Brothers von Karma ================================================================================ Kapitel 28: Somewhere over the rainbow -------------------------------------- Wie lange es dauerte, bis seine Sicht sich endlich wieder klärte, hätte Ryuuji nicht zu sagen gewusst. Dem veränderten Sonnenstand nach zu urteilen musste auf jeden Fall deutlich mehr als eine Stunde vergangen sein. So langsam begann der Strand, sich zu füllen. Nachbarn, die Ryuuji schon fast sein halbes Leben lang kannte, joggten ihre Morgenrunde, führten ihre Hunde aus oder gönnten sich ein erstes Bad in den Wellen. Ihn beachtete jedoch niemand und er war ungemein froh darüber. Er wollte jetzt nicht reden müssen. Und er wollte vor allem niemandem erklären, warum er jetzt hier war, obwohl er, wie die meisten Nachbarn seit langem wussten, diese Zeit des Jahres doch sonst immer in Japan bei seiner Mutter verbrachte. Einen Augenblick lang blieb Ryuuji noch sitzen, dann raffte er sich mit einem Ächzen auf, brachte seinen Teller zurück in die Küche und stellte die verbliebenen Sandwiches dort in den Kühlschrank. Die angefangene Wasserflasche nahm er mit in sein Zimmer, vermied auf dem Weg dorthin jedoch jeglichen Blick zu dem Schlafzimmer seines Vaters. Er war längst noch nicht über den Berg, das wusste er, und wenn er jetzt zu viel nachdachte, dann würde er nur wieder anfangen zu heulen. Aber das wollte er nicht. Er fühlte sich auch so schon grauenhaft genug. Die Kopfschmerzen, die ein weiterer Heulkrampf unweigerlich mit sich bringen würde, konnte er definitiv nicht gebrauchen. Ryuuji stellte die Wasserflasche auf seinem Nachttisch ab und dachte kurz darüber nach, seinen Koffer auszupacken, entschied sich jedoch dagegen. Er hatte doch noch genügend Klamotten in seinem Schrank. Warum er überhaupt einen Koffer gepackt hatte, wusste er eigentlich gar nicht mehr so genau. Wahrscheinlich hatte er es einfach nur getan, weil es ihm eine Beschäftigung geboten und ihn von seinen Gedanken abgelenkt hatte. Das war jedenfalls die einzig logische Erklärung. Das ist doch bescheuert, bescheinigte Ryuuji sich selbst und vertrieb mit einem Kopfschütteln diese Gedanken. Anstatt über so einen Blödsinn nachzugrübeln, sollte er lieber anfangen, das zusammenzupacken, was er aus dem Haus mit zurück nach Japan nehmen würde. Immerhin wusste er nicht, ob er überhaupt noch mal hierher zurückkehren würde. Sicher, rein logisch betrachtet war ihm klar, dass das Haus jetzt sein Haus war, aber auch das war etwas, womit er sich noch nicht näher befassen wollte. Dafür war alles einfach noch zu frisch, tat noch zu sehr weh. Wie konnte er das hier als sein Eigentum ansehen, wenn es doch bis vor wenigen Tagen noch seinem Vater gehört hatte? Um wirklich nicht weiter darüber nachzudenken, machte Ryuuji sich auf den Weg auf den Dachboden, wo, wie er wusste, sein Vater schon seit Jahren ein paar Umzugskartons aufbewahrte. Die Kartons waren vom langen Lagern etwas verstaubt, aber das war ja wirklich das geringste Problem. Ryuuji entstaubte sie, schleppte sie nach unten und begann dann erst mal in seinem eigenen Zimmer damit, auszusortieren, was er behalten wollte und was nicht. Danach machte er im Wohnzimmer weiter. Dabei zwang er sich, nicht über das nachzudenken, was er tat. Wenn er sich klarmachte, dass er gerade dabei war, sein gemeinsames Leben mit seinem Vater in Kisten zu verstauen, dann wurde ihm übel, also verdrängte er dieses Wissen fürs Erste. Um kurz vor halb eins gönnte Ryuuji sich eine kleine Pause und zwei weitere Sandwiches, ehe er überlegte, ob er aus der Küche auch etwas mitnehmen musste. Das wurde jedoch mit einem Kopfschütteln abgetan. Stattdessen schnappte er sich den nächsten leeren Karton, um ihn zu füllen, hielt jedoch vor dem Schlafzimmer seines Vaters inne. Konnte er wirklich da hineingehen und anfangen, die Dinge, die seinem Dad gehört hatten, einfach in einen Karton zu stopfen? Ryuuji schluckte hart und kniff seine Augen fest zusammen, bis das Brennen nachließ. Seine Hand, die schon auf der Türklinke lag, zitterte sichtbar und er zog sie eilig wieder zurück. Nein, er konnte da jetzt nicht reingehen. Auf gar keinen Fall. Er konnte jetzt nicht so abgeklärt tun und die Sachen seines Vaters durchwühlen. Allein der Gedanke daran fühlte sich schon an wie ein unglaublicher Vertrauensbruch. Später. Dafür ist auch später noch Zeit, gewährte Ryuuji sich selbst einen Aufschub, stellte den Karton vor der