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Brothers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sou, ihr Lieben, hier gibt's auch schon das nächste Kapitel. Bin ich nicht nett?
^.~

Ohne weiteres Gelaber: Enjoy!

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Maskenball II

Wie lange er sich in der Toilette verkrochen und seinen Tränen freien Lauf gelassen hatte, hätte Ryuuji nicht zu sagen gewusst. Irgendwann jedoch wischte er sich entschlossen über die Augen, stand auf und zog hektisch das rote Kleid aus. Dass dabei eine Seitennaht einriss, weil er etwas zu heftig an dem Reißverschluss zerrte, interessierte ihn im Augenblick herzlich wenig. Hauptsache, er kam endlich hier raus! So schnell wie möglich stopfte Ryuuji alles, was an seine Verkleidung erinnerte, in seinen Rucksack, kramte seine normale Kleidung – eine enge schwarze Jeans, ein ärmelloses schwarzes Shirt und einen ebenso schwarzen Netzpulli – heraus und zog sich schnellstmöglichst wieder um. Am liebsten wäre er danach gleich nach Hause gefahren, aber da seine Mutter sich einerseits wundern würde, wenn er so früh schon wieder zurückkäme, und da Katsuya andererseits irgendwo in der Halle auf ihn wartete, entschloss er sich abgrundtief seufzend dazu, doch wieder zu der Feier zurückzugehen. Schließlich hatte er es ja auch dem Geburtstagskind versprochen.
 

Außerdem wusste Seto ja nicht, dass er es gewesen war, mit dem er getanzt und der ihn geohrfeigt hatte, also hatte er absolut nichts zu befürchten. Trotzdem hätte Ryuuji sich am liebsten irgendwo verkrochen und weitergeheult, aber das verbot er sich selbst. Dann hatte sein zukünftiger Stiefbruder ihn eben geküsst. Na und? Davon ging die Welt schließlich nicht gleich unter. Immerhin wusste niemand, dass er das schwarzhaarige Mädchen in dem roten Kleid gewesen war, also eigentlich gab es keinen Grund, sich zu schämen oder sich verstecken zu wollen. Schließlich hatte Seto ihn geküsst und nicht umgekehrt.
 

Ryuuji warf seinem Spiegelbild, dessen Make-up total verlaufen war und dessen Augen vom Weinen gerötet waren, probeweise ein Grinsen zu, doch das misslang ihm gründlich. "Ryuuji, du siehst total scheiße aus. So richtig fertig", bescheinigte er sich selbst und entfernte erst einmal die braunen Kontaktlinsen, bevor er sich das Gesicht gründlich wusch und dann seine Augen wie üblich mit schwarzem Kajal betonte. Danach band er noch seine Haare zu seinem obligatorischen Pferdeschwanz zusammen. So ›normal‹ aussehend – zumindest für seine Verhältnisse – fühlte er sich gleich schon ein bisschen besser. Wenigstens sah man ihm jetzt nicht mehr an, dass seine Gefühlswelt seit dem Tanz und dem Kuss total auf dem Kopf stand.
 

Na dann, auf in den Kampf, motivierte er sich selbst, schulterte seinen Rucksack und verließ die Personaltoilette wieder. Wie zuvor auch gab er den Rucksack an der Garderobe ab, bevor er die Halle betrat. Den seltsamen Blick, mit dem der braunhaarige Junge hinter der Theke, der ihm beim ersten Betreten der Halle zugezwinkert hatte, ihn bedachte, bemerkte er nicht.
 

Seto hatte inzwischen das ganze Areal um die Halle, in der die Party stattfand, nach seiner schwarzhaarigen Tanzpartnerin abgesucht. Aber egal, wo er auch nachgesehen hatte, er hatte sie einfach nirgends finden können. Wahrscheinlich war sie also schon gegangen – was ganz alleine seine Schuld war. Und dadurch, dass sie wie vom Erdboden verschluckt war, konnte er sich bei ihr nicht einmal mehr für sein Fehlverhalten entschuldigen.
 

Frustriert gab er schließlich nach einer knappen halben Stunde die Suche auf. Es hatte einfach keinen Sinn mehr. Sie war weg und egal, wie unangenehm und peinlich es auch war, er würde damit leben müssen, dass er sich absolut unmöglich benommen hatte – und das auch noch auf der Geburtstagsfeier einer Klassenkameradin, deren Eltern geschäftlich mit seinem Vater verkehrten. Es war also ganz sicher nur eine Frage der Zeit, bis dieser von seinem Ausrutscher erfahren würde. Wundervoll.
 

Gerade, als er die Halle wieder betreten wollte, wäre er in der Eingangstür um ein Haar mit jemandem zusammengeprallt. Seto warf einen Blick auf die Person und blieb wie angewurzelt stehen, als er in weit aufgerissene grüne Augen starrte – und zwar in genau die grünen Katzenaugen, wegen denen er diesen unverzeihlichen Fehler auf der Tanzfläche überhaupt erst begangen hatte.
 

Ryuuji sah erschrocken auf, als er beim Betreten der Halle fast mit jemandem zusammenstieß. Als er jedoch erkannte, wer da vor ihm stand und ihn aus azurblauen Augen eiskalt musterte, weiteten sich seine Augen und er hatte das Gefühl, sein Herz würde stehen bleiben. Waren das die gleichen Augen, die vor ihrem gemeinsamen Tanz vorhin so einen warmen Ausdruck gezeigt hatten? Womit hatte er diese Kälte eigentlich genau verdient? Warum hasste Seto ihn bloß so sehr? Lag es wirklich an der Umarmung an dem Abend, als sie sich kennengelernt hatten?
 

