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Brothers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute nur ganz kurz, weil ich nicht viel Zeit hab: Enjoy!

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Heimkehr

Als sein Wecker am nächsten Morgen klingelte, fand Seto seine Vermutung vom Vorabend bestätigt. Wirklich viel Schlaf hatte er tatsächlich nicht gefunden. Fast die halbe Nacht hatte er sich schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt. Mehrmals war er kurz davor gewesen, einfach aufzustehen und nach unten ins Wohnzimmer zu gehen, um noch etwas zu lesen, aber schlussendlich hatte er das doch nicht getan. Immerhin hatte er niemanden aus seiner Familie versehentlich wecken und mit seiner Schlaflosigkeit anstecken wollen.
 

Allerdings hatte es ihn auch nicht die ganze Zeit in seinem Bett gehalten, also war er irgendwann gegen zwei Uhr trotzdem aufgestanden und hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt, um die Unterlagen, die er in der vergangenen Woche für Ryuuji gesammelt hatte, noch mal ordentlich zu sortieren. Und sobald er damit fertig gewesen war, hatte er noch ein paar Notizen eingefügt, die sein Stiefbruder vielleicht benötigen würde. Damit war er gegen drei Uhr fertig gewesen, aber auch danach hatte sich der Schlaf nicht so recht einstellen wollen. Alles in allem hatte Seto vielleicht zwei Stunden geschlafen.
 

Trotzdem war er nicht wirklich müde, denn zeitgleich mit dem Piepsen des Weckers kam auch die Erinnerung, was heute geschehen würde, so dass es Seto nun endgültig nicht mehr in seinem Bett hielt. Hastig schlug er die Decke zurück, verschwand in seinem Badezimmer und erschien fünfzehn Minuten später im Esszimmer, wo, wie an den letzten Tagen, sein Vater und seine Stiefmutter bereits auf Mokuba und ihn warteten.
 

Da er selbst vor dem Herunterkommen nach seinem Bruder gesehen und dessen Bett zu seiner Überraschung leer vorgefunden hatte – die Dusche war deutlich zu hören gewesen, also war offensichtlich, dass Mokuba schon wach war –, hatte er nicht oben auf seinen Bruder gewartet. Aber das war auch gar nicht nötig, wie ein ungewöhnlich wacher und ungemein gut gelaunter Mokuba nur ein paar Minuten später dadurch bewies, dass er voller Schwung ins Esszimmer gesaust kam und seine bereits anwesende Familie mit einem fröhlichen "Guten Morgen zusammen!" begrüßte.
 

Seto erlaubte sich ein minimales Schmunzeln, blieb aber ansonsten schweigsam während des Frühstücks. Und auch in der Limousine auf dem Weg zum Haus der Familie Muto, wo Mokuba sich wie in der letzten Woche absetzen lassen wollte, um gemeinsam mit Yuugi und Ryou zu Fuß zur Schule zu gehen, verlor Seto kein Wort. Er verabschiedete seinen kleinen Bruder nur mit einem knappen Nicken, aber zu seiner Erleichterung war Mokuba in dem Moment, als er Yuugi erblickte, so abgelenkt, dass ihm die Einsilbigkeit seines Bruders nicht auffiel. Er winkte Seto und Yami einfach nur enthusiastisch zu und schleifte Yuugi dann gleich mit zu Ryou – eine Aktion, die Yami beim Einsteigen ein leises Lachen entlockte.
 

"Mein armer kleiner Yuugi kriegt heute bestimmt noch irgendwann einen Herzinfarkt." Jedenfalls wenn er sich selbst weiterhin so verrückt machte mit seinen Sorgen darüber, ob Rebecca und seine beiden besten Freunde einander wohl mögen würden. Damit hatte er am vergangenen Abend sich selbst und auch seinen älteren Bruder schon halb in den Wahnsinn getrieben, so dass Yami beinahe ein bisschen froh darüber war, dass sich jetzt Mokuba und Ryou mit Yuugis Nervosität herumschlagen ›durften‹. Hoffentlich schafften die beiden es, sein Wiesnäschen ein bisschen von alledem abzulenken, denn sonst würde Yuugi sicher spätestens am Nachmittag einfach irgendwann umkippen. Und diese Peinlichkeit würde er sich vor seiner angebeteten Rebecca ganz bestimmt nicht geben wollen.
 