Schlafzimmertür ab und trat nach kurzem Zögern zur Garderobe. Es kostete ihn einiges an Überwindung, die Lederjacke seines Vaters vom Haken zu nehmen. Das Leder fühlte sich genauso abgetragen und abgewetzt an, wie es aussah, und wieder schossen Ryuuji Tränen in die Augen. Er kämpfte einen Moment lang mit sich, dann gab er auf, ließ sich an der Flurwand hinabrutschen und presste die Jacke an sich. Dann heulte er eben schon wieder. Na und? Es war ja – zum Glück! – niemand da, der ihn so sehen konnte. Wie lange er so auf dem Holzboden gehockt und die Lederjacke förmlich umarmt hatte, hätte Ryuuji hinterher nicht zu sagen gewusst. Irgendwann wischte er sich jedoch entschieden über die Augen, rappelte sich wieder auf und nahm die Jacke kurzentschlossen mit in sein Zimmer. Auch wenn er sonst nicht wusste, ob er überhaupt etwas von seinem Vater mit zurück nach Japan nehmen würde, die Lederjacke würde er auf jeden Fall einpacken, so viel stand jetzt schon unumstößlich fest. Sie war eines der Lieblingsstücke seines Vaters gewesen und sie hier zurückzulassen brachte er einfach nicht über sich. Es war, stellte Ryuuji bei der Rückkehr in sein Zimmer fest, eindeutig ein merkwürdiges Gefühl, seinen fast leeren Kleiderschrank anzusehen. Auch die Wände seines Zimmers wirkten ohne die ganzen Fotos, die dort gehangen hatten, seltsam leer. Aber da er diese Fotos und auch seine Klamotten auf jeden Fall mitzunehmen gedachte, hatte er den Großteil bereits eingepackt. Nur einige Sachen wie zum Beispiel den schwarzen Anzug, den er am nächsten Tag definitiv brauchen würde, hatte er fürs Erste noch hängen gelassen. Je länger er hier so räumte, desto mehr hatte er mit den Erinnerungen zu kämpfen, die er mit diesem Haus verband. Er hatte so lange hier gewohnt, hatte so viel Zeit hier verbracht. Es war einfach zu viel. Mit einem abgrundtiefen Seufzen schlurfte Ryuuji förmlich ins Bad, öffnete den Arzneischrank und suchte darin herum, bis er das Aspirin gefunden hatte, das sein Dad hier immer aufbewahrte. Ihm dröhnte der Schädel und er war völlig erschöpft, aber wenn er sich jetzt einfach hinlegte, dann würden seine Kopfschmerzen beim Aufwachen nur noch schlimmer sein, das wusste er aus Erfahrung. Aus diesem Grund nahm er zwei der Tabletten aus der kleinen Flasche, spülte sie mit etwas Wasser hinunter und warf dann seinem Spiegelbild, das ihn mit einer Mischung aus Erschöpfung und Skepsis ansah, ein kurzes Grinsen zu, das allerdings nicht so recht auf seinen Lippen bleiben wollte. Danach machte er sich auf den Rückweg in sein Zimmer, schob noch eben die Lederjacke, die auf seinem Bett lag, ein Stück zur Seite, und ließ sich dann einfach fallen. Er wollte jetzt einfach nur ein bisschen schlafen und zumindest für ein paar Stunden an nichts mehr denken müssen. Und kaum dass er seine Augen geschlossen und die Decke halb über sich gezogen hatte, forderten die vergangenen Stunden auch schon ihren Tribut. oOo Als er ein paar Stunden später wach wurde, wusste Ryuuji im ersten Augenblick nicht, wo er war. In dem Moment jedoch, als er die Augen aufschlug und sein Blick direkt auf die Lederjacke seines Vaters fiel, die neben ihm lag, kehrte die Erinnerung mit einem Schlag zurück. "Scheiße!", fluchte Ryuuji nicht gerade leise und setze sich so hastig auf, dass ihm einen Augenblick lang schwindelig wurde. Zum Glück hatten die Tabletten gewirkt und so hatte er wenigstens keine allzu heftigen Kopfschmerzen. Wirklich gut ging es ihm zwar trotzdem nicht, aber, dachte er bei sich, das war wohl auch nicht zu erwarten gewesen. Immerhin konnten ein paar Stunden Schlaf an der Realität ja nun mal nichts ändern. Leider. Ryuuji warf einen Blick auf den Wecker auf seinem Nachttisch und stutzte. 22:19 blinkte ihm entgegen und er widerstand mühsam dem Drang, sich zu kneifen. Hatte er wirklich so lange geschlafen? So kam es ihm gar nicht vor. Ein weiterer Blick, dieses Mal aus dem Fenster nach draußen, machte ihm jedoch klar, dass es tatsächlich so war. Die Sonne war längst hinter dem Horizont verschwunden und auch wenn es aufgrund der unzähligen Sterne, die hier über dem Ozean den Nachthimmel zierten, nicht wirklich stockdunkel war, so war doch deutlich ersichtlich, dass der Tag bereits zu Ende gegangen war. Nur noch ein paar Stunden bis zur Beerdigung. Der Gedanke stellte sich ungebeten ein und Ryuuji schüttelte den Kopf, um ihn gleich wieder loszuwerden. Darüber wollte er jetzt im Moment nun wirklich noch