"Otogi." Seto knurrte den Namen beinahe und der Angesprochene bemühte sich, sich wieder zu fangen. "Ja. In voller Lebensgröße sogar. Live und in Farbe, sozusagen. Was für eine Überraschung, Seto", erwiderte er und schaffte es sogar, ein fröhliches Grinsen in sein Gesicht zu zwingen, obwohl er sich eigentlich absolut grauenhaft fühlte. Am liebsten wäre er weggerannt und hätte sich irgendwo versteckt, aber da ihm diese Option nun einmal im Augenblick nicht offen stand, musste er eben einfach das Beste aus seinen gegebenen Möglichkeiten machen. Dennoch wunderte er sich insgeheim darüber, dass er es nicht nur schaffte, nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen, sondern auch noch in ganzen Sätzen zu sprechen.
 

"Ich hätte wirklich gut darauf verzichten können", zischte Seto. Verdammt, warum war der Schwarzhaarige denn so fröhlich? Wie konnte er so gut gelaunt sein, wenn er doch wusste, was seine zukünftige Familie – von Mokuba einmal abgesehen – von ihm hielt? Wie konnte er hier stehen und so unverschämt grinsen? Warum sagte er nichts zu dem, was er von dem Jungen erfahren hatte? Warum beschwerte er sich nicht? Warum ging er nicht an die Decke? Das war doch nicht normal, verflucht! War ihm das alles wirklich so vollkommen gleichgültig?
 

"Dachte ich mir." Ryuuji wusste nicht, wie er es schaffte, weder zu unbeteiligt noch irgendwie verbittert zu klingen. Er wusste nur, dass er schnellstmöglich hier wegmusste. Alle seine Sinne schrieen nach Flucht, denn so nah bei dem Brünetten stieg ihm wie bei ihrem Tanz vorhin dessen viel zu angenehmer Duft in die Nase und er musste stark gegen den Drang ankämpfen, Seto einfach zu packen, zu sich zu zerren und ihn seinerseits zu küssen – richtig dieses Mal, nicht nur auf die Lippen.
 

"Aber da das Geburtstagskind mich hier haben wollte, hast du wohl leider Pech. Na dann, man sieht sich, Seto." Mit diesen Worten ließ Ryuuji Seto einfach stehen und dieser konnte nichts anderes tun, als ihm nachzusehen und unhörbar mit den Zähnen zu knirschen. Verdammt, woher nahm der Schwarzhaarige bloß diese aufreizende, beinahe schon provozierende Gelassenheit?
 

oOo
 

"Hey, da ist er ja! Huhu, Ryuuji! Wir sind hier drüben!" Katsuya winkte hektisch, als er seinen besten Freund in der Menschenmenge endlich doch noch erblickt hatte. Als der Schwarzhaarige jedoch zu ihm und Bakura trat, schob er schmollend die Unterlippe vor. "Ist das dein tolles Halloweenkostüm vom letzten Jahr?", fragte er und der Angesprochene zuckte kurz zusammen, fing sich aber schnell wieder und schüttelte den Kopf. "Nein, ist es nicht. Es hat nicht mehr gepasst und ich hatte nichts anderes. Deshalb bin ich auch so spät dran. Sorry", entschuldigte er sich zerknirscht und der Blondschopf legte den Kopf schief.
 

"Das ist ja blöd.", seufzte er, begann aber gleich darauf wieder zu grinsen. "Du hast echt was verpasst, Ryuuji! Kaiba hat vorhin mit irgendeinem Mädel getanzt und von der voll eine gefegt gekriegt, weil er sie einfach so geküsst hat. Alter, das hättest Du sehen müssen! Der hat gekuckt wie'n Auto!" Katsuya hielt sich lachend den Bauch und so entging ihm völlig, dass sein bester Freund bei der Erwähnung dieser Szene zusammenfuhr. Bakura hingegen bemerkte das durchaus, aber er sagte nichts dazu. Er kannte den Schwarzhaarigen nicht gut genug, um sich da einzumischen. Außerdem ging es ihn ja auch nichts an, warum er plötzlich so erschrocken dreinblickte wie ein Reh im Scheinwerferlicht.
 

"Das war der Beweis dafür, dass auch ein Kaiba nicht alles kriegt, was er haben will. Ich wünschte echt, ich hätte ein Foto davon. Oder besser noch ein Video. Das würd ich dem Eisklotz dann immer wieder unter die Nase halten, wenn der seine blöde Klappe mal wieder zu weit aufreißt", kicherte Katsuya weiter und Ryuuji zwang sich ebenfalls ein Grinsen ins Gesicht. "Sein Pech, würd ich sagen", erwiderte er gepresst, aber zu seinem Glück hörte sein blonder Freund auch diesen Unterton nicht.
 

"Aber egal. Scheiß auf Kaiba. Was mich persönlich viel mehr interessieren würde, Kats: Warum hat Bakura Dich eigentlich an der Leine? Gibt’s dafür nen bestimmten Grund?", wechselte der Schwarzhaarige das Thema und atmete auf, als sein blonder Freund aufhörte zu lachen und stattdessen heftig errötete, während Bakura ihn an der Leine näher zu sich zog. "Sieht man das nicht?", fragte der Weißhaarige und Ryuuji grinste ihn an.
 

