sonst auch. Es schien beinahe so, als würde Lorenor aus einer Art Trance erwachen, viel aufmerksamer als nur Sekunden zuvor.

„Damit ich diesen Stümper eines Lehrmeisters seine Unfähigkeit unter die Nase reiben kann.“

Jiroushin atmete hart, sprach aber nicht. Ganz anders jedoch Lorenor.

„Ich dachte du kämpfst nicht gegen mich, damit du mich in deinem Kampfrausch nicht umbringst.“

„Dann lass uns beide hoffen, dass in einem solchen Falle Jiroushin Yoru schnell genug zieht, um mich aufzuhalten, ehe ich dich töte.“

Noch eine Sekunde sah Lorenor ihn unleserlich an, dann warf er den Bambus fort und noch ehe dieser den Boden berührte griff Lorenor an.

Normalerweise wäre der Samurai ihm wohl ausgewichen, aber das war nicht Sinn dieser Lektion. Mit Leichtigkeit parierte Dulacre die ummantelte Faust seines Schützlings.

Für einen Moment zögerte Lorenor, trat einen Schritt zurück und begutachtete sein Lehrmeister als wisse er nicht was er von der Situation halten sollte. Doch dann schüttelte er den Kopf, zeigte sein fast schon gleichgültiges Grinsen und griff erneut an.

Dieses Mal blockte Dulacre die Faust nicht, sondern umschloss sie mit seiner eigenen Hand, packte fest zu, grub seine Finger in das ummantelte Fleisch des Jüngeren.

„Dulacre, was tust du denn da? Du wirst ihm noch die Finger brechen!“

Der Samurai ignorierte die Worte seines Freundes und starte seinen Schüler direkt an, der zwar schwer atmete aber seinen Blick problemlos erwiderte. Nach einem weiteren Atemzug grunzte Lorenor leise auf und schlug mit seiner freien Hand zu, doch abermals packte Dulacre die Faust des anderen und hielt ihn nun beinahe wehrlos fest.

„Wenn du nicht willst, dass ich deine Finger breche, würde ich dir empfehlen dich nicht länger zurückzuhalten“, knurrte der Samurai und drückte noch fester zu.

Er hielt es Lorenor zugute, dass dieser nur das Gesicht verzog und ansonsten keinerlei Zeichen gab, dass er Schmerzen hatte. Aber Dulacre war hier nicht um den guten Lehrmeister zu spielen, sondern um die Gefahr zu bändigen, der Jiroushin sich selbst und Lorenor ausgesetzt hatte.

Mit einer leichten Bewegung erlaubte er Lorenor seine Finger zu befreien und gegen Dulacres zu drücken. Wären sie ebenbürtig hätte dies nun eine interessanter Kräfteaustausch sein können, sich gegenseitig an den Händen packend, nur eine Armlänge zwischen ihren Gesichtern. Doch da Lorenor ihm deutlich unterlegen war, versuchte er nur mit allen Mitteln Dulacre davon abzuhalten ihm seine Handrücken zu brechen. Lorenors Haki war mittlerweile fast schon eine ordentliche Rüstung, aber unter dem Druck, den der Samurai ausübte, schaffte sein Schüler es kaum, sie aufrechtzuerhalten.

Dulacre konnte fühlen wie sich Lorenor unter seinen Fingern wandte; natürlich war er zu schwach, um sich zu befreien. Je länger der Kampf anhielt - wenn man es dann einen Kampf nennen wollte - desto unsteter wurde Lorenors Hakifluss, das konnte Dulacre deutlich fühlen und es bestätigte seine Befürchtung. Wenn er jetzt brach, dann würde auch Lorenor brechen.

Erneut konnte er hören wie Jiroushin ihm Worte zurief, ihn bat einzuhalten indem was er tat, doch dafür war es zu spät, dafür war es schon seit langer Zeit zu spät.

Noch immer beschwerte Lorenor sich nicht, bis auf seinen stockenden Atem und seine windenden Finger zeugte nichts davon, dass er einen Kampf kämpfte, den er bereits verloren hatte. Doch Dulacre fragte sich so langsam wie lange es noch dauern würde, wie lange er Jiroushins Rufe noch ignorieren musste und wie lange Lorenor noch bereit war die Schmerzen auszuhalten. Aber Dulacre wusste, dass wenn sich nicht bald etwas ändern würde, Lorenors Knochen nachgeben würden, sie würden brechen und trotz seiner Wut, trotz seines Zornes und seiner Fähigkeit schnell die Kontrolle zu verlieren, wenn es um Lorenor ging, hatte Dulacre natürlich nicht vor seinem Schützling die Hände zu brechen.

„Wenn du es nicht bald zulässt, werde ich dir wirklich deine Hände brechen!“ Ohne den Blick abzuwenden wiederholte Dulacre seine Warnung, wohl wissend, dass gebrochene Hände dann Lorenors kleinstes Problem sein würden. Denn wenn schon nicht seine Knochen, so würde doch bald Lorenor selbst brechen.

Doch genau in jenem Moment passierte es. Plötzlich war da Gegendruck, plötzlich gruben sich auch Lorenors Finger tief in Dulacres Fleisch. Plötzlich war das Haki von Lorenor so viel stärker als zuvor, so viel ebenmäßiger als zuvor und plötzlich gelang es ihm Dulacre sein Haki zu entziehen und dass, obwohl Dulacre sein Haki so sehr kontrollierte, wie er nur konnte. Für eine Sekunde - vielleicht etwas länger als eine Sekunde - standen sie sich einander gegenüber und Dulacre spürte wie sein Kampfgeist zum Leben erwachte.

Doch dann war dieser Druck weg, Lorenors Beine gaben nach und sein Haki verschwand. Schwer atmend kniete er vor Dulacre, seine Hände immer noch in dessen Gewalt, ohne in der Lage zu sein sich zu befreien.