Noch immer mit deutlich sichtbarem Amüsement schwenkte Yami zu seinem besten Freund herum, sobald sein Bruder und Mokuba außer Sichtweite waren. Setos Gesichtsausdruck vertrieb das Amüsement jedoch fast augenblicklich. Zurück blieb ein besorgtes Stirnrunzeln. "Alles in Ordnung mit dir, Seto?", erkundigte Yami sich mitfühlend und der Angesprochene zog eine Grimasse. "Wie man es nimmt." Seto seufzte. "Vater hat mir gestern mitgeteilt, dass Ryuuji heute im Laufe des Tages nach Hause kommt", fasste er dann in Worte, was ihn schon seit dem vergangenen Abend beschäftigte, und Yami begann wieder zu lächeln.
 

"Das ist doch gut", fand er. "So müsst ihr euch endlich nicht mehr fragen, wie es ihm gerade wohl geht." Was, zumindest in seinen Augen, eindeutig ein Vorteil war. Immerhin hatte Seto sich während der gesamten letzten Woche regelrecht selbst damit gefoltert, sich beinahe permanent um Otogi zu sorgen. Da war es doch gut, dass er jetzt endlich damit aufhören und sich mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, wie es seinem Stiefbruder ging. Und wenn Otogi es wirklich brauchen sollte, dann konnte Seto ihm ja vielleicht auch ein bisschen Trost spenden. Immerhin wusste er schließlich aus eigener Erfahrung, was Otogi im Augenblick durchmachte und wie er sich fühlen musste.
 

Allerdings hütete Yami sich wohlweislich, auch nur eine Andeutung in diese Richtung zu machen. Seto hatte ihm von dem Gespräch erzählt, das sein Stiefbruder ihm am Abend vor dem ›Desaster‹, wie Seto es genannt hatte, aufgenötigt hatte. Und er hatte auch durchblicken lassen, dass er es einfach nicht schaffte, zu tun, was Otogi von ihm verlangt hatte. Er konnte einfach nicht vergessen – was, zumindest in Yamis Augen, vollkommen normal und absolut verständlich war. Aber auch das behielt er lieber für sich. Seto war momentan eindeutig nicht in der Stimmung für gute Ratschläge, das war nicht zu übersehen.
 

Seto war sich nicht sicher, ob er Yamis positive Sichtweise des Ganzen wirklich teilte. Ja, ein Teil von ihm wollte nichts mehr als Ryuuji endlich wieder zu Hause zu haben. Aber der andere Teil fragte sich unablässig, wie er sich dem Schwarzhaarigen gegenüber verhalten sollte, wenn dieser erst mal wieder da war. Wahrscheinlich, sinnierte Seto, wäre es das Beste, wenn er wie bisher einigermaßen Abstand wahrte. Aber, fragte er sich unwillkürlich, konnte er das noch in dem Wissen, was derzeit in Ryuuji vorgehen musste? Er wusste es nicht und das war es, was ihn so durcheinander brachte. Konnte er wirklich ohne Hintergedanken für Ryuuji da sein? Wahrscheinlich nicht. Aber er musste es zumindest versuchen. Das war er seiner Familie und auch Ryuuji nach allem, was geschehen war, einfach schuldig.
 

Das Halten der Limousine brachte Setos Gedankenkarussell für einen Augenblick zum Stehen – allerdings nur so lange, bis er gemeinsam mit Yami ausgestiegen war und sein Blick zu der Bank irrte, auf der, wie üblich, Jounouchi und Kinoshita hockten. Der Blondschopf hatte sich zwar in der vergangenen Woche für seine Verhältnisse erstaunlich ruhig verhalten, aber Seto war nicht entgangen, dass es unter der Oberfläche gebrodelt hatte. Auch jetzt schien der ganze Körper des Blonden bei seinem Anblick förmlich unter Strom zu stehen und die braunen Augen, die in seine Richtung sahen, zeigten selbst aus der Entfernung mehr als deutlich, was Jounouchi nur zu gerne mit ihm gemacht hätte. Es war wohl, wie im Verlauf der letzten Woche, auch jetzt nur Kinoshita zu verdanken, dass der Blondschopf nichts von dem, was ihm vorschwebte, auch wirklich umsetzte.
 

Da er selbst allerdings zumindest Kinoshita am Montag zugesichert hatte, dass er Bescheid sagen würde, sobald er wusste, wann Ryuuji zurückkommen würde, straffte Seto sich und machte sich dann auf den Weg zu der Bank, Yami direkt neben sich. Zwei braune Augenpaare blickten ihnen entgegen und Seto, der keine Lust verspürte, das Ganze unnötig auszudehnen, sparte sich den Atem für eine Begrüßung. "Otogi kommt heute im Laufe des Nachmittags wieder nach Hause", ließ er Jounouchi und Kinoshita einfach nur knapp wissen, aber ehe er noch mehr sagen konnte, fiel ihm der Blondschopf auch schon ins Wort.
 

