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Bend, not Broken

von

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Schmerz, Hoffnung und Leid

Leicht nervös saß Kyo an dem Esstisch, sein Handy am Ohr, während er unruhig mit einem seiner Kugelschreiber spielte. Gestern hatten sie es ja nicht geschafft ihre beiden Freunde und Bandmitglieder anzurufen, darum hatte er sich nun dazu entschlossen es zu machen.

Mit jedem Tuten wurde er jedoch etwas mutloser.

Toshiya, der ihm sonst immer Beistand leistete war allerdings gerade unter der Dusche und wusste hiervon nichts. Also musste er da nun alleine durch.

Gerade entschloss er sich dazu wieder aufzulegen, da hörte er die leicht gehetzte Stimme ihres Band-Leaders.

„Moshi moshi, Niikura Kaoru desu.“

„Hallo, Kaoru. Hier ist Kyo.“

„Hi. Schön mal wieder von dir zu hören? Wie geht es dir?“

„Körperlich gut. Seelisch...“

„Oh oh.“ Man hörte, wie der Ältere sich setzte. „Was ist los? Wo ist Toshiya?“

„Unter der Dusche.“

„Ihr... habt euch gestritten?“, erkundigte sich sein Gesprächspartner und wappnete sich für die Antwort.

„Nein, haben wir nicht. Zwischen Toshiya und mir ist alles in Ordnung.“

„Aber?“ Kaoru mochte es nicht, wenn man um den heißen Brei redete. Das wusste der Sänger.

„Shinya... Er...“

„Ganz ruhig. Er wird wieder aufwachen. Da glaube ich fest dran.“

„Das ist ja das Problem. Er ist wieder aufgewacht. Gestern. Und... er erinnert sich an nichts mehr, was nach dem Sommer 2011 stattfand.“ Fest umklammerte er den Stift in seiner Hand. Nur noch ein wenig mehr Druck und die Plastikhülle würde Risse bekommen.

„Eine Amnesie?“ Unterdrücktes Fluchen kam von dem Gitarristen. „Okay. Eines nach dem anderen. Er ist wirklich wieder wach? So richtig dauerhaft und alles?“

„Hai.“ Kyos Stimme und seine Atmung wurden zittrig.

„Und er denkt wirklich wir haben noch 2011?“

„Nicht mehr. Toshiya und ich haben ihn bereits aufgeklärt in der Hinsicht.“

„Sommer 2011... Seid ihr Drei nicht in dem Herbst zusammen gekommen?“

„Hai.“ Der Jüngere atmete tief durch. „Aber auch das weiß er schon. Wir konnten es nicht vor ihm verheimlichen.“

Einige Sekunden herrschte Stille zwischen den beiden Männern.

„Scheiße.“

„Du sagst es.“ Sehnsüchtig ging Kyos Blick Richtung Dusche. Er brauchte die Arme seines Liebsten um sich. „Wir wissen nicht, wie viel wir ihm zumuten können. Shinya will wiederum viel über unsere Beziehung wissen. Es ist schwierig. Und es laugt aus.“

„Er gibt euch also kaum Zeit, um den Schock zu verdauen... Wie sieht es sonst aus?“

Kyo rief sich ins Gedächtnis, was die Ärztin ihnen gesagt hatte. „Es geht bergauf. Sein Körper wird mit sehr großer Sicherheit so gut wie neu. Ab morgen bekommt er die erste Trainingseinheit, um wieder Kraft und Bewegung in seine Gliedmaßen zu kriegen. Er mault schon, dass er sich eingesperrt fühlt. Bald soll er auch verlegt werden können in ein anderes Krankenhaus. Was für Toshiya und mich dann ja auch heißt: Endlich nach Hause.“

„Ich habe das Gefühl, dass es für euch beide auch Zeit wird. Demo...“

„Hm?“

„Vielleicht macht es das aber auch schwieriger. Immerhin wird es dich erst recht an die letzten fünf Jahre erinnern.“

„Ja, vielleicht. Andererseits habe ich daheim eher die Möglichkeit Ruhe zu finden und meine Nerven zu entspannen.“

Man konnte hören, wie Kaoru ein Seufzen unterdrückte und mit dem Versuch eines Lächelns sagte: „Wenn es gar nicht mehr geht, kannst du jederzeit zu mir kommen. Daisuke wird dir bestimmt das selbe anbieten. Und für Toshiya gilt das Angebot selbstverständlich auch.“

„Danke dir.“ Er war schon ein wenig erleichtert über diesen Ausweg. „Anô, wegen Daisuke...“

„Ich rufe ihn gleich an. Keine Angst. Du und Toshiya, ihr macht euch einen schönen Abend und verscheucht für den Rest dieses Tages die unangenehmen Gedanken. Okay?“

„Okay. Wir geben unser Bestes.“ Seufzend beendete er das Gespräch, starrte für einige Augenblicke auf das Display, bis ihn ein paar Wassertropfen im Nacken erschreckten.