Dulacre beobachtete ihn eindringlich. Das war es also tatsächlich gewesen. Jiroushins unbedachtes Verhalten hatte doch tatsächlich dazu geführt, dass Lorenor zum Monster geworden war, ohne die Kontrolle verloren zu haben, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Trotzdem war es gefährlich gewesen - äußerst gefährlich – von Jiroushin mit Lorenor an der Schwelle zu trainieren und jederzeit zu riskieren, dass Lorenor die Kontrolle verlieren würde, sich in ein Monster verwandeln würde, ein Monster das Jiroushin zweifelsohne überlegen war. Selbst Dulacre hatte lange überlegt ob er diesen Weg gehen würde; es war mit Sicherheit der erfolgversprechendste, aber gleichsam auch der einfachste Weg, um Lorenor zu brechen, ihn für immer an den Wahnsinn zu verlieren. Es war reines Glück gewesen, dass Lorenor es überstanden hatte.

„Lass ihn los!“

Überrascht riss Dulacre den Kopf hoch und sah Jiroushin an, dann blickt er auf seine eigenen Hände, die immer noch von Haki verfärbt waren. Zwischen seinen Fingern tropfte Blut hinab, dort wo er Lorenors Hände zerdrückte.

Schnell ließ er los. Kraftlos klatschten Lorenors Hände auf den Boden, wo er sich noch nicht mal die Mühe gab sie sich anzusehen, während er schwer atmete, ehe er zu Seite sackte. Er hatte die Augen halb geöffnet, aber er schien kaum noch bei Sinnen zu sein.

Dulacre starrte Jiroushin an.

„An die Schwelle heranführen?“, flüstert er, während er fast genauso schwer atmete, wie sein Wildfang am Boden. „Warst du wirklich zu dumm, um zu sehen, dass Lorenor diese Schwelle bereits lange überschritten hatte oder warst du so naiv zu glauben, dass er nicht brechen könnte?“

Er schritt nach vorne und nahm Jiroushin seine Schwerter aus dem Arm, dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte in den Wald hinein.

„Kümmere dich um ihn!“, befahl er und stapfte zurück zu seinem Boot, um es sicher anzulegen.

Die ungezügelte Wut in ihm war groß, doch zeitgleich war er hocherfreut. Was Jiroushin getan hatte war ein Fehler gewesen, zweifelsohne, er war ein Risiko eingegangen, welches Dulacre bei allen Mitteln hatte verhindern wollen. Er selbst wäre wohl einen anderen Weg gegangen, einen langwierigen und damit fordernden Weg, der aber sichergestellt hätte, dass Lorenor zum Monster werden konnte, ohne vorher zu zerbrechen.

Aber die Dinge lagen nun mal jetzt so wie sie lagen, Lorenor hatte für den Bruchteil einer Sekunde seine wahren Kräfte entdeckt. In etwas mehr als einem halben Jahr war er so stark geworden wofür Dulacre ihm noch ein gutes Jahr mehr Zeit gegeben hätte. Mittlerweile war er sich sicher, Lorenor würde keine fünf Jahre mehr brauchen, um ihn zu besiegen und nachdem er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte je wieder einen ebenbürtigen Gegner zu finden, nachdem er fast 15 Jahre gesucht hatte, wirkte dieser Zeitraum unfassbar kurz.

Nachdem er sein Sargboot sicher am kleinen Steg vertaut hatte und seine wenigen Habseligkeiten von Bord genommen hatte, eilte er den Wald entlang.

Trotz allem würde er mit Jiroushin abrechnen müssen. Weniger war es ein Problem, dass der Vizeadmiral eine Methode gewählt hatte, die Dulacre selbst als viel zu aggressiv und gefährlich ansah – obwohl das wohl ein Problem geworden wäre, wenn Lorenor Schaden davongetragen hätte - sondern eher, dass Dulacre und Jiroushin ganz klar besprochen hatten was er mit Lorenor trainieren konnte und was nicht. Lorenor hatte lernen sollen sein eigenes Haki von fremden zu unterscheiden, ihm war sehr wohl bewusst gewesen, dass Lorenor dafür nicht lange brauchen würde, zumindest für die Grundlagen hatte Dulacre bezweifelt, dass Lorenor länger als ein-zwei Tage brauchen würde. Daher hatte er mit Jiroushin besprochen, dass Lorenor danach wohl bereit gewesen wäre zu lernen, seine eigene Anwesenheit zu verbergen als auch durch das Observationshaki fremde Anwesenheiten wahrzunehmen.

Dulacre wäre sogar noch damit einverstanden gewesen, wenn Jiroushin erlaubt hätte, dass Lorenor sich an echtem Stall ausprobiert hätte. Irgendwann musste der Jungspund ja damit anfangen auch echte Waffen zu ummanteln, also hätte Dulacre das hingenommen; er wäre vielleicht nicht erfreut gewesen, bei Lorenors ersten Versuch nicht dabei zu sein, aber er hätte es verstanden.

Doch das hier war etwas anderes. Jiroushin hatte willentlich Lorenor und sich selbst in Gefahr gebracht. Obwohl der Vizeadmiral wusste wie gefährlich Lorenor werden konnte, wenn er zum Monster wurde, ohne es kontrollieren zu können, hatte er mit Dulacres Wildfang trainiert, die Schwelle einzugrenzen, bei deren überschreiten Lorenor zerbrechen und den Verstand verlieren konnte. Aber offensichtlich hatte Jiroushin verkannt, dass Lorenor als Dulacre dazu getreten war diese Schwelle schon längst überschritten hatte.

Dulacre hatte das Schloss erreicht, das schwere Tor fiel hinter ihm zu und er ließ seine Sachen unbeachtet in der Eingangshalle zurück, während er zum Flur eilte, wo die Gemächer lagen.

Auf halbem Wege kam ihm Jiroushin entgegen. Als dieser Dulacre sah, blieb er stehen.