"Doch, sicher. Ich wollte nur, dass Kats rot wird", erwiderte er und klopfte dem Blonden kameradschaftlich auf die Schulter. "Meinen Glückwunsch, ihr Zwei. Ich freu mich für euch", gratulierte er und Bakura erwiderte das Grinsen, während Katsuyas Gesichtsfarbe sich gleich noch mehr verdunkelte. "Blödmann!", nuschelte er in Richtung seines besten Freundes und dieser fasste sich theatralisch ans Herz und murmelte: "Wie kannst Du nur, Kats? Das trifft mich jetzt aber!", bevor in halbwegs fröhliches Gelächter ausbrach.
 

oOo
 

"Otogi ist auch hier." Yami fuhr zusammen, als hinter ihm so plötzlich die Stimme seines besten Freundes erklang. "Seto? Erschreck mich doch nicht so!", beschwerte er sich und sah diesen dann fragend an. "Sagtest du gerade, Otogi sei auch hier?", hakte er nach und Seto nickte grimmig. "Allerdings. Ich bin ihm eben draußen vor der Halle begegnet. Scheinbar ist er gerade erst gekommen." Was definitiv auch wesentlich besser war, denn so hatte der Schwarzhaarige wenigstens nichts von dem mitbekommen, was ihm kurz zuvor auf der Tanzfläche passiert war. Zumindest diese Demütigung blieb seinem Ego erspart. Wenigstens etwas.
 

Yami musterte seinen besten Freund von unten herauf. "Mir scheint, deine Suche nach deiner Tanzpartnerin war nicht wirklich von Erfolg gekrönt", stellte er nach einem forschenden Blick in das verkniffene Gesicht des Brünetten fest und dieser nickte knapp. "Sie muss gleich danach gegangen sein. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, das Missverständnis zu klären", murmelte er und Yami neigte den Kopf leicht zur Seite, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. "Warum hast du das eigentlich getan, Seto? So etwas sieht dir gar nicht ähnlich. Gab es einen bestimmten Grund für diesen Kuss?", wollte er wissen, erntete jedoch als Antwort nur verbissenes Schweigen.
 

Seto wandte den Blick ab, denn er konnte seinen besten Freund jetzt nicht ansehen. Wie sollte er ihm etwas erklären, was er selbst nicht verstand? Und wie sollte er erklären, dass er bei diesem Kuss nicht einmal wirklich an das Mädchen gedacht hatte, das er geküsst hatte? Wie sollte er erklären, dass ihn sogar bei diesem Kuss grüne Katzenaugen verfolgt hatten – wie beinahe ständig in den letzten Tagen, seit er Otogi Ryuuji zum ersten Mal getroffen hatte? Nein, das konnte er nicht erzählen – Yami nicht und auch sonst niemandem. Wie würde das denn aussehen?
 

Yami nickte nur, als er auch nach zwei Minuten noch keine wirkliche Antwort erhalten hatte. "Ist schon in Ordnung, Seto. Du musst es mir nicht sagen. Aber falls du doch mal darüber reden willst, weißt du ja, wo Du mich findest oder wie du mich erreichen kannst.", sagte er und lächelte den Brünetten an. "Was meinst du, sollen wir gehen?", schlug er dann vor und Seto nickte dankbar. Nach all den Katastrophen dieses Abends wollte er nur noch nach Hause und am liebsten vergessen, dass er überhaupt hergekommen war. "Gut, dann lass uns gehen. Isono-san wartet doch noch mit der Limousine draußen auf uns, oder?"
 

"Selbstverständlich", erwiderte Seto und folgte Yami nach draußen, nachdem sie sich unter dem Vorwand, dass es dem Bunthaarigen nicht gut ging, bei dem Geburtstagskind entschuldigt hatten. Seto hatte zwar das Gefühl, dass ihm jeder in der Halle ansah, dass eigentlich er derjenige war, der gehen wollte, aber sein bester Freund spielte die Rolle des plötzlich krank Gewordenen wirklich hervorragend – so hervorragend, dass Seto sich mental notierte, dass Yami dafür etwas bei ihm gut hatte.
 

oOo
 

Ryuuji entging der Aufbruch von Seto und dessen bestem Freund Yami nicht, doch er tat, als bemerkte er nichts davon. Er unterhielt sich weiterhin mit Katsuya und Bakura, der den unerklärlichen Groll, den er gegen ihn gehegt hatte, begraben zu haben schien. Nicht wirklich zu seiner Überraschung stellte Ryuuji fest, dass man sich mit dem Weißhaarigen wirklich gut unterhalten konnte, wenn er erst einmal aufgetaut war.
 

Als der Schwarzhaarige sich bei den beiden entschuldigte, um das Geburtstagskind wenigstens ein einziges Mal zum Tanzen aufzufordern – auch wenn es ihm davor graute, die Tanzfläche nach seinem Tanz mit Seto ein weiteres Mal zu betreten –, stieß Katsuya seinem Freund den Ellbogen in die Seite, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. "Na, was hab ich dir gesagt? Ryuuji ist total in Ordnung. Und das zwischen ihm und mir ist lange vorbei. Jetzt gehör ich schließlich dir", flüsterte er Bakura zu und dieser nickte.
 

"Ich sag doch gar nichts", brummelte er und der Blondschopf grinste. "Weiß ich doch. Ich wollt's dir bloß noch mal sagen", gab er zurück und keuchte überrascht auf, als Bakura ihn an der Leine zu sich zog und ihn tief und hungrig küsste, um ihn am Weitersprechen zu hindern. Doch, dachte der Blondschopf, daran, auf diese Art und Weise zum Schweigen gebracht zu werden, könnte er sich glatt gewöhnen.
 

"Bitte entschuldigt die Störung, meine Damen. Ich würde das Geburtstagskind gerne für einen Augenblick entführen." Die Stimme ihres neuen Klassenkameraden ließ die Mädchentraube um Himura Midori eine kollektive Drehung vollführen und nicht wenige der Mädchen seufzten verzückt, als der Schwarzhaarige sich formvollendet verbeugte und dann dem besagten Geburtstagskind sein charmantestes Lächeln schenkte. "Darf ich um diesen Tanz bitten, Prinzessin?", fragte Ryuuji und Midori errötete leicht, bevor sie ihre Hand in seine legte und sich von ihm auf die Tanzfläche führen ließ. Zu ihrem Glück wurde gerade ein langsames Lied gespielt, so dass sie sich ganz nah an den Schwarzhaarigen schmiegen konnte, ohne allzu großes Aufsehen zu erregen.
 

