Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 20: Kapitel 18 - Planänderung ------------------------------------- Kapitel 18 – Planänderung   -Zorro- „Was soll das? Wo bleibst du?“ Fassungslos starrte er den anderen an, der seelenruhig an der langen Tafel saß, Zeitung las und frühstückte. Normalerweise sollte der Samurai ihn schon ungeduldig am Schlosseingang erwarten, immerhin hatte er sich selbst um gute fünf Minuten verspätet, verdammtes Schloss. „Dir auch einen schönen guten Morgen“, entgegnete der Ältere und las weiter. Wütend stapfte er in den großen Saal. „Was tust du da? Wir wollten trainieren. Ich muss stärker werden!“ Nun sah Mihawk doch auf. „Beruhige dich Lorenor. Wir haben eine Planänderung. Du solltest etwas Essen, du hast seit gestern Morgen nichts mehr zu dir genommen.“ „Ich hab keinen Hunger! Lass uns loslegen!“ Zorro war wütend. Er konnte nicht ändern, dass Eizen ihn erpresst hatte. Er konnte nicht ändern, dass er einen Vertrag mit dem Politiker eingegangen war. Er konnte nicht ändern, dass er nun ebenso gefangen war wie der Samurai. Das alles konnte er nicht ändern. Er musste es akzeptieren und hoffen, dass er es nicht irgendwann bereuen würde. Aber er konnte ändern, dass er das Observationshaki noch nicht richtig beherrschte. Er konnte ändern, dass das Rüstungshaki seine Angst schürte. Er konnte ändern, dass er zu schwach war um Falkenauge zu besiegen. Das alles konnte er ändern. Warum also saß der Ältere so entspannt am Frühstückstisch, aß sein Ei und trank seinen Kaffee obwohl sie so viel zu tun hatten? Missbilligend senkte Dulacre die Zeitung und sah ihn an. „Ich war doch deutlich genug, oder nicht? Wir haben eine Planänderung. Setz dich und iss etwas. Wir werden heute nicht trainieren.“ „Was?! Wieso?!“ Der andere rollte mit den Augen und bedeutete ihm nun auffordernd Platz zu nehmen. „Setz dich. Ich werde dir alles erklären, aber nicht solange du da rumstehst wie ein wildgewordener Lapin.“ „Wie ein was?“ Er wusste noch nicht einmal ob der andere ihn gerade beleidigt hatte. Murrend setzte er sich hin. „Ein Schneehase“, erklärte der Ältere und schüttelte den Kopf. Aber das ist gerade nicht wirklich von Relevanz.“ Zorro zog sich einen Teller mit Reisbällchen heran, die wohl noch vom Vortag da standen. Der Ältere reichte ihm eine Tasse Kaffee. „Also?“, murrte er und fing an zu essen. „Was ist die Planänderung?“ Der Samurai seufzte. „Kanan hat angerufen, dass sie dich gerne ausmessen würde und dass du ein paar Sachen anprobieren müsstest. Deswegen werden wir nach Sasaki reisen.“ Schnaubend trank Zorro seinen Kaffee. „Nur wegen so etwas? Wegen ein paar Klamotten möchtest du nach Sasaki? Wie lange brauchen wir überhaupt?“ Der andere schien sich von ihm nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich halte es für kein unbedeutendes Problem, dass du bei jeder deiner Verwandlungen entweder halb nackt bist oder in viel zu großer und demnach unhandlicher Kleidung durch die Gegend läufst. Während des Trainings können wir darauf Rücksicht nehmen aber in einem echten Kampf hast du diesen Luxus nicht.“ Er schnaubte auf: „Und wenn schon, müssen wir das ausgerechnet heute klären?“ „Deine Ungeduld wird dich nicht weiter bringen. Ich habe noch einen weiteren Grund warum ich nach Sasaki möchte der ausnahmsweise mal nichts mit dir zu tun hat.“ Überrascht sah er auf. „Und was?“ Der Ältere antwortete nicht sondern hob die Zeitung wieder hoch. „Wir werden etwas länger als einen halben Tag unterwegs sein. Wir werden also erst heute Abend ankommen.