„Hör mal Hawky. Ich verstehe ja, dass du verärgert bist, aber können wir nicht…?“

„Ich werde deine Unfähigkeit nicht auf dem Flur diskutieren, Jiroushin“, unterbrach er den anderen grob und verschränkte die Arme. „Warte im Kaminzimmer auf mich. Ich werde zunächst nach Lorenor sehen und dir dann folgen.“

„Aber warte doch mal, Hawky.“

„Mehr habe ich dir nicht zu sagen.“

Dulacre setzte seinen Weg fort. Auch wenn sich die Situation erfreulich entwickelt hatte, so war er doch überaus wütend auf Jiroushin, mehr noch, er fühlte sich verraten von seinem besten Freund.

Er hatte mit Jiroushin genau abgesprochen, was Lorenor trainieren durfte und was nicht und Jiroushin hatte sich einfach darüber hinweggesetzt, hatte Lorenor und sich selbst in Gefahr gebracht.

Wenn Dulacre nur wenige Minuten später angekommen wäre, hätte es zu spät sein können. Lorenors Haki war bei seinem Eintreffen bereits derart unstet gewesen, dass es Dulacre schleierhaft war, wie Jiroushin es nicht bemerkt haben konnte.

In dem Moment wo Lorenor seiner eigenen Kraft nachgegeben hatte, sich erlaubt hatte sie freizusetzen, in jenem Moment hätte er genauso gut dieser Kraft unterliegen können oder sie hätte ihn irgendwann einfach übermannt.

Ohne anzuklopfen stapfte der Herr der Insel in die Räumlichkeiten seines Wildfanges. Lorenor war nirgends zu sehen, doch aus dem angrenzenden Badezimmer konnte er Wasser laufen hören, ehe es abgedreht wurde.

Wenige hallende Schritte später tauchte der Jungspund im Türrahmen auf und sah nur milde überrascht zu ihm hinüber.

„Wie geht es dir, Lorenor?“, fragte Dulacre nun, bewusst deutlich freundlicher als er mit Jiroushin gesprochen hatte.

Lorenor zuckte mit den Achseln und warf sich ein Handtuch über die nackten Schultern, mit dem er sich zuvor durchs Gesicht gerieben hatte.

„Erschöpft“, gestand er überraschenderweise ein, anstatt sich wie sonst unbeeindruckt zu geben.

Dulacre beobachtete ihn, während der Jüngere zum Bett hinüber schlurfte und sich dort auf die ungemachten Laken fallen ließ.

Bis auf die Unterhose war Lorenor nackt, hatte offensichtlich bis vor wenigen Sekunden noch unter der Dusche gestanden. Sein nackter Oberkörper, sowie Beine und Arme zeigten die Blessuren der vergangenen Tage, verfärbte Flecken, Schürfwunden und kleinere Schnitte, nichts von Belang, kein ungewöhnliches Bild.

Anders jedoch seine Hände. Trotz der schludrig angelegten Verbände – die teilweise bereits leicht verfärbt und feucht vom Duschen waren – konnte er die Schwellungen deutlich zu sehen.

„Wie schlimm sind deine Verletzungen?“, fragte Dulacre schuldbewusst und schritt zum Bett hinüber.

„Ach das?“ Lorenor hob die linke Hand in die Höhe und ließ sie dann auf seine Augen fallen, als würde das Licht ihn blenden. „Nicht schlimm, ein bisschen gestaucht, ein bisschen geprellt. Werde dir wohl ein paar Tage mit rechts nicht den Mittelfinger zeigen können, aber nichts worüber man sich Gedanken machen würde.“

„Ich kann mich nicht erinnern, dass du mir je eine solche obszöne Geste entgegengebracht hättest“, kommentierte Dulacre ruhig und ließ sich in seinen Stuhl fallen.

„Zumindest nicht, wenn du hinsiehst“, entgegnete Lorenor schmunzelnd und sah ihn aus dem Schatten seines Armes heraus an.

„Ich bin überrascht, dass du dich noch nicht verwandelt hast“, fuhr Dulacre das Gespräch fort und entschied nicht auf diesen kleinen Seitenhieb einzugehen.

„Es ist bald soweit, ich kann es fühlen“, murmelte Lorenor. „Aber ich hab mir schon gedacht, dass du noch kommen würdest, daher…“

Der Jüngere beendete seinen Satz nicht, sondern zuckte erneut mit den Schultern, ließ wie so oft einiges ungesagt.

„Nun gut, du solltest dich ausruhen und dann etwas essen. Komm danach ins Kaminzimmer. Ich werde derweil Jiroushin über sein Fehlverhalten belehren müssen.“

„Tze, als wäre er dein Untergebener.“

Dulacre erhob sich.

„Das war er für einige Jahre, sowohl in der Zeit der Marine als auch danach. Doch meinem Befehl widersetzt hat er sich nie, bis heute und dafür wird er die Konsequenzen tragen müssen. Aber das soll ich deine Bürde sein. Schlaf etwas.“

„Du redest wieder so unglaublich geschwollen daher, so nervig“, murrte der andere während Dulacre zur Tür ging.

„Dulacre.“ Er blieb stehen. „Gib nicht Jiroushin die Schuld. Er konnte nichts dafür. Ich habe ihn gezwungen.“

Langsam drehte sich der Samurai zum Jüngeren herum, der sich nicht einen Zentimeter bewegt hatte.

„Wovon redest du da? Wie solltest du Jiroushin bitte zwingen können dich zu unter…“

„Es ist eigentlich deine Schuld.“

„Was?!“

Schwerfällig setzte Lorenor sich auf und sah ihm vom Bett her an.

„Naja, du bist halt einfach nicht aufgetaucht und ich wurde ungeduldig. Noch während der ersten Tage hat Jiroushin mir erzählt wie ich versuchen kann diesen Zustand zu erreichen, ohne durchzudrehen, aber er sagte es wäre zu gefährlich und du wärest wohl dagegen es auf diese Weise zu machen. Aber ich wollte halt weiter trainieren und nicht Zeit mit Nichts tun verschwenden, daher hab ich ihm gesagt er kann mitkommen und ein Auge drauf halten oder ich würde es alleine machen.“

Fassungslos starrte Dulacre den Jüngeren an. Für einen Moment hatte er vergessen, dass Lorenor so sein konnte. Stur und uneinsichtig.