nicht nachdenken. Es reichte voll und ganz, wenn er sich am nächsten Morgen darüber den Kopf zerbrach, wie es danach weitergehen sollte. Eigentlich, sinnierte Ryuuji, sollte er sich am besten wieder hinlegen und weiterschlafen, aber das konnte er jetzt nicht mehr. Dafür war er viel zu wach. Wenn er sich jetzt direkt wieder hinlegte, dann würde er stundenlang einfach nur grübelnd an die Decke starren, das wusste er ganz genau. Und das half ihm in keinster Weise weiter. Abgrundtief seufzend – etwas, was er in den vergangenen Stunden eindeutig viel zu oft getan hatte – schälte Ryuuji sich aus dem Bett, zögerte kurz und ging dann erst mal hinüber ins Bad. Was er jetzt brauchte, war eine erfrischende Dusche, um wieder ganz klar zu werden. Danach konnte er immer noch überlegen, was er mit dem Rest des Abends anfangen sollte, wenn er schon nicht mehr schlafen konnte. Zu sichten und zu räumen gab es auf jeden Fall noch genug. Ein ganzes Leben, sinnierte er, während er unter der Dusche stand und sich von dem angenehm temperierten Wasser berieseln ließ, verpackte man nun mal nicht in einem halben Tag. Unwillig, diesen Gedanken noch mehr Raum zu geben, drehte Ryuuji das Wasser schließlich wieder ab, schnappte sich ein Handtuch und rubbelte sich halbwegs trocken. Dann schlang er sich das Handtuch um die Hüfte und tapste so zurück in sein Zimmer. Es war ja ohnehin niemand hier, der ihn so sehen konnte. Und außerdem machte er es sonst schließlich auch so, wenn er zu Hause in Frisco war. So ein kleines bisschen Normalität in all dem Chaos tat ganz gut. Mit äußerster Vorsicht hob Ryuuji die Lederjacke auf und legte sie beiseite, ehe er sich auf sein Bett setzte. Ihm stand jetzt, wo er wieder so richtig wach war, ganz und gar nicht der Sinn danach, weiter Kartons zu packen. Er brauchte Ablenkung, denn so langsam drohte ihm die Decke auf den Kopf zu fallen. Nicht wirklich darüber nachdenkend, was er tat, zog Ryuuji die Schublade seines Nachtschranks auf. Was er genau damit bezweckt hatte, war ihm selbst nicht so ganz klar, aber als sein Blick auf ein kleines, unscheinbares Stück Plastik fiel, das er dort schon seit etwas mehr als einem Jahr versteckte, legte sich unwillkürlich ein Grinsen auf seine Lippen. Das ist eigentlich die Idee. Ryuuji zog den Führerschein heraus, warf einen Blick auf das aufgedruckte Geburtsdatum und sein Grinsen wuchs noch ein Stück in die Breite. Laut diesem Führerschein, den er gerade in den Händen hielt, war er nicht erst siebzehn, sondern bereits über einundzwanzig – alt genug also, um auszugehen und nicht bei der ersten Kontrolle gleich mit Polizeieskorte wieder nach Hause gebracht zu werden. Natürlich war der Führerschein nicht echt – seinen echten Führerschein bewahrte er immer in seinem Portemonnaie auf –, aber dieses kleine Stück Plastik hatte ihm schon im letzten Jahr das ein oder andere Mal dabei geholfen, sich abends und hin und wieder auch nachts ungestört zu amüsieren. Selbstverständlich hatte sein Vater nicht den leisesten Hauch einer Ahnung davon gehabt, dass er so etwas überhaupt besaß, denn sonst, das wusste Ryuuji, hätte es nur noch mehr Streit gegeben. Aber das war etwas, worüber er jetzt lieber nicht weiter nachgrübeln wollte. Mit dem Führerschein in der Hand und noch immer nur mit dem Handtuch um die Hüfte ging Ryuuji ins Wohnzimmer, schnappte sich das Telefon und tippte auswendig eine Nummer ein, die er fast so gut kannte wie die seines besten Freundes Katsuya. Alle Gedanken an den Blondschopf verdrängend grinste Ryuuji leicht, als nach einer gefühlten Ewigkeit am anderen Ende der Leitung doch endlich mal abgehoben wurde. "Wer nervt um diese Uhrzeit?", wurde ihm nicht sehr freundlich entgegengebrummt, doch daran störte er sich ganz und gar nicht. "Ich bin's. R– Duke", korrigierte er sich gerade noch rechtzeitig. Immerhin nutzte er hier in den Staaten nicht seinen japanischen Namen, denn den konnte ohnehin kaum jemand richtig aussprechen. "Schon was vor heute Abend, Ali? Falls nicht, wie wär's mit einem Trip ins ›Rainbow‹?" Das war ganz genau das, was er jetzt brauchte. Einfach ein bisschen rauskommen, gute Musik und Ablenkung in Form des Rotschopfs, mit dem er gerade telefonierte, und dessen Freundes. "Ich bin für ein paar Tage wieder im Lande", warum dem so war, ließ er jedoch ungesagt; das gehörte jetzt ganz sicher nicht hierher, "und könnte heute Abend ein bisschen Spaß ganz gut gebrauchen." Ryuuji schmunzelte, als