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Eine erbarmungslose Entscheidung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen und ich hoffe ihr hattet einen schönen Muttertag (gerade die Mütter unter uch ;-))

Heute geht es weiter mit einem etwas ruhigeren Kapitel aber ich würde mal sagen, dass es die Ruhe vor dem Sturm ist ;-P

Liebe Grüße

Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 30 - Perspektive

Kapitel 30 - Perspektive
 

-Zorro-

„Also was denkst du?“, fragte er beiläufig und doch auch beinahe kleinlaut den Samurai, der zu Abend aß und nebenbei die Zeitung las.

Selbst als Zorro hereingekommen war, hatte er nur kurz aufgeschaut und sich danach wieder auf seine Lieblingslektüre konzentriert.

„Ich denke, dass es ein passender Zeitpunkt ist, wenn auch etwas kurzfristig“, entgegnete der Ältere gelassen.

Zorro hatte keine Ahnung, ob das vergangene Training seine Stimmung beeinflusste oder eben nicht.

„Vielleicht ist es gut für dich die Insel ein paar Tage zu verlassen.“

Irgendwie stieß es ihm bitter auf wie entspannt der andere reagierte. Ein starker Kontrast zu seinem Verhalten, als sie das letzte Mal über so etwas gesprochen hatten.

Missmutig hob er den Brief hoch und überflog ihn noch einmal.

„Also hier steht, dass du auch mitkommen kannst, wenn du willst.“

Nun sah der Ältere ihn endlich mal an, eine Augenbraue fragend hochgezogen.

„Es ist nur eine halbtägige Abschlusssitzung oder so etwas mit anschließender Kundgabe. Keine fünf Tage, laut Eizen und er meinte es könnte sogar für dich interessant sein“, fuhr Zorro fort.

Der Brief war während ihres Trainings angekommen, doch Zorro sah das ganze etwas anders als der Samurai, unpassender hätte der Politiker ihn gar nicht einfordern können.

„Es tut mir leid, Lorenor“, entgegnete der Ältere und hob seine Zeitung wieder hoch, „aber selbst, wenn ich wollte, ich könnte dich nicht begleiten.“

„Was? Wieso?“

Warum sollte der andere nicht können? So etwas wie Hobbys oder Verpflichtungen hatte der Kerl doch eh nicht, wenn man mal von Zorros Training und dem Schutz der fünf Inseln absah, seine Pflichten als Samurai waren bis auf wenige Ausnahmen so gut wie nicht existent.

„Ich habe heute Morgen ebenfalls eine kurzfristige Terminankündigung erhalten, die ich nicht ablehnen sollte. Ich würde daher nicht rechtzeitig zurückkehren.“

„Ja sicher“, schnaubte Zorro und verschränkte die Arme. „Hör mal, wenn du keinen Bock hast, schon okay, aber dann erzähl mir doch wenigstens keine Märchen. Was solltest du schon für Termine haben?“

„Es handelt sich um eine private Angelegenheit“, wich der andere ihm aus und bestätigte Zorros Verdacht nur, dass der andere wirklich nur eine schlechte Ausrede brauchte, um ihn ein paar Tage los zu sein.

„Würdest du denn überhaupt wollen, dass ich dich begleite?“

Nun sah der andere ihn plötzlich an. Zorro war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen.

Abwehrend zuckte er mit den Achseln und hob beide Arme.

„Keine Ahnung. Nach dem letzten Mal dachte ich du magst es nicht, wenn ich allein mit Eizen unterwegs bin. Du hast doch diesen Kontrollzwang oder so.“

„Du hast mir doch gesagt, dass ich daran arbeiten soll und nun beschwerst du dich?“

Dulacre blätterte eine Seite um.

Für einen Moment blieb Zorro stehen, doch für den Älteren war das Gespräch offensichtlich geklärt.

Etwas hatte sich verändert, er wusste nur nicht genau was.