"Ich dachte schon, du würdest nicht mehr kommen, Otogi-kun.", murmelte sie leise und der Angesprochene lächelte entschuldigend. "Das tut mir leid. Ich wollte dich wirklich nicht warten lassen, Midori-chan, aber ich hatte ein paar Probleme mit meinem Kostüm. Deshalb bin ich auch sozusagen in Zivil hier. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel." Insgeheim wunderte Ryuuji sich ein wenig darüber, wie glatt ihm diese Lüge über die Lippen kam. Das Mädchen in seinem Arm schien ihm jedoch problemlos zu glauben, also würde er sich ganz sicher nicht darüber beschweren. Glücklicherweise schien tatsächlich niemand auch nur die geringste Ahnung zu haben, wer wirklich hinter dem schwarzhaarigen ›Mädchen‹ steckte, das mit Kaiba Seto getanzt und diesen dann nach dem Kuss geohrfeigt hatte.
 

"Darf ich dir eine Frage stellen, Otogi-kun?" Die leise Stimme seiner Tanzpartnerin riss den Angesprochenen wieder aus seinen Grübeleien und er nickte dem Mädchen zu. Midori senkte den Blick und errötete, doch dann atmete sie noch einmal tief durch und sah ihren Klassenkameraden von unten herauf schüchtern an. "Sag, Otogi-kun, hast du eine Freundin?" Bei dieser Frage hätte der Schwarzhaarige um ein Haar laut gelacht, aber er beherrschte sich. Immerhin hatte er sich fest vorgenommen, seiner Mutter keine Probleme mehr zu machen. Wenn er die Frage wahrheitsgemäß beantwortete, wäre das allerdings sicher spätestens am Montag das Gesprächsthema Nummer Eins in der Schule, daher entschied er sich für eine möglichst diplomatische Antwort, mit der er seiner Klassenkameradin eine Abfuhr erteilen konnte und gleichzeitig nichts über seine wahre sexuelle Orientierung verraten würde.
 

"Nicht hier, nein. Aber in Amerika gibt es jemanden, der auf mich wartet", log Ryuuji daher und Midori verzog bedauernd das Gesicht, bevor sie erneut errötete. "Oh. Ich verstehe. Bitte entschuldige", flüsterte sie, doch ihr Tanzpartner schüttelte den Kopf. "Du musst dich nicht entschuldigen, Midori-chan. Es ehrt mich wirklich, dass du fragst, aber wenn ich in einer Beziehung bin, bin ich absolut treu." Das war noch nicht einmal gelogen. Gut, er hatte in seinem ganzen bisherigen Leben noch nicht eine einzige Beziehung mit einem Mädchen gehabt, aber das musste Midori nun wirklich nicht wissen.
 

"Das ist wirklich bewundernswert, Otogi-kun." Das Mädchen lächelte traurig und ließ sich nach dem Ende des Liedes von ihrem Klassenkameraden wieder zu ihren Freundinnen zurückbringen. Ryuuji verabschiedete sich mit einem Handkuss, der den anderen Mädchen weitere Seufzer entlockte, und drängelte sich dann durch die Partygäste zurück zu Katsuya und Bakura, die noch immer in ›ihrer‹ Ecke standen und ganz offenbar vollkommen in ihre Zungenakrobatik vertieft waren.
 

"Ich will euch wirklich nicht stören, Jungs, aber ich mach mich langsam dünne. Mir reicht's für heut", unterbrach der Schwarzhaarige den Kuss der beiden und sein bester Freund sah ihn aus leicht verschleierten braunen Augen fragend und ziemlich atemlos an. "Was? Wieso ... das denn?", erkundigte er sich japsend und Ryuuji grinste schief. "Nicht mein Abend heute. Midori-chan hat mich gerade gefragt, ob ich schon ne Freundin hab", erklärte er und der Blondschopf löste sich von Bakura, um ihn anzusehen. "Und was hast du ihr gesagt?", wollte er neugierig wissen und Ryuuji seufzte abgrundtief. "Dass ich in festen Händen bin. Zwar nicht hier, aber drüben in den Staaten."
 

"Dabei sieht doch jeder mit Augen im Kopf, dass Du mit ner Frau so viel anfangen kannst wie ein Hund mit nem Fahrrad", warf Bakura ungerührt ein und Katsuya konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Toller Vergleich, Kura, echt", murrte er, aber sein Grinsen ließ seine Beschwerde nur halb so glaubhaft klingen, wie sie gemeint war. Manchmal war sein Freund einfach ein totaler Spinner. Hunde und Fahrräder … also wirklich!
 

"Ist doch egal. Jedenfalls will ich eigentlich nur noch nach Hause." Dass das hauptsächlich an der Sache mit Seto lag und eigentlich nicht wirklich etwas mit Midoris Frage zu tun hatte, behielt Ryuuji für sich. Darüber wollte er im Augenblick einfach nicht sprechen. "In Ordnung. Ich glaub, wir können uns auch verdünnisieren, oder, Kura?", wandte Katsuya sich an Bakura und dieser nickte, bevor er seinerseits zu grinsen begann.
 

"Gute Idee. Ich kann mir ne bessere Beschäftigung für den Rest der Nacht vorstellen als hier abzuhängen", stimmte er zu und der Blonde knuffte ihn in die Seite. "Kura, du bist ein Idiot. Und außerdem bist du notgeil", murmelte er und der Weißhaarige zuckte mit den Schultern. "Na und? Stört's Dich jetzt etwa plötzlich, dass ich dich will?", fragte er und Katsuya hielt unwillkürlich den Atem an, als sein Freund ihm so unverblümt ins Gesicht sagte, was ihm blühte, sobald sie zu Hause waren.
 