“ Viel offensichtlicher konnte der andere nicht zeigen, dass er nicht darüber reden wollte. „So lange?“, murrte Zorro und respektierte die Privatsphäre des anderen. Schließlich schuldete Mihawk ihm keine Erklärung. „Was heißt hier so lange? Kaum ein Schiff kann es mit der Schnelligkeit meines Sargbootes aufnehmen. Die meisten Schiffe würden knapp zwei Tage brauchen. Beschwer dich also nicht.“ Zorro griff nach einem zweiten Reisbällchen. „Mag schon sein, trotzdem gehen uns dann mindestens zwei Tage fürs Training drauf.“ „Tze, du immer mit deinem Training, Training, Training. Kannst du nicht einmal an etwas anderes denken und dich etwas entspannen?“ Kopfschüttelnd trank Zorro seine Tasse leer. „Du verstehst gar nichts oder?“ Der Ältere sah ihn an, doch Zorro hatte seinen Blick auf sein Essen gerichtet. „Was verstehe ich nicht?“, hakte der Ältere nach einigen Sekunden unbehaglichen Schweigens nach. Zorro seufzte. „Ist doch offensichtlich, oder?“, meinte er dann und sah den Älteren direkt an. „Du weißt was ich kann und was ich nicht kann und dann wundert es dich, dass ich stärker werde will? Dass für mich zwei Tage mehr oder weniger Trainieren viel ausmachen? Warum sollte ich mir über Klamotten Gedanken machen, wenn ich weder meine Crew noch meinen Käpt‘n beschützen kann? Wie kann ich über etwas anderes als den Schwertkampf nachdenken, wenn du mir direkt gegenüber sitzt?“ Dulacre legte eine Hand an sein bärtiges Kinn und betrachtete ihn überlegend. Sein stechender Blick schien sich geradezu in seinen Geist bohren zu wollen. „Du bist wirklich seltsam, Lorenor“, sprach er schließlich. „Deine Disziplin und dein Ehrgeiz suchen seinesgleichen, trotzdem bist du ein wirklich eigenartiger Kauz. So jemanden wie dich habe ich noch nie erlebt.“ Unbeeindruckt hob Zorro eine Augenbraue und nahm sich das letzte Reisbällchen. „Schon wieder redest du und sagst doch nichts“, meinte er kühl. Leicht grinsend schüttelte Mihawk den Kopf. „Es war ein Kompliment. Deine Entschlossenheit beeindruckt mich, allerdings besorgt mich deine Sturheit mindestens im gleichen Maße. Nicht immer ist der, der am schnellsten rennt und immer an seine Grenzen geht auch am Ende der Sieger. Schließlich bist du ein Marathonläufer und kein Sprinter.“ „Keine Ahnung was du damit meinst, ich bin ein Schwertkämpfer.“ Erneut schüttelte der Ältere den Kopf, ein leises Lächeln auf den Lippen. „Warst du früher nicht auch so?“, murmelte Zorro unbeeindruckt. „Hattest du nicht auch ein Ziel, dass du unbedingt erreichen wolltest? Konntest du denn ruhig schlafen, wenn du wusstest, dass du an dem Tag nichts getan hast, was dich deinem Traum näher bringen würde?“ Zorro stand auf und streckte sich. Erst da sah er, wie der andere ihn anstarrte, die Augen weit geöffnet. Keine Spur mehr von einem versteckten Schmunzeln oder eines herablassenden Grinsens. Kopfschüttelnd erhob sich auch der andere. „Nein, ich war wohl ganz anders. Solange mein Bett bequem und meine Sorgen klein waren konnte ich immer ruhig schlafen.“ Irgendetwas an dieser Aussage hörte sich für Zorro seltsam an, beinahe schon traurig. „Hattest du nie einen Traum?“ Die Frage war aus ihm herausgeplatzt bevor er sie überhaupt zu Ende gedacht hatte. Erneut sah der andere ihn für einen Moment unlesbar an, dann zuckte er mit den Achseln. „Ich war nie ein Träumer, Lorenor. Aber genug der Philosophie. Wir sollten nun langsam aufbrechen, damit wir schnellstmöglich mit deinem geliebten Training weiter machen können.