Das war nicht das erste Mal, dass die Stimmung zwischen ihnen komisch war und eigentlich war es Zorro auch ziemlich gleichgültig. Der andere hatte halt schon mal seine Phasen, sollte ihm doch egal sein.

Aber die Art wie er ihn vor die Wahl gestellt hatte.

Zorro hatte sich doch schon entschieden, hatte sich wieder und wieder dafür entschieden bei dem anderen zu bleiben, um besser zu werden, stärker.

Warum also zweifelte der andere daran, dass er es ernst meinte?

„Du verstehst es wirklich nicht, oder?“

Plötzlich sahen ihn diese gelben Augen direkt an.

„Du glaubst immer noch, dass ich dich testen würde, nicht wahr?“

„Bestrafen“, stimmte er halb scherzhaft zu, „oder so etwas in der Art.“

Nun schmunzelte der andere. „Manchmal überrascht es mich wie du es schaffst so einfältig zu sein.“

„Was?! Wenn du mich nur weiter beleidigen willst, kann ich auch gleich...“

„Lorenor.“ Lachend faltete der Ältere seine Zeitung.

„Ich meinte ernst was ich sagte. Du bist ein Mensch, der bereit ist vieles aufzugeben und vieles in Kauf zu nehmen, um die Dinge zu erreichen die dir wichtig sind. Deine Freunde beschützen, deinen Traum verwirklichen. Ich beneide dich beinahe um diesen unbeugsamen Willen.“

Abwehrend hob Zorro beide Arme. Dieser Seite des Samurais misstraute er am meisten; wenn der andere ihn lobte oder Honig um den Mund schmieren wollte, begaben sie sich immer auf gefährliches Terrain.

„Und doch bist auch du nicht perfekt, glücklicherweise; bei all deinem verdammten Talent und deinem gottverfluchten Ehrgeiz wäre es sonst wirklich unfair. Du bist ein Mensch, der nur vor wenigen, sehr wenigen Dingen Angst hat, dementsprechend setzt du dich auch nur sehr selten mit diesem Gefühl auseinander.“

Was redete der andere? Klar, er war kein Angsthase wie Lysop und er ließ sich von der Angst auch nicht lähmen wie zum Beispiel Nami oder Chopper, aber natürlich wusste er was Angst war.

„Ich rede nicht von dieser Anspannung, wenn Gefahr besteht; von der Unsicherheit ob man sich für das Richtige entscheidet.“

Es war als wüsste der andere genau was er dachte.

„Sag mir, Lorenor, wann hattest du so große Angst, dass du nicht mehr klar denken konntest, dass dir die Luft zum Atmen fehlte? Wann hattest du wirklich Angst?“

Sabaody Archipel

„Du bist niemand, der Angst vor dem eigenen Tod hat, das hast du schon mehrfach bewiesen. Es gibt nur zwei Dinge, die dir wirklich Angst machen.“

Nun stand der andere auf.

„Natürlich der Verlust von Menschen, die dir wichtig sind. Auch hier hast du schon des Öfteren bewiesen, dass du bereit bist das Unmögliche möglich zu machen, um deren Tod zu verhindern. Wir hatten ja schon des Öfteren besprochen, dass dein Beschützerinstinkt deinen Selbsterhaltungstrieb regelmäßig übertrumpft. Aber die Sorge um andere Menschen ist ja auch ein überaus verbreitetes Druckmittel, von dem auch ich mich nicht ganz freimachen kann.“

Wie überheblich der andere klang.

„Das andere ist viel interessanter. Du hast Angst zu versagen, Angst die Kontrolle zu verlieren. Du bist ein Perfektionist und schon bei unserem ersten Treffen lebtest du nach der Mentalität lieber beim Versuch zu sterben, als mit der Schande des Versagens zu leben.“

Zorro schwieg.

„Ich glaube, dass du auch Angst hast, dass du diese Manie nicht kontrollieren kannst, und anstatt zu versagen willst du es lieber gar nicht erst versuchen.“

Nun grinste der andere leicht.