"Wann?", wollte er wissen, die Hände zu Fäusten geballt. Es war nicht zu übersehen, dass er es nur unter Aufbietung aller Willenskraft schaffte, nicht aufzuspringen und seinen brünetten Klassenkameraden zu packen und zu schütteln. Auch Seto entging das nicht, aber er ging nicht darauf ein. "Das weiß ich nicht genau", gab er zurück und Jounouchi entwich ein Knurren. Er murmelte etwas, das verdächtig nach "zu nichts zu gebrauchen" klang, aber Seto tat so, als hätte er nichts gehört. Er war im Moment eindeutig nicht in der Stimmung für einen Streit mit der blonden Pest.
 

Stattdessen beschloss Seto, etwas zu tun, was er unter normalen Umständen definitiv niemals getan hätte. Aber im Moment herrschten einfach keine ›normalen Umstände‹. Aus diesem Grund räusperte er sich kurz, ehe er wieder das Wort ergriff. "Wenn ihr beide heute Nachmittag noch keine anderen Pläne habt, könnt ihr gerne mitkommen und bei uns zu Hause auf Otogi warten", bot er dann an und überraschte damit nicht nur Jounouchi und Kinoshita, sondern auch seinen besten Freund.
 

Yami starrte Seto nach dessen Worten an, als wäre ihm urplötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. Hatte er sich verhört oder hatte Seto gerade wirklich und wahrhaftig ausgerechnet Jounouchi zu sich nach Hause eingeladen? Und nicht nur Jounouchi, sondern auch noch Kinoshita, dem Seto, seinen eigenen Worten zufolge, alles Mögliche und Unmögliche zutraute? Wie oft hatte er den Weißhaarigen schon als ›Kleinkriminellen‹ bezeichnet? Und jetzt wollte er ausgerechnet diese beiden nach der Schule mit zu sich nehmen? Otogi muss ihm wirklich verdammt viel bedeuten, wenn Seto dazu bereit ist, schoss es Yami durch den Kopf, aber er hütete sich, auch nur ein einziges Wort zu sagen.
 

Zu behaupten, das Angebot des Eisklotzes hätte Katsuya überrascht, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Mit offenem Mund starrte er den Brünetten an, der inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt hatte und ihn mit einem derart herablassenden Blick bedachte, dass ihm schon wieder Stacheln wuchsen. Aber, ermahnte Katsuya sich selbst, wenn er nicht riskieren wollte, dass der Eisklotz sein Angebot wieder zurücknahm, sollte er sich wohl besser zusammenreißen.
 

"Gebongt", erklärte er sich daher nach einem kurzen Blickwechsel mit Bakura einverstanden. Er saß sowieso schon die ganze Woche auf heißen Kohlen, weil Ryuuji sich bisher immer noch nicht persönlich bei ihm gemeldet hatte. Wahrscheinlich ging es ihm einfach zu mies dafür. Aber er würde schon dafür sorgen, dass sein bester Freund wieder auf die Beine kam – natürlich erst nachdem er ihm ordentlich den Kopf dafür zurechtgerückt hatte, dass Ryuuji ausgerechnet Kaiba mit so einer Nachricht zu ihm geschickt hatte. Oder vielleicht würde er sich auch erst um ihn kümmern und ihm später den Kopf abreißen für diese bescheuerte Aktion. Katsuya war sich da noch nicht so ganz sicher. Aber das konnte er sich im Laufe des Tages ja noch in Ruhe überlegen.
 

"Gut", war Setos einziger Kommentar dazu, ehe er sich abwandte und in Richtung des Schulgebäudes ging. Er hatte gesagt, was zu sagen gewesen war. Länger musste er sich selbst Jounouchis Gegenwart nun wirklich nicht antun. Jedenfalls noch nicht jetzt. Es reichte schon, dass er den Blonden wohl heute den ganzen Nachmittag würde ertragen müssen. Aber wenn er Ryuuji damit wenigstens ein bisschen helfen konnte, dann waren seine von der blonden Pest geschädigten Nerven ein geringer Preis dafür – und vor allem einer, den er nur zu gerne zu zahlen bereit war.
 

Noch immer etwas überrumpelt von dem Geschehen, dessen Zeuge er gerade geworden war, folgte Yami seinem besten Freund ins Schulgebäude hinein. Dabei blieb er ein paar Schritte hinter ihm und schloss erst kurz vor dem Klassenraum wieder zu ihm auf. Und sobald er Seto eingeholt hatte, stieß er ihm einen Ellbogen in die Seite und schmunzelte, als sein bester Freund ihn halb fragend, halb verärgert ansah. Er sagte jedoch auch jetzt nichts, sondern zwinkerte Seto nur kurz zu und aus seinem Schmunzeln wurde ein Grinsen, als Seto als Antwort auf sein Zwinkern die Augen verdrehte.
 

