Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 22: Kapitel 20 - Piraten -------------------------------- Kapitel 20 – Piraten   -Zorro- „So, nur noch die Handgelenke.“ „Wofür denn das? Ich brauche nur was zum Anziehen und keinen maßgeschneiderten Anzug.“ Die dunklen Augen der Haushälterin blitzten ihn wütend an. „Noch nicht. Aber wer weiß, vielleicht brauchst du nächsten Monat doch noch einen und dann muss ich deine Maße haben, Schätzchen.“ Er räusperte sich über den Kosenamen hinweg. „Tze, als ob ich so was brauchen würde und selbst wenn, dann würden Sie dann trotzdem drauf bestehen mich nochmal neu auszumessen, nicht wahr?“ „Aber das liegt doch nur daran, dass sich dein Körper ständig verändert. Du bist ja noch so jung. Alleine als Loreen hat sich dein Brust- und Oberschenkelumfang schon so vergrößert im Vergleich zum vorletzten Monat. “ Zorro rollte mit den Augen. Sich mit der Schwarzhaarigen anzulegen war hoffnungslos. Er zog seine Hände weg nachdem sie beide Handgelenke nachgemessen hatte. „Das liegt nur am Muskelaufbau. Kann ich mich jetzt endlich anziehen?“, murrte er schlecht gelaunt während sie zum kleinen Nähtisch hinüber eilte um alle Maße aufzuschreiben. „Natürlich, natürlich Kindchen. Aber bitte hör auf so griesgrämig dreinzuschauen.“ „Ich kann nichts dafür, das ist nun mal mein Gesicht“, entgegnete er noch dunkler und griff nach einer der Hosen, die über eine Kleiderstange gelegt waren. „Finden Sie sich damit ab. Ich bin nicht Ihr süßes Prinzesschen.“ „Diese Hose wird dir zu kurz sein, Schatz. Die Schwarze da drüben müsste passen“, entgegnete sie nur ruhig und zeigte mit dem Bleistift auf einen weiteren Stapel Hosen. Ohne etwas zu erwidern ging er hinüber und zog die einzige schwarze Hose aus dem Berg hervor. Er fragte nicht einmal, warum sie so viele Klamotten hier rumliegen hatte. Im Gegensatz zu sonst war dieser Raum unglaublich unordentlich. Vielleicht hatte sie die Abwesenheit des Hausherrn zum Aussortieren nutzen wollen. „Und du kannst aufhören vor mir den starken Mann zu markieren“, sprach sie kühler weiter. „Mir war von Anfang an klar wer du bist und ich habe nicht vor dich anders zu behandeln nur weil du plötzlich meinst dich wie ein unerzogener Höhlenmensch aufführen zu müssen.“ Ihre Stimme hatte etwas tadelndes, als wäre sie mit seinem Benehmen alles andere als zufrieden. Es war nervig. Mit einem leisen Seufzen zog er die Hose an. „Sie sollten aufhören mich erziehen zu wollen. Ich bin Pirat, haben Sie das vergessen? Ich bin ein Verbrecher, also hören Sie auf mich wie ein Kind zu behandeln!“ Nun wandte sie sich zu ihm herum, eine Augenbraue hochgezogen, die Hände auf den Hüften. „Und das soll mich jetzt inwiefern beeindrucken? Ich habe Mihawk Dulacre groß gezogen, nichts was du je getan hast oder noch tun könntest kann mich erschüttern. Was du da draußen in der Welt machst ist deine Sache, aber ich bin die Haushälterin, solange du hier bist gelten meine Gesetze.“ Er verschränkte die Arme und konnte spüren wie seine Schläfe zu pochen anfing. „Ich mag Sie, Kanan, aber gehen Sie mir nicht auf die Nerven. Versuchen Sie nicht mich zu verändern und hören Sie auf jemanden in mir zu sehen, der ich nicht bin und auch nicht sein will.