„Du bist ein Mensch, der noch nicht einmal vor dem Tode Angst hat und statt der Angst zu erliegen, deine Freunde zu verlieren, wirfst du dich immer in die Schusslinie, weil du weißt, dass du sie beschützen kannst. Aus diesem Grund hast du nur äußerst selten Angst, und ich meine wahre Angst. Aber ich frage mich was passiert, wenn du wirklich hilflos bist? Wenn du nichts tun kannst, um dieser Angst zu entrinnen, was tust du dann? Solange du dich ihr trotzdem nicht entgegenstellen kannst, solange bist du noch nicht bereit um ein wahrer Schwertmeister zu werden.“

Zorro grinste nicht. Hatte der Samurai Recht?

Setzte er sich nicht mit einer Angst auseinander, die er noch nicht mal wahrnahm, nicht wahrnehmen wollte?

Hatte er vielleicht wirklich nicht alles gegeben, weil er Angst gehabt hatte?

„Du solltest die nächsten Tage nutzen und einmal in Ruhe darüber nachdenken, Lorenor. Angst ist nichts Schlimmes, sie ist sogar sehr wichtig.“

Das wusste er doch selbst.

„Danach wirst du verstehen was ich meine und warum du beim Training heute nicht über deinen eigenen Schatten springen konntest.“

Einen Moment überlegte er.

„Das heißt, diese Wahl, vor die du mich gestellt hast, war nur rein hypothetisch?“

Dulacre lachte leise und schritt an Zorro vorbei.

„Oh nein, das war ernst gemeint. Wenn du dich nicht dazu entscheidest, gegen dein Monster anzutreten, brauchen wir nicht weitermachen.“

Als sie auf einer Höhe waren blieb er stehen.

„Aber ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass du den richtigen Weg wählen wirst. Doch das musst du nun einmal selbst tun. Gute Nacht, Lorenor.“
 

Der nächste Morgen kam schneller, als Zorro lieb war.

Er hatte kaum geschlafen und über Mihawks kryptische Worte nachgedacht.

Noch immer wusste er nicht wirklich was der andere von ihm wollte. Natürlich wollte er sich seinem inneren Dämon stellen, er wollte unbedingt der beste Schwertkämpfer der Welt werden und im Kampf gegen den Samurai konnte er es sich nicht leisten darauf achten zu müssen, dass seine Hakireserven keinen kritischen Punkt erreichten.

Dafür trainierte er doch nun schon sein ganzes Leben.

Er wollte nicht verlieren, konnte nicht verlieren.

Wie sollte er sonst Kuina je wieder gegenübertreten können?

Folglich wollte er auch auf keinen Fall aufgeben. Er wollte weitermachen und er hatte auch nicht das Gefühl gehabt nur halbherzig trainiert zu haben.

Er hatte nicht wirklich geschlafen.

Nun hatte er Kuraigana samt Samurai und Geistermädchen hinter sich gelassen und fand sich in einem großen Gemach auf einem Schiff der Weltregierung wieder.

In zwei Stunden würde er sich mit Eizen und Rihaku treffen, um sich auf die Sitzung am übernächsten Tag vorzubereiten.

Aber bis dahin wollte er eigentlich etwas schlafen, doch er lag hellwach auf dem Sofa.

Der Reißverschluss seines Kleides zwickte unangenehm, aber viel mehr störte ihn, dass er keine Ruhe fand.

Warum sah er denn nicht was der Samurai meinte?

Er verstand ja was er sagte, aber er hatte einfach nicht das Gefühl, dass er vor Angst wie gelähmt gewesen war.

Natürlich, wenn er an jenen Tag zurückdachte als er auf Mary Joa hilflos hatte mitansehen müssen wie seine Crew besiegt worden war, ja, damals, das war wahre Angst gewesen.

Aber wenn er an den vergangenen Tag dachte, nein das Gefühl war doch nicht vergleichbar gewesen.