Wenn man ihn kannte, sinnierte Yami, dann war Seto eigentlich wirklich unheimlich leicht zu durchschauen. Allerdings hätte Yami ohne zu zögern sämtliche Artefakte der Ägypten-Ausstellung, die er in der letzten Woche gemeinsam mit Malik und Ishizu bearbeitet und katalogisiert hatte, darauf verwettet, dass außer ihm niemand jemals auch nur erahnen würde, was der Grund für das ungewöhnliche Verhalten seines besten Freundes war. Aber da das so bleiben sollte, schwieg er auch weiterhin, ließ sich mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen auf seinen Platz fallen und widmete seine Aufmerksamkeit dem Unterricht, dem heute sogar – welch ungewohnte Ehre! – Jounouchi und Kinoshita von Anfang an beiwohnten.
 

Seto hätte seinen besten Freund gerne für sein nur allzu deutlich zur Schau gestelltes Amüsement zurechtgewiesen, aber da außer Yami niemand wusste, was mit ihm los war, unterließ er es und bemühte sich, seine eigene Konzentration auch auf den Unterricht zu lenken, aber das wollte ihm nicht so recht gelingen. Sein Vater hatte gesagt, dass Ryuuji irgendwann am Nachmittag wieder zu Hause sein würde, also war er wahrscheinlich jetzt schon im Flieger und auf dem Heimweg – ein Gedanke, der es Seto sehr schwer machte, ruhig sitzen zu bleiben. Der Unterricht war ihm noch nie zäher und überflüssiger vorgekommen als jetzt gerade. Musste es wirklich noch so elend lange dauern, bis es endlich zum Ende des Schultages klingelte und er wieder nach Hause konnte?
 

oOo
 

Als sein Wecker am Donnerstagmorgen piepste, schreckte Ryuuji viel zu früh nach einer viel zu kurzen Nacht aus wirren Träumen auf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Frisco. Dad. Max. Beisetzung, fiel es ihm gleich darauf wieder ein, aber dieses Mal zogen ihn die Gedanken nicht so sehr herunter wie in den letzten Tagen. Dafür, sinnierte er, während er seine Beine aus dem Bett schwang und sich auf den Weg ins Bad machte, hatte er heute auch gar keine Zeit. Immerhin ging sein Rückflug in knapp vier Stunden und vorher gab es noch einiges zu erledigen.
 

Aus diesem Grund beeilte Ryuuji sich auch damit, sich zu duschen und anzuziehen. Sobald er fertig war, huschte er in die Küche hinüber und bereitete das Frühstück für Max und sich vor. Ein bisschen schade war es ja schon, dass es für eine Weile ihr letztes gemeinsames Frühstück sein würde, aber trotzdem freute ein Teil von ihm sich auch schon darauf, endlich wieder zurück nach Tokio zu kommen und seine Mutter wiederzusehen. Und nicht nur sie.
 

Unwillig vertrieb Ryuuji die Gedanken an Seto, die sich ungebeten eingestellt hatten. Auch wenn zwischen ihnen so viel im Argen lag und sich das wohl auch nicht bessern würde, sein verräterisches Herz vermisste den Brünetten trotzdem. Ryuuji lachte unhörbar über sich selbst. Das ist so bescheuert! Er wusste ganz genau, dass er keine Chancen bei Seto hatte, aber trotzdem konnte er einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken und sich zu wünschen, dass es anders wäre. Mir ist echt nicht mehr zu helfen.
 

Um sich endgültig von diesen nicht besonders hilfreichen Gedanken abzulenken, schaltete Ryuuji schließlich das Radio in der Küche ein, suchte nach einem Oldies-Sender und summte zufrieden mit, sobald er Musik gefunden hatte, die ihm zusagte. Und diese Musik war es auch, die Maximilian irgendwann in die Küche lockte. Lächelnd lehnte er sich in den Türrahmen und beobachtete seinen Patensohn dabei, wie dieser sich um das Frühstück kümmerte. Er hat den gleichen Musikgeschmack wie James, ging es ihm durch den Kopf und sein Lächeln bekam etwas Wehmütiges, das er schnell wieder unterdrückte. Er wollte ganz sicher nicht die letzten Stunden, die Duke hier mit ihm verbringen würde, durch dunkle Gedanken kaputtmachen.
 