“ Offensichtlich entnervt stöhnte sie auf und drehte sich herum, kopfschüttelnd fing sie an vor sich hin zu zetern. Mit wütenden Bewegungen sammelte sie die rumliegenden Stofffetzen auf. „Gut“, sagte sie langgezogen und drehte sich um, „gut, dann hätten wir das ja jetzt geklärt und…“ Sie atmete tief ein und augenblicklich glitt das mütterliche Lächeln wieder über ihr Gesicht. „Schön, okay. Also Kind, lass uns dich anziehen.“ Zorro machte einen Schritt zurück. Ihr plötzlicher Themenwechsel beunruhigte ihn. „Das kriege ich gerade noch so selber hin“, murrte er. „Ja sicher. Ich hab die Fotos von dir in der Zeitung gesehen mein Lieber.“ Nun klang sie fast wie sonst auch, als wären sie nicht gerade aneinander geraten. „Immer irgendwelche halboffenen Hemden, Springerstiefel und dann dieser Bauchwickel. Das ist doch nichts Vernünftiges für einen Mann in deinem Alter. Dieser Freund von dir, der Blonde, der ist immer sehr adrett…“ „Vergleichen Sie mich nicht mit dem Löffelschwinger!“ Die Haushälterin war immer noch dabei Klamotten wegzuräumen. Er sah ihr unbeeindruckt dabei zu, die Arme immer noch verschränkt. „Und egal was Sie sagen, ich brauche meinen Haramaki um meine Schwerter zu befestigen.“ „Aber es sieht so grässlich aus und dann auch noch die Farbauswahl. Du hast überhaupt keinen Modegeschmack, Kindchen.“ Er seufzte: „Darum geht es auch nicht. Es muss bequem und funktional sein. Mir ist egal ob Sie es mögen oder nicht.“ Unbeeindruckt sah sie ihn an. „Na gut, von mir aus, ein Bauchwickel also. Tze, genau so ein Dickkopf wie der Herr.“ „Als würde Sie das überraschen.“ Sei seufzte schwer und blieb stehen. „Nein, leider überrascht mich das überhaupt nicht. Der Herr hatte mich schon vorgewarnt, dass ich dich wahrscheinlich nicht umstimmen würde. Daher hab ich da auch etwas vorbereitet.“ Die Haushälterin packte den Stapel Hosen, von dem Zorro sich vorher bedient hatte, und trug ihn ins angrenzende Nähzimmer. Mit beiden Händen fuhr Zorro sich durchs Gesicht und ließ sich auf dem kleinen Podest nieder. Kanan konnte ganz schön anstrengend sein. Dagegen war selbst Perona erträglich, die konnte man wenigstens zum Schweigen bringen. Er fragte sich wie lange Mihawk noch für seine seltsame Tätigkeiten brauchen würde, er wollte zurück nach Kuraigana, er wollte weiter trainieren. Er durfte keine Zeit verlieren. Seine Nerven lagen ziemlich blank und seine Schläfen pochten leicht. Er war müde, aber gleichzeitig fühlte er diesen inneren Drang in sich, der immer erwachte, wenn er nicht zielstrebig genug sein Ziel verfolgte. Warum war er überhaupt hier? Kanan kam wieder herein, in ihrer Hand einen Haramaki, der genauso aussah wie Zorros. „Ich hab ihn selbst gemacht und da ich nicht wusste aus welchem Material deiner war, habe ich den besten und doch robustesten Stoff genommen, den ich finden konnte.“   Für einen Moment betrachtete er den Bauchwickel in ihren Händen und eine eigentümliche Sekunde lang verschwand dieser sich aufbäumende Druck in ihm. Irgendwie rührte es Zorro. Es war als wäre dieses so unbedeutend scheinende Kleidungsstück ein Teil seiner Identität. Als er aufstand und es entgegennahm bemerkte er, dass es sich weicher anfühlte, leichter. Nun lächelte die Haushälterin. „Mir fehlten ja noch deine Maße also weiß ich nicht, ob er dir richtig passt. Vielleicht probierst du ihn kurz an und ich besser ihn dann noch nach.