“ Wich der andere ihm gerade tatsächlich aus? Schulterzuckend folgte er dem anderen. Letzten Endes ging es ihn nichts an, oder? Auf halben Weg zum Ausgang kam ihnen Perona entgegen, noch in ihrem langen Schlafgewand, mit einem Teddy im Arm. Es war nicht das erste Mal, dass Zorro sie so antraf. „Fahrt ihr jetzt schon los?“, fragte sie mit großen Augen. Der Samurai nickte nur knapp. „Menno, dann bin ich ja wieder Ewigkeiten ganz alleine. Kann ich nicht mal mitkommen?“ „Du hast selbst entschieden hierzubleiben also erspare mir dein Gejammer. Allerdings könntest du deine Freizeit dafür nutzen die Räumlichkeiten zu putzen.“ Wütend blies sie ihre Wangen auf und streckte ihm dann die Zunge raus. Mihawk ignorierte sie. „Komm Lorenor. Je schneller wir aufbrechen, desto früher können wir zurückkehren.“ Wenige Minuten später gingen sie durch den kühlen Wald ohne dass einer etwas sagte. Im Schatten konnte Zorro die Affen sehen,die sie beobachteten, doch keiner von ihnen kam ihnen auch nur nahe. Ihn hatten sie damals ohne Zögern angegriffen und erst nach einer Woche hatte er sich ihnen gegenüber behaupten können. Doch Mihawk schien sie zu dominieren ohne auch nur mit der Wimper zucken zu müssen. „Es ist meine Ausstrahlung“, erklärte der Samurai kühl, als hätte er Zorros Gedanken genau lesen können, „nicht viele können meinem Blick standhalten.“ Nun sah Zorro den anderen an. Was meinte Dulacre damit? „Aber dich scheine ich damit nicht einschüchtern zu können“, lachte der andere nun etwas leichtfertiger und schritt zügig weiter. Einschüchtern? Mihawks Blick sollte ihn einschüchtern? Warum? Sie hatten den Rand des Waldes erreicht. „Ich hätte gestern Abend nicht vermutet, dass du die Zusammenarbeit mit Eizen so schnell verarbeiten würdest“, versuchte der andere das Gespräch aufrechtzuerhalten während sie dem kleinen Schiff immer näher kamen. Zorro konnte nahezu riechen, was der andere vorhatte. „Er meinte, er würde mich nicht oft stören, also warte ich einfach ab und nutze die Zeit bis dahin“, entgegnete er kühl, „ändern kann ich es doch eh nicht.“ „Sag mal, Lorenor…“ „Lass stecken.“ Überrascht sah der Ältere ihn an, während Zorro wie immer an Bord sprang. „Ich will nicht über Eizen reden, kapiert? Er ist mir egal und solange er nichts von mir will möchte ich auch nicht über ihn nachdenken.“ Mihawk seufzte: „Ist diese Vermeidungsstrategie denn klug? Wäre es nicht besser…“ „Ich hab’s dir doch eben erklärt, oder? Ich hab keine Zeit mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Ich kann eh nicht ändern was passiert, was hilft es da sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen?“ Er beobachtete den Älteren wie er ebenfalls an Bord kam, ehe das kleine Boot sich in Bewegung setzte. „Deine Logik widerspricht jedweder Vernunft. Aber meinetwegen, wenn es dich glücklich macht werde ich das Thema für heute ruhen lassen.“ Elegant warf Mihawk sich auf seinen Stuhl, er schien heute auffallend versöhnlich und friedlich gestimmt zu sein. Was auch immer er auf Sasaki wollte, es musste wichtig für ihn sein. „Danke“, murrte Zorro sarkastisch und hockte sich auf den Boden, „dann auf ein paar ruhige Stunden.“ „Lorenor?“ Er sah auf und der andere rutschte von seinem Thron zu ihm auf den Boden hinab. Zorro kannte diese Geste bereits und es versetzte ihn sofort in Alarmbereitschaft. „Eigentlich würde ich gerne eine Kleinigkeit mit dir ausprobieren“, erklärte der Ältere. Misstrauisch setzte Zorro sich auf. „Und was?