Ryuuji beobachtete das frischgebackene Paar und lächelte leicht. Die beiden passten wirklich gut zusammen – viel besser, als Katsuya und er jemals zusammengepasst hatten. Ein Teil von ihm freute sich wirklich für seinen besten Freund und wünschte ihm alles erdenklich Gute, aber ein anderer Teil von ihm trauerte dem letzten Jahr nach, in dem es Bakura noch nicht in Katsuyas Leben gegeben hatte. Damals hatte der Blondschopf nur ihm allein gehört.
 

Unwillig schüttelte Ryuuji den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. So etwas auch nur in Betracht zu ziehen war wirklich egoistisch von ihm. Katsuya und er hatten sich nicht geliebt. Sie hatten sich gegenseitig vertraut und waren beide neugierig gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Sicher, als Freunde liebten sie sich, aber mehr war da zwischen ihnen nie gewesen. Und jetzt hatte der Blonde ja jemanden gefunden, der ihm wirklich etwas bedeutete.
 

Ich wünschte, bei mir wär das auch so einfach, dachte Ryuuji und seufzte unhörbar. Mit solchen naiven und lächerlichen Wunschträumen sollte er am besten gar nicht erst anfangen. Der Blick seines zukünftigen Stiefbruders, als sie sich zufällig draußen vor dem Eingang zur Halle getroffen hatten, hatte Bände gesprochen und mehr als deutlich verraten, was Seto wirklich über ihn dachte. Er hasst mich und er verachtet mich. Wahrscheinlich wär's ihm am liebsten, wenn's mich gar nicht gäbe. Der Gedanke tat weh, aber er war nun mal die Wahrheit. Es brachte nichts, die Tatsachen beschönigen zu wollen. Seine Gefühle waren eine einseitige und aussichtslose Sache. Seto würde sie niemals erwidern. Höchstwahrscheinlich erwartete er jetzt schon voller Vorfreude den Tag, an dem er endlich wieder zurück zu seinem Vater nach Amerika flog.
 

Katsuya, dem die gedrückte Stimmung seines besten Freundes nicht entging, legte diesem einen Arm um die Schultern und sah ihn ernst und fragend an. "Ist wirklich alles in Ordnung mit dir, Ryuuji? Du bist irgendwie komisch.", murmelte er und der Angesprochene zuckte zusammen. "Geht schon", gab er zurück und grinste schief. "Ich bin einfach nur geschlaucht. Ein paar Stunden Schlaf und ich bin wieder fit."
 

"Musst du auch sein. Schließlich hast du ja morgen was vor, nicht wahr?", erinnerte der Blondschopf und Ryuuji nickte. "Allerdings. Mokuba wollte sich morgen mit mir treffen." Ein Treffen, das er in seiner momentanen Stimmung am liebsten abgesagt hätte, aber als er sich die großen, bittenden blauen Augen des Fünfzehnjährigen wieder ins Gedächtnis rief, wusste er, dass er das nicht über sich bringen würde. Der Kleine hatte ihn am Mittwoch bereits um dieses Treffen gebeten und sich von da an jeden Tag versichert, dass es auch wirklich stattfinden würde – trotz allem, was sein Vater und sein älterer Bruder gesagt hatten. Wenigstens ein Kaiba, der sich wirklich darauf freut, mich zu sehen, dachte Ryuuji bitter, schob diesen Gedanken aber gleich wieder beiseite. So etwas brachte nichts. Es wurde Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen und sich endlich damit abzufinden, dass nur ein Mitglied seiner neuen Familie ihn wirklich haben wollte.
 

"Na, dann lass uns abhauen. Kura und ich bringen dich noch nach Hause, okay?" Katsuyas Stimme riss Ryuuji aus seinen Gedanken und er grinste seinen besten Freund an. "Spinner!", erwiderte er und brachte die blonde Mähne noch etwas mehr in Unordnung. Irgendwie schaffte Kats es doch immer wieder, dass er sich zumindest ein bisschen besser fühlte. Heute wollte er allerdings auf dem Nachhauseweg lieber alleine sein, deshalb schüttelte er gleich darauf den Kopf. "Mum hat mir Geld für ein Taxi mitgegeben. Geht ihr Zwei ruhig nach Hause und tobt euch ordentlich aus. Ich ruf dann morgen Abend an, wenn ich von meinem Treffen mit Mokuba zurück bin, okay?", wandte er sich an den Blondschopf und dessen Freund.
 

"Sicher?", hakte Katsuya nach und der Schwarzhaarige nickte. "Ja, sicher. Schlaft gut und seid vorher noch so richtig schön unanständig. Amüsiert euch für mich mit, ja?", witzelte er, wich allerdings den Blicken der beiden Älteren aus. Er wusste genau, dass sein bester Freund ihn durchschauen würde, wenn er ihm jetzt in die Augen sah. "Ich weiß nicht ...", setzte dieser auch prompt an, doch Bakura wickelte sich die Leine fester um seine Hand. "Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Er will jetzt alleine sein. Also komm bei Fuß. Wir gehen auch nach Hause", kommandierte er und zog den noch immer protestierenden Blonden hinter sich her, ohne auf dessen Beschwerden einzugehen.
 