“ Zorro nickte nur und zog ihn über. „Wie angegossen“, flüsterte Kanan und inspizierte ihm aus jedem möglichen Winkel. „Können Sie noch Laschen für meine Schwerter annähen?“, fragte er und ignorierte ihre herumzupfenden Finger. „Natürlich Kind, natürlich. Das ist das kleinste Problem.“ „Und Kanan.“ Sie sah zu ihm auf. „Ich danke Ihnen.“ Sie lächelte sanft. „Für dich immer, mein Kind.“ Dann drehte sie sich um und eilte durch den Raum. „Ich hab dir noch zwei Paar Stiefel besorgt, damit du nicht immer in den gleichen rumlaufen musst. Außerdem habe ich dir neue Unterhosen gekauft.“ „Bitte was?“ Kanan kam wieder mit Stoff, Nadel und Faden. „Natürlich. Die gleichen wie der Herr sie hat. Es gibt nur eine Universalgröße und zwar weil sich der Stoff perfekt dem Körper anpasst. Sie kosten ein Vermögen, aber es gibt nichts Besseres für sportliche Aktivitäten und nebenbei musst du dich dann nie wieder darum kümmern, dass deine Boxershorts dir als Loreen nicht passen.“ Zorro erinnerte sich an einen lange zurück liegenden Morgen, an dem er den betrunkenen Samurai in dessen Zimmer angetroffen hatte. Damals hatte jener nicht mehr als schwarze, enganliegende Shorts angehabt. Allerdings hatte dieser Morgen ihm weit größere Probleme bereitet als die Sorge um Unterwäsche, einen verkaterten Lehrmeister zum Beispiel. Kanan hatte sich vor ihm hingekniet und nähte die erfragten Laschen an. „Das ist wirklich sehr nett von Ihnen Kanan, aber ich glaube ich verzichte. Das ist wirklich nicht ganz mein…“ „Kindchen, darüber diskutieren wir nicht. Glaub mir, nachdem du sie einmal anhattest willst du nichts anderes mehr.“ Seufzend ergab Zorro sich: „Na meinetwegen.“ „So schon fertig.“ Sie stand auf und begutachtete ihr Werk. Zorro nickte zum Dank und stieg vom Podest runter. „Aber irgendwie sind wir mit deinem Klamottenproblem immer noch nicht weitergekommen“, murmelte Kanan unzufrieden, „Wenn man mal von der Unterwäsche absieht.“ „Machen Sie sich darum keine Gedanken, Kanan. Das hier“, er zeigte auf seinen Haramaki,“ reicht vollkommen aus.“ „Unverbesserlich“, meinte sie kopfschüttelnd. „Nun gut, möchtest du noch ein Hemd haben. Ich gehe davon aus, dass es eher etwas simples sein sollte.“ Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Ein einfaches T-Shirt reicht mir.“ Sie nickte und ging zu einem Kleiderständer hinüber. „Das hier sollte passen.“ Sie nahm ein simples weißes Hemd und kam zu ihm, doch plötzlich hatte ihr Blick etwas beinahe Trauriges. Zorro konnte sehen wie sie ihn aus zusammengekniffenen Augen betrachtete und sich auf die Unterlippe biss. „Ist was?“, fragte er und nahm das Shirt entgegen. Sie schüttelte den Kopf. „Ach nein.“ Er zuckte mit den Achseln und zog sich das Oberteil über. Wenn sie nicht drüber reden wollte war es nicht sein Problem. Im Gegenteil, dieses ganze Drama nervte ihn unglaublich, egal ob Nami, Dulacre oder eben Kanan. Wenn sie also nicht drüber sprechen wollte, umso besser. „Nur“, sprach sie weiter und sah ihn immer noch so an, „diese Narbe sieht so furchtbar aus und es muss schrecklich für dich sein diese Erinnerung auf dem eigenen Körper zu tragen und nie vergessen zu können.“ In der Bewegung innehaltend schaute er zur Haushälterin hinüber. „Finden Sie die Narbe so abstoßend?“, fragte er nach einen Moment ruhig. „Oh nein!“, antwortete sie sofort und hob beschwichtigend die Hände. „So meinte ich das nicht. Die Wunde scheint nur sehr schmerzhaft gewesen zu sein.