"Das sieht köstlich aus", machte Maximilian seinen Patensohn daher auf seine Anwesenheit aufmerksam und als dieser ihm gut gelaunt zuzwinkerte, schob er sämtliche Erinnerungen an James fürs Erste beiseite. Damit konnte er sich auch später noch befassen, wenn der Junge erst mal im Flugzeug und auf dem Heimweg nach Tokio war und er sich selbst auch wieder auf den Weg nach Hause machen würde. Dann hatte er immer noch genug Zeit zum Grübeln.
 

"Das will ich doch hoffen. Ich hab mir extra viel Mühe gegeben." Ryuuji stapelte die Pancakes, die er zubereitet hatte, auf zwei Teller und schob einen davon Max zu. Dann nahm er gemeinsam mit seinem Patenonkel Platz und machte sich daran, die Pancakes zu vernichten. Vor ihm lag ein langer Tag und ein wenig mulmig war ihm schon beim Gedanken an den Heimflug, aber er schob dieses Gefühl in den hintersten Winkel seines Bewusstseins. Damit würde er sich befassen, wenn er erst mal im Flieger saß, vorher nicht. Dafür war ihm die Zeit, die er jetzt noch mit Max hatte, zu wertvoll.
 

Nach dem Frühstück spülte Ryuuji noch eben das Geschirr und Besteck und verstaute alles wieder an Ort und Stelle, während Maximilian sich schon mal um den gemieteten Wagen kümmerte. Gemeinsam hievten die beiden anschließend die Kartons mit den Sachen, die Ryuuji mitnehmen wollte, in den Wagen und verstauten schlussendlich auch noch seinen Koffer bei den Kartons. Sobald das erledigt war, stieg Maximilian schon mal in den Wagen.
 

Ryuuji indessen machte noch einen letzten kurzen Abstecher auf die Terrasse, um sich in aller Ruhe von dem Ausblick zu verabschieden. "Bye, Dad. Bis dann", murmelte er leise, atmete noch einmal tief durch und wandte sich dann endgültig ab, um zu gehen. Der Flug würde zwar dadurch, dass es sich um eine Privatmaschine handelte, definitiv nicht ohne ihn starten, aber er wollte sich trotzdem nicht verspäten. Er hatte mit Gozaburo-san immerhin einen Zeitplan ausgemacht, an den er sich auch zu halten gedachte. Schließlich würde seine Mutter sich sonst nur unnötige Sorgen machen, wenn er nicht zur verabredeten Zeit da sein würde.
 

"Wir können", ließ Ryuuji Max wissen, sobald er auf den Beifahrersitz gerutscht war und sich angeschnallt hatte. Maximilian nickte nur, startete den Wagen und machte sich auf den Weg zum Flughafen. Wie in der Küche lief auch jetzt das Radio und Ryuuji schmunzelte unwillkürlich, als ihm gleich als zweites ›Jailhouse Rock‹ entgegenschallte. "Dad hat sämtliche Platten von Elvis", erinnerte er sich und stellte ein wenig erstaunt fest, dass es jetzt gerade gar nicht wehtat, darüber zu reden.
 

"Allerdings hab ich die nicht mitgenommen." Immerhin hatte sein Vater die Platten in seinem Schlafzimmer aufbewahrt und dieses hatte er selbst in der vergangenen Woche nur ein einziges Mal betreten. Allerdings hatte er sich da nur kurz in dem Raum umgesehen und ihn sich eingeprägt, aber mitgenommen hatte er nichts. Dass Maximilian erst am Vorabend noch heimlich die Fotos, die sein Vater dort an den Wänden und auch auf seinem Nachttisch gehabt hatte, in seinen Koffer gepackt hatte, ahnte Ryuuji noch nicht.
 

"Ich weiß." Auch Maximilian erlaubte sich ein kleines Lächeln. "Er kannte jeden einzelnen Song auswendig", schwelgte nun auch er in Erinnerungen und vom Sitz neben ihm kam ein leises Lachen. "Ja, er hat immer mitgesungen. Nur, dass Dad eine furchtbare Singstimme hatte. Er hat nie auch nur einen einzigen richtigen Ton getroffen." Ryuuji schauderte gespielt. Er selbst hatte seinen Vater mit schöner Regelmäßigkeit damit aufgezogen. Ryuuji lächelte etwas wehmütig. Trotz allem hatte er es geliebt, wenn sein Dad trällernd durchs Haus gelaufen war, denn dann war er meistens einfach nur richtig gut drauf gewesen und sie hatten sich an solchen Tagen eigentlich fast nie gestritten.
 