Alister gleich hektisch zustimmte. "Holt ihr mich ab? Ich muss mich bloß noch kurz anziehen, dann bin ich soweit. Fünfzehn, zwanzig Minuten vielleicht, länger brauche ich auf keinen Fall." "Klar, machen wir", versprach Alister und Ryuuji lachte, als er hörte, wie der Rotschopf seinen Freund anstieß. "Los, hopp, anziehen, Valon. Wir gehen aus. Und wir holen Duke noch eben ab", knallte er seinem Freund die kurzfristig geänderte Abendplanung um die Ohren. Undeutliches Murren drang an Ryuujis Ohren, aber das ignorierte er. Valon moserte immer erst mal rum, wenn er abends noch zum Ausgehen genötigt wurde, obwohl er es sich eigentlich schon auf der Couch bequem gemacht hatte, aber bisher war er immer auf seine Kosten gekommen, wenn sie gemeinsam feiern gewesen waren. Und, dessen war Ryuuji sich sicher, das würde heute nicht anders sein. Immerhin war Alister, wenn er erst mal eine Weile getanzt hatte, immer ganz besonders aufgeputscht – und auch ganz besonders rollig auf seinen Freund. "Jetzt stell dich mal nicht so an, Valon", wandte Ryuuji sich daher etwas lauter an Alisters Freund und lachte auf, als dieser ihm nur ein "Ach, fick dich doch, Duke!" entgegengrollte. Er wusste ganz genau, dass die Worte keinesfalls so böse gemeint waren, wie sie klangen. Dafür war in Valons Stimme unterschwellig schon viel zu deutlich die Vorfreude darauf zu hören, dass er seinem Freund in Kürze beim Tanzen zusehen konnte. Er hatte zwar selbst zwei linke Füße und tanzte daher eigentlich nie mit Alister – jedenfalls nicht nüchtern und ganz bestimmt nicht in der Öffentlichkeit –, aber das bedeutete ja nicht, dass er den Anblick nicht trotzdem genoss. "Single Action ist eigentlich nicht das, was mir für heute Abend vorschwebt, Valon." Ryuuji schmunzelte noch immer, auch als Alister sich schon mit der Versicherung verabschiedet hatte, dass sein Freund und er sich beeilen würden. Amüsiert legte Ryuuji das Telefon beiseite und ging zurück in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Die veranschlagten zwanzig Minuten würden die beiden zwar wahrscheinlich wie üblich nicht einhalten können, aber das hieß ja nicht, dass er selbst auch rumtrödeln musste. Vor seinem inzwischen so gut wie leergeräumten Kleiderschrank musste Ryuuji nicht lange überlegen, was er anziehen wollte. Eine schwarze Jeans und ein ebenso schwarzes, mehr als nur ein bisschen eng anliegendes Shirt waren schnell rausgekramt und ebenso schnell übergezogen. Da er noch etwas Zeit hatte, überlegte Ryuuji für einen Moment, ob er sich die Nägel noch schwarz lackieren sollte, aber schlussendlich entschied er sich dagegen. Er hatte keine Lust, morgen früh erst noch den Nagellack wieder zu entfernen, bevor er sich dem stellte, was der morgige Nachmittag für ihn in petto hatte. Also nur Kajal. Der Entschluss war schnell gefasst und ebenso schnell umgesetzt. Routiniert zog Ryuuji seinen üblichen Kajalstrich im Bad, schlüpfte in seine Schuhe und überlegte einen Moment, verzichtete dann jedoch auf seine Lederjacke. In Frisco war es auch in den Wintermonaten abends nicht sonderlich kalt, also würde er die Jacke wohl kaum brauchen – vor allem nicht im ›Rainbow‹. Nein, da wäre das gute Stück nur im Weg. Ehe er es vergessen konnte, kramte Ryuuji noch schnell seinen echten Führerschein aus seinem Portemonnaie, legte diesen auf seinen Nachttisch und steckte den gefälschten Führerschein ein. Heute Abend würde er sich ordentlich von dem Chaos ablenken, aus dem sein Leben im Moment bestand. Pünktlich zwanzig Minuten nach seinem Telefonat mit Alister zog Ryuuji die Haustür hinter sich zu, um draußen auf seine beiden Freunde zu warten. Und wie er beinahe geahnt hatte, musste er sich tatsächlich noch fast zehn Minuten gedulden, ehe er Valons altersschwaches Auto die Straße heraufächzen sah. Der Anblick war so vertraut, dass sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen festsetzte – ein Grinsen, das gleich noch breiter wurde, als der Wagen neben ihm anhielt und Alister seinen Kopf aus dem Beifahrerfenster streckte. "Fast pünktlich!", kommentierte der Rotschopf die Verspätung und Ryuuji konnte nicht anders: er musste lachen. "Für eure Verhältnisse sogar fast überpünktlich", scherzte er, öffnete die hintere Autotür und ließ sich auf die Rückbank fallen. Dann erst nahm er sich die Zeit, seine beiden Freunde ausgiebig zu mustern. Valon trug wie meistens eine ausgebleichte Bluejeans und ein einfaches weißes Shirt, aber Alister