“ „Ja, das war sie“, stimmte er zu und dachte zurück an jenen Tag der sein Leben verändert hatte. Der Tag seiner größten Niederlage und gleichzeitig der Tag an dem er sein Versprechen erneuert hatte. An jenem Tag war er jemand anderes geworden. Bis zu jenem Tag war er bereit gewesen sein Leben für seinen Traum zu opfern. Nach jenem Tag hatte er verstanden, dass er leben musste um seinen Traum zu erfüllen. Es wäre noch zu früh für ihn gewesen zu sterben und diese Narbe hatte ihn täglich daran erinnert. Seit jenem Tag hatte er leben wollen um seinen Traum zu erreichen. Doch für die Träume seiner Freunde, für ihr Leben war er bereit gewesen, das alles zu opfern. Für seine Freunde hatte er sein Leben geopfert. Plötzlich wurde das Pochen an seinen Schläfen stärker. Seine Sicht verschwamm kurz und er musste einen Schritt zurück machen um nicht hinzufallen. „Nun ja“, sprach Kanan weiter, die nichts zu bemerken schien, „wenn ich diese Narbe so sehe frage ich mich nur was für einem Monster du begegnet sein musst. Welcher Mensch würde einem anderen nur etwas so Grauenhaftes antun?“ Zorro fasste sich an den Kopf, versuchte das Dröhnen zu ignorieren. „Aber Kanan, diese Narbe…“, begann er doch er wurde durch die aufschwingende Tür unterbrochen. „Sie dürften wohl von mir sprechen, Kanan.“ Der beste Schwertkämpfer der Welt kam hinein, einen kühlen Ausdruck in den stechenden Augen, die Zorros Blick sofort begegneten. „Schließlich war ich das Monster, dem Lorenor begegnet ist und ich war der Mensch, der ihm so etwas Grauenhaftes angetan hat.“ Doch seine Worte klangen alles andere als wütend oder hart, irgendwie machten sie Zorro stolz, aber bei seinen Kopfschmerzen konnte er sich das auch nur einbilden. Die Tür fiel hinterm Herr des Hauses zu. „Aber mein Herr?!“ Zorro konnte die beinahe zittrige Stimme der Haushälterin hören, während schwarze Punkte seine Sicht beeinträchtigten. Er senkte den Kopf als die Welt vor ihm verschwamm. „Ihr wollt das gewesen sein?“ „Sie überraschen mich, Kanan.“ Mihawk klang ruhig aber auch herablassend. „Ich dachte Sie wissen alles. Natürlich war ich es. Ich bin bekannt für mein erbarmungsloses und skrupelloses Verhalten, wieso erschreckt Sie das aus einmal?“ Zorro ließ sich aufs Podest fallen. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er wusste nicht was. Die Unterhaltung der beiden Hochwohlgeborenen interessierte ihn gerade mal so überhaupt nicht. Doch ihre Worte waren so klar und durchdringend, dass er sie über das Pochen in seinem Kopf hinweg hörte, hören musste, nicht ausblenden konnte. Schon seit Wochen schlief er schlecht und war des Öfteren mit Kopfschmerzen aufgewacht, aber tagsüber hatten sie ihn meistens in Ruhe gelassen. Warum also gerade jetzt? „Ihr wollt mir also sagen, dass Ihr neben diesem unschuldigen Kind noch weitere Menschen mit der grausamen Erinnerung ihrer Niederlage gebrandmarkt habt?“ Die Haushälterin klang wahrlich geschockt. Zorro wollte bemerken, dass er alles andere als ein unschuldiges Kind war, doch Dulacre war schneller. „Nein, Lorenor stellt eine Ausnahme dar. Das liegt allerdings nur daran, dass meine Feinde für gewöhnlich nicht lange genug leben um Narben davon tragen zu können.