„Wegen zwei Tagen hast du so einen Aufstand gemacht? Dabei gibt es doch noch so viele andere Dinge, die du hättest lernen können in der Zeit.“

Lorenor zuckte mit den Achseln.

„Wusste ja nicht, wann du wieder kommst und Jiroushin sagte du würdest wohl dabei sein wollen, wenn ich das erste Mal ein Schwert ummanteln würde. Also hatte ich ja nicht viel mehr andere Möglichkeiten um…“

„Du hättest so lange mit Jiroushin trainieren können, bis du…“

„Bis ich was? Die Anwesenheit von anderen wahrnehmen und meine verbergen kann? Fremdes Haki von dem meinen unterscheiden und beides unabhängig voneinander einsetzen kann? Bis ich Jiroushin besiegt habe?“

„Ja!“ Wütend öffnete er beide Arme. „Ja! Warum hast du nicht solange gegen ihn gekämpft, bis du ihn besiegt hast, bis dein…“

„Ich habe ihn besiegt.“

Für einen Moment sahen sie sich einfach nur an.

„Was?“

„Sowohl mit Stock als auch ohne, vorgestern innerhalb weniger als einer halben Stunde. Seinen Degen will er allerdings erst einsetzen, wenn ich meine Schwerter verhärten kann.“

Fassungslos sah er den Jüngeren an, der unbeeindruckt zurück guckte.

„Also nein, da war nichts anderes mehr was ich tun konnte. Alles andere wird laut Jiroushin mit der Zeit kommen, aber nicht in Tagen oder Wochen, sondern eher Monaten oder Jahren. Daher habe ich entschieden meine größte Herausforderung in Angriff zu nehmen, erfolgreich, wie dir vielleicht aufgefallen ist.“

Wortlos starrte er Lorenor an. Er hatte geahnt, dass sein Wildfang Jiroushin bald übertreffen würde, aber dass es so schnell gehen würde, hatte er nicht ahnen können. Es war also wirklich höchste Zeit ihm beizubringen mit echten Waffen zu kämpfen.

„Du dummer Junge“, murmelte Dulacre schließlich. „Du hättest dem Wahn verfallen können, Jiroushin und dich selbst umbringen können, und das alles nur für ein paar Tage Vorsprung im Training. War es das wirklich wert?“

Lorenor grinste ihn süffisant an.

„Sag du es mir?“, flüsterte er beinahe spielerisch. „Hattest du Spaß?“

Auf diese Frage konnte Dulacre nicht antworten. Er konnte nicht sagen, wie sehr dieser Moment, als Lorenor endlich seine wahre Kraft entfacht hatte, ihn erregt hatte, ihn beflügelt hatte, ihn beinahe dazu gebracht hatte wirklich zu kämpfen.

Nun grinste Lorenor breit und neigte den Kopf leicht, wirkte nun viel gefährlicher als während ihrer Auseinandersetzung.

„Dachte ich mir.“

„Du verstehst also, was passiert ist? Was mit dir geschehen ist?“

Lorenor nickte, nun wieder ernst.

„Jiroushin hat mir den Kram über die mentale Selbstregulation erklärt und dass ich in jenem Zustand all mein Haki gleichzeitig freisetzen kann. Er sagte, dass ich wohl beide Fähigkeiten zusammen einsetzen müsste, um je eine Chance gegen dich haben zu können.“

„Da hat er nicht Unrecht“, stimmte der Samurai zu. „Aber er irrt über eine Sache. Das Beeindruckende an deiner Fähigkeit ist nicht, dass du all dein eigenes und das gesammelte Haki gleichzeitig freisetzen kannst, sondern dass du darüber hinaus auch noch Haki einsetzen kannst, selbst wenn deine Reserven erschöpft sind, so wie nur ich und eine Handvoll anderer Menschen es können.“

Der Jüngere erwiderte seinen Blick kühl.

„Natürlich ist es gefährlich, wird dich schwächen und könnte dich dein Leben kosten.“ Nun konnte Dulacre ein Grinsen nicht verhindern. „Aber ich bezweifle, dass dich dieser Preis abschrecken wird.“

Leise lachte Lorenor. „Ich bin überrascht, dass du es mir nicht ausredest. Gerade wo du vor einer halben Minute Jiroushin noch das Fell über die Ohren ziehen wolltest, weil er uns in Gefahr gebracht hat.“

„Das ist etwas anderes, Lorenor. Ich will nicht, dass dir irgendetwas passiert, ehe du mich besiegen kannst.“ Er lachte nicht, sondern war todernst. „Aber wenn jener Tag kommt, will ich, dass du mir mit allem was du hast und kannst entgegentrittst. Ich will, dass du deine ganze Kraft einsetzt, dich nicht zurückhältst und mich als der bessere Schwertkämpfer besiegst.“

Mit jedem Wort war Lorenors Miene unlesbarer geworden. Nun erwiderte er Dulacre’s Blick schweigsam und der Samurai wunderte sich was der junge Mann dachte.

„Was denn? Keine gewitzte Antwort, keine waghalsige Versprechung, noch nicht einmal ein überhebliches Grinsen? Ich bin schockiert, Lorenor, solch ein Verhalten bin ich von dir gar nicht gewohnt. Wo ist deine große Rede darüber, dass ich dich wieder einmal unterschätzt habe, dass du nun wieder einen Schritt näher gekommen bist, mich eilig verfolgst?“

Lorenor schwieg, doch von seinem verschmitzten Grinsen war nichts mehr geblieben. Nachdenklich beobachtete Dulacre den Jüngeren. Jiroushin mochte es nicht bemerkt haben, aber konnte es sein, dass…

„Es war gut, dass du gekommen bist.“ Lorenor wich seinem Blick nun aus. „Bei den Ruinen… kurz bevor du kamst… ich weiß nicht, ob…“

„Ich weiß“, unterbrach er Lorenor, als dieser versuchte in Worte zu fassen, was er wohl kaum verstehen konnte. Doch, dass er überhaupt in der Lage war seine Verfassung zu realisieren während er sich an den letzten Funken seines Bewusstseins geklammert hatte, beeindruckte Dulacre ungemein. „Du hast dich gut gehalten Lorenor, ein anderer an deiner Stelle wäre gebrochen.“

„Wärest du nicht gekommen… ich wäre gebrochen“, gestand Lorenor heiser ein. „Ich konnte es spüren, ich… ich hatte… es hätte schief gehen können.“

Selten war Lorenor so ehrlich und offen ihm gegenüber und noch seltener gestand Lorenor seine eigene Unsicherheit ein; er schämte sich, ganz offensichtlich.