„Entschuldige. Aber du hast nicht reagiert, als ich dich angesprochen habe.“ Liebevoll strich der Bassist seinem Freund durch das Haar. „Also noch mal: Wen willst du anrufen?“

„Niemanden. Ich habe bereits mit Kaoru telefoniert und ihm erzählt, was geschehen ist.“

Toshiya massierte die Schultern des Älteren. „Mein tapferes Etwas. Tut mir Leid, dass ich nicht dabei war.“

„Nicht schlimm. Ich wollte es nur nicht hinaus zögern. Er meinte, dass wir uns einen schönen Abend machen sollen.“

„Wenn Leader-sama das gesagt hat, dann sollten wir dem auch Folge leisten.“

„Schon eine Vorstellung?“

„Wir bestellen uns was beim Zimmerservice, kuscheln uns in unser Bett und schauen ganz langweilig fern.“ Zärtlich küsste sich der Bassist vom Hals hinauf zum Ohr und weiter zur Stirn. „Oder schwebt dir etwas anderes vor?“

Langsam drehte Kyo seinen Kopf von links nach rechts. „Ich mag den Gedanken.“

„Gut, dann überlege dir jetzt bitte, was du essen möchtest. So kann ich bestellen, während du unter der Dusche bist.“ Der Größere ließ sich auf dem Stuhl zu ihrer rechten nieder, nahm sich die rechte Hand des Älteren, um die Innenfläche zu küssen.

„Ich hab keinen bestimmten Wunsch. Such du mir bitte etwas raus, okay?“

„Okay.“

Kyo zog seinen Liebsten zu sich ran, küsste ihn. „Danke.“ Er löste sich und begab sich seinerseits ins Badezimmer. Sich ein wenig die trüben Gedanken fort waschen. Wie Kaoru es vorgeschlagen hatte.
 

Gehüllt in die flauschigen Bademäntel des Hotels und gesättigt vom leckeren Abendessen lagen sie auf dem Bett und sahen sich einen Spielfilm an. Er war gut. Jedoch waren ihre Gedanken mächtiger. Die Ereignisse an diesem Tag hatten sie emotional zu sehr ausgelaugt.

„Was Shinya wohl gerade macht?“, fragte der Sänger und schaute zu Toshiya hoch, auf dessen Schoß er mit seinem Kopf lag.

Jener warf einen Blick auf die Uhr im Teletext. „Im besten Fall schläft er.“

„Und im Schlimmsten?“

„Denkt er über all das nach, was er heute von uns erfahren und gespürt hat.“

„Wäre das wirklich schlimm? So wie er ein Teil von uns ist, waren wir ein Teil von ihm. Soll er doch darüber nachdenken. Besser, als wenn er sich ständig bewusst macht, dass er in seinem eigenen Körper gefangen ist.“ Kyo erschauderte bei dem Gedanken, sich nicht mehr mit seinem Körper ausdrücken zu können. Nicht einmal richtig spüren zu können, wenn er berührt wurde. Seine Hände legten sich auf Toshiyas, welche auf seiner Brust ruhte. Für den Fall, dass er eines Tages in einer ähnlichen Lage wie der Schlagzeuger sein sollte, wollte er jedes kleine bisschen schon jetzt wahr nehmen.

Der Bassist hingegen schaltete den Fernseher aus und legte die Fernbedienung zur Seite. „Du siehst so müde aus.“

„Du ebenfalls.“ Kyo richtete sich auf und wandte sich zu dem Bassisten um. Zärtlich strich er ihm über die nackte Brust unter dem Bademantel und den Stoff von den Schultern. Mit einer Hand wanderte er schließlich hinab, um den lose gebundenen Gürtel zu öffnen, sodass sein Gegenüber nur noch in seiner Shorts vor ihm saß. Sein Liebster erwiderte diese Geste und befreite auch ihn von dem flauschigen Frottee, küsste die dunklen Flecken, mit denen er seinen Freund in der vergangenen Nacht gebrandmarkt hatte. Indes warf der Sänger wohlig seufzend die Mäntel vom Bett, legte im Anschluss seine Arme um den Jüngeren und den Kopf in den Nacken. Weiterhin mit Küssen beschäftigt, brachte jener sie immer weiter in eine liegende Position und zog die Decke über ihre fast nackten Körper. Sobald sie lagen, wanderten die Lippen des Bassisten weiter nach oben, bis sie schließlich die des Blonden fanden.

„Schlaf gut, mein Schatz.“

Lächelnd schmiegte sich der Blonde in die Arme des Anderen. „Du ebenfalls.“
 

Wie schön Kyo ausgesehen hatte, jedes Mal, wenn seine Hand irgendwie seinen Körper berührt hatte. Er hatte ihm durch simplen Hautkontakt Glücksgefühle bereit. Für einen kleinen Moment war er nicht mehr traurig gewesen. Ein Anblick, der ihn unglaublich berührt und selbst ein wenig glücklich gemacht hatte. Seine Gedanken sprangen zu dem intensiven Kuss zwischen seinen beiden Freunden, den er hatte miterleben dürfen. Für Shinya war ganz deutlich zu sehen gewesen, wie viel sie einander bedeuteten. Beinahe die ganze Welt. Wenn nicht sogar mehr. In dem Moment wollte er unbedingt ein Teil davon sein, darum hatte er um einen Kuss gebeten. Noch jetzt, wo er sich wieder daran erinnerte, konnte er sagen, wie vertraut es ihm vorgekommen war. Sogar ein kleines Kribbeln meinte er in seinem Bauch gespürt zu haben.