“ Die Worte schnitten wie kaltes Eis durch die Luft. Kanan erwiderte nichts aber Zorro konnte ihren schnellen Atem hören. Immer wieder setzte sie zum sprechen an, doch es kam nichts. Er fragte sich, was sie wohl gerade dachte. Noch nie hatte er mitbekommen, dass sie keine Worte mehr fand. Ein leises Lachen rang sich aus seiner Kehle, was sein pochender Schädel so gar nicht lustig fand. „Lorenor?“ Erst jetzt wandte sich der Ältere an ihn, nicht, dass es ihn interessierte. „Haben Sie nicht eben noch gesagt, dass Sie nichts erschüttern kann, Kanan?“ Zorro packte sich an die Schläfen. Das Licht des Raumes blendete ihn. „Stimmt etwas nicht, Lorenor?“, fragte der Samurai kühl. „Das ist doch etwas anderes“, entgegnete Kanan schnippisch. „Ich weiß was Ihr da draußen macht und es überrascht mich nicht.“ Der Pirat hatte die Augen geschlossen und versuchte den wummernden Schmerz zu ignorieren. Er konnte sich nicht erinnern jemals solche Kopfschmerzen gehabt zu haben. „Sie reagieren allerdings alles andere als gefasst“, bemerkte der Herr des Hauses und schwere Schritte hallten durch den Raum. Neben Zorro blieb er stehen und sein vertrauter Geruch erfüllte die Luft. „Lorenor, was ist los?“ „Es geht mich nichts an, welche Taten Ihr da draußen vollbringt, mein Herr und ich werde Euch immer lieben wie meinen eigenen Sohn.“ Die ältere Frau zögerte. „Allerdings weiß ich nicht, ob ich Euch verzeihen kann einem Kind, das mir so viel bedeutet, ein solches Stigma aufgezwungen zu haben.“ Es war ganz ruhig im Raum, keiner sagte mehr etwas. Zorro wusste, dass die beiden anderen sich gegenüberstanden, direkt vor ihm. Kanan zu seiner Rechten und Mihawk zu seiner Linken. Langsam ebbte der Schmerz in seinem Kopf ab. „Lorenor.“ Der Samurai klang wie eh und je. „Wenn du alles hast was du brauchst sollten wir aufbrechen. So könnten wir bei Sonnenaufgang mit dem Training fortfahren. Dann hättest du nur einen Tag verloren.“ „Aber mein Herr! Ich wollte doch nicht…“ „Seien Sie unbesorgt, Kanan.“ Erneut hallten die Schritte des Schwertkämpfers durch den Raum. „Ich respektiere Ihre Ansichten und es ist Ihr Recht meine Taten zu missbilligen.“ „Aber Herr, ich…“ Kanan klang nahezu verzweifelt. „Sie brauchen sich nicht zu erklären. Es ist alles in Ordnung. Ich hoffe, dass Sie mir eines Tages vergeben können, aber auch wenn nicht wird das nichts an meiner Meinung von Ihnen ändern. Seien Sie gewiss, dass ich Sie stets schätze. Lorenor, bitte verwandel dich. Ich warte unten.“ Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss. Zorro stand auf und öffnete die Augen. Nur noch wenige schwarze Punkte tanzten in seinem Blickfeld. Immer noch fühlte es sich so an als ob der Samurai direkt neben ihm stehen würde. Wie versteinert stand das ehemalige Kindermädchen mitten im Raum und starrte die Türe an, die Hände noch halb ausgestreckt nach jemandem, der schon längst gegangen war. Seufzend betrachtete er die Schwarzhaarige. „Kanan.“ Sie wirbelte zu ihm herum, die Augen weit aufgerissen und glasig. „Wir sind Schwertkämpfer, für uns gelten andere Regeln. Außerdem sind wir Piraten, wir leben in einer anderen Welt.“ „Das weiß ich doch. Ich wollte ihn doch nicht aus seinem eigenen Heim verjagen.“ „Ich weiß.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich danke Ihnen wirklich für Ihre Fürsorge.“ Dann drehte er sich herum und sammelte die Sachen zusammen, die sie für ihn besorgt hatte. Seine Kopfschmerzen bereits nicht mehr als eine dumpfe Erinnerung. „Aber Sie sollten ihm verzeihen. Diese Narbe sollte Sie nicht belasten.