„Aber du bist nicht gebrochen, du warst erfolgreich und von nun an wirst du nur noch stärker werden. Ich bin wahrlich neugierig zu sehen, wie schnell du noch besser werden kannst.“

Lorenor entgegnete nichts. Gerade wirkte er wieder so ungewöhnlich jung. Manchmal vergaß Dulacre, dass Lorenor fast noch ein Kind war. Nein, er vergaß eigentlich nie, dass sein Wildfang nur halb so alt war wie er, aber manchmal in ihren Gesprächen, wenn Lorenor ihn ansah, ihm furchtlos gegenüberstand, sich über ihn lustig machte, manchmal vergaß Dulacre dann doch, dass er noch so jung war, noch so unsicher sein konnte.

„Ich kenne dieses Gefühl“, meinte er schlicht und sah wie der andere ihn anstarrte. „Als ich damals verstand, wie gefährlich und unkontrollierbar ich sein kann, da erging es mir ganz ähnlich. Irgendwann wird es leichter.“

Er wandte sich zum Gehen.

„Wann?“

„Wenn du weißt, dass es jemanden gibt, der stark genug ist, dich im Zweifel aufzuhalten. Du kannst also ganz unbesorgt sein, solange ich noch stärker bin als du, werde ich diese Verantwortung schultern.“

„Tze, ich dachte du würdest mir Trainingstipps geben, nicht irgendsoeinen philosophischen Schwachsinn.“

Schmunzelt griff Dulacre nach der Türe.

„Unverbesserlich. Schlaf Lorenor, erhole dich und später reden wir dann.“

Er zog die Türe hinter sich zu.

„Als ob ich mir von dir Befehle erteilen lassen würde.“

Dulacre marschierte durch die Eingangshalle Richtung Kaminzimmer. Doch das sanfte Gefühl, dass er eben noch vernommen hatte, verschwand mit jedem Schritt. Er war froh über Lorenors Entwicklung, dankbar darüber, dass er es unbeschadet überstanden hatte. Obwohl er natürlich auch wusste, was Lorenor nun bevorstand. Es war nicht einfach sein Monster zu bezwingen, aber viel schwerer war es wohl selbst das Monster zu werden. Doch darüber sollte Lorenor sich heute Abend keine Gedanken machen müssen.

Aber Jiroushin gegenüber war Dulacre nicht so wohlwollend gestimmt. Lorenor war nun mal stur, unbesonnen und lebensmüde. Es überraschte Dulacre nicht im Mindesten, dass dieser Grünschnabel auf solch gefährliche Ideen kam und sie ohne Rücksicht auf Konsequenzen umzusetzen gedachte.

Genau aus diesem Grund hatte Jiroushin doch auf ihn aufpassen sollen!

Hinter dem dauergrinsenden Lebemann steckte ein verlässlicher, ernsthafter Stratege, dem Dulacre bedingungslos vertraute. Er hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass Jiroushin mit dem Starrsinn seines Wildfanges fertig werden würde, hatte nicht daran gezweifelt, dass Jiroushin seinen Worten folgen würde.

Mürrisch riss er die Tür zum Kaminzimmer auf. Sein bester Freund kniete ihm gegenüber am Kamin und entfachte gerade ein Feuer. Als er Dulacre sah, erhob er sich und klopfte dem Staub von seiner Hose.

„Sieh mich nicht so an, Hawky, das habe ich nicht verdient.“

„Den Kopf abgeschlagen hättest du verdient!“ Die Wut, die gerade erst abgeflaut war, flammte wieder auf als er auf Jiroushin zuschritt. „Was hast du dir dabei gedacht? War dir nicht bewusst, dass…“

„Flaum mich nicht so an“, unterbrach ihn der Blondschopf ebenfalls erbost, „es war nicht so, als wollte ich, dass Zorro so etwas riskantes ausprobiert! Er hat mir keine Wahl gelassen.“

„Wovon redest du? Er ist noch fast ein Kind! Wie willst du Vater werden, wenn du noch nicht einmal mit einem halbstarken Jungspund umgehen kannst?“

Plötzlich wurde Jiroushin blass vor Zorn.

„Wag es ja nicht, mein ungeborenes Kind hier mitreinzuziehen! Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen, du ach so großer Schwertmeister? Er wusste was zu tun war und falls es dir noch nicht aufgefallen ist, dieser Pirat hält sich nicht an Befehle und Verbote.“

Dulacre ignorierte die verletzten Gefühle des anderen.