hatte sich offensichtlich etwas mehr in Schale geworfen. Seine langen Beine steckten in einer weinroten Lederhose, die beinahe die gleiche Farbe hatte wie seine Haare, und das schwarze Shirt, das er dazu trug, war wie üblich bauchfrei – eine Marotte, die Alister schon an den Tag legte, solange Ryuuji ihn kannte. "Siehst du, hab ich dir doch gesagt", wandte Alister sich an seinen Freund und streckte diesem die Zunge heraus, was Valon nur mit einem Augenverdrehen quittierte. "Können wir dann?", fragte er in die Runde, absichtlich nicht auf Alisters Provokation eingehend. "Von mir aus gerne", beantwortete Ryuuji die Frage und sobald Valon losgefahren war, hängte er sich von hinten zwischen den Fahrersitz und den Beifahrersitz. Er fühlte sich jetzt schon ein kleines bisschen besser. Und der Abend, der vor ihm lag, würde seine Stimmung ganz sicher noch weiter heben, das wusste er. Das schaffte ein Abend im ›Rainbow‹ bei ihm schließlich immer. Die knapp zehnminütige Fahrt verging unter ein wenig Herumalbern recht schnell. Und kaum dass Ryuuji die Neonreklame des Clubs, in den zu gehen er Valon und Alister überredet hatte, vor sich sah, entspannte er sich gleich noch ein bisschen mehr. Im ›Rainbow‹ musste er sich nicht verstellen. Er musste nicht über seine Eltern, die Schule, seine absolut unangebrachten Gefühle oder sonst irgendetwas nachdenken. Einen Abend lang konnte er hier einfach nur er selbst sein, konnte tanzen und sich amüsieren. Und das war genau das, was er heute brauchte. "Wie kommt's eigentlich, dass du schon wieder da bist, Duke?", erkundigte Valon sich auf dem Weg zum Eingang. Auch Alister blickte unübersehbar interessiert drein, aber Ryuuji verbot sich selbst, sich von dieser Frage die Stimmung verderben zu lassen. Darüber, was er darauf antworten sollte, falls er gefragt werden würde, hatte er sich immerhin schon während des Anziehens Gedanken gemacht. "Familienkram", erklärte er daher einfach nur, winkte jedoch gleich ab, um weiteren Nachfragen zuvorzukommen. "Ist aber nicht so wichtig." Zumindest war es das für den Moment nicht. "Jetzt gerade bin ich einfach nur hier, um ein bisschen Spaß zu haben", schob er deshalb noch hinterher, hielt einem der Türsteher seinen Führerschein unter die Nase und verkniff sich mühsam ein triumphierendes Grinsen, als er auch dieses Mal einfach nur ins Innere des Clubs gewunken wurde. Wie bereits die letzten Male, wenn er hergekommen war, fiel auch jetzt nicht auf, dass er deutlich jünger war als auf dem Führerschein angegeben. Aber das war ihm auch nur recht so. Valon und Alister wussten zwar, dass er eigentlich noch nicht volljährig war und somit eigentlich gar nicht ins ›Rainbow‹ hätte eingelassen werden dürfen – immerhin hatte er den gefälschten Führerschein ja überhaupt erst einem von Valons ›Bekannten‹ zu verdanken –, aber es war ihnen glücklicherweise egal. Beim ersten und auch noch beim zweiten Mal, als sie gemeinsam hergekommen waren, hatte Valon zwar noch mit Argusaugen über ihn gewacht und vor allem dafür gesorgt, dass er keinen Alkohol trank, aber im Laufe der Zeit, die sie sich inzwischen kannten, hatte er sich zum Glück entspannt und mittlerweile achtete er zwar immer noch darauf, dass Ryuuji sich nie komplett abschoss, aber den einen oder anderen alkoholischen Drink vermieste er ihm nicht mehr. Allerdings, sinnierte Ryuuji, war er heute keinesfalls hergekommen, um sich zu betrinken. Er wollte einfach nur einen Abend unter Gleichgesinnten verbringen, tanzen und etwas Spaß auf Vorrat haben, denn in der nächsten Zeit, dessen war er sich ziemlich sicher, würde Spaß bei ihm wohl eher Mangelware werden. Immerhin würde ihn in Japan wohl kaum irgendjemand vergessen lassen, was passiert war. Aus diesem Grund erzählte er Valon und Alister auch nicht den wahren Grund seines Hierseins. Und wirklich belogen, beruhigte er sein schlechtes Gewissen direkt, hatte er sie ja auch nicht. Immerhin war er ja tatsächlich aus familiären Gründen hier. Dass diese Gründe eigentlich viel zu schwerwiegend waren, um sich jetzt in einem sehr bekannten, sehr schrillen und auch um diese Uhrzeit – es war inzwischen schon kurz vor zwölf – sehr vollen Gay Club zu amüsieren, ging außer ihm selbst schließlich niemanden etwas an. "Okay, ich organisiere die Drinks und ihr Zwei geht schon mal ne Runde tanzen", riss Valon ihn aus seinen Gedanken und Ryuuji grinste unwillkürlich. Auf diese Art von ›Arbeitsteilung‹, wenn man das denn so