“ „Aber mein Kind. Er hat dich gebrandmarkt.“ Er schaute zu ihr hinüber. Gedankenverloren führ er mit einer Hand über sein linkes Schlüsselbein. „Nein, Sie liegen falsch. Er hat mich gezeichnet, nicht gebrandmarkt, und nur dank dieser Narbe bin ich heute der, der ich bin.“ „Ich verstehe dich nicht“, flüsterte sie. „Das liegt daran, weil Sie in dieser Narbe nur Schmerzen und eine Erinnerung an eine Niederlage sehen. Aber für mich ist es nicht das. In dieser Narbe sehe ich Dulacres Anerkennung meiner Fähigkeiten und das Versprechen eines Sieges.“ Ungläubig hatte sie ihren Mund geöffnet. Zorro grinste und rieb sich leicht verlegen den Nacken. „Es gibt einen Grund, warum ich immer halb offenen Hemden trage, wissen Sie?“ Als sie immer noch nichts erwiderte zuckte er mit den Achseln, packte die Klamotten in denen er hergekommen war und ging ins angrenzende Nähzimmer um sich zu verwandeln. Als er wenige Minuten später wieder als Loreen herauskam, stand die Haushälterin immer noch mitten im Raum. „Du bist wirklich so hübsch“, flüsterte sie als sie Zorro bemerkte. Er warf sich den Rucksack mit seinen neuen Klamotten und Stiefeln über die Schulter ohne etwas zu erwidern. Vielleicht würde sie das nie verstehen können. Als er vor Kanan stand, ließ er zu, dass sie ihn einfach in den Arm nahm. „Kind, kann ich dich um etwas bitten?“, fragte sie ernst. „Klar.“ Er löste sich von ihr und sah sie mit einem halben Lächeln an. „Pass bitte auf ihn auf, ja?“ Die Tränen schimmerten immer noch in ihren Augen. Voller ernst nickte er. „Natürlich. Ich werde nicht zulassen, dass ihm etwas passiert, schließlich will ich diesen Mistkerl ja noch besiegen.“ „Aber doch nicht solche Worte!“ „Aber doch solche Worte. Bis bald, Kanan.“ Grinsend verabschiedete er sich und eilte hinaus. Die Spannung zwischen Mihawk und seiner Haushälterin behagte ihm nicht, als Loreen konnte er sie noch deutlicher spüren und er war dankbar das alte Herrenhaus zügig verlassen zu können. Unten angekommen wartete der Samurai bereits auf ihn. Kurz betrachtete der Schwarzhaarige ihn als er die Treppe hinunter kam. Der Ältere hatte im Flur gewartet und bereits Schuhe, Mantel und Hut angezogen. Schnell folgte Zorro seinem Beispiel. Wenige Sekunden später gingen sie durch den dunklen Wald. „Geht es dir gut?“, fragte der Samurai in die Stille hinein. „Du schienst Kopfschmerzen zu haben.“ Zorro zuckte mit den Schultern. „Alles okay.“ Wieder waren sie ruhig. Sollte er fragen? Sollte er nachhaken? Oder sollte er den Anderen einfach in Ruhe lassen. „Sicher? Nicht, dass ich dich auf der Hinfahrt überfordert habe.“ Mihawk klang genauso gelassen wie immer. „Wie gesagt, alles okay“, murmelte er erneut und seufzte leise. „Es tut mir leid, wenn dich meine Auseinandersetzung mit Kanan verunsichert haben sollte. Du kannst unbesorgt sein, sie wird sich bald beruhigt haben“, erklärte der andere dann. Kopfschüttelnd lachte Zorro leise auf. „Ach bitte. Das ist eure Sache, mit mir hat das nichts zu tun. Aber du bist schon etwas fluchtartig aus dem Raum gestürmt.“ Der Ältere war direkt hinter ihm. „Ich bin nicht geflohen, Lorenor, aber es ist sinnlos sich mit Kanan auseinanderzusetzen, wenn sie so emotional ist. Glaube mir, du warst nicht unser erster Streitpunkt und auch dieser wird unser Verhältnis nicht langfristig belasten.