„Dann hättest du ihn eben zwingen müssen, notfalls mit Gewalt. Schließlich ist er dir doch…“

„Ist er mir was? Unterlegen?“ Der Vizeadmiral schnaubte höhnisch auf. „Das du dich da mal nicht täuschst. Der einzige Weg, wie ich ihn hätte aufhalten können, wäre mit meinem Degen und du wirst den Tag nicht erleben, dass ich einen mir anvertrauten Schüler verletzte, nur um…“

„Oh ja, du Pazifist, und du verteidigst dich auch noch? Anstatt einen Stich gegen Lorenor zu führen, hast du es also lieber riskiert, dass er zerbrechen würde.“

„Jetzt hör aber mal auf!“ Nun brülle Jiroushin regelrecht, eine ungesunde Röte kroch seinen Hals empor und verdrängte die Zornesbleiche. „Du kennst Zorro besser als ich. Dir muss bewusst gewesen sein, dass er sich nicht aufhalten lassen würde, weder von dir und erst recht nicht von mir. Ich hatte keine Wahl und ich werde mir von dir nicht vorwerfen lassen, dass ich neben ihm stand, anstatt es ihn allein durchmachen zu lassen.“

Er war es nicht gewohnt, dass Jiroushin sich mit ihm stritt, nicht so. Normalerweise erkannte der Blondschopf seine Fehler schnell ein und entschuldigte sich; meistens waren ihre Auseinandersetzungen nur von kurzer Dauer und das obwohl Dulacre doch so nachtragend sein konnte.

„Es war kein Fehler“, beharrte Jiroushin. „Ich habe keinen Fehler gemacht. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Aber du hast ein Problem damit, nicht weil es geschehen ist, sondern weil ich da war und nicht du. Weil Zorro und ich einen Weg gegangen sind, der dir zu riskant vorkam und du nicht da warst, um alles unter Kontrolle zu halten.“

„Und ich habe auch gutes Recht dazu.“ Anders als Jiroushin sprach Dulacre nun deutlich ruhiger, obwohl er rasend vor Wut die Fäuste ballte. „Ich habe gutes Recht dazu wütend zu sein, Jiroushin. Ich habe dir vertraut, dass du nichts dergleichen ausprobieren würdest und du hast mein Vertrauen missbraucht. Aber viel schlimmer als das ist, dass, wenn ich nicht gekommen wäre, Lorenor seinen Verstand verloren hätte, weil du es noch nicht einmal wahrgenommen…“

„Glaubst du wirklich, ich hätte es nicht bemerkt?“

Erschrocken sah er Jiroushin an, der sich auf die Lippe biss.

„Glaubst du wirklich ich hätte nicht bemerkt wie unstet Zorros Rüstung wurde, wie abwesend er dreingeblickt hatte? Glaubst du ich wusste nicht, dass er drauf und dran war zu zerbrechen.“

„Warum hast du dann weitergemacht? Warum hast du nicht abgebrochen? Du hättest…“

Mittlerweile waren sie wieder auf Zimmerlautstärke angekommen, es war fast schon wieder eine Unterhaltung, wären da nicht diese verletzten Gefühle.

„Es war zu spät, Dulacre. Du kamst nicht just in dem Moment, in dem er diesen Zustand erreicht hatte. Kaum hatte er die Schwelle auch nur angekratzt, hatte er sich verändert. Er hat gebebt und gezittert, war abwesend gewesen, hat mir kaum noch zugehört, hat jeden meiner Vorschläge aufzuhören, einfach ignoriert und das Haki-level einfach erhöht. Alles was ich tun konnte, war da zu sein und zu hoffen, dass er es überstehen würde.“

Zweifelnd sah Dulacre den anderen an.

„Warum hast du ihn nicht einfach aufgehalten, warum hast du ihn nicht ausgeschaltet?“

„Tze, du meinst etwas so Leichtsinniges tun und ihn in einem solchen Zustand angreifen? So wie du es gemacht hast? Das war so ziemlich das letzte was mir in den Sinn kam und ich verstehe immer noch nicht wieso du so etwas Gefährliches getan hast und noch weniger wie er es überleben konnte. Jeder weiß doch, dass ein Kampf mit einem solch unsteten Hakifluss im Körper schwere Folgen hat. Er hätte es nicht überleben dürfen und erst recht nicht die Kontrolle erlangen dürfen.“

Plötzlich verstand Dulacre was passiert war, plötzlich verstand er warum sie sich so uneinig gegenüberstanden. Er hatte es vergessen, hatte vergessen wie Lorenor im Training sein konnte, dass er ein Nein nicht für ein Nein nehmen würde, dass er einem Verbot nicht Folge leisten würde.

Dulacre trainierte den Jüngeren schon so lange, dass er vergessen hatte, wie ungewöhnlich es war für einen Lehrmeister mit seinem Schüler einen Kompromiss finden zu müssen und er hatte vergessen, dass es Momente gab, in denen Lorenor keine Kompromisse hinnehmen würde und ja sein eigenes Monster gehörte mit Sicherheit zu den Dingen über die Lorenor nicht verhandeln würde.

Er hätte Jiroushin besser darauf vorbereiten müssen, hätte ihn warnen müssen, nicht nur vor der ungehobelten Starrköpfigkeit, der unverdrossenen Grobheit und dem unnachgiebigen Ehrgeiz, er hätte Jiroushin in erster Linie vor Lorenors erbarmungsloser Zielstrebigkeit warnen müssen.

Aber vielleicht hätte Jiroushin Dulacres Wildfang selbst dann nicht aufhalten können, vielleicht hätte es Dulacre noch nicht einmal selbst gekonnt. Wenn Lorenor eine Entscheidung getroffen hatte, konnte ihn nichts mehr davon abbringen, das wusste der Samurai nur zu gut.

Und natürlich hatte Jiroushin Recht. Lorenor war nicht der erste Mensch mit besonderen Hakifähigkeiten und ein jeder, der vernünftig Haki unterrichten wollte, wusste, dass ein unsteter Hakifluss nicht von außen gestört werden durfte. Wenn ein Anfänger viel Haki produzierte und der Fluss so unstet wurde, dass die Energie sich in manchen Bereichen staute, durfte der Anwender auf keinen Fall die Konzentration verlieren, denn so viel angestaute Energie, konnte beim Verlust der Kontrolle im Körper explodieren und dann war es fast egal, dass es bei Lorenor noch nicht mal sein eigenes war; in einem solchen Moment konnte ein Anfänger sich selbst umbringen und aus diesem Grund war eine vernünftige Basis in der Hakianwendung unverzichtbar.