nennen konnte, liefen ihre Abende im ›Rainbow‹ meistens hinaus. Valon hasste es, wenn sein Freund alleine auf der Tanzfläche war, weil Alister meistens nun mal einfach zum Anbeißen aussah und auch sehr schnell eine Menge Fans hatte, wenn er tanzte. Aber bei Ryuuji, den er nur als Duke kannte, wusste er, dass er sich keine Sorgen machen musste, wenn der Schwarzhaarige mit seinem Freund tanzte. Dabei war es auch völlig egal, wie eng die beiden beim Tanzen aneinander klebten. Er, sinnierte der Brünette auf dem Weg zur Bar, war der Glückspilz, der das Spektakel genießen durfte, zwei heißen Typen beim Tanzen zuzusehen, von denen er einen später in seinem Bett haben würde. Gab es etwas Besseres als das? Falls ja, dann wusste er nicht, was das sein sollte. "Bis später!" Alister winkte seinem Freund noch kurz nach und im nächsten Moment fand Ryuuji sich auch schon durch die Menge der Feiernden mitten auf die Tanzfläche geschleift wieder. Aber das störte ihn kein bisschen. Ganz im Gegenteil. Genau deshalb hatte er ja bei Alister angerufen. Das war ganz genau das, was er jetzt brauchte, also schlang er einen Arm um Alisters Hüfte und zog ihn so näher zu sich. Wie sonst auch fanden die Arme des Rotschopfs direkt ihren Weg in seinen Nacken und er kam ihm so gleich noch ein ganzes Stück näher. Ryuuji grinste, ehe er damit begann, sich von den harten Bässen mitreißen zu lassen. Wer nicht wusste, dass sie beide einfach nur miteinander befreundet waren und sonst nichts, würde allein von der Art, wie Alister sich beim Tanzen an ihm rieb, eindeutig auf etwas anderes schließen. Und Valon, das wusste er ganz genau, würde, während er sie beide beobachtete, eine Menge sehr, sehr schmutziger Gedanken haben. Aber genau deshalb war er jetzt ja auch hier. Und er konnte nicht leugnen, dass es verdammt gut tat, sich einfach nur in die Musik fallen zu lassen und an nichts mehr zu denken. Vier Songs hielten die beiden auf der Tanzfläche durch, doch dann deutete Alister an, dass er kurz vor dem Austrocknen stand. Wirklich unterhalten konnte man sich hier mitten in der Menge aufgrund der Lautstärke nicht, aber Ryuuji verstand die Gesten des Rotschopfs auch so, also nickte er nur, ehe er Alisters Arme von seinem Nacken löste und diesen dann, beide Hände in die hinteren Taschen von Alisters Lederhose geschoben, vor sich her von der Tanzfläche dirigierte. Alister, der bereits nach seinem Freund Ausschau gehalten hatte, erblickte diesen in ihrer üblichen Nische und machte den hinter ihm gehenden Schwarzhaarigen wild gestikulierend darauf aufmerksam. Ein bisschen die Richtung anpassend, in die Alister und er die Tanzfläche verließen, schob Ryuuji seinen rothaarigen Freund weiter vor sich her, kämpfte sich gemeinsam mit diesem zu dem Tisch durch, den Valon für sie organisiert hatte, und ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen auf die bequeme, mit rotem Samt bespannte Couch fallen, die locker breit genug war, dass sie alle Drei nebeneinander Platz gehabt hätten. Allerdings nutzte Alister nicht den freien Platz, sondern hockte sich stattdessen ganz unverfroren auf den Schoß seines Freundes und bedachte diesen mit einem lasziven Lächeln. "Na, hat dir die Show gefallen?", raunte er ihm laut genug zu, dass auch Ryuuji die Worte noch hören konnte, und dieser grinste breit. Er kannte das schon, daher störte er sich auch in keinster Weise daran, dass Valon, anstatt verbal zu antworten, Alister einfach nur in einen gierigen Kuss verwickelte. Um den beiden wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu gönnen, nahm Ryuuji das Glas, das Valon für ihn organisiert hatte, und gönnte sich einen tiefen Schluck von einem der wirklich exzellenten Rumcocktails, für die das ›Rainbow‹ gleichermaßen berühmt wie berüchtigt war. Scheinbar war Valon der Meinung gewesen, dass ein Einstiegsdrink nicht schaden konnte, aber Ryuuji hielt sich trotzdem zurück. Er wollte definitiv am kommenden Nachmittag nicht komplett verkatert sein, also kämpfte er den Drang nieder, das Glas in drei langen Zügen zu leeren und sich direkt Nachschub zu holen. Da Alister nicht den Eindruck machte, dass er sich so bald wieder von seinem Freund lösen würde, schob Ryuuji nach einer Weile sein inzwischen nur noch halb volles Glas zu den anderen beiden Gläsern, die noch immer unangetastet auf dem Tisch standen. Wenn Alister jetzt nicht weitertanzen wollte, hieß das ja nicht zwangsläufig, dass er auch hier sitzen bleiben