“ „Es ist eine spezielle Form des Observationshaki und ich denke, dass eine ruhige Überfahrt die perfekte Gelegenheit bietet sie dir beizubringen.“ Dulacre grinste leicht. „Was? Aber als Loreen beherrsche ich es doch bereits. Nur in meinem Körper hab ich noch Schwierigkeiten.“ „Das ist soweit richtig. Diese Kleinigkeit habe ich dir jedoch bewusst noch nicht beigebracht, da es mehr Ruhe und Gelassenheit fordert. Außerdem glaube ich, dass dir diese Übung helfen wird das Observationshaki schneller zu lernen und zu verbessern, unabhängig von deiner Gestalt.“ Es schien als hätte der andere immer alles genau geplant. Er kannte Zorro gut, hatte gewusst wie wichtig ihm das Training war. Von wegen Buch mit sieben Siegeln. Mihawk durchschaute ihn problemlos. „Okay, ich bin dabei. Was soll ich tun?“ Der Ältere setzte sich ihm genau gegenüber. „Ich möchte, dass du mir in die Augen siehst, blinzel nicht und konzentriere dich. Schärfe deine Sinne wie du es gelernt hast.“ Zorro nickte und setzte sich ebenfalls gerade auf. „Und jetzt Lorenor, lies meine Gedanken!“   -Mihawk- Am frühen Abend hatten sie Sasaki endlich erreicht. Ohne sich auf irgendwelche Diskussionen einzulassen hatte er darauf bestanden, dass Lorenor sich in seine weibliche Gestalt verwandelte, ehe er den Jungspund bei einer überglücklichen Kanan abgeliefert hatte. Nun war der junge Pirat ihrer Gnade ausgesetzt während Dulacre selbst erneut durch den Wald eilte, zurück zum kleinen Städtchen. Wichtige Neuigkeiten verlangten seine Aufmerksamkeit aber leider waren seine Gedanken wieder einmal nicht in der Lage sich von seinem Wildfang zu lösen. Wieder einmal hatte Lorenor alle seine Erwartungen übertroffen und langsam aber sicher störte es Dulacre wie oft er den anderen unterschätzte, nein es störte ihn wie oft der andere seine Vermutungen Lügen strafte. Er wusste von Lorenors Talent, es kroch ihm förmlich aus jeder Pore und viele Techniken fielen ihm so leicht, dass es beinahe ekelhaft war zu sehen wie schnell er besser wurde. Er wollte nicht unfair sein, natürlich trainierte dieser Junge unablässig und war so diszipliniert wie die wenigsten Menschen die er je kennen gelernt hatte, aber das machte es fast noch schlimmer. Dennoch hatte der Jungspund seine Schwierigkeiten mit der Vorstufe des Observationshaki, dem Sehen, gehabt. Es war beruhigend gewesen, dass selbst ein Lorenor Zorro in manchen Bereichen unterdurchschnittlich begabt war. Er hatte als Loreen knapp anderthalb Monate gebraucht um die Grundlagen des Observationshaki zu lernen, als Zorro hatte er gerade erst begonnen es erneut zu lernen und war noch schlechter gewesen. Es war nicht so, dass Dulacre schadenfroh gewesen war, dass Lorenor Schwierigkeiten hatte, nein, aber nach der Geschichte aus der Kindheit des Grünschopfs war es schon irgendwie eine Erleichterung gewesen, dass ihm nicht alles so leicht fiel. Diese Erleichterung hatte sich jedoch vor wenigen Minuten in Luft aufgelöst. Die ganze Fahrt über hatte er Lorenor seine Gedanken lesen lassen, zumindest hatte der andere es versuchen sollen, aber Dulacre war davon ausgegangen, dass sie dafür noch mindestens eine Woche brauchen würden. Doch kurz vor ihrer Ankunft hatte der andere es geschafft, unbewusst, instinktiv, unbeabsichtigt. Es wurmte Dulacre, dass der andere es so schnell hinbekommen hatte. Natürlich hatte es nur geklappt, da er selbst es zugelassen hatte, aber trotzdem hätte der andere es nicht schaffen dürfen. Er hatte vermutet, dass das Lorenors Schwachstelle war, vielleicht begabt im Schwertkampf, vielleicht