Ryuuji blickte den beiden hinterher, bis sie um die nächste Ecke verschwunden waren. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass Bakura durchschaut hatte, dass er im Augenblick einfach nur keine Gesellschaft wollte. Seltsam, dachte Ryuuji, während er sich ein Taxi heranwinkte, einstieg und dem Fahrer seine Adresse nannte. So viel Feingefühl hätte er dem Weißhaarigen gar nicht zugetraut. Scheinbar hatte er sich in Bakura ganz gewaltig getäuscht.
 

oOo
 

Mokuba, der im Wohnzimmer vor dem Fernseher herumgegammelt hatte, sprang von der Couch auf und sprintete in den Flur, als er die Haustür aufgehen hörte. "Du bist schon zurück, Nii-san?", erkundigte er sich und blickte seinen Bruder aus großen Augen fragend an. Seto hielt sich jedoch nicht lange auf, sondern nickte dem Jungen nur knapp zu und ging mit einem "Wie du siehst. Gute Nacht, otouto" an ihm vorbei nach oben in sein Zimmer. Im Augenblick stand ihm in keinster Weise der Sinn nach Unterhaltung. Eigentlich wollte er nur noch schlafen und alles, was an diesem Abend vorgefallen war, einfach vergessen.
 

Etwas irritiert sah Mokuba seinem Bruder hinterher, als dieser förmlich die Treppen in den ersten Stock hinaufeilte und in seinem Zimmer verschwand. Was ist denn jetzt los? Was hat Seto denn?, fragte er sich selbst, zuckte dann aber nur mit den Schultern und ging zurück ins Wohnzimmer. Wenn Seto sich so benahm, dann war mit ihm nicht zu reden, also konnte er genauso gut noch eine Weile weiter fernsehen. Schließlich war Wochenende und das musste ausgenutzt werden.
 

In seinem Zimmer angekommen schloss Seto ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit die Tür hinter sich ab, bevor er sich rücklings auf sein Bett fallen ließ und an die Decke starrte, ohne sich vorher umzuziehen. Das Licht hatte er absichtlich nicht angemacht. Im Augenblick gab es nichts, was er sehen wollte, also brauchte er auch keine Helligkeit. Die herrschende Dunkelheit tat eigentlich sogar ganz gut, wenn man davon absah, dass sich seine Gedanken einfach nicht abstellen ließen.
 

Warum in aller Welt habe ich das bloß getan? Warum habe ich sie geküsst? Sich selbst die Frage zu stellen, warum er bei diesem Kuss nicht wirklich an seine Tanzpartnerin, sondern an eine andere Person – eine Person mit rabenschwarzen Haaren und grünen Augen – gedacht hatte, wagte Seto nicht, denn aus einem Grund, den er selbst nicht verstand, hatte er Angst vor der Antwort, die er finden könnte. Frustriert ballte er seine Hände zu Fäusten und schlug damit auf seine Matratze ein. Unglücklicherweise gehorchte sein Unterbewusstsein seinen Wünschen nicht und so sah er immer wieder Dinge, die er nicht sehen wollte: Grüne Katzenaugen, die ihn mit unübersehbarer Belustigung musterten und ein Grinsen, das deutlicher als Worte sagte, dass das alles den Besitzer dieser Katzenaugen einfach nicht kümmerte.
 

Wieso? Wieso ist es ihm so gleichgültig, was ich sage und tue? Wieso bin ich ihm so gleichgültig? Seto wollte eigentlich wirklich nicht darüber nachdenken, aber seine Gedanken kehrten immer wieder zu diesen Fragen zurück. Wie schaffte Ryuuji es, ihm gegenüber immer noch diesen frech-spöttischen Tonfall anzuschlagen? Wie konnte er nach allem, was er von Mokuba erfahren hatte, so ruhig und gelassen sein? Ließ ihn das alles denn wirklich so vollkommen kalt? Warum?
 

Nachdem er eine gefühlte Ewigkeit über Dinge nachgegrübelt hatte, die er eigentlich hatte verdrängen wollen, stand Seto schlussendlich wieder von seinem Bett auf, um sich auszuziehen und in seinen Pyjama zu schlüpfen. Eine Mütze voll Schlaf würde ihm sicher ganz gut tun. Außerdem hatte er die Hoffnung, dass er vielleicht endlich aufhören könnte, darüber nachzudenken, was an diesem Abend alles passiert war, wenn er erst einmal eingeschlafen war.
 

Sehr zu Setos Ärger gestaltete es sich allerdings schwieriger als gedacht, ruhigen Schlaf zu finden. Als er auch mehr als zwei Stunden, nachdem er nach Hause gekommen war, noch immer hellwach war, reichte es ihm. Grummelnd schlug er seine Bettdecke zurück, stand auf und schloss seine Zimmertür wieder auf. Dann ging er durch den Flur nach unten, wo er im Wohnzimmer auf Mokuba traf, der sich offenbar gerade einen Horrorfilm ansah. Dabei stopfte er Unmengen an Chips in sich hinein und schien seinen älteren Bruder gar nicht zu bemerken. Erst als dieser sich in einen der Sessel fallen ließ, sah der Junge auf.
 

"Schedo? Wasch machscht du denn hier?", erkundigte er sich mit vollem Mund und der Angesprochene seufzte abgrundtief. "Ich konnte nicht schlafen", antwortete er knapp und sein Bruder legte fragend den Kopf schief. "Wiescho? Wasch ischn losch?", nuschelte er, doch Seto schüttelte den Kopf. "Nichts. Ich kann einfach nur nicht einschlafen, das ist alles", erwiderte er und hob eine Braue, als sein Bruder ihm die Chipstüte entgegenhielt.
 

"Willschu auch wasch?", fragte Mokuba, doch Seto schüttelte den Kopf. "Nein, danke", murmelte er, zog ein Bein an und wandte seinen Blick zum Bildschirm. Mokuba runzelte die Stirn, doch dann zuckte er mit den Schultern und widmete sich ebenfalls wieder dem Film. Irgendwie war sein großer Bruder schon seit dem vergangenen Abend, als er in sein Telefonat mit Ryou hineingeplatzt war, total komisch. Na, der kriegt sich schon wieder ein, dachte der Fünfzehnjährige und ließ sich wieder von der Handlung des Films gefangen nehmen.
 