“ „Na, wenn du das sagst.“ Er bezweifelte, dass es wirklich nur an der Haushälterin lag. Mittlerweile hatten sie das Dorf erreicht. „Natürlich wäre es etwas ganz anderes, wenn Kanan Recht hätte und diese Narbe für dich nicht mehr als eine grauenvolle Erinnerung wäre.“ Mihawk sah ihn nicht an sondern hatte seinen stechenden Blick geradeaus gerichtet. Zorro betrachtete den Älteren, versuchte in seiner Mimik zu lesen was dieser ihm damit sagen wollte, doch die Schatten der Nacht machten es unmöglich. Auf einmal hatten die Falkenaugen ihn dann doch im Visier. „Sag mir Lorenor, hat Kanan Recht?“ Sie waren stehen geblieben, um sie herum die Stille des Dorfes, nur das leise Plätschern des Brunnens war zu hören. Es war mitten in der Nacht. „Ich dachte du kennst mich“, entgegnete Zorro schließlich und ging weiter. „Das ist keine Antwort.“ Der Samurai folgte ihm. Nun war er es, der in die Ferne schaute. „Ich bin froh meinen alten Körper wieder zu haben“, murmelte er als sie das Dorf verließen, „sonst hätte ich diese Narbe wohl für immer verloren.“ Als er aufblickte meinte er zu sehen, wie sich die Augen des Älteren eine Spur weiteten. Sie hatten den kleinen Hafen erreicht und in einvernehmlichem Schweigen gingen sie den Steg entlang zum vertrauten Sargboot. Wie ein eingespieltes Team ging Zorro an Bord während Mihawk die Taue löste. „Sag mal.“ Zorro streckte sich und zog den Mantel enger. „Weswegen wolltest du denn jetzt eigentlich hierhin kommen? Wo warst du den ganzen Abend?“ Der Samurai zuckte mit den Achseln und kam ebenfalls an Bord. „Ich musste nur etwas mit Jiroushin besprechen. Nichts Weltbewegendes.“ Doch er klang ungewohnt sanft. Zorro ließ sich auf den Boden nieder. „Ich würde mich gerne etwas hinlegen, Lorenor. Ist dir das Recht?“ Der Samurai gähnte ausgiebig. Das Boot setzte sich in Bewegung. „Mach nur. Können wir morgen weiter trainieren?“ „Natürlich, das war doch die Abmachung.“ Mihawk schob den Thron zurück. „Lorenor?“ Sie sahen einander an. „Was ist denn noch?“ Der Ältere winkte ab. „Es ist nichts. Versuch nichts Dummes anzustellen.“ „Tze, geh schlafen, du redest Unsinn.“ Kopfschüttelnd ging der Ältere unter Deck. Zorro betrachtete die Sterne am Himmel. Alles war ganz ruhig. „Du bist noch nicht tot, Wanderer. Noch nicht.“ Überrascht richtete er sich auf. Was für eine Stimme hatte er da gehört? Doch es war niemand da. Hatte er sich das gerade eingebildet. „Menschen, die durch eine selbstlose Tat starben, jedoch nicht den Tod bereuen, sondern ihre Fehler, erhalten die Möglichkeit, wieder ihr Leben weiterzuführen.“ Da! Schon wieder! Was waren das für Worte? Sie übergaben überhaupt keinen Sinn und doch hatte Zorro dieses seltsame Gefühl sie schon mal irgendwann gehört zu haben, irgendwann vor langer Zeit. „Du wirst entweder an einen Ort kommen, den du bestimmt bist zu erreichen um zu lernen was du zu lernen hast. Oder aber du wirst auf eine Person treffen, deren Schicksal es sein wird, dich zu verändern.“ Auf einmal waren seine Kopfschmerzen wieder da, noch stärker als zuvor. „Dann geh hindurch, Lorenor Zorro. Geh zurück in dein Leben und lerne aus deinen Fehlern. Bereue nichts mehr. Und lebe deinen Traum.“ Er starrte zu den Sternen auf und dann wurde es dunkel um ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)