Ja, er freute sich nicht gerade darauf wieder die Kontrolle zu verlieren, aber er freute sich auch nicht auf Eizen – der noch nicht einmal aufgetaucht war, seitdem Zorro an Bord gekommen war – und trotzdem war er ja jetzt hier.

Plötzlich klopfte es an der Tür und Frau Rihaku steckte den Kopf herein, selbst das gelang ihr mit einer engelsgleichen Eleganz.

„Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht stören.“

Wenn man bedachte wie anmutig sie sich unter all diesen hochwohlgeborenen Anzugträgern bewegte wirkte sie nun beinahe schüchtern, wie eine Unschuld vom Lande. Ihr seltenes, beinahe unsicheres Lächeln und die winzigen Grübchen ließen sie gleich deutlich jünger wirken als der kühle Blick, mit dem sie sonst unterwegs war.

„Ich wollte Ihnen nur den Zeitplan für die Sitzung bringen. Er ist gerade erst eingetroffen.“

Die Frau mit den mandelförmigen Augen verbeugte sich tief und hielt ihm ein Bündel Papiere hin.

Zorro stand eilig auf und kam zu ihr hinüber. Er bedankte sich rasch und bemühte sich Worte zu finden, die wohl zu einer Lady Loreen passen würden.

Nein, er wollte wirklich nicht hier sein, während er sich mit dieser Politikerin unterhielt und sie den morgigen Tagesplan besprachen, ehe sie sich schließlich verabschiedete.

Doch ehe sie die Türe schloss, biss sie sich mit errötenden Wangen auf die Unterlippe und sah Zorro wieder so ungewohnt unsicher an, was so überhaupt nicht zu ihrem sonst so erhabenen Blick übereinstimmen wollte.

„Dürfte ich Ihnen noch eine Frage stellen, Lady Loreen?“

Sie war wie immer äußerst höflich.

„Geht es Ihnen gut?“

„Na...natürlich.“ Verwirrt sah Zorro sie an, doch sie lächelte nur schwach, anders als bei Eizen wirkte es bei ihr absolut ehrlich.

„Ich entschuldige mich für meine Neugierde. Aber ich bin etwas besorgt. Herr Eizen hat mich natürlich über Ihre fragile Gesundheit informiert und nun bin ich überrascht, dass Sie so ganz ohne Begleitung unterwegs sind und dass obwohl Sie sehr erschöpft wirken. Es tut mir leid, wenn ich so direkt bin.“

Es stimmte, er hatte nicht gewollt, dass Perona ihn begleitete - aus mehreren Gründen - und Dulacre hatte nicht widersprochen. Aber er hatte nicht einen Moment darüber nachgedacht, wie er das begründen sollte oder, dass es überhaupt jemandem auffallen würde.

„Ähm… ähm...“

Wieder verbeugte die andere Frau sich tief.

„Es tut mir leid, dass ich so persönlich geworden bin.“

Es war immer wieder überraschend, sie wirkte gerade so unsicher, so schüchtern, doch sobald Eizen in ihrer Nähe war oder irgendwer sonst, war sie die Professionalität und Selbstsicherheit in Person.

„Nein, nein“, entgegnete er schnell und hob eine Hand, „es ist nichts, um das Sie sich Gedanken machen brauchen. Ich versichere Ihnen, dass Sie sich nicht um meine Gesundheit sorgen müssen.“

Verwundert sah Frau Rihaku ihn an, ehe sie nickte.

„Ich verstehe, Lady Loreen. Es ist wahrlich ein kluger Schachzug keine Schwäche zu zeigen, gerade in dieser Männerwelt.“

Dann drückte sie einen Moment Zorros Hand.

„Sollten Sie etwas brauchen, können Sie sich ganz vertrauensvoll an mich wenden. Ich kann schweigen wie ein Grab.“

Damit ging sie und kopfschüttelnd ließ Zorro sich wieder auf das Sofa fallen.