talentiert im Rüstungshaki, doch deutlich ungeschickt im strategischen Denken und plump in der Anwendung des Observationshaki. Aber anscheinend hatte er sich geirrt. Wie konnte der Junge, der Ewigkeiten brauchte um das grobe Basiswissen auch nur ansatzweise zu verstehen, eine solch ausgereifte Fähigkeit innerhalb von wenigen Stunden intuitiv anwenden? Dabei begriff er doch noch nicht einmal was er da tat! Unbewusst und instinktiv wandte er es an, fast schon aus Versehen, fast schon ungewollt, und doch tat er es schon besser als Dulacre es selbst damals gelernt hatte. Langsam fragte er sich, was wohl gewesen wäre, wenn Lorenor seiner Schwester, die beste Schwertkämpferin die es je gegeben hatte, begegnet wäre. Sharak hatte Dulacre immer gesagt, dass sie ihn für talentierter hielt, dass er sie eines Tages übertrumpfen würde, deswegen hatte sie immer gewollt, dass er mit ihr trainierte. Er war nie der fleißigste Schüler gewesen. Nie der Mann der für etwas gebrannt hatte. Er hatte immer hervorragende Noten geschrieben, war gut in dem gewesen was seine Eltern von ihm erwartet hatten, auch wenn er seinen Vater nie hatte zufrieden stellen können und genau aus diesem Grund hatte er sich nie mehr angestrengt. Es war ihm nicht mehr der Mühe wert gewesen. Er war nie der gewesen, der hart gearbeitet hatte, der sich ins Zeug gelegt hatte. Er war immer nur der gewesen, der Dank Talent und Intelligenz viel erreicht hatte. Und nun stand dieser Junge vor ihm, vielleicht noch ein ungeschliffener Diamant, aber umso talentierter. Vielleicht talentierter als Dulacre oder Sharak je waren. Aber der wahre Unterschied zwischen Dulacre und Lorenor war wohl offensichtlich dieser Drang sich zu verbessern, dieses Streben nach Fortschritt, das machte Lorenor so außergewöhnlich und nun fragte Dulacre sich, wie weit er wohl gekommen wäre, wenn er je dieses unbändige Verlangen gehabt hätte. Es war nicht das Talent, was sie unterschied, nicht die Begabung, sondern einfach nur der Ehrgeiz. Sie teilten eine Passion, aber Lorenor war derjenige der sie unermüdlich verfolgte, während Dualcre sie einfach nur genoss. Endlich hatte er das Rathaus erreicht. Der Weg fühlte sich heute länger an als sonst. Er sollte nicht so negativ über solche Dinge nachdenken. Es war eine gute Sache, dass Lorenor so vielversprechend war. Vielleicht würden sie die Grundzüge doch innerhalb von sechs Monaten schaffen. Dann würde Lorenor noch viel besser werden als er es sich hatte erhoffen können. In zügigen Schritten ging er hinein, nur noch wenige Beamte waren unterwegs, die meisten Büros waren dunkel und durch die Fenster kam auch die Sonne dem Horizont bedrohlich nahe. Der Weg war ihm altbekannt, innerhalb weniger Sekunden war er vor der vertrauten Türe angekommen. Durch das Milchglas fiel Licht auf seine Füße. Er klopfte an und dann trat er ein. Der Marineoffizier im Büro saß an seinem großen Schreibtisch und schien tief in die Arbeit versunken zu sein. Erst als Dulacre die Tür schloss blickte er auf. „Oh Mann, hey!“, grüßte der Blondschopf ihn äußerst unprofessionell. „Einen schönen, guten Abend“, entgegnete er kühl und kam auf den anderen zu. „Dich hatte ich hier heute nicht erwartet“, murmelte der andere und stand auf. Doch Dulacre ignorierte die hingestreckte Hand. Aus den Tiefen seines Mantels zog er die aktuelle Zeitung, warf sie auf den Schreibtisch und warf sich auf den Besucherstuhl. „Was hat das zu bedeuten?“, verlangte er zu wissen. „Smoker? Willst du mir da etwas erklären?