"Er hat schon früher immer schrecklich schief gesungen, als wir noch in der Schule waren." Maximilian lachte leise. "Es war regelrecht Folter, ihm zuhören zu müssen", schob er noch hinterher und zog eine Grimasse, aber das Amüsement war ihm dennoch deutlich anzusehen. "Du warst schon immer sehr viel musikalischer als dein Vater", wandte er sich an seinen Patensohn und dieser bedachte ihn mit einem warmen Lächeln. "Was nicht zuletzt an dir liegt. Du hast auch mehr Taktgefühl und Talent als Dad auf diesem Gebiet je hatte." Immerhin war es Max gewesen, der ihm in seiner Kindheit das Klavierspielen beigebracht hatte – etwas, wozu ihm zwar oft die Gelegenheit fehlte, was er aber eigentlich immer noch sehr gerne tat.
 

Maximilian, dem ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen, nickte einfach nur, während er den Blinker setzte und der Beschilderung in Richtung Flughafen folgte. "James hat dir immer sehr gerne beim Spielen zugehört." Zwar hatte sein bester Freund selbst keinerlei musikalisches Talent gehabt, aber er war sehr stolz auf seinen Sohn gewesen, das wusste Maximilian. "Und nicht nur er. Deine Mutter und ich auch", fügte er noch hinzu und Ryuuji blickte aus dem Beifahrerfenster.
 

"Ich hab auch immer gerne für euch gespielt", gab er mit einem leisen Seufzen zu, ohne Max anzusehen. Bevor dieser jedoch etwas unternehmen konnte, um dem Stimmungsknick entgegenzuwirken, straffte Ryuuji sich jedoch auch schon und sah seinen Patenonkel doch wieder an. Er würde sich jetzt ganz sicher nicht das letzte bisschen Zeit, das er heute noch mit Max verbringen konnte, selbst durch seine trüben Gedanken verderben.
 

"Dazu hatten wir zwar dieses Mal keine Gelegenheit, aber vielleicht klappt's ja, wenn ich das nächste Mal hier bin", bot er Max daher an und sah deutlich die Erleichterung, die sich bei diesen Worten auf dessen Gesicht abzeichnete. "Das würde mich freuen. Du weißt ja, wo du mich und mein Klavier findest", gab Maximilian zurück und nun war es an Ryuuji zu nicken. Natürlich wusste er, wo er Max finden konnte – genauso wie er wusste, dass Max immer für ihn da sein würde, wenn er ihn brauchen sollte. Das hatte er schließlich in den letzten Tagen wieder mal bewiesen.
 

Das Bremsen des Wagens unterbrach Ryuujis Gedanken. Gemeinsam mit Max stieg er aus, ließ die notwendigen Formalitäten über sich ergehen und beobachte aus dem Augenwinkel, wie sein Gepäck und die Kartons im Flieger verstaut wurden. Sobald das erledigt war, verkniff er sich ein Seufzen. Jetzt ging es also wieder zurück nach Tokio zu all dem, was er am Sonntag dort zurückgelassen hatte. Und dorthin würde Max ihn nicht begleiten. Leider.
 

"Komm gut nach Hause, Duke. Und melde dich, sobald du angekommen bist, in Ordnung?", wandte Maximilian sich an seinen Patensohn und dieser nickte. "Mach ich, Max. Versprochen", gab er sein Wort und machte sich nach einer letzten kurzen Umarmung auf den Weg in den Flieger. Er wollte diesen Abschied weder für Max noch für sich selbst unnötig in die Länge ziehen. Max hatte auch so noch genug zu tun. Und für ihn selbst wurde es auch höchste Zeit, dass er wieder zurück nach Tokio und zu seiner Familie kam.
 

Ryuuji hatte es sich gerade einigermaßen bequem gemacht, als die Maschine bereits auf die Startbahn rollte. Nur wenige Minuten später hob sie auch schon ab und als er San Francisco unter sich immer kleiner werden sah, schloss er mit einem zittrigen Seufzen die Augen und lehnte sich in dem bequemen weißen Ledersitz, in dem er saß, zurück. Es tat weh, dieses Stück Heimat hinter sich zu lassen, weil er ganz genau wusste, dass endgültig nichts mehr sein würde wie vorher, wenn er das nächste Mal herkam. Sein Dad würde ihn nie wieder erwarten. Das Wissen war auch jetzt, vier Tage nach der Beisetzung, immer noch schmerzhaft.
 