Vielleicht hatte Eizen ja wirklich Recht was seine Gabe anging, oder aber das war nur eine Falle, um sich Zorros Vertrauen zu erschleichen.
 

-Mihawk-

Lorenor hatte die Insel verlassen.

Fast automatisch sank Dulacres Stimmung.

Sie hatten sich heute Morgen nicht gesehen. Der Hauptgrund dafür war, dass Lorenor zu fast unmenschlicher Stunde abgereist war, es war sogar noch dunkel draußen.

Der eigentliche Grund war jedoch, dass der Samurai sich ganz simpel dagegen entschieden hatte, ihn zu verabschieden.

Es war nicht so, dass sie sich wiedermal stritten, eine kleine Spannung vielleicht, aber das gehörte zum Training nun mal dazu. Trotzdem war er froh, dass er den Jüngeren ein paar Tage nicht sehen brauchte.

Natürlich fand er es problematisch, dass sein Wildfang schon wieder mit Eizen unterwegs war, auf der anderen Seite war er erleichtert, dass er seine privaten Angelegenheiten auch wirklich privat regeln konnte.

Er war froh, dass Lorenor nicht mehr in der Schussbahn war, trotzdem lag er jetzt in seinem Bett und spürte wie sich der Jüngere mehr und mehr entfernte und das stimmte ihn äußerst missmutig.

Noch am Abend hatte der andere ihm in seinem Zimmer aufgesucht, um ihm mitzuteilen, wann er aufbrechen würde und dass er die Geisterprinzessin entgegen Dulacres Wunsch hin nicht mit nehmen würde, da sie bis zum geht nicht mehr nervt. Eine Aussage, die er nur bestätigen konnte.

Aber das bedeutete nun mal auch, dass sie jetzt noch hier war, vermutlich gerade in der Küche irgendetwas kochte und deswegen hatte er noch weniger Lust aufzustehen.

Das Geistermädchen hatte ihn schon mehrfach um Hilfe gebeten – und ihm war bewusst, dass Lorenor sie auch noch ermutigte – aber er hatte wahrlich besseres zu tun als für sie das Nachdenken zu übernehmen, hier herumliegen zum Beispiel.

Aber das bedeutete, dass er sich mit seinen eigenen Gedanken auseinandersetzten musste und das war beinahe noch nerviger.

Aufstöhnend erhob er sich. Draußen war es immer noch zappenduster, selbst nachdem er die Dusche verlassen hatte und dabei hatte er sich wirklich viel Zeit gelassen.

Im Spiegel fiel sein Blick auf die fünf feinen Linien an seiner rechten Schulter. Die Wunde war bereits verheilt, stellte natürlich überhaupt kein Problem dar, würde keine Narbe hinterlassen. Noch jedoch war die Haut uneben, sogar etwas empfindlich.

Kopfschüttelnd zog er sich an und verließ sein Zimmer.

Er sollte Recht behalten und das Geistermädchen in der Küche antreffen. Überrascht starrte sie von der Zeitung auf als er hereinkam.

„Was tust du denn schon hier?“, begrüßte sie ihn offensichtlich schockiert. „Du stehst doch normalerweise nicht vor Sonnenaufgang auf.“

Herablassend sah er zu ihr hinab. Wer war sie, dass sie ihm vorschreiben wollte, wann er in seine Küche kam?

„Dir auch einen guten Morgen“, entgegnete er kühl und ignorierte sie um sich um sein Frühstück zu kümmern.

„Ähm...“ Sie sprang auf und raste an ihm vorbei zur Spüle. „Der Kaffee ist noch nicht fertig. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon auf sein würdest.“

Er winkte nur ab und wühlte nach einer Schüssel, um sich sein Rührei zu machen, während sie begann Kaffee zu kochen.

In Stille arbeiteten sie nebeneinander her, auch wenn er ihre Augen auf sich fühlen konnte.

„Du bist wirklich gut“, murmelte sie und setzte sich auf den Tresen, um ihn besser beobachten zu können.

