Bend, not Broken von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 41: Weitere Fragen -------------------------- Gefühlt sah er jede zweite Sekunde auf sein Handy und erwartete eine Nachricht von Shinya. Reell gesehen, war es vielleicht nur jede fünfte. Dabei sollte er sich freuen, dass dieses Treffen so lange dauerte, sein Liebster ein wenig aus dem Haus kam und sich freiwillig unter anderen Menschen aufhielt. Ihm und Kyo war nicht entgangen, dass es nicht nur an der Wissenslücke gelegen hatte, dass ihr Partner nicht zu dem Treffen wollte. Es lag auch an dem eigenen, noch nicht ganz gesundem Körper. Für den schämte er sich. Selbst vor ihnen fiel es ihm ab und an immer noch nicht leicht. Immer noch keine Nachricht. Es war manchmal auch nicht einfach für Kyo oder ihn das mitzuerleben. Manchmal fühlte es sich so an, als würden sie Schritte rückwärts machen. Wenn er sich nicht traute sich vor ihnen umzuziehen. Dabei war es vor ihrer Beziehung doch auch kein Problem gewesen. Toshiya stieß einen tiefen Seufzer aus, ehe er das nächste Teil der Wäsche aufhängte. Sie hatten eindeutig zu viel Zeug, dass nicht in einen Trockner durfte. Noch immer war sein Handy still. Murrend nahm er das nächste Teil an sich. Eines von Kyos Seidenhemden. Es stand ihm großartig, aber er besaß da auch ein paar zu viel von. Wenn er sich so ansah, wie viele davon hier auf dem Wäscheständer hingen. Vielleicht wanderte das ein oder andere davon mal versehentlich im falschen Wäscheprogramm oder so. Toshiya schlug das Hemd aus und befestigte es an einer der Metallstangen. Als ob er seinem Schatz etwas in der Art antun könnte. Immer noch keine Nachricht. Am Ende mochte er es vor allem nicht, dass er allein hier in der Wohnung war. Shinya hatte seine Verabredung, Kyo seine Probe. Und er stand hier und gab die emsige Hausfrau. Staub gewischt hatte er auch schon. Sogar an Stellen, die er sonst gerne mal vernachlässigte. Wie Bilderrahmen und um ihre DVDs und CDs herum. Immer noch nichts von seinem Handy. Normalerweise bekam man immer Dutzende Meldungen, wenn man gerade wirklich etwas zu tun hatte oder tun wollte. Aber wehe man hatte Zeit und langweilte sich. Dann kam nichts. Nicht mal von irgendeiner App. Toshiya seufzte. Was er hier tat war nicht unwichtig. Wenn keiner von ihnen etwas tat, dann wäre hier bald ein unglaubliches Chaos. Es war ein prickelnder Gedanke, dass sie hier in ihren vier Wänden hüllenlos herum laufen mussten, weil all ihre Kleidung gewaschen werden musste. Aber sie mussten auch mal raus. „Jetzt klingel doch endlich!“, blaffte er das Gerät auf dem Hocker neben sich an. Er hatte Sehnsucht. Mal für sich zu sein war ja ganz nett. Aber er mochte es auch, wenn er mindestens einen seiner Liebsten in einem Umfeld von ein paar Metern bei sich hatte. Er nahm das letzte Hemd aus dem Wäschekorb, schlug auch das einmal aus - und schmunzelte. Es war ebenfalls Kyos, aber so lang, dass es jenem selbst noch über seinen runden Knackarsch gehen würde, wenn er es anzog. Während er es an dem Wäscheständer befestigte, kamen Geräusche von der Haustür. Eindeutig ein Schlüssel, der ins Schloss gesteckt und herum gedreht wurde. Huh? Aber Kyo wollte mindestens noch drei Stunden weg sein. Und Shinya war noch immer auf dem Treffen mit Hyde-san, schließlich hatte er noch keine Nachricht erhalten, dass er ihn abholen sollte. Neugierig, aber mit klopfendem Herzen schlich er zur Wohnzimmertür, um vorsichtig in den Flur zu schielen. Mist, hier war nichts, mit dem er einen Einbrecher vertreiben könnte. War aber nicht nötig, wie er feststellen musste. „Shinya?“ Mit großen Augen ging er in den Flur und auf den Jüngeren zu. „Wie kommst du hier her? Ich dachte, du wolltest anrufen.“ Er nahm ihm die Jacke ab und hängte sie auf, schaute den Anderen neugierig und aufmerksam an. Es war wirklich Shinya. „Es war so abgemacht, ich weiß. Aber Hyde-kun hat mir angeboten, mich her zu fahren. Und ich nahm es an.“ Sein Freund klappte für ihn den Hocker auf, den er derzeit nutzte, um sich für das An- und Ausziehen der Schuhe darauf nieder zu lassen. Derzeit war es noch zu anstrengend, sich immer wieder auf zu rappeln, von der kleinen Stufe. Außerdem war keines seiner Schuhpaare dafür ausgelegt, einfach hinein zu schlüpfen. Von den Pantoffeln einmal abgesehen. „Ich wollte nicht, dass du erst extra los musst, nur um mich einzusammeln.“ „Ich hatte es dir doch aber angeboten.“ Um wieder in seine Nähe zu kommen, wäre er doch gerne los gefahren. Ein wenig besorgt musterte er den anderen Mann, der ein wenig wirkte, als würde ihn etwas bedrücken. Mit einem kleinen Seufzer ließ er sich auf der Stufe zum Eingangsbereich nieder. „Du wolltest nicht so lange dort stehen und warten, oder? Hattest Angst, dass die Menschen in der Zwischenzeit starren würden.