Wenn man dann noch bedachte, dass Lorenor ein schlafendes Monster in sich trug, welches nur darauf wartete, dass er unter einer solchen last die Kontrolle verlieren würde, um seinen Platz einzunehmen, dann hatte Jiroushin tatsächlich Recht. Es grenzte an Wahnsinn, einen Schüler in einer solchen Situation auch noch anzugreifen.

Aber es ging hier ja nicht um irgendeinen Schüler, es ging um Lorenor, und woher hätte Jiroushin wissen sollen, dass Lorenors Stärke nun mal der direkte Kampf war? Dulacre wusste von Monaten des Haare Raufens, dass Lorenors Geist nie so scharf war, wie im echten Kampf. Lorenor, der sich sorgte nur ein tumber Knüppel zu sein, wurde im Kampf zur schärfsten Klinge, und das wusste Dulacre. Er wusste, dass Lorenor sich nie so sehr konzentrierte wie im Kampf, selbst beim Schachspielen, selbst wenn er seine Bücher las und übersetzte, nie konnte er sich so konzentrieren wie, wenn er kämpfte.

Daher hatte Dulacre ihn angegriffen, weil Lorenor kurz davor gewesen war die Konzentration und somit auch die Kontrolle zu verlieren und Dulacre hatte gewusst, dass dies der einzige Weg gewesen war, um ihn möglicherweise davor zu bewahren.

Aber woher hätte Jiroushin das wissen sollen?

Jetzt verstand Dulacre, warum er und Jiroushin so unterschiedlicher Meinung waren. Der Vizeadmiral war ein Lehrmeister wie er im Buche stand, kannte die Regeln und die Tabus, hatte mehr Leute im Schwertkampf unterrichtet als Dulacre wahrscheinlich je die Klingen mit gekreuzt hatte. Er tat das was richtig war, so wie es gelehrt wurde, vertraute auf seinen gesunden Menschenverstand und das erlernte Wissen.

Dulacre auf der anderen Seite interessierte sich nicht ein Stück für die konventionellen Trainings- und Lehrmethoden. Die wenigen Menschen, die er je unterrichtet hatte, hatte er meistens nach seinem eigenen Gutdünken geführt, hatte ihnen natürlich viele Dinge erklärt und war all diese Grundlagen und Übungen mit ihnen durchgegangen, die notwendig waren, aber letzten Endes hatte Dulacre nie etwas anderes getan, als die Schwächen seines Schülers bemerkt und diese ausgemerzt, bis keine mehr dagewesen waren.

Allerdings war das bei Lorenor auch nicht ganz so gewesen. Er wusste nicht, wie oft sie sich gestritten hatten, wie oft Lorenor Dulacres Befehle ignoriert und nach seinem eigenen Gefühl gehandelt hatte, wie oft Dulacre seine eigenen Methoden dem Jungspund hatte anpassen müssen. Ab einem gewissen Punkt hatte Dulacre akzeptiert, dass Lorenor alles andere als gewöhnlich war und dass er sich seinem Wildfang anpassen musste, damit Lorenor so lernen konnte, wie er es brauchte.

Es war ein langer, konfliktreicher Weg gewesen, den Dulacre nur sehr widerstrebend gegangen war, doch war er selbst schon jemand, der sich gerne von den althergebrachten Regeln abwandte. Wie hatte er erwarten können, dass Jiroushin dies innerhalb von weniger Tage schaffen würde, während er selbst mehrere Monate gebraucht hatte?

Der größte Unterschied zwischen ihnen beiden war, dass Dulacre Lorenor kannte und ihm eine Verantwortung gab - hatte abgeben müssen - die ein Lehrmeister normalerweise nie seinem Schüler überlassen würde, so wie Jiroushin es nicht hatte tun wollen.

Der Grund, warum die Dinge sich so entwickelt hatte, wie sie nun waren, lag daran, dass Dulacre nicht einkalkuliert hatte, wie gut er Lorenor kannte und dass kein Wissen der Welt, keine Erfahrung und keine Intelligenz dies wettmachen konnten.

Er hatte verkannt, dass der Grund warum er Lorenor so gut unterrichten konnte einzig und allein daran lag, dass sie sich so vertraut waren.

„Es war mein Fehler“, flüsterte er leise und wandte sich von Jiroushin ab, als die Wahrheit ihn einholte.

„Wie bitte?“, ertönte Jiroushin hinter ihm. „Du würdest doch niemals eingestehen, dass du etwas falsch gemacht hast. Ich dachte du könntest gar keine Fehler machen.“

Missbilligend schnalzte Dulacre mit der Zunge.

„Lorenor würde dir da deutlich widersprechen.“

„Das überrascht mich nicht, aber dass du überhaupt Fehler machst und sie dann auch noch selbstreflektiert bemerkst. Wer bist du und was hast du mit Hawky gemacht?“

Mit einem Schmunzeln musste Dulacre den anderen wieder ansehen.

„Ich muss mich entschuldigen, Jirou. Mir hätte bewusst sein müssen, dass ich dir eine Verantwortung nicht aufbürden kann, die nicht mal in meiner Hand liegt.“

„Ich verstehe nicht im Mindesten was du sagst, Hawky. Aber es ist Balsam für meine Seele, dass du dich entschuldigst, ganz gleich wofür.“

Kopfschüttelnd wanderte Dulacre zu seinem Sessel hinüber und ließ sich hineinfallen.

„Na dann sollte ich mich vielleicht eher bedanken. Dank dir hat Lorenor nun sein Monster besiegt und in sich aufgenommen, wobei wenn ich es Recht bedenke, sollte ich eher mir selbst danken, dass er dabei nicht um den Verstand gekommen ist.“

„Tze“, lachte Jiroushin, „diese Blumen will ich gar nicht, die kannst du ganz für dich allein haben. Ich bin nicht stolz darauf, dass Zorro nun selbst ein Monster geworden ist. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er diesen dunklen Teil seiner selbst für immer vergraben.“

„Ach, Jiroushin. Du warst bei mir machtlos und auch Lorenor trifft seine Entscheidungen selbst, akzeptiere es oder halt dich raus, wenn du es nicht ertragen kannst.“

Der Blondschopf ließ sich neben ihm auf den Boden fallen, trotz der circa zwanzig Sitzgelegenheiten in seiner Umgebung.