“ Er verschränkte die Arme und starrte den anderen nieder. „Sprich Jiroushin! Warum hat Smoker deine Stelle bekommen? Warum bist du nicht schon längst auf der G5?“ Der Blondschopf reagierte zunächst nicht, sondern starrte nur auf die Zeitung. Die aufgeschlagene Seite zeigte einen kleinen Kommentar über Smokers Beförderung und seine Versetzung zur Marinebasis G5. „Bist du übergangen worden? Muss ich mich einbringen?“ Er war schon ein kleines bisschen wütend und das wo er doch immer so seine Gefühle unter Kontrolle halten wollte. „Du dich einbringen?“ Der andere lächelte schief und schüttelte ungläubig den Kopf. „Als würde ich zulassen, dass du wegen mir deine Stellung ausnutzen musst.“ Ernst lehnte der Samurai sich nach vorne während sein Gegenüber wieder Platz nahm. „Ich würde es tun, nur ein Wort von dir und ich rufe sofort im Marinehauptquartier an, ach quatsch, ich würde noch heute dort hinreisen. Das weißt du doch.“ Nun lehnte sich auch Jiroushin vor und legte seine gefalteten Hände auf dem Schreibtisch ab. „Das wird nicht nötig sein“, sagte er schließlich und sah Dulacre direkt an. Etwas an seinem Kindheitsfreund war anders, doch Dulacre konnte nicht genau sagen was es war. „Du warst nach dem Kriegsende ziemlich schnell verschwunden“, sprach der Marineoffizier weiter ohne seinen Blick abzuwenden. „Natürlich. Ich hatte zugestimmt gegen Whitebeard zu kämpfen, nicht gegen den roten Shanks. Außerdem war es deutlich, dass er nur kam um den Krieg zu beenden, meine Anwesenheit war nicht mehr nötig gewesen.“ „Schließlich wolltest du so schnell wie möglich zu deiner geliebten Loreen“, kicherte der Blondschopf und nun sah er wieder genauso aus wie der schalkhafte Mann, den er kannte. „Ich bin nicht hier um über den Krieg zu sprechen“, entgegnete der Samurai kühl und ignorierte die Spinnereien seines Freundes. Worte würden ihm da nicht mehr helfen. „Du willst die Geschichte hören, warum ich noch hier sitze? Warum sich hier meine Arbeit häuft?“, fragte der andere unschuldig. „Geschichte?“, fragte der Schwarzhaarige nach. Aus dem Seitenblick hatte er bereits gemerkt, dass die Akten sich nur so gestapelt hatten. Vermutlich war durch den Krieg viel Arbeit liegen geblieben. „Ich vergeude meine Zeit nicht mit irgendwelchen Geschichten. Ich möchte wissen was geschehen ist und warum du übergangen wurdest.“ „Ich bin nicht übergangen wurden“, entgegnete der Blondschopf ruhig, „im Gegenteil, Vergo selbst begrüßte unsere künftige Zusammenarbeit und war nicht besonders glücklich darüber, dass ich abgelehnt habe. Er schien mit Smoker als zweite Wahl nicht besonders zufrieden zu sein.“ „Du hast also abgelehnt? Warum?“ Noch kurz vor dem Krieg hatte Dulacre sich mit Jiroushin darüber unterhalten, dass dieser die fünf Inseln verlassen wollte, dass er und seine Frau einen Neuanfang weit weg von schweren Erinnerungen starten wollten. Es war damals schwer für Dulacre gewesen zu akzeptieren, dass er nun einen weiteren Grund weniger haben würde, diese Inseln wertzuschätzen, aber wie hätte er es seinem Freund verdenken können? Warum also war Smoker derjenige, der nun zur G5 versetzt worden war und nicht Jiroushin? „Ich möchte dir die Geschichte erzählen“, bestand der Blondschopf drauf. Dualcre seufzte über das kindische Verhalten seines besten Freundes: „Nun gut, meinetwegen. Erzähl mir diese Geschichte.“ Jiroushin stand auf und ging zur kleinen Anrichte hinüber, dort stand noch aufgebrühter Tee. „Nachdem der Krieg vorbei war und wir unsere Verwundeten und gefallenen Kameraden versorgt hatten erhielt ich eine Botschaft die Lirin für mich hinterlassen hatte. Sie bat darum, dass ich so zügig wie möglich heimkehren würde.