und auf ihn warten musste. Tanzen konnte er notfalls auch alleine. Alles kein Problem. Ryuuji wartete noch ein paar Minuten. Als jedoch einer der Songs gespielt wurde, zu denen er sonst auch fast immer tanzte, zog er sich am Tisch hoch und machte sich mit Schwung auf den Weg zurück auf die Tanzfläche. Die Tatsache, dass er jetzt alleine war, tat seiner Wirkung keinen Abbruch, das wusste er genau. Und er genoss es. Er genoss die teilweise recht eindeutigen Blicke, die ihm zugeworfen wurden, als er sich wieder zur Musik zu bewegen begann. Tanzen, flirten – das gehörte hier im ›Rainbow‹ einfach untrennbar zusammen. Zumindest für ihn. Und es tat verdammt gut. Hier fragte ihn niemand, ob mit ihm alles in Ordnung war, ob es ihm gut ging und ob er reden wollte. Nein, hier interessierte nur, wie er aussah und ob und wie er sich zu bewegen wusste. Und genau das brauchte er jetzt gerade: die Gewissheit, dass er immer noch er selbst war und dass er auch immer noch die gleiche Wirkung hatte wie vor allem, was passiert war. Nach dem zweiten Song schlang sich urplötzlich ein Paar Arme von hinten um seine Hüfte und Ryuuji grinste, als Alister gleich darauf mit einer geschmeidigen Bewegung vor ihn rutschte, ohne ihn loszulassen. "Das kann man ja nicht mitansehen", kommentierte der Rotschopf recht nah an seinem Ohr und Ryuuji zog ihn mit einem Lachen so an sich, dass er eins seiner Beine zwischen Alisters Beine schieben konnte. "Zwingt dich ja niemand zum Zusehen", gab er gut gelaunt zurück. Doch, dieser Abend war eindeutig nötig gewesen. Ein Gutteil des Stresses, der ihn niedergedrückt hatte, war jetzt schon von ihm abgefallen. Im Moment fühlte er sich einfach nur gut. Während der nächsten Stunde pendelten Ryuuji und Alister immer wieder zwischen der Tanzfläche und der Nische, in der Valon hockte, hin und her. Nach dem ersten Rumcocktail verlegte Ryuuji sich allerdings auf alkoholfreie Drinks. Zum Einen war er aufgeputscht genug und zum Anderen wollte er am kommenden Nachmittag auf gar keinen Fall mit einem Kater zu kämpfen haben. Das brauchte er definitiv nicht. Je später allerdings der Abend wurde, desto seltener zog es Alister auf die Tanzfläche. Und irgendwann blieb er einfach auf Valons Schoß hocken, so dass Ryuuji den beiden grinsend eine schöne Nacht und viel Spaß wünschte. Wenn die Knutschereien so wie jetzt immer heftiger wurden, dann würde es sicher nicht mehr allzu lange dauern, bis die beiden genug von der Öffentlichkeit hatten und sich nach Hause verkrümelten, um sich da ausgiebig miteinander zu vergnügen. Aber Ryuuji gönnte den beiden ihren Spaß. Er würde sich später eben einfach ein Taxi nehmen, wenn er nach Hause wollte. Allerdings hatte er es damit noch ganz und gar nicht eilig. Noch war die Nacht viel zu jung und er war viel zu gut drauf, um auch nur einen einzigen Gedanken ans Schlafen zu verschwenden. Gut gelaunt den aktuellen Song mitsummend kämpfte Ryuuji sich irgendwann zur Bar durch, um sich selbst etwas zu trinken zu organisieren. Valon war jetzt eindeutig zu beschäftigt, um sich darum zu kümmern. Und er selbst wollte die beiden auf keinen Fall stören, also bestellte er sich ein Wasser, als der Barkeeper ihn endlich ansah, und lehnte sich, sobald er das Glas bekommen hatte, rücklings an die Bar, um die tanzende und feiernde Menge beobachten zu können. Dabei nippte er immer mal wieder an seinem Wasser. Dass er selbst ebenfalls beobachtet wurde, bemerkte er nicht. "Nette Show, die ihr da vorhin geliefert habt." Ryuujis Kopf ruckte herum und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sein Blick auf denjenigen fiel, der ihn gerade angesprochen hatte. Der junge Mann, der halb neben ihm an der Bar stand, war ein Stück größer als er, so dass er ein wenig zu ihm aufblicken musste. Blaue Augen musterten den Schwarzhaarigen äußerst wohlwollend und sobald der Besitzer dieser blauen Augen sich sicher war, dass er seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, fuhr er sich durch die in einem ungewöhnlichen Türkiston gefärbten Haare und grinste ebenfalls. "Reiner Service." Ryuuji genehmigte sich einen weiteren Schluck von seinem Wasser, ohne seinen Gesprächspartner aus den Augen zu lassen. Es war offensichtlich, dass dieser Gefallen an ihm gefunden hatte. Und gegen einen kleinen, harmlosen Flirt war doch auch nichts einzuwenden, nicht wahr? Das war schließlich einer der Gründe dafür, dass er hergekommen war. Es konnte alles so einfach