„Das meinst du doch nicht ernst, Hawky. Ich soll Gefallen daran finden, einem Kind dabei zu helfen, sich selbst zu verlieren, so wie du dich damals verloren hast? Tut mir leid, wenn es mir lieber wäre, dass Zorro ein glücklicher, zufriedener Mensch ist, aber…“

„Oh, Jirou, hör dich reden“, lachte Dulacre beinahe. „Glück und Zufriedenheit? Glaubst du Lorenor könnte je glücklich werden, wenn er seinen Traum nicht weiter verfolgen könnte? Und was redest du jetzt so freundschaftlich von Zorro? Wolltest du ihn nicht für seine Vergehen bestrafen? Und nun soll Zorro ein glücklicher und zufriedener Mensch werden? Du hättest ihn eben sehen sollen, auf mich wirkte er weder unglücklich noch verloren. Im Gegenteil, ich glaube Lorenor hat endlich gefunden, wonach er lange gesucht hat.“

„Red dir das ruhig ein, Hawky. Aber falls du wirklich Recht haben solltest, beruhigt mich das zumindest ein bisschen.“

Mühsam erhob sich der Vizeadmiral.

„Wie dem auch sei, lass uns morgen weiterreden. Ich brauche nun was dringenden Schlaf. Dein kleiner Wildfang hat mich doch ganz schön auf Trapp gehalten.“

„Dann solltest du dich ausruhen. Ich möchte morgen die vergangenen Tage mir dir besprechen, aber nun muss ich zunächst einmal mit Lorenor sprechen.“

„Wie du meinst.“ Doch dann blieb Jiroushin stehen und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Wie ging es eigentlich deinem Vater? Nataku hat wieder mal übertrieben, oder?“

Seufzend nickte der Samurai. „Natürlich. Der alte Gat hat einen vom Alkohol zerfressenen Körper, das ist es aber auch schon. Ansonsten war das Treffen so unnötig, wie man es hätte erwarten können.“

Mit hochgezogenen Augen sah Jiroushin ihn an, dann hob er jedoch nur eine Hand und murmelte: „Wie du meinst“, ehe er Dulacre allein zurückließ.

Gedankenverloren betrachtete Dulacre die flüsternden Flammen. Nie hätte er gedacht, dass die Dinge sich so entwickeln würden. Nie hätte er gedacht, sich je so fürchten zu würden, aber der Moment als er vor Lorenor gestanden hatte, wissend, dass er ihn nun jede Sekunde verlieren konnte, nur um jetzt von dessen Erfolg beseelt zu sein.

Tief aufatmend legte er eine Hand vor seine Augen, schloss die Hitze des Feuers für einen Moment aus. Da war etwas in seinen Gedanken, was er nicht ganz erfassen konnte, nicht ganz greifen und begreifen konnte und das machte ihm Kopfschmerzen. Er brauchte Ruhe, Stille, einen Moment der Sorglosigkeit, um es mit aller Geduld ertasten zu können.

Er dachte, dass er diese Ruhe die letzten Tage gehabt hätte, aber die ständige Sorge um Lorenor, hatte ihn nie losgelassen. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, jetzt wo er wusste, dass Lorenor in Sicherheit war, die größte Hürde seines Seins genommen hatte, vielleicht konnte Dulacre jetzt ein paar wenige Minuten sich in sich selbst zurückziehen und sich die Zeit nehmen, um…

„Du siehst ja beschissen aus. Hätte gedacht, dass du zumindest mal nach zwei Wochen Urlaub etwas weniger schlecht gelaunt dreinschauen würdest.“

„Lorenor“, murmelte er und rieb sich den Nasenrücken, als die sarkastische Stimme seines Wildfangs den Raum füllte.

Wie hatte er auch hoffen können, in diesem Schloss, seinem Rückzugsort von der Welt, für eine Sekunde mal Ruhe finden zu können?

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Maggy_24
2019-11-05T23:29:12+00:00 06.11.2019 00:29
Wie schön dass es weitergeht. Sehr packend geschrieben und toller Cliffhanger :D viel Erfolg beim Lernen 🙅💪
Antwort von:  Sharry
02.12.2019 19:33
Hey Maggy,

ich danke dir für deinen lieben Kommentar und ja, ich lerne ganz fleißig (meistens *hust*). Freud mich, dass es dir gefallen hat.

Ganz liebe Grüße
Von:  DarasEvolution
2019-11-04T17:48:13+00:00 04.11.2019 18:48
Wiedereinmal schönes Kapitel ich, bin gespannt ob Mihawk Zorros Herkunft und die Lehren der Schwertkunst zu Sprache bringt.
Lerne schön fleißig weiter.;)
Von: RuffysKreationen
2019-11-04T16:46:51+00:00 04.11.2019 17:46
Ich bin dir sehr dankbar, dass du zumindest den fiesen Cliffhanger aufgelöst hast :'D und jetzt, geh schön lernen! >.<
Sehr schön beschrieben, wie beflügelt, aber gleichzeitig auch so wütend Mihawk sein kann, weil Zorro sein Monster soweit kontrollieren konnte. Aber auch schön zu sehen, dass auch Zorro unsicher sein kann und es Mihawk gegenüber zugibt.
Und wie immer ein nettes Kapitelende zwischen den Beiden, was ich ja schon vermisst habe :D
Antwort von:  Sharry
02.12.2019 19:32
Hey, ich danke dir für deinen Kommi und deine lieben Worte (ja, Cliffhanger sind so meine Droge, ich kann sie nicht lassen) und ja, ab und an können unsere beiden Streithähne auch mal lieb zu einander sein, aber es wäre doch langweilig, wenn sie sich immer nur lieb hätten :-P

Liebe Grüße


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