“ Ertappt hielt Shinya inne. Lag es an ihrer langen Beziehung, dass er so einfach von dem Freund zu lesen war? Warm legte sich eine Hand auf sein Knie. Zögerlich sah er sie an, folgte dem Arm an ihr und hinauf in das Gesicht des Älteren, welcher ihn warm anlächelte. „Das war sehr lieb von Hyde-san, dich zu fahren.“ Shinya musste schlucken, ehe er selbst ein wenig lächelte und nickte. „Das war es wirklich.“ Das Lächeln schwand und er wurde wieder ein bisschen betrübter. „Toshiya?“ „Hm?“ „Habt ihr je von mir als Krüppel gedacht?“ „Wie?“ Toshiya zog die Augenbrauen ungläubig zusammen und nach oben, stieß ein tonloses Lachen aus. „Nein. Niemals. Für uns warst du immer unser Shinya. Zugegeben, wir waren froh, dass du dein Bein behalten konntest. Und auch über die Nachricht, dass du es wieder so wirst nutzen können, wie vorher. Weil wir dir nicht sagen wollten, dass das mit dem Schlagzeugspielen nicht mehr möglich ist.“ Nun war es an Toshiya den kleinen Kloß in seinem Hals hinunter zu schlucken. „Weil wir doch wissen, wie sehr du es liebst. Vor allem aber waren wir froh, als die Ärztin auf uns zu kam und meinte, dass du leben wirst.“ Er stand leicht auf, um sich vor den Liebsten zu knien, seine andere Hand sanft an dessen Wange zu legen. „Es war ein Geschenk. Wir hatten so eine furchtbare Angst um dich, nachdem der Träger von dir runter war. Nicht nur Kyo und ich haben gezittert, haben uns gefürchtet. Nur vielleicht ein wenig schlimmer, als unsere Freunde. Mehr als dein Leben und wieder mit dir reden zu können, haben wir uns nie gewünscht. Glaub mir, jede Nachricht, die darüber hinaus ging, hat uns beinahe ohnmächtig werden lassen. Ja, vor Erleichterung. Und unfassbarer Freude. Aber so empfindet man nun mal, wenn es um den Menschen geht, den man liebt.“ Verhindern konnte er das Seufzen nicht, welches gefühlt aus seinem tiefen Inneren kam. Langsam ließ er die Hand von dem geliebten Gesicht gleiten, legte sie zu der anderen, um seinen Kopf darauf zu betten. „Ich bin ehrlich zu dir und sage dir auch, dass es schon geschmerzt hat, als du aufgewacht bist. Dich nicht erinnern konntest. Gerade weil du uns schon seit Wochen gefehlt hast.“ Wieder lächelte Toshiya, vertrieb die bösen Gefühle. „Du lebst, mein Schatz. Bist hier bei uns. Nach mehr zu fragen, wäre unerhört.“ Weiterhin lächelnd behielt er seinen Kopf auf dem zarten Knie. Noch wollte er sich nicht von dem anderen Mann lösen. Zögernd legten sich lange, zierlich Finger in sein Haar. Anfangs unsicher, strichen sie ihm durch die dunklen Strähnen. Shinyas Augen brannten leicht. Er glaubte den Worten, die der Mann vor ihm gerade gesagt hatte. Und eigentlich war seine Frage auch dumm gewesen. Sie hatten ihm nie das Gefühl gegeben, dass sie ihn in irgendeiner Form, als minderwertig betrachteten. „Danke“, flüsterte er. Unbewusst hatte er diese Bestätigung wohl gebraucht. Ein bisschen sah Toshiya aus wie ein anschmiegsamer Kater, so wie er das leichte Kraulen genoss. „Wie... bist du eigentlich auf die Frage gekommen?“ Neugierig, mit einem Hauch besorgt, öffneten sich die Augen des Anderen wieder und suchten seinen Blick. „Hat Hyde-san irgendwas in der Richtung gesagt?“ Langsam schüttelte Shinya den Kopf, behielt den Freund weiterhin im Blick. „Hat er nicht. Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Er hat mich davon abgehalten, mich selbst so zu bezeichnen.“ „Zu recht.“ Nun musste sich der Ältere doch aufrichten. „Denn du bist kein 'Krüppel'. Überleg doch mal: In einer Stadt wie dieser hier, da laufen derzeit bestimmt ein paar Tausend andere Menschen herum, die ebenfalls Krücken brauchen, weil sie sich von einem Unfall erholen. Die ebenfalls trainieren, um wieder ihre volle Beweglichkeit zu erlangen. Würdest du sie als Krüppel bezeichnen?“ Für einen Moment senkte Shinya beschämt den Kopf, ehe er ihn schüttelte, was der Bassist zum Anlass nahm sich wieder aufzurichten, die Hand des Liebsten in seine zu nehmen. „Und auch sonst würdest du niemanden so bezeichnen. Das weiß ich. Also darfst du dich auch nicht selbst so nennen. Mal ganz davon abgesehen, dass es eine wirklich miese Beschimpfung ist, bist du auch schon per Definition keiner. Denn du wirst irgendwann wieder 'normal'. Das zeigen uns deine großartigen Fortschritte. Und nun denk nicht weiter drüber nach.“ Sanft küsste er ihn auf die Stirn. „Kommst du mit ins Wohnzimmer? Ich bin vorerst fertig mit der Hausarbeit und hab mir eine kleine Pause mehr als nur verdient.“ Breit grinste er den Mann vor sich an. Wie konnte man so eine Pause denn schon besser verbringen, als kuschelnd auf dem Sofa zu sitzen? „Gerne“, erwiderte Shinya, leise, die Stimme belegt von weiteren Tränen. Von den Worten war er wirklich gerührt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)