Genug davon, rief Ryuuji sich selbst zur Ordnung, hielt seine Augen aber trotzdem geschlossen. Er war am vergangenen Abend – oder vielmehr in der vergangenen Nacht – extra erst sehr spät schlafen gegangen, damit er nicht den ganzen Heimflug wach verbringen musste. Immerhin waren neuneinhalb Stunden ja nun wirklich kein Pappenstiel. Und komplett matschig und unausgeschlafen wollte er definitiv nicht bei seiner Familie ankommen. Seine Mutter sollte immerhin merken, dass es ihm besser ging als am Sonntag. Aber das würde nichts werden, wenn er total zerknittert und übermüdet aussah. Aus diesem Grund rutschte Ryuuji in dem bequemen weißen Ledersessel etwas weiter nach hinten, streckte seine Beine lang aus und seufzte. Ein paar Stunden Schlaf, dachte er müde, würden ihm sicher gut tun.
 

Das gleichmäßige Brummen der Motoren tat ein Übriges dazu, ihn ins Reich der Träume zu ziehen, und als Ryuuji die Augen schließlich wieder aufschlug, sagte ihm ein Blick auf seine Uhr, die er in weiser Voraussicht bereits am Vorabend wieder auf japanische Zeit eingestellt hatte, dass er inzwischen nur noch eine knappe halbe Flugstunde vor sich hatte. Tatsächlich hatte er also fast den ganzen Flug über tief und fest geschlafen. Eindeutig länger, als er geplant gehabt hatte, aber das war ja nicht so schlimm. Jetzt jedenfalls fühlte er sich wach. Er war zwar ein bisschen steif vom langen Sitzen, aber ansonsten ging es ihm gut. Verhalten gähnend reckte Ryuuji sich und setzte sich dann wieder aufrecht hin, um den Rest des Fluges auch noch hinter sich zu bringen.
 

Etwas mehr als eine Stunde später war es endlich so weit, dass er nicht nur endlich wieder festen Boden unter den Füßen, sondern auch die nach der Landung erforderlichen Formalitäten für seine Einreise alle erledigt hatte. Die Kartons, hatte ihm der Pilot versichert, würden, ebenso wie sein Koffer, später abgeholt und direkt zur Villa gebracht werden, so dass er sich darum nicht auch noch kümmern musste. Dafür schulde ich Gozaburo-san eindeutig was, sinnierte Ryuuji und schmunzelte unwillkürlich, als er vor dem Terminal auch schon eine sehr vertraute Gestalt neben der kaibaschen Limousine stehen sah. Ganz offenbar war Isono-san hergeschickt worden, um ihn abzuholen.
 

Da seine Mutter allerdings, wie Ryuuji wusste, um diese Zeit definitiv noch nicht zu Hause sein würde, beschloss er, seinen Plan vom Vortag doch in die Tat umzusetzen. Es war ganz bestimmt nicht verkehrt, wenn er sich endlich persönlich mit Katsuya auseinandersetzte. Dass er dadurch unweigerlich auch Seto in nicht allzu ferner Zukunft wiedersehen würde, hatte, dessen war Ryuuji sich durchaus bewusst, einen nicht unwesentlichen Einfluss auf seine Entscheidung.
 

"Guten Tag, Isono-san. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich erst kurz zur Schule zu fahren und mich da abzusetzen?", wandte er sich an Gozaburo-sans Assistenten und sobald dieser genickt und ihm die Tür der Limousine geöffnet hatte, stieg Ryuuji ein und ließ sich mit klopfendem Herzen in die weichen Polster sinken. Um sich abzulenken, zog er während der Fahrt sein Handy heraus und schrieb Max eine Nachricht, dass er gut angekommen und jetzt auf dem Heimweg war. Von seinem kurzen Abstecher zur Schule erwähnte er allerdings nichts. Er hatte Max zwar in den letzten Tagen ein paar Dinge über Mokuba und auch über Seto erzählt, aber längst nicht alles. Obwohl er sich des Eindrucks nicht hatte erwehren können, dass Max ihn diesbezüglich vielleicht doch durchschaut hatte. Allerdings hatte er nichts dazu gesagt und Ryuuji war ihm dankbar dafür gewesen.
 

Kaum dass er die Nachricht geschrieben und abgeschickt und das Handy wieder eingesteckt hatte, kam der Parkplatz der Schule auch schon in Sicht. Sofort kehrte auch das Herzrasen mit voller Wucht zurück und Ryuuji schüttelte grinsend den Kopf über sich selbst. Ihm war wirklich nicht mehr zu helfen, so viel stand unumstößlich fest. Aber da er Isono-san ja selbst gebeten hatte, ihn hier abzusetzen, konnte er jetzt wohl schlecht noch kneifen. Und das wollte er auch gar nicht, also stieg er aus und schlenderte nach einem kurzen Gespräch mit Isono-san, der ihm versicherte, hier auf ihn und Seto zu warten, zu der Bank auf dem Schulhof, auf der er in den Pausen immer mit Katsuya und Bakura gesessen hatte. Noch war der Schulhof vollkommen leer, aber ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte deutlich, dass es nicht mehr lange so bleiben würde, also machte Ryuuji es sich bequem und wartete.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bis nächsten Sonntag, ihr Lieben!