Ungefähr zwanzig Minuten lang saßen die beiden Brüder schweigend im Wohnzimmer und sahen sich gemeinsam den Film an. Erst als der Abspann lief, warf Mokuba wieder einen Blick zu Seto hinüber. "Ich treffe mich nachher übrigens mit Ryuuji, Nii-san", informierte er diesen und Seto drehte seinen Kopf vom Bildschirm weg, um ihn ansehen zu können. "Und was hat das bitteschön mit mir zu tun?", fragte er kühl nach und sein jüngerer Bruder zuckte mit den Schultern.
 

"Nichts. Ich wollte es dir bloß sagen", erwiderte er. Warum er seinem Bruder unbedingt von dem Treffen hatte erzählen wollen, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass er die Hoffnung, Seto möge seine Abneigung gegen ihren zukünftigen Stiefbruder überwinden und sich wenigstens einigermaßen mit Ryuuji zu verstehen versuchen, einfach nicht aufgeben wollte. Es musste doch eine Möglichkeit geben, seinen Bruder davon zu überzeugen, dass Ryuuji nicht so schlimm war wie er dachte.
 

"Ich denke, ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht, otouto." Seto erhob sich aus dem Sessel und machte sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Dort legte er sich wieder in sein Bett, rollte sich auf die Seite und wickelte sich in seine Decke. Aus irgendeinem Grund störte ihn der Gedanke, dass Mokuba scheinbar so unbedingt etwas mit Ryuuji unternehmen wollte, aber warum das so war, wusste Seto nicht zu sagen.
 

oOo
 

"Du bist schon zurück, Ryuuji?", erklang eine verwunderte Stimme aus der Küche, als Ryuuji den Schlüssel in der Wohnungstür drehte und sie aufschloss. "Ja, bin ich, Mum", antwortete der Angesprochene leise, zog seine Schuhe aus und brachte erst noch seinen Rucksack in sein Zimmer, bevor er zu seiner Mutter in die Küche ging. Auf keinen Fall sollte sie erfahren, was er – zumindest eine Zeitlang – auf der Party getragen hatte.
 

"Du siehst nicht so aus, als hättest du dich gut amüsiert. Ist irgendetwas passiert, Ryuuji?", fragte Yukiko ihren Sohn besorgt, als dieser sich abgrundtief seufzend auf einen der Küchenstühle fallen ließ und seinen Kopf auf die Tischplatte legte. "Midori-chan – die, die Geburtstag hatte und mich zu der Party eingeladen hat – hat mich vorhin gefragt, ob ich ne Freundin hab", nuschelte er als Antwort und sah seine Mutter an.
 

"Keine Sorge, Mum. Ich hab ihr nichts erzählt. Ich hab gelogen und behauptet, drüben in den Staaten würde jemand auf mich warten", beschwichtigte er sie gleich und sah, wie sie sichtbar aufatmete. "Das ist zwar nicht wahr, aber so bin ich wenigstens auf der sicheren Seite und mich fragt bestimmt niemand mehr. Ich hab Midori-chan klargemacht, dass ich meiner ›Freundin‹ absolut treu bin", fuhr Ryuuji fort und grinste schief.
 

Yukiko erhob sich von ihrem Platz, trat neben ihren Sohn und strich diesem zärtlich über die schwarzen Haare. "Das tut mir leid für dich. Es muss dir schwer gefallen sein", murmelte sie leise, doch er winkte ab. "Ach was. Ging schon. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie mich ausgerechnet heute danach fragen würde, das ist alles. Immerhin kennt sie mich eigentlich so gut wie gar nicht. Um ein Haar hätte ich was Falsches gesagt, aber ich hab dir ja versprochen, dass ich dir keine Probleme machen werde, solange ich hier bei dir bin", erwiderte er und stand wieder auf.
 

"Ich glaub, ich hau mich jetzt gleich ins Bett, Mum. Ich bin irgendwie tierisch müde." Nach diesen Worten drückte Ryuuji seiner Mutter noch einen Kuss auf die Wange und verschwand dann aus der Küche. Yukiko blieb in der Küchentür stehen und sah ihrem Sohn nach. Irgendetwas war vorgefallen, das spürte sie. Da musste mehr passiert sein als nur das, was er erzählt hatte. Ihr Junge machte einen geradezu niedergeschlagenen Eindruck und das konnte nicht nur an dem Angebot dieses Mädchens liegen. Solche Dinge war er immerhin gewöhnt. Schließlich passierte ihm so etwas öfter. Nein, da musste noch etwas anderes gewesen sein – etwas, worüber er ganz offenbar nicht mit ihr sprechen wollte.
 

Ryuuji, der von den Gedankengängen seiner Mutter nichts ahnte, stattete dem Badezimmer einen kurzen Besuch ab, um den Kajal aus seinem Gesicht zu entfernen. Dann ging er in sein eigenes Zimmer hinüber, schob seine Zimmertür hinter sich zu und pellte sich aus seinen Klamotten. Nur mit einer Pyjamahose bekleidet schlüpfte er in sein Bett, zog sich die Decke bis an die Nasenspitze und machte sich so klein wie möglich, bevor er wie in der Toilette nach dem Tanz seinen Tränen freien Lauf ließ. Dabei biss er sich auf seine Unterlippe, um nur ja nicht zu laut zu schluchzen. Auf keinen Fall wollte er, dass seine Mutter mitbekam, was er hier tat. Er wollte ihr weder Sorgen bereiten noch ihr erzählen, was genau mit ihm los war. Dafür würde sie ganz sicher kein Verständnis haben.
 