“ Der Blondschopf reichte ihm eine lauwarme Tasse und setzte sich dann wieder auf seinen Stuhl. „Ich war natürlich äußerst besorgt und begab mich sobald es ging auf den Heimweg. Ich wusste, dass Lirin sich Sorgen um mich gemacht hatte. Natürlich war ihre Angst unbegründet, ich mag zwar nur ein Konteradmiral sein, aber ich bin doch deutlich stärker als einige meiner Kollegen. Außerdem warst du ja da.“ Der Marineoffizier lächelte leicht und Dulacre konnte auch ein leises Grinsen nicht verhindern. Lirin schien zu vergessen, dass Jirou nicht zu dem üblichen Fußvolk der Marine gehörte. Im Gegenteil, wäre der Blondschopf nur etwas kampffreudiger, so hätte er es schon längst weiter bringen können. Selbstredend stimmte es auch, dass er nie zulassen würde, dass seinem alten Crewmitglied etwas passieren könnte. Doch seine Hilfe war nicht einmal nötig gewesen. „Naja, egal. Ich kam also Zuhause an und sie war überglücklich. Wir haben stundenlang geredet und du kennst sie ja, sie war für mich da.“ Mihawk hatte keine Ahnung, wohin diese Geschichte führen sollte. Warum erzählte ihm der andere von seinem Eheglück? Wollte er ihn etwa überreden die werte Lady Loreen zu heiraten? In diesem Fall würde er wohl die Katze aus dem Sack lassen müssen. In diesem Fall würde er die Wahrheit nicht länger verheimlichen können. „Wir sprachen also über den Krieg und all diese furchtbaren Dinge. Dann wollte ich das Thema wechseln und erzählte ihr, dass ich die Stelle als Vizeadmiral bei Vergo für mich gewinnen konnte. Du kannst dir ja denken wie sie sich gefreut hat, aber dann sah sie mir in die Augen und sagte, dass sie sich nicht mehr vorstellen könnte umzuziehen.“ Dulacre konnte nicht verhindern, dass diese kleine Aussage ihn äußerst glücklich stimmte. Die Dinge würden also alle beim Alten bleiben. „Immerhin würde sie sich wünschen, dass unser Kind so aufwächst wie wir es konnten“, flüsterte Jiroushin beinahe mit leisen Tränen in den Augen. „Jirou?“ Seine Stimme brach, als Dulacre den anderen ansah. „Hawky. Wir sind schwanger!“ Nun liefen dem anderen tatsächlich die Tränen hinunter. Für eine Sekunde betrachtete er den Blondschopf. So lange er sich erinnern konnte, hatte Jiroushin von seiner eigenen Familie geträumt. Jirous Eltern waren immer viel auf Geschäftsreisen gewesen und im Gegensatz zu Dulacre war der Blondschopf ein richtiger Familienmensch. Er hatte nichts mehr sein wollen als ein Vater, ein guter Vater. Doch vor vielen Jahren hatte ein emotionales Trauma dazu geführt, dass Lirin nicht mehr schwanger werden konnte. Damals hatte sie ihr Kind verloren. Lange Zeit hatte das Paar die Welt bereist, doch keiner der Ärzte hatte ihnen helfen können. Nun waren sie beide in den Vierzigern angekommen und hatten aufgegeben. Sie hatten ihr Schicksal akzeptiert und wurden mit einem Wunder belohnt. Ruhig stand der Samurai auf und ging um den großen Schreibtisch herum. Ohne ein weiteres Wort legte er ihm eine Hand auf die Schulter und sah zu ihm hinab. Er konnte die Gefühle seines ehemaligen Vizekapitäns fühlen, es bedeutete ihn mehr als sein eigenes. Dulacre selbst war immer ein Mann der Tat gewesen, doch Jiroushin war ein Träumer und endlich konnte sein Traum wahr werden. „Ich kann es immer noch nicht fassen, Hawky“, flüsterte der sonst so lachende Blondschopf, „ich werde Vater!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)