sein, wenn man sich keine Gedanken darum machen musste, ob derjenige, mit dem man sich gerade unterhielt, die gleichen Neigungen hatte oder nicht. "Ali wird immer unglaublich rattig vom Tanzen. Das wird garantiert eine laaaange Nacht für Valon." Noch immer grinste Ryuuji, während sein Gesprächspartner ihm einen kurzen, überraschten Blick zuwarf. "Ich hatte eigentlich gedacht, dass ihr beide …", setzte er an, brach dann jedoch ab und auch auf seine Lippen kehrte das Grinsen zurück. "Aber wenn du nur den Anheizer für die beiden gespielt hast, heißt das dann, dass du heute Nacht noch nichts weiter vorhast?", erkundigte er sich dreist und jetzt war es Ryuuji, der für einen Moment überrumpelt war von so viel Direktheit. "Und wenn es so wäre?", ging er in leichtem Plauderton auf die Frage ein, sobald er sich wieder gefangen hatte. Dabei wandte er sich seinem Gesprächspartner komplett zu, musterte ihn noch mal gründlich von oben bis unten und beschloss dann, alles auf eine Karte zu setzen. Wenn ihm schon noch mehr Ablenkung geboten wurde – eine Art der Ablenkung, die er in Japan so schnell wohl nicht würde bekommen können –, wer war er denn, dieses Angebot einfach auszuschlagen? Zumal sein Gesprächspartner, der sich ihm bisher noch nicht namentlich vorgestellt hatte, auch eindeutig heiß war, das konnte Ryuuji nicht leugnen. Und vielleicht, ging es ihm unwillkürlich durch den Kopf, konnte er ja so all die Gedanken und Gefühle, die er eigentlich weder haben wollte noch haben sollte, endlich loswerden. "Würdest du dich etwa als Alternative anbieten?", wagte er daher einen weiteren Vorstoß und nahm überdeutlich das Aufblitzen von Zufriedenheit in den blauen Augen seines Gegenübers wahr. "Aber sicher doch", bekam er prompt zur Antwort. "Ich bin übrigens Noah", wurde noch hinterhergeschoben und Ryuuji leerte erst einmal in aller Seelenruhe sein Wasserglas und schob es dem Barkeeper zu, ohne seinen Blick von Noah zu lassen. "Duke", erwiderte er die Vorstellung knapp, aber mit einem Unterton, der deutlich machte, dass er dem Angebot ganz und gar nicht abgeneigt war. "Zu dir?" Für einen Augenblick wirkte Noah etwas überrumpelt von der Frage, doch dann schmunzelte er und nickte. "Gerne. Ich wohne ganz in der Nähe", wurde Ryuuji mitgeteilt und diese Information entlockte ihm ein weiteres Grinsen. "Trifft sich gut. Ich nämlich nicht." Und da seine Mitfahrgelegenheit, wie ihm ein kurzer Blick in die Nische, in der sie vorhin gesessen hatten, sagte, bereits über alle Berge war, sprach ja eigentlich nichts dagegen, wenn Noah und er auch so langsam von hier verschwanden. "Dann lass uns abhauen. Es bleibt schließlich nicht ewig Nacht." Mit diesen Worten stieß Ryuuji sich von der Bar ab und machte sich gemeinsam mit Noah auf den Weg nach draußen, nachdem sie beide noch eben ihre Drinks bezahlt hatten. Die im Vergleich zum Clubraum recht kühle Nachtluft klärte Ryuujis Kopf ein wenig, aber er verschwendete dennoch keinen Gedanken daran, einen Rückzieher zu machen. Stattdessen schloss er sich einfach nur Noah an, der, wie Ryuuji schnell feststellte, tatsächlich nicht übertrieben hatte, als er behauptet hatte, er würde ganz in der Nähe wohnen. Am Ende der Straße kramte Noah seinen Schlüssel aus der Tasche, schloss die Haustür eines Mehrfamilienhauses auf und Ryuuji konnte sich ein anerkennendes Pfeifen nicht verkneifen. "Ganz schön praktisch, so nah an der Abendunterhaltung zu wohnen", kommentierte er amüsiert und Noah nickte, ehe er ihn in Richtung des Fahrstuhls lotste. "Spart eine Menge Sprit. Und ich komme nicht in die Verlegenheit, dass ich mein Auto stehen lassen muss, wenn ich was getrunken habe", gab er zurück, aber ehe Ryuuji etwas dazu sagen konnte, fand er sich auch schon in den Aufzug geschoben wieder. Im nächsten Moment drängte Noah ihn gegen die Wand des Fahrstuhls und drückte seine Lippen auf Ryuujis – eine Aktion, die diesen zwar überrumpelte, die ihm aber dennoch ganz und gar nicht unwillkommen war. Es war eindeutig immer wieder verdammt heiß, so unübersehbar gewollt zu werden. Nur am Rande seines Bewusstseins bekam Ryuuji mit, wie Noah ihn unter weiteren Küssen im zweiten Stock aus dem Fahrstuhl hinaus und in seine Wohnung hinein bugsierte. Es ist echt schon viel zu lange her, ging es Ryuuji etwas konfus durch den Kopf. Und das war für den Rest der Nacht der letzte zusammenhängende Gedanke, den Noah aufkommen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)