Ich sollte das vergessen und am besten nie, nie wieder auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden, was heute passiert ist. Rein logisch betrachtet wusste Ryuuji das ganz genau, aber Gefühle ließen sich nun mal nicht logisch steuern – ebenso wenig wie seine Erinnerung, die ihm immer wieder die blauen Augen seines zukünftigen Stiefbruders, dessen angenehmen Duft oder seine warmen, weichen Lippen zeigte.
 

Verdammt! So fest wie möglich presste Ryuuji seine Lider aufeinander, aber auch das konnte seinen Tränenfluss nicht stoppen. Egal, was er versuchte, es gelang ihm einfach nicht, sich zu beruhigen. Immer und immer wieder spielte sein Gedächtnis den Tanz und den Kuss ab, erinnerte ihn an jedes Detail und machte es ihm beinahe die halbe Nacht lang unmöglich, Schlaf zu finden. Erst gegen vier Uhr morgens schlief er schließlich doch noch vor Erschöpfung ein. Wirklich erholsam war der Schlaf jedoch nicht, denn Setos blaue Augen verfolgten ihn bis in seine Träume und ließen ihn auch dort nicht zur Ruhe kommen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, jetzt ist der Cliffi auch aufgelöst. Und für alle, die sich fragen, wann Seto bemerkt, wen er da geküsst hat: Ich weiß es selbst noch nicht, wann das passieren wird. Derzeit bin ich am Anfang von Kappi 16 (yeah, ich bin kreativ! *__*) und er hat noch keinen Plan.
*muahaha*
Lasst euch also einfach überraschen, ich tu's auch.
XD

Man liest sich!

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  jyorie
2016-09-26T04:33:37+00:00 26.09.2016 06:33
Hey ก็็็็็็็็็็็็็ʕ•͡ᴥ•ʔ ก้้้้้้้้้้้

da sind aber viele von der Party früher nach Hause gegangen.

Was mir an dem Kapitel gut gefallen hat, das Bakura sich gegen Duke etwas geöffnet hat und das er ihn vermutlich besser versteht und lesen kann als Joey. Okay, als Dieb braucht er ein gutes Gespür, aber mir hat das unheimlich gut gefallen, das du Bakura dieses Feingefühl gegeben hast und das Duke es auch merkt. Würde mich für ihn freuen, wenn die Sache mit Joey geklärt ist, das er dann Bakura auch zu seinem Freundeskreis zählen kann.

Oh man, Duke hat sich echt heftig verstellen können, wie er das Geburtstags-Prinzesschen hofiert hat und so scharmant war. Und alles ob wohl es in ihm drinnen ganz anders ausgesehen hat.

Und die Sache mit dem Kuss, hoffe ich das er irgendwann jemand zum Reden hat. Die ganze Nacht wach liegen, Gefühle verstecken und sich nichts anmerken lassen, das man nicht willkommen ist, fühlt sich total beschissen an.

CuCu Jyorie

Antwort von: Karma
26.09.2016 12:15
Hach ja, Bakura. Den zu schreiben macht mir eine Menge Spaß. Aber du wirst ihn später irgendwann noch ordentlich hauen wollen. So reif, wie er manchmal erscheint, so unreif kann er andererseits sein.
*Bakura patta*
*Joey knuddel*
Bakuras Freundschaft und, was noch wichtiger ist, sein Vertrauen zu gewinnen ist verdammt schwer, aber der erste kleine Schritt ist auf jeden Fall schon mal gemacht.

Was das Verstellen bei Duke betrifft: Zum Einen ist er es gewohnt und zum Anderen würde er sich eher die Zunge abbeißen als sich vor irgendwem anmerken zu lassen, wie mies es ihm gerade geht. Ob das dauerhaft klappt ... nun, du wirst es sehen.
:)
Dieses Gefühle nicht zeigen (womit ja auch seine Mutter so ihre Probleme hat) ist der japanische Teil der Erziehung. Sieht man ja auch bei Seto.

*Duke patta*
Keine Sorge, er wird irgendwann darüber reden. Das dauert zwar noch eine Weile, aber für ihn gibt's ja nicht nur Mieses, was ihn noch erwartet. Gut, Drama hab ich auch noch genug in petto, aber ... Nee, ich spoilere nicht. Schön selber lesen.
;)
Von:  Shogikoneko
2008-08-08T08:01:42+00:00 08.08.2008 10:01
also da war mir der tanz eben aber lieber als diese feindseeligkeit jetzt wieder xDDDD ja ich bin halt ein harmonie freak xDDDD
hach ryuji tut mir schon irgendwie leid, nach außen hin ist alles gut, aber im inneren ist er irgendwie kaputt, verdammt solche charas lieb ich auch noch, weil man sie so gut quälen kann xD
mal sehen wie es mit den beiden weiter geht und wann sich seto eingesteht, was er für ryuji fühlt^^ bei dem dickschädel dauert das bestimmt noch xDDDDD
Von:  Aschra
2008-07-21T21:09:49+00:00 21.07.2008 23:09
Ich hab am ende von diesem Kapitel heulen müssen
aber das weißt du ja schon, ich wollt es hier nur
nochmal erwähnt haben!!! Das Kapitel war toll
auch wenn mir Ryuji verdammt leid tut!!!! Naja ich
freu mich schonmal auf das nächste!!!!
Von:  Arina
2008-07-20T12:40:09+00:00 20.07.2008 14:40
Schon am Schreiben der Kapitel 16 und Seto weiß immernoch nix? Wie fies! *gg*

Joah wie immer schreibst du deine Kapiteln richtig toll und es wird ja immer spannender, denn die Gedanken der beiden Jungs sind echt interessant beschrieben.
Ich würde echt gern weiterlesen, wann Seto mal anfängt sich mit Ryuji zu vertragen. ^^

Joah weiter so! *Daumen hoch*

Lg Arina


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