„Es ist nur Rührei“, meinte er unbeeindruckt. Allerdings stimmte es, dass er dieses Gericht perfektioniert hatte, einfach weil er es als Frühstück bevorzugte.

Wenn er sich die Zeit nahm zu frühstücken und wenn er es selbst vorbereitete, dann gab es immer nur Rührei, so einfach war das.

Seine hauseigene Schmarotzerin beobachtete ihn nun wieder ruhig, bis er schließlich mit Essen und Kaffee die Küche verließ.

Sie folgte ihm auffällig.

„Warum isst du eigentlich nie in der Küche?“, fragte sie neugierig. „Ganz alleine im Kaminzimmer zu essen ist doch total doof.“

„Personal isst in der Küche“, erklärte er abwertend, „außerdem sind die Stühle dort unbequem.“

Sie war nervig, warum hatte Lorenor sie nur hiergelassen?

„Ich esse gerne in der Küche“, murmelte sie schmollend.

„Sag ich ja.“

Schnaubend folgte sie ihm ins Kaminzimmer, wie eine nervige Klette.

Als er sich hinsetzte, hielt sie ihm die Zeitung hin.

„Hier, Mi..hawk?“

Für einen Moment sah er sie an, ehe er die Zeitung entgegen nahm.

Sie hatte ein zittriges Lächeln aufgesetzt und wirkte nervös, doch er entschied sich auf seine Lieblingslektüre zu konzentrieren.

Gnädiger Weise konnte er in absoluter Stille sein Frühstück genießen, obwohl er ihren Blick die ganze Zeit wahrnehmen konnte.

Er hatte das ungute Gefühl, dass sie ihn den Tag über verfolgen würde und er sollte Recht behalten.

Als er aufstand, um die Reste seines Mahls wegzuräumen, kam sie ihm hinterher.

„Bist du mein Schatten?“, fragte er genervt. „Oder warum verfolgst du mich?“

„Ich wollte dir beim Abwasch helfen“, murmelte sie unschuldig.

Er ließ sie machen.

„Sag mal, Mihawk“, stammelte sie dann, als sie den Teller entgegen nahm, „warst du gestern nicht ziemlich grob mit Zorro?“

„Wie bitte?“

Sie erlaubte sich sein Handeln zu kritisieren?

Sie sah sich in der Position seine Trainingsmethoden zu bewerten?

War sie lebensmüde?

„Also… also ich mein ja nur“, ruderte sie schnell zurück, „Zorro wirkte auf mich so, als ob er gar nicht verstehen würde, was du von ihm wolltest. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, dass er nicht mit vollem Einsatz trainiert hat.“

Dulacre war nicht im Mindesten darüber verwundert, dass sie über alles Bescheid wusste. Schließlich schwebten überall ihre lächerlichen Geister herum und beobachteten alles.

Ihm war es gleichgültig, solange sie seine Privatsphäre in Ruhe ließ.

Aber er war mehr als überrascht, dass sie die Dreistigkeit hatte mit ihm über Lorenors Fortschritt zu diskutieren.

Sie schien seine Stimmung zu merken – nicht ganz verwunderlich, schließlich starrte er sie direkt an – denn sie sprach schnell weiter: „Weißt du, Angst und negative Gedanken sind meine Spezialität, daher weiß ich genau was du meinst. Aber Zorro hat vor so gut wie nichts Angst, ich glaube nicht, dass sie ihn je gehemmt hat, wenn überhaupt hat sie ihn bisher immer nur angespornt.“

Sie schien sich wirklich viele Gedanken darüber gemacht zu haben.

„Ich hab keine Ahnung von dem was du ihm beibringen willst und ich will mich da auch gar nicht einmischen.“

Das war auch besser so, für sie.

„Aber ich würde gerne verstehen, warum du Zorro vor eine Wahl stellst, anstatt ihm einfach zu erklären was los ist. Ich glaube nicht, dass er es verstanden hat.“

Er schuldete ihr keine Erklärung. Herrgott er schuldete ihr noch nicht mal einen feuchten Händedruck.