Freu mich immer, wenn ihr mir was dalasst.

Man liest sich!

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Soichiro
2020-02-09T18:01:05+00:00 09.02.2020 19:01
Erst einmal muss ich was los werden:
Ich bin stolz auf Seto xD
Ich kann mir denken, wie viel Überwindung ihn seine Einladung gekostet hat. Aber ich bin sehr stolz auf ihn, dass er es dennoch getan hat. Und ich bin auch sehr froh, dass Katsuya es einfach angenommen hat ohne irgendeinen blöden Spruch.
Ich muss auch sagen, dass ich zu gern gelesen hätte, wie Ryuuji reagiert hätte, wenn Seto und Katsuya in der Villa gewartet hätten. Aber gut, offensichtlich kommt es ja nun anders :D

Und Yami bringt mich einfach immer wieder zum grinsen.
Seinen Bruder und Seto durchschaut er aber wirklich verdammt gut ;)
Aber ist ja schön, dass Seto jemand an seiner Seite hat, der ihn wirklich versteht.
Und daher sei es ihm auch erlaubt, dass er Seto gern mal ein wenig aufzieht.

Der Abschied von Max ist mir tatsächlich schwer gefallen.
Ich hab ihn total lieb gewonnen, weil er so eine Stütze war :)
Aber gut, ich bin dennoch froh, dass Ryuuji nun wieder Zuhause ist.
Antwort von: Karma
09.02.2020 19:19
*hrrhrrhrr*
Ja, Setos Einladung ... das zu schreiben hat mir eine Menge Spaß gemacht.
*tihihi*
Es war zwar nicht eingeplant, aber es passte so schön, dass ich nicht anders konnte.

Yami mag ich auch sehr gerne.
*hrrhrrhrr*
Und ganz ehrlich, es muss ja wenigstens einen Menschen geben, der hinter Setos Maske blicken kann. Und dafür finde ich Yami persönlich besonders passend. Die Zwei als Freunde mag ich wirklich wahnsinnig gerne.
Außerdem macht es mir auch eine Menge Spaß, Seto mit Yamis Hilfe hin und wieder etwas in Verlegenheit zu bringen.
:D

Ja, an Max hänge ich persönlich auch sehr. Es hat eine Menge Spaß gemacht, ihn zu schreiben. Mal schauen, ob er iiiiirgendwann noch mal einen Auftritt bekommt. Im Moment weiß ich noch nicht, wann ich zum Weiterschreiben komme; ich finde derzeit einfach keine Ruhe dafür. Aber ich hoffe, das bessert sich bald wieder.

Wie's jetzt weitergeht, verrate ich mal noch nicht. Wirst du ja nächsten Sonntag sehen.
;)

Bis dann!

Karma
Von:  night-blue-dragon
2020-02-09T17:47:18+00:00 09.02.2020 18:47
Huhu^^

Es ist schön, dass sich Ryuuji langsam an die schönen Zeiten erinnern kann, ohne den ganz großen Schmerz des Verlustes,
der sich immer noch vorhanden ist, allerdings nicht mehr im Vordergrund steht.
Nach wie vor kann ich mir gut vorstellen, dass Max seinen Patnesohn in Japan besuchen wird.

Wie sehr Seto an seinem Stiefbruder hängt, zeigt dessen Einladung eindeutig. Yami weiß was mit ihm los ist, ich bin echt
gespannt, wie lange du Seto noch leiden lässt - nicht nur ihn.

Ich werde mich also in Geduld üben und brav Kapitel für Kapitel lesen und mitleiden. *nick*

Bis zum nächsten Kapitel

glg night-blue-dragon
Antwort von: Karma
09.02.2020 19:12
*Trostkekse dalass*
Ja, leiden werden die Jungs noch eine Weile. Aber ich muss sagen, dass es mir persönlich auch gut getan hat, wieder ein bisschen was Positiveres zu schreiben.
:)

Die Szene mit der Einladung für Katsuya und Bakura war übrigens auch mal wieder nicht geplant. Meine Jungs machen, was sie wollen. Und ich find's gut.
^___^

Was sich mit Max noch ergeben wird ... We'll see. Da ich so weit noch nicht bin, kann ich dazu auch noch nichts sagen.

Ich hoffe, es gefällt dir auch weiterhin.
;)

Bis zum nächsten Mal!

Karma


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