Seufzend starrte Shinya in die Dunkelheit. An Einschlafen war derzeit noch nicht zu denken, wo er doch gerade anfing sich intensiv mit all dem zu beschäftigen, was er in den letzten beiden Tagen erfahren hatte. Er war verliebt in seine Freunde. Führte mit ihnen seit nahezu fünf Jahren eine Beziehung. Ob seine Familie das wusste? Hatten sie ihn eigentlich mal besucht während seiner Zeit im Koma? Weder Kyo, noch Toshiya hatten etwas in der Richtung erwähnt. Er sollte sie morgen danach fragen, wenn sie wieder hier waren. Genauso wie nach ihrer Musik. Gerne wollte er ein paar der Songs hören, an die er sich nicht erinnern konnte.

Was sie wohl gerade machten? Seine Erkenntnis vom Nachmittag tauchte wieder auf und er konnte spüren, wie sein Gesicht heiß wurde. Die Bilder, die er sich unvermeidlich vorstellte, versuchte er zu verdrängen. Er konnte sich doch nicht ausmalen, wie die Beiden beim Sex aussahen! Das ging nicht! Das gehörte sich nicht! Dabei dürfte er das während den letzten Jahren häufiger gesehen haben. Toshiya, wie er mit seinen Lippen über Kyos Haut fuhr und für noch mehr von diesen dunklen Flecken sorgte...

Am Liebsten würde er sich gerade ein Kissen über sein Gesicht legen und sich darin verstecken. Aber das war ja nicht möglich. Sein Körper war ja derzeit gegen ihn. Wenn er jedoch wirklich so kaputt gewesen war, wie man ihm erzählt hatte, war es immer noch ein Wunder, dass er dennoch 'ganz' war. Er hätte nun genauso gut ein Bein weniger haben können. Oder gelähmt sein. Bei dem Training ab morgen musste er sich anstrengen. Ewig wollte er nicht zu dieser Untätigkeit verdammt sein. Hoffentlich war bald morgen und sie konnten anfangen. Damit er zumindest in der Lage war die Hände seiner Freunde zu ergreifen.

Shinya rief sich ins Gedächtnis, wie Kyo neben ihm gelegen hatte. Er war so angenehm warm gewesen. In naher Zukunft wollte er seinen Arm von selbst um ihn legen.

Schon erstaunlich wie wenig ihm es eigentlich ausmachte. Diese Vorstellung, dass er mit beiden eine Beziehung hatte. Wo sie in seinen verbliebenen Erinnerungen doch nur als gute Freunde existierten. Gut küssen konnten sie aber. Das musste er ihnen lassen.

'Weil wir dich lieben.'

Ein paar Worte, die ihm den ein oder anderen Schmetterling in den Bauch setzten.

'Ich liebe dich.'

Noch mehr Falter.

Shinya schloss die Augen, um sich gänzlich auf dieses Flattern in seinem Bauch konzentrieren zu können. Sein Körper mochte ihn aber an ein anderes Gefühl erinnern, welches er nun zu erkunden gedachte. Ihm war, als würde seine gesamte Vorderseite mit etwas warmem in Kontakt sein. Dazu erinnerten sich seine trägen Arme daran, dass sie dieses Etwas umschlangen und nah bei sich hielten, während die Finger seiner rechten Hand sich nach einer anderen sehnten, um sie halten zu können. Der Schlagzeuger öffnete seine Augen, wandte seinen Blick nach rechts. Das Gefühl in seiner Hand hatte sich in leichten Schmerz gewandelt. Allerdings traute er kaum seinen Augen, als er in der schwachen Dunkelheit -von draußen und durch den Spalt unter der Tür drang etwas Licht- erkannte, dass er es tatsächlich geschafft hatte seine Finger anzuheben. Zwar zitterte die ganze Hand noch erheblich, doch es war unbestreitbar ein wahnsinniger Erfolg. Wenn er es später noch konnte, musste er es unbedingt seinen Freunden zeigen. Sie wären bestimmt genauso begeistert, wie er gerade. Nur ein Blinzeln später, lag die Hand wieder auf dem Bett.

Shinya war dennoch glücklich. „Ich hab es geschafft.“ Sein Körper konnte demzufolge also doch etwas. „Es ist ein Anfang“, flüsterte er, machte sich selbst Mut. Vielleicht dauerte es gar nicht so lange, bis er die Gesten seiner Freunde erwidern konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ScarsLikeVelvet
2016-10-04T07:00:52+00:00 04.10.2016 09:00
Wieder ein schönes Kapitel mit soviel Gefühl.
War schön, es heute Morgen zu lesen.
Antwort von:  Cookie-Hunter
23.10.2016 01:10
Freut mich, dass es dir den Morgen versüßt hatte.
Ich gebe mir Mühe, dass das auch weiterhin so bleibt.


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