„Dann streng doch ausnahmsweise deinen eigenen Kopf an“, forderte er sie heraus. „Warum glaubst du, dass ich Lorenor wählen lassen?“

Dabei hatte er schon das Gefühl gehabt, es dem anderen sehr deutlich gesagt zu haben.

Für einen Moment betrachtete sie das Geschirrtuch in ihren Händen.

„Damit er es selber versteht“, murmelte sie nachdenklich. „Du weißt, dass er es noch nicht einmal bemerkt hat, also willst du, dass er selbst darüber nachdenkt. Denn wenn er später seinen eigenen Fehler noch nicht einmal bemerkt, wie soll er sich dann verbessern, wenn du nicht vor ihm stehst und es ihm erklärst?“

„Das stimmt“, gab er zu, „Lorenor muss mehr reflektieren lernen und zwar in den wenigen Bereichen, in denen es ihm schwerfällt. Er muss lernen auch in unangenehmen Situationen seine Konzentration zu wahren und eigene Schwächen wahrzunehmen. Die Aufgabe eines Lehrmeisters ist es nicht nur, einem Schüler sein Wissen beizubringen, sondern auch das selbständige Weiterdenken und Nachfragen zu fördern.“

Sie starrte ihn mit großen Augen an, wobei ihre Augen dank ihrer Schminke immer riesig wirkten.

„Was ist? Du scheinst überrascht. Hättest du nicht erwartet, dass mein Handeln einen tieferen Sinn hat?“

„Ähm doch“, meinte sie und sah weg. „Ich hätte nur nicht erwartet, dass du es mir erzählst. Das war nett, danke“, fügte sie kleinlaut hinzu.

Er verharrte einen Moment. Ihm war nicht einmal bewusst gewesen, dass es für sie wirklich relevant sein konnte.

Plötzlich piepste eine kleine Uhr neben ihr.

„Oh nein, ich bin spät dran!“, schrak sie plötzlich hervor und sprang auf.

„Was redest du denn da? Es ist doch niemand mehr da, für den du Frühstück vorbereiten müsstest.“

„Darum geht es doch gar nicht“, entgegnete sie während sie das Piepsen ausschaltete und durch die Küche hetzte.

Milde interessiert beobachtete er sie wie sie einen der großen Körbe aus der Speisekammer holte, gefüllt mit Lebensmitteln.

Er seufzte auf.

„Ich habe dir schon einmal erklärt, dass du die Lebensmittel nicht an die Humandrills verschwenden sollst. Das hier ist kein Wohlfahrtsverein. Du wirfst Geld zum Fenster hinaus, mein Geld wohlgemerkt.“

„Bei den Heizkosten, die dieses Schloss hier verschlingt, glaube ich nicht, dass du dir um Geld Gedanken machst.“

Sie hastete mit dem Korb Richtung Hinterausgang.

„Tze, wie dem auch sei. Es ist vertane Liebesmüh, Geistermädchen. Du kannst ihnen noch so viel...“

„Psst!“

Sie hatte den Korb gegen ihre Hüfte gestemmt, um eine Hand frei zu haben und die Tür zu öffnen. Dann hielt sie den Zeigefinger vor die Lippen.

„Wenn du so laut redest, kommen sie bestimmt nicht. Schließlich haben sie Angst vor dir.“

Verdutzt ließ er sich wirklich von dem Geistermädchen den Mund verbieten und sah ihr dabei zu wie sie die Stufen hinuntereilte und den Korb im Hinterhof abstellte. Am fernen Horizont deutete ein Streifen helles Blau das Ende der Nacht an.

Während sie die Tür schloss, schüttelte er den Kopf.

„Warum gibst du dir solche Mühe? Sobald du ohne Lorenor oder mich durch die Wälder streifst werden sie nicht zögern dich zu töten.“

Nun sah sie ihn ungewohnt kühl an.

„Na und?“ Sie verschränkte die Arme. „Warum sollte mich das abhalten hungrige Mäuler zu stopfen?“

Diese Gegenfrage überraschte ihn, doch sie hielt sich gar nicht mehr mit ihm auf, sondern huschte zum kleinen Küchenfenster hinüber.

Nun lächelte sie wieder freudig.

„Da kommen sie!“, flüsterte sie aufgeregt.

Seufzend folgte er ihr zum Fenster und sah ebenfalls hindurch.

Ein Dutzend Humandrills huschten vorsichtig durch den hinteren Garten. Sie schienen offensichtlich nervös und beäugten das Schloss argwöhnisch. Sie mussten Dulacres Anwesenheit spüren und wussten, dass er es nicht mochte, wenn sie seinem Heim zu nahe kamen.

Im Hinterhof angekommen teilten sie sich auf und nahmen links und rechts von der Treppe Aufstellung, auf deren unterstem Absatz die Geisterprinzessin den Korb mit den Lebensmitteln abgestellt hatte.

Es schien als würden sie jeden Moment mit einem Angriff rechnen.

Als nach mehreren Sekunden nichts passierte wollte der Samurai schon gehen, als plötzlich einer der Affen leise pfiff und sich ein weiterer Schatten aus dem dunklen Wald löste.

Erstaunt beobachtete Dulacre, wie der dreizehnte Humandrill vorsichtig näher kam, in seinen Händen ein Korb, identisch zu dem, der auf der Treppe stand. Ähnlich wie das Geistermädchen hatte der Affe den Korb gegen die Hüfte gestemmt, um so eine Hand frei zu haben, in der er eine Waffe hielt.

Beinahe erhaben ging der Affe zwischen den aufgestellten Artgenossen hindurch und erreichte die Treppe. Dort schaute er einmal skeptisch zur Türe hinauf ehe er vorsichtig den mitgebrachten Korb auf der untersten Treppenstufe abstellte.

Im nächsten Moment schnappte er sich den anderen Korb und rannte sogleich von dannen, gefolgt von den anderen Humandrills.

„Sind sie nicht süß?“, flüsterte die junge Frau an seiner Seite und eilte bereits zur Küchentür.

„Unglaublich putzig“, kommentierte er sarkastisch, doch dann schlich ihm ein überraschter Laut über die Lippen.

„Oh.“

Im Licht der Küche konnte er nun erkennen, dass der Korb, den das Geistermädchen hereintrug, überhaupt nicht leer war.

Fast bist zur Hälfte war er gefüllt mit allerlei Pilzen, Nüssen, Wurzeln und Früchten.

Das breite Grinsen seines Gegenübers konnte mit Jiroushins konkurrieren.

„Siehst du!“ Strahlend hielt sie ihm den Korb entgegen. „Sie sind keine bösen Monster. Sie sind nur missverstanden.“

„Wie du meinst.“

Er drehte sich um und ließ das Geistermädchen in der Küche zurück.

Die Humandrills hatten ihr tatsächlich Nahrungsmittel gebracht, sie hatten sich tatsächlich etwas von ihrer Gutmütigkeit abgeguckt.

Kopfschüttelnd begab er sich zurück in seine eigenen Gemächer, wohin sie ihm sicherlich nicht folgen würde.

Vielleicht, nur vielleicht, hatte er sie doch unterschätzt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2019-05-13T05:33:43+00:00 13.05.2019 07:33
Ein tolles Kapitel. Echt gut geschrieben. Gefällt mir.
Oh. Das ist doch mal was. Interessant, was da so abgeht, sowohl bei Zorro als auch bei Mihawk.
Ich bin gespannt, was dort in den nächsten Tagen noch so passiert.

LG
Antwort von:  Sharry
26.05.2019 13:49
Hey,
ich danke dir für deinen Kommentar und